Protocol of the Session on March 18, 2015

Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:

Gesellschaftliche Teilhabe durch berufliche

Bildung stärken – berufsbildende Schulen

auf dem Weg zur Inklusion unterstützen

Antrag der Fraktionen der SPD und

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 16/4738 –

Inklusion mit Bedacht umsetzen – berufsbildende Schulen konsequent einbinden

Antrag (Alternativantrag) der Fraktion der CDU

Drucksache 16/4764 –

Herr Kollege Heinisch hat das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wenn derzeit Menschen in unserem Land über das Thema Inklusion reden, dann geht es oft um den gemeinsamen Unterricht, um das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Behinderungen, von Kindern mit unterschiedlichen Voraussetzungen.

Der Begriff der Inklusion reicht viel weiter. Es geht um eine umfassende gesellschaftliche Teilhabe. Es geht um das Ziel einer Gesellschaft, in der alle Menschen, unabhängig von ihren jeweiligen Stärken und Schwächen, gleichberechtigt mit dazugehören.

Wenn wir uns auf den Weg zu dem Ziel einer inklusiven Gesellschaft machen, dann bedeutet das viel mehr, als dass Kinder mit unterschiedlichen Voraussetzungen gemeinsam und möglichst wohnortnah in die Schule gehen. Das Ziel muss auch sein, dass es gelingt, mehr Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren. Das sollte das Ziel der entsprechenden schulischen Bildungsangebote mit umfassen.

Meine Damen und Herren, wenn wir über das Thema Inklusion reden, dann kommt es auf die Übergänge aus dem Bereich der schulischen Bildung in den Bereich des Erwerbslebens an. Bei den Übergängen spielen die berufsbildenden Schulen eine wichtige Rolle. Deswegen ist es gut, dass sich die berufsbildenden Schulen bereits seit einiger Zeit auf den Weg gemacht haben, inklusive Angebote zu entwickeln, und zwar gerade für den Förderschwerpunkt Lernen. Das ist ein gutes Ergebnis der BBS-Expertenkommission, die es gab. Sie hat das Ziel

formuliert, mehr individuelle Förderung und inklusiven Unterricht an den einzelnen Schulformen der berufsbildenden Schulen zu verwirklichen.

Es ist auch ein gutes Ergebnis der Schulgesetznovelle, dass dort eine Experimentierklausel zur Erreichung eines inklusiven Schulsystems eingeführt und dort ein besonderer Schwerpunkt auf den Bereich der beruflichen Bildung sowie auf den Bereich der Organisation dieser Übergänge gelegt wurde, die ganz besonders wichtig sind.

Es wird auch darauf ankommen, nicht nur die Systeme weiterzuentwickeln, sondern die einzelnen jungen Menschen bei den Übergängen vom schulischen Bildungssystem ins Erwerbsleben im Blick zu haben, sie intensiv zu beraten, zu unterstützen und zu begleiten.

Deswegen ist es ein erfreulicher Ansatz, dass es immer mehr gelingt, verschiedene Akteure dazu zu bringen, dass sie kooperieren, zum Beispiel in der Expertenkommission durch Akteure von den Lehrerverbänden, von der Bildungsgewerkschaft, aber auch aus dem Wirtschaftsleben, die gemeinsam die Expertenratschläge formuliert haben. Ein spannender Ansatz sind auch die Berufswegekonferenzen, in denen die Bundesagentur für Arbeit, der örtliche Sozialhilfeträger, die jeweilige Schule und weitere beteiligte Akteure zusammenwirken.

Diese Kooperation und Vernetzung gilt aber nicht nur vor Ort, sondern auch auf der politischen Ebene müssen bildungspolitische, wirtschaftspolitische und sozialpolitische Ansätze ineinandergreifen, damit die Inklusion und die Gestaltung guter Umgangsmöglichkeiten gelingen kann. Insofern haben wir mit unserem Antrag viele Punkte formuliert, bei denen schon gute Ansätze erkennbar sind und zu denen vieles vorangebracht wurde, aber bei denen wir auch noch weitere Schritte gehen müssen, um zu schauen, dass wir die berufsbildenden Schulen in Richtung Inklusion weiterentwickeln und fit machen für das Thema Inklusion.

Zum Abschluss möchte ich noch auf den Alternativantrag der Fraktion der CDU eingehen, den wir vorliegen haben. Das Muster kennen wir schon von der CDU, dass sie nicht sagt, sie ist gegen Inklusion, aber dass das alles in Vorbehalte, in diffus formulierte Bedingungen und in Feststellungen, die schwer greifbar sind und die so teilweise gar nicht stimmen, eingezimmert wird, sodass dann doch der Eindruck bleibt, Sie sind nicht dafür, sondern dagegen. Sie finden aber diese Form, das auszudrücken, weil Sie nicht die entsprechende Klarheit schaffen wollen, sondern weil Sie Ängste schüren und von vorhandenen Ängsten profitieren wollen. Das ist nicht richtig.

(Vereinzelt Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ein Beispiel dafür ist die Behauptung, dass sich die berufsbildenden Schulen – ich zitiere – in einem rechtlichen Graubereich bewegen, wenn sie sich in Richtung Inklusion auf den Weg machen. Rechtlicher Graubereich steht in Ihrem Antrag. Das ist eine diffuse Behauptung, aber gegen solche diffusen Behauptungen und Fragen hilft oft ein Blick ins Gesetz. Schauen Sie einmal in das

Schulgesetz. In § 14a steht eindeutig: Die inklusive Beschulung, der inklusive Unterricht ist Auftrag der Schulen aller Schularten.

Es handelt sich also um eine allgemeinpädagogische Aufgabe aller Schulen. Vor diesem Hintergrund frage ich mich, wie man einen rechtlichen Auftrag für alle Schulen – dazu gehören auch die berufsbildenden Schulen – klarer formulieren kann als mit einem solchen Satz. Daher frage ich mich, wo der rechtliche Graubereich ist.

Mit den diffusen Behauptungen, Unterstellungen und den vielen Vorbehalten kommt Ihr Antrag für uns nicht infrage. Wir wollen, dass sich die Schulen in Richtung Inklusion, in Richtung umfassende gesellschaftliche Teilhabe auf den Weg machen.

(Glocke der Präsidentin)

Deswegen soll unser Antrag beschlossen werden. Ihren Antrag werden wir ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat Frau Kollegin Dickes das Wort.

Herr Kollege, ich bin begeistert von der Fachkompetenz.

(Frau Brück, SPD: Was soll das denn?)

Dazu möchte ich aber feststellen, es gibt nach wie vor kein Konzept für die Umsetzung der Inklusion an berufsbildenden Schulen. Das fehlende Konzept soll jetzt mit null Ressourcen an Förderlehrern über eine Experimentierklausel statt mit einer Rechtssicherheit im Schulgesetz umgesetzt werden. Sie wissen sehr wohl – das unterstelle ich einmal –, dass gerade das von den berufsbildenden Schulen intensiv gefordert wurde, nämlich Rechtssicherheit und Ressourcen.

(Beifall der CDU)

Wir stellen weiter fest, dass Sie in Ihrem Antrag, berufsbildende Schulen auf dem Weg zur Inklusion zu unterstützen, von der Existenz von Förder- und Beratungszentren ausgehen, die es überhaupt noch nicht gibt und die keinesfalls auch nur ansatzweise flächendeckend geplant sind.

Ich möchte weiter feststellen, dass sich im ersten Jahr der Umsetzung des neuen Schulgesetzes die Bedingungen an den Schwerpunktschulen, die vorher schon mehr als unbefriedigend waren, noch weiter verschlechtert haben. Wir haben die Zahl der Integrationsschüler in diesem Jahr um 12 % gesteigert. Die Zahl der Förderlehrer an den Schwerpunktschulen ist nur um 6 % ange

stiegen. Das heißt, das Lehrer-Schüler-Verhältnis ist deutlich schlechter geworden.

(Pörksen, SPD: Den Rechnungen von Ihnen glaubt keiner mehr!)

Wir hören immer wieder, dass Förderlehrer von Förderschulen an Schwerpunktschulen abgeordnet werden, aber an den Förderschulen nur durch Regellehrer ersetzt werden. Damit haben wir auch eine Verschlechterung der Qualität an den Förderschulen.

(Zuruf der Abg. Frau Brede-Hoffmann, SPD)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mit Ihrem Antrag unterstützen Sie die berufsbildenden Schulen keineswegs. Sie verbessern die Situation der beeinträchtigten Schüler nicht, sondern Sie fordern nur einfach mehr.

Ihr Antrag ist für uns ein Sammelsurium an Fragen. Sie wollen im Rahmen einer Experimentierklausel gemeinsamen Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Beeinträchtigungen mit dem Ziel der Erlangung der Berufsreife. Bisher hatten wir in der Tat das Ziel Erlangung der Berufsreife im Berufsvorbereitungsjahr. Etwa 30 % der Teilnehmer an diesem Berufsvorbereitungsjahr waren Kinder mit Lernbeeinträchtigungen, die aus Förderschulen und aus Schwerpunktschulen kamen. Sie wollen das jetzt nicht nur auf Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt „Lernen“ ausweiten, sondern auch mit dem Schwerpunkt „Ganzheitliche Entwicklung“. Da stellt sich für uns schon die Frage, ob Sie auch da das Ziel verfolgen, das Sie in Ihrem Antrag verfolgt haben, nämlich die Berufsreife zu erlangen.

Sie gehen in Ihrem Antrag immer wieder darauf ein, dass Förder- und Beratungszentren die berufsbildenden Schulen bei der Umsetzung des gemeinsamen Unterrichts unterstützen. Das ist sicherlich eine wichtige Aufgabe, die wir unterstützen, aber wir wissen auch, dass Förder- und Beratungszentren im Moment noch nicht existieren und für das kommende Schuljahr mit einer ganz kleinen Zahl und keinesfalls mit einer flächendeckenden Einrichtung von Förder- und Beratungszentren gerechnet wird.

(Pörksen, SPD: Das geht wohl kaum! Wenn Sie so weiterreden, erhält Bad Kreuznach keines!)

Da stellt sich schon die Frage, was wir in den Kreisen an den berufsbildenden Schulen machen, in deren Nähe sich kein Förder- und Beratungszentrum befindet. Von welcher Institution soll dort Unterstützung für Schulen kommen, an denen noch nicht einmal Förderlehrer eingesetzt werden sollen?

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

In Ihrem Antrag haben Sie sich auf die bisherigen Modellprojekte als Grundlage für weitere Entwicklungsschritte bezogen. Sie haben unter anderem die berufsbildende Schule in Trier genannt. Das ist sicherlich ein positives Projekt mit einer hervorragenden Personalausstattung. Wir haben dort in der Klasse 12 Schülerinnen und Schüler, davon vier Kinder mit dem Förderschwer

punkt „Ganzheitliche Entwicklung“. Wir haben dort eine sonderpädagogische Fachkraft und zehn Förderlehrerstunden. Das ist eine Ausstattung, mit der man in der Tat arbeiten kann. Sie wissen aber sehr wohl, dass bisher geplant ist, dass es keinerlei Förderlehrer und sonderpädagogisches Fachpersonal an berufsbildenden Schulen geben soll.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Woher wissen Sie das denn?)