Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Abgeordnete! Um nur eines klarzustellen: Es waren die GRÜNEN, die im Ausschuss für Integration, Familie, Kinder und Jugend – zuständig das MIFKJF – die GOLT-Anträge zu diesen beiden Studien überhaupt gestellt haben. Das bedeutet nämlich, dass wir sie nicht totschweigen wollten, dass wir nicht sagen wollten, es ist alles gut, wir brauchen nichts machen. Nein, wir haben das thematisiert. Das ist auch richtig und gut so. Das ist auch das, was letzten Endes dem Fachpersonal hilft.
Wir müssen darüber reden. Es hilft niemandem, grundsätzlich nur zu skandalisieren, aber, wie Frau Brück gerade gesagt hat, keine Lösungen aufzuzeigen. Es wäre hervorragend, wenn wir abgesehen davon, die
Elternbeitragsfreiheit zu kippen, Lösungsvorschläge nicht nur im Land, sondern auch vor Ort und im Bund bekommen würden;
denn hier sind alle gefragt. Das ist eine gesellschaftliche und keine isolierte Aufgabe. Das muss man einfach berücksichtigen.
Wenn in einer Schule die Grippe ausbricht, wird auch da – wir sind gerade tagesaktuell landauf, landab in dieser Situation in ganz Deutschland – die Schule geschlossen. Dann haben 800 oder 1.000 oder 1.200 Kinder keine Schule. Wenn das in der Schule passiert, kann das natürlich auch in der Kita passieren. Wir wissen alle, Kinder bringen vom Kindergarten alles mit nach Hause. Dann ist man auch irgendwann einmal krank. Man bekommt das auch als Eltern mit.
Es reicht nicht, Rechtsansprüche auf der Bundesebene zu verfassen, aber diese dann von der Bundesseite aus nicht finanziell auszustatten. Diese Studien haben sehr deutlich gemacht – die AQUA-Studie ist bis zum Jahr 2014, 2012/2014, erhoben worden –, dass diese Äußerungen des Fachpersonals gerade darauf beruhen, dass durch den Rechtsanspruch für die Einjährigen natürlich ein enormer Bedarf an Fachkräften besteht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben damit die Aktuelle Stunde beendet. Wir gehen in die Mittagspause und treffen uns um 13:15 Uhr wieder. Guten Appetit!
Vierundzwanzigster Tätigkeitsbericht nach § 29 Abs. 2 Landesdatenschutzgesetz – LDSG – für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis 31. Dezember 2013 Besprechung des Berichts des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (Drucksache 16/3569) auf Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/4292 –
Wir haben eine Grundredezeit von 10 Minuten vereinbart. Für die SPD-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Pörksen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Datenschutzbeauftragter! Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit hat im Mai des vergangenen Jahres seinen Tätigkeitsbericht für die Jahre 2012 und 2013 vorgelegt und ist dabei auch auf die ersten Monate von 2014 eingegangen. Es wird Zeit, dass wir den Bericht heute besprechen, bevor der Landesbeauftragte von Bord geht; denn er wird in diesem Jahr pensioniert. Das sieht man ihm nicht an.
Aus Anlass des 40. Jahrestags des Erlasses unseres Landesdatenschutzgesetzes wurde im Herbst des vergangenen Jahres vom Landtagspräsidenten gemeinsam mit dem Landesdatenschutzbeauftragten hier im Plenarsaal eine Jubiläumsveranstaltung durchgeführt, die auf große Resonanz gestoßen ist. Diese Veranstaltung hat das bestätigt, was in seinem Tätigkeitsbericht an vielen Stellen immer wieder angesprochen wird. Gemessen an den Anfangsjahren des Datenschutzes sind die Probleme, mit denen wir heute angesichts der digitalen Revolution zu kämpfen haben, außerordentlich komplex und schwierig, ja, in manchen Teilen womöglich gar nicht mehr lösbar. Jedenfalls fehlt uns bisher der Masterplan. Vielleicht gibt es gar keinen.
Der Landesbeauftragte spricht jedenfalls in seinem Bericht davon, dass sich der Datenschutz in einer tiefen Krise befindet. In der Tat, die Snowden-Enthüllungen, auf die der Tätigkeitsbericht umfassend zu sprechen kommt, haben uns vor Augen geführt, dass staatliche Geheimdienste in der Lage sind, unsere gesamte Internetkommunikation und unser digitales Leben vor allem in den sozialen Netzen zu überwachen und die Freiheit im Netz massiv zu beschränken. Noch nicht einmal die Bundeskanzlerin blieb davon verschont.
Ich stimme dem Datenschutzbeauftragten zu, wenn er in seinem Bericht feststellt, dass die Digitalisierung unserer Gesellschaft und unseres Staats nicht nur sehr viele Chancen mit sich bringt und die Hoffnung auf eine Art digitales Wirtschaftswunder weckt, sondern zugleich die Gefahr einer weitgehenden und umfassenden Überwachung unserer Gesellschaft in sich birgt, die eventuell bereits eingetreten ist.
Dabei geht es im Übrigen nicht nur um die Freiheit des Einzelnen oder die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger, sondern auch um die Datensicherheit vor allem auch bei Wirtschaftsunternehmen. Dies wird immer noch völlig unterschätzt. Das haben bereits die SnowdenEnthüllungen deutlich gemacht. Die NSA-Aktivitäten dienten nicht nur der Bekämpfung von Terrorismus, sondern auch massiver Wirtschaftsspionage, wobei globale Hackerangriffe auf kritische Institutionen und Einrichtungen von Staat und Wirtschaft noch ein zusätzliches fundamentales Problem darstellen.
Wir konnten gestern in einer dpa-Meldung lesen, dass über ein Drittel der Wirtschaftsunternehmen in unserem
Land einen digitalen Angriff entdeckt haben. Über ein Drittel! Da wird das Problem sehr deutlich, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich stimme dem Datenschutzbeauftragten natürlich zu, wenn er in seinem Bericht immer wieder darauf hinweist, dass wir besondere Anstrengungen unternehmen müssen, um die Privatsphäre der Menschen in digitalen Zeiten zu schützen. Sie ist ein Grundrecht.
Als es am Ende des zurückliegenden Jahrhunderts – das ist noch nicht so lange her – aus dem Silicon Valley hieß, ihr habt keine Privatsphäre mehr, vergesst sie endlich, haben wir das nicht so recht ernst genommen. Die Entwicklung ging aber weiter. Heute kommt aus der gleichen Gegend eine andere Botschaft, die lautet: Die Demokratie ist eine veraltete Technologie. Wir werden sie durch eine neue ersetzen. – Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.
Peter Thiel, einer der führenden Köpfe der digitalen Bewegung – mehrfacher Internetmilliardär, was auch sonst –, hat diese Botschaft ganz unverblümt im deutschen Fernsehen verbreitet. Er meint, Wünsche und Vorlieben der Menschen durch Wahlen abzufragen, sei überholt. Das ließe sich durch die Analyse von Daten aus sozialen Netzen viel besser, viel einfacher und viel genauer erledigen. Welch eine Vorstellung! Als wenn Demokratie nur eine Technologie wäre. Ich glaube, wir müssen viel mehr über diese Fragen reden, als wir es bisher tun.
Im Erdgeschoss unseres Hauses können Sie eine Mahnung an unsere jungen Besuchergruppen lesen, die hier auch schon mehrfach zitiert worden ist: „Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf.“ Das gilt sicherlich auch, wenn wir uns die Entwicklung im digitalen Bereich ansehen.
Dieser Satz hat eine ganz neue Bedeutung bekommen. Wir, die verantwortliche Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, müssten uns viel stärker dem Thema widmen.
Ich erinnere an meine Einführungsrede anlässlich der konstituierenden Sitzung. Da habe ich mich mit dem Datenschutz befasst, und nach fast vier Jahren muss ich feststellen: Es ist genau das eingetreten, was ich befürchtet habe. Das Schlimme für mich, der ich mich seit vielen Jahren im Datenschutz bewege, ist, dass man das Gefühl bekommt, die Leute interessiert es immer weniger, als wenn es an ihnen vorbeigeht. Deswegen ist der Satz, der im Foyer steht, so wichtig; denn wenn das so weitergeht, geraten wir in eine Situation, aus der wir so leicht nicht mehr herauskommen werden. Wir sehen die Schwierigkeit allein in Europa, sich auf etwas zu einigen, um der amerikanischen Entwicklung etwas entgegenzusetzen. Die Richtlinie ist immer noch nicht da, und ob sie so kommen wird, wie wir es uns wünschen, das vermag ich nicht zu sehen, weil es auch sehr unterschiedliche Auffassungen über Datenschutz in den europäischen Ländern gibt, in England ganz anders als in Deutschland.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es trifft also zu, dass sich der Datenschutz in einer Krise befindet. Die Wege aus dieser Krise sind im Datenschutzbericht in vielen Varianten dargestellt. Ich will hier nicht im Einzelnen darauf eingehen. Ein wichtiger Punkt, den ich aus dem Datenschutzbericht herausgreifen möchte, war das Bußgeldverfahren mit der Debeka. Das sage ich jetzt nicht, um das darzulegen – das können Sie nachlesen –, sondern dort ist etwas gemacht worden, was man sich so gar nicht vorstellen konnte. Es ist mit der Firmenleitung oder Geschäftsleitung oder Unternehmensleitung – wie Sie es wollen – eine Vereinbarung getroffen worden, dass ein Lehrstuhl an der Uni Mainz eingerichtet wird, der sich mit der Medienkompetenz beschäftigt. Ich denke, das ist eine sehr vernünftige Art und Weise, um ein solches Problem, das bei der Debeka über Jahre auch nicht ernst genommen wurde, dann in vernünftige Bahnen zu leiten und nicht nur ein hohes Bußgeld zu verlangen.
Der Tätigkeitsbericht macht deutlich, dass alle datenschutzrechtlichen und ordnungsrechtlichen Aktionen und aller technischer Fortschritt den Datenschutz am Ende nicht aus seiner Krise holen, wenn die Bürgerinnen und Bürger das Interesse am Datenschutz verlieren. Fast könnte man den Eindruck gewinnen, dass dies mehr und mehr der Fall ist. Jedenfalls sind die Reaktionen auf Datenschutzvorkommnisse mehr als zurückhaltend.
Umso wichtiger wird die vielfältige Bemühung, die der Datenschutzbeauftragte auch im Berichtszeitraum in Sachen Medienkompetenz an den Tag gelegt hat. Ganze Kapitel werden damit gefüllt. Die können Sie im Einzelnen nachlesen. Deswegen brauche ich nicht darauf einzugehen. Der Landesbeauftragte hat der Landesregierung bescheinigt, dass sie in vielen Bereichen Vorreiterrollen einnimmt, was die Frage der Medienkompetenz betrifft. Ich kann das nur bestätigen.
Er hat sehr viel unternommen, um die Medienkompetenz, vor allem von jungen Leuten, zu fördern. Dazu gehören zum einen die Datenschutz-Workshops, die er an den rheinland-pfälzischen Schulen anbietet. Mittlerweile sind es über 2.000 Workshops, bei denen 60.000 Schülerinnen und Schüler erreicht worden sind. Ich glaube, das ist wichtig. Eigentlich muss man bereits in der Kindertagesstätte mit der Information über Datenschutz beginnen, weil bereits die Kinder im Vorschulalter inzwischen mit den modernen Medien umgehen, worüber ich nur staunen kann; denn ich bin ja nicht gerade das Sinnbild von Neuen Medien.
Es ist erstaunlich, wie Kinder heute damit umgehen. Ich glaube, es ist wichtig, bei den Kindern deutlich zu machen, was sie dort tatsächlich betreiben und welche Folgen es für sie haben kann. Das übersehen wir in vielen Fällen leider noch nicht.
Ich möchte drei Dinge aus dem Datenschutzbericht herausgreifen. Der Bericht ist mit 150 Seiten knapp ausgefallen, wie üblich. Die Mahnungen, etwas kürzer zu werden, sind leider verhallt. Es ist aber so viel zu
berichten, dass diese 150 Seiten auch ein Beleg dafür sind, wie eifrig unser Datenschutzbeauftragter mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Werk ist.
Das Bußgeldverfahren Debeka habe ich angesprochen, wobei es erfreulich ist, dass man ein solches Verfahren durch eine einvernehmliche Regelung beenden kann. Große Aufmerksamkeit – das ist ein Datenschutzproblem – hat dieses Autobahnschütze-Verfahren gehabt. Ab 2008 gab es noch an vielen Autobahnen Schüsse auf Pkws und Lkws, und alle Ermittlungsverfahren verliefen im Sand. Über Jahre wurde man der Täter nicht habhaft. Daraufhin hat das Bundeskriminalamt gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft Koblenz an sechs Standorten Videoüberwachungen eingerichtet.
Es sind in den vorigen Monaten 10,5 Millionen Daten pro Monat erfasst worden, eine unglaubliche Masse. Natürlich ist das Datenschutzproblem dann virulent. Es gibt aber keine Rechtsgrundlage dafür, keine, auf die man sich überzeugend berufen kann. Das heißt, der Bund muss sich Gedanken machen, ob er das so weiterlaufen lässt. Denn es könnte durchaus passieren, dass man auf diese Art und Weise einen Täter ermittelt, dann aber feststellt, es war unzulässig, was gemacht wurde, was dann nicht zu einer Bestrafung des Täters führen würde. Ich glaube, das kann keiner wollen.
Der dritte Bereich ist wiederum die Videoüberwachung. Dort haben wir es mit einem neuen Phänomen zu tun. Das sind die Drohnen. Auch darüber macht sich keiner richtig Gedanken. Es gibt inzwischen nach meiner Kenntnis
300.000 Drohnen bestückt mit Kameras allein in Deutschland. Was man damit machen kann, brauche ich Ihnen nicht näher auszuführen. Ich glaube, auch darum müssen wir uns kümmern.