Protocol of the Session on February 26, 2015

3. Palliativstationen und Palliativbetten brauchen eine besondere Berücksichtigung bei der Krankenhausplanung.

4. Sterbebegleitung muss als Bestandteil einer ganzheitlichen Pflege in den Einrichtungen angeboten und praktiziert werden. Die spezialisierte ambulante Pflegeversorgung braucht auch Fachkräfte.

(Beifall der CDU)

5. Es braucht eine regionale Bedarfsplanung stationärer Hospize. Netzwerke mit dem ambulanten Bereich müssen entwickelt und in Rheinland-Pfalz auch ausgebaut werden.

6. Wir brauchen – das ist so – mehr Hospizbetten bezogen auf die Einwohnerzahl in Rheinland-Pfalz. Wir liegen in Rheinland-Pfalz unter dem Bundesdurchschnitt.

Lassen Sie mich zu dem letzten Punkt kommen.

7. In 30 bis 40 Jahren wird übrigens auch die Demenzerkrankung enorm zugenommen haben. Aber auch aufgrund des demografischen Wandels werden wir schon viel früher Pflegerinnen und Pfleger brauchen. Deshalb müssen junge Menschen für die Berufsausbildung in dieser Branche im Pflegebereich gewonnen werden. Wir glauben, eine solche konkrete Werbekampagne für Fachkräfte wäre besser gewesen als die jetzige unkonkrete, die mit viel Geld herausgeschossen worden ist.

(Beifall der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Menschen wollen wissen, wie sie sterben können, wie sie sterben dürfen, wenn es denn so weit ist. Sie wollen darauf vertrauen können, dass sie menschlich sterben. Darum ging es in unserer Großen Anfrage. Darum geht es bei der zu führenden Debatte.

Ich möchte gerne im Namen meiner CDULandtagsfraktion allen danken, die sich im ehrenamtlichen und hauptamtlichen Einsatz sehr aufopferungsvoll um Mitmenschen kümmern. Ich selbst bin seit 13 Jahren im Förderverein des ambulanten Hospizdienstes in meiner Heimatregion aktiv. Ich habe sehr großen Respekt und auch Ehrfurcht vor der Kraft und vor der Hilfe von Sterbebegleitungen und von Pflegern. Gerade diese müssen wir wertschätzen. Deshalb ist es wichtig, bevor wir auch über das Thema von aktiver Sterbehilfe oder nicht sprechen, zu schauen, wo wir in Rheinland-Pfalz bei der Palliativersorgung stehen, was wir in der Hospizarbeit und für die Ausbildung von Fachkräften in diesem Bereich tun können.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Anklam-Trapp das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ausdrücklich begrüßt die SPD die Aussprache zur Großen Anfrage „Sterben in Würde“.

Der Landesregierung und der SPD-Fraktion ist es wichtig, ohne Vorbehalte den schwierigen, aber notwendigen Dialog um einen würdevollen und vorbehaltlosen Um

gang der Menschen mit den Themen Sterben, Tod und Trauer zu führen.

Die Fraktionen haben auf Initiative unseres Fraktionsvorsitzenden Alexander Schweitzer der offenen Plenarberatung im März zugestimmt. Übergreifend im Parlament sind wir uns darüber einig, dass wir die öffentliche Diskussion zur Sterbebegleitung gemeinsam führen wollen und müssen. Wir bereiten aus diesem Grund die Orientierungsdebatte im Parlament vor.

Meine Damen und Herren, es gilt, die Möglichkeiten eines würdevollen Sterbens zu transportieren und Ängsten zu begegnen. Gut betreut, möglichst zu Hause, ohne Angst und Schmerz und gut versorgt an Körper, Geist und Seele, wenn es so weit ist, das Leben loszulassen, dort auch sterben zu dürfen, wo man gelebt und gewirkt hat. Das entspricht dem Wunsch der meisten Menschen in unserem Land.

Um diesem Wunsch gerecht zu werden, werden wir weitere Rahmenbedingungen, aber auch Grundeinstellungen bei Menschen verändern müssen. Dies ist unser Auftrag.

Die Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen spricht in diesem Zusammenhang über den Grundsatz der Letztverlässlichkeit. Die Menschen in unserem Land haben ein langes, im Bundesdurchschnitt sogar überdurchschnittlich langes Leben. Bei den Zahlen der Großen Anfrage beziehe ich mich in diesem Fall insbesondere auf das Jahr 2013. Danach gab es in unserem Land 45.532 Trauerfälle zu beklagen. Die meisten Menschen davon – fast 25.000 – sind in ganz hohem Alter, hochbetagt – 80, 90 und viel mehr Jahre –, verstorben.

Als häufigste Todesursache bleibt auf Platz 1 die Erkrankung des Kreislaufsystems, gefolgt von Bildung von Tumoren. Da setzen viele Präventionsangebote in unserem Land an.

Etwa 50 % der Sterbefälle – da haben Sie recht, Frau Kollegin Klöckner – starben 2013 noch im Krankenhaus. Dem Wunsch der Menschen nach ist das noch zu viel. Aber – das haben Sie nicht erwähnt – es ist eine deutliche Tendenz der Umsetzung der Wünsche der Menschen erkennbar. Noch Ende des 20. Jahrhunderts waren es rund 70 % der Menschen, die in Krankenhäusern versorgt, betreut und bis zum Tod begleitet wurden. Damit ist diese Zahl deutlich zurückgegangen.

Meine Damen und Herren, das bedeutet, wir in Rheinland-Pfalz sind auf dem richtigen Weg. Die Instrumente der Landesregierung zeigen Wirkung.

Mit dem Leitmotiv der Landesregierung „ambulant vor stationär“ wird dem erklärten Wunsch der Menschen, zu Hause in Würde sterben zu können, Rechnung getragen.

Meine Damen und Herren, die Versorgung schwerstkranker und sterbender Menschen ist und bleibt dabei vorrangig und ureigene Aufgabe – das möchte ich ausdrücklich hier erwähnen, Frau Klöckner, Sie taten es nicht – von 2.715 Hausärztinnen und Hausärzten in

Rheinland-Pfalz. Hausärzte setzen sich kompetent und mit viel persönlichem Einsatz für ihre Patienten und Patientinnen und deren Familien ein, und das nach einem häufig jahrelangem Betreuungsverhältnis. Dafür gebührt ihnen Anerkennung und Respekt.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Noch eine Anmerkung dazu. Derzeit praktizieren in Rheinland-Pfalz so viele Hausärzte und Hausärztinnen wie nie zuvor. Die Große Anfrage macht deutlich, in keinem Planungsbereich ist nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung eine hausärztliche Unterversorgung festzustellen. Gleichwohl registrieren wir aufmerksam die wachsende Sorge um die Nachfolge für die demografisch bedingt frei werdenden Hausärztepraxen.

(Schweitzer, SPD: So ist das!)

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir noch eine Anmerkung. Nicht jeder sterbende Mensch hat ein langes oder schlimmes Krankenlager vor sich. Nicht jeder sterbender Mensch braucht Palliativmedizin; denn Palliativmedizin ist keine heilende, sondern eine lindernde Therapie. Hier gilt es, schlimme Symptome zu begleiten, Schmerzen, Angst, Atemnot, Übelkeit, Hirndruck, Depression. Dazu besitzen in Rheinland-Pfalz 480 Ärzte die Zusatzbezeichnung Palliativmedizin. Diese teilen sich hälftig auf in stationär und ambulant.

Positiv zu bewerten in der diesbezüglichen Antwort zur Großen Anfrage ist, dass die Fortbildungsangebote zur Palliativmedizin stets ausgebucht sind. Unsere Ärzteschaft zeigt ein großes Interesse.

Meine Damen und Herren, ohne sensible, empatische und hoch qualifizierte Pflege ist die Versorgung nicht möglich. Dazu gehören die Pflegedienste in RheinlandPfalz, die sowohl die pflegerische als auch die hauswirtschaftliche Versorgung von pflegebedürftigen Menschen im häuslichen Umfeld übernehmen. Weiterbildung im Bereich der Pflege wird ebenso großgeschrieben wie im Bereich der Ärzte. Beide Berufsgruppen arbeiten mit ihren Partnern immer in Augenhöhe miteinander, oftmals gemeinsam mit psychologischer und physiotherapeutischer Behandlung.

Ich komme zu den SAPVs. Ich möchte diese Abkürzung ein wenig aufdröseln. Es handelt sich um spezialisierte ambulante palliative Versorgungsnetzwerke. Erst 2011 konnte unter intensiver Moderation des Ministeriums der Rahmenvertrag zwischen den Leistungserbringern und den gesetzlichen Krankenversicherungen ausgehandelt werden. Für diesen speziellen Bereich der Menschen, die diese Versorgung brauchen, wird diese Leistung erbracht. Hier wird ein besonderer Bedarf an Koordination bei zeitlich begrenzter Lebenserwartung der Menschen erfüllt.

Die Erfahrungen mit den SAPV-Teams sind sehr gut. Es stimmt, wir haben derzeit im Land sieben SAPV-Teams. Aber wie im Bund so auch im Land sind die SAPVTeams im Ausbau begriffen. Allgemein ist davon auszugehen, dass nur ein kleiner Teil dieser Menschen ein solches Team braucht. In dem Planungsbereich Rhein

hessen, in dem Sie sich gerade befinden, ist ein SAPVTeam für 250.000 Einwohnerinnen und Einwohner zuständig.

Zu Recht merken die Leistungserbringer kritisch an – das ist der Punkt –, dass die Anlaufkosten, also die Grundkosten für die SAPV-Teams, nicht auskömmlich sind.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Das stimmt!)

Ein weiterer Ausbau von SAPV-Teams für die Versorgungsbereiche ist auch aus unserer Sicht nötig. Aber dazu gehören auch die Fachkräfte.

Meine Damen und Herren, einen kleinen Widerspruch möchte ich zu der Rede von Frau Klöckner zu den Palliativstationen setzen. Hier liegen wir in Rheinland-Pfalz deutlich über dem Durchschnitt mit rund 22 Betten pro 1 Million Einwohner. Wir haben mit 25 Krankenhäusern landesweit die beste Versorgungsdichte. Grundsätzlich stellt jedes Krankenhaus mit somatischer Fachabteilung eine Versorgung dar.

Meine Damen und Herren, zu den Hospizdiensten gab es heute einen bemerkenswerten Artikel in der „Allgemeinen Zeitung“ von Katharina Bruch „Würde bis zum Schluss“, den ich nur jedem empfehlen kann. Die Hospiz- und Palliativberatungsdienste mit 34 ambulanten Einrichtungen kümmern sich in erster Linie nicht um den Erkrankten, sondern um den Menschen selbst, um das vertraute Leben so lange wie möglich weiterführen zu können. Jeder Tag ist ein Gewinn und Ziel.

Ein besonderes Beispiel einer Person, die das trägt und lebt wie kaum eine andere, ist die Vorsitzende der LAG Hospiz Rheinland-Pfalz e. V., Frau Gisela Textor. Hospizdienste arbeiten aus ihrem Selbstverständnis her ehrenamtlich. Sie tun das sehr erfolgreich, auch um die nicht förderfähigen Kosten zu decken. Die nicht förderfähigen Kosten – es wird die hauptamtliche Struktur gefördert – sind die Hinterbliebenen- und Familienberatung und die Netzwerkpflege.

Wir in Rheinland-Pfalz waren übrigens das erste Land mit Hospizen. Deswegen werden 21 der 34 ambulanten Hospizplätze mit 100 % der förderfähigen Kosten abgerechnet.

Meine Damen und Herren, ich komme noch einmal zu der Anfrage. Zu Recht hat das Land im letzten Haushalt die LAG Hospiz mit 130.000 Euro gefördert. Im stationären Ausbau liegt Rheinland-Pfalz bei nur 15 Betten, aber wir haben sechs weitere Einrichtungen in Planung, das ergibt die Große Anfrage. Das ist der richtige Weg.

Meine Damen und Herren, die Große Anfrage der CDU und vor allem die darüber hinausgehenden Ausführungen der Landesregierung geben uns Gelegenheit, ein zunehmend wichtiges Thema offensiv zu erörtern, auf die gesamte und gute Versorgung in unserem Land aufmerksam zu machen, aber auch, um Handlungsfelder der Zukunft zu definieren.

Den betreuenden Ärzten, den Teams aus Pflegefachkräften und Ehrenamtlichen, den spezialisierten ambu

lanten Palliativversorgungsnetzwerken und den Hospizpalliativberatungsdiensten und den Teams gilt der ausdrückliche Dank und die Anerkennung der SPDFraktion.

(Glocke des Präsidenten – Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bitte erlauben Sie mir noch einen Satz.

Meine Damen und Herren, es geht um die Anerkennung des Sterbens als Teil des Lebens mitten in unserer Gesellschaft, würdevoll und mit empatischer Begleitung. Niemand darf allein und zurückgelassen sein. Jede, jeder muss sich gut betreut und versorgt fühlen. Das ist uns ein gemeinsamer Auftrag.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)