Protocol of the Session on January 29, 2015

Wir haben neben einem entsprechenden Bundesgesetz ein Landesgesetz zur Anerkennung beruflicher Qualifikationen geschaffen, das sich erfolgreich etabliert hat. Ich rufe alle zuständigen Stellen auf, die Flüchtlinge hierbei von Anfang an zu unterstützen. Dieses Gesetz kommt den Menschen zugute; denn es geht um Menschen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, gute Integration braucht gute psychosoziale Versorgung. Viele der Asylsuchenden sind durch Krieg, Gewalt und Verfolgung traumatisiert. Sie haben Schlimmes gesehen und Schlimmes erlebt.

Neben den Landesgeldern, mit denen wir seit Januar 2014 das Medizin-Programm „MEDEUS“ anbieten und so zum Beispiel Kindern und Erwachsenen Schutzimpfungen schon in der Erstaufnahme ermöglichen, haben wir zusätzlich die Aufwendungen für die psychosoziale Versorgung verdoppelt. Wir stellen hier 500.000 Euro zusätzlich zur Verfügung, um die psychosoziale Versorgung von traumatisierten Flüchtlingen zu sichern und auszubauen.

Diese neuen Gelder sichern die bestehenden psychosozialen Zentren im Norden des Landes. Sie sichern auch unsere neu aufgebaute Trauma-Koordinierungsstelle und bauen eine psychosoziale Versorgung im Süden des Landes auf.

Auch an diejenigen, die Migrationsfachdienste für Problemlagen und Unterstützung in Anspruch nehmen wollen, haben wir gedacht. Hierfür nehmen wir noch einmal 500.000 Euro in die Hand und bauen damit die Migrationsberatung im Sinne der Menschen noch intensiver aus; denn es geht um Menschen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, all diese Maßnahmen sind von langer Hand vorbereitet und keinesfalls – wie teilweise zu hören war – mit heißer Nadel gestrickt; denn sie bedurften zum Teil langer Verhandlungen im Vorfeld.

Ich möchte nur zwei Beispiele nennen. Die Konzeptionierung und Platzierung der Sprachkurse im Europäischen Sozialfonds hat etwa zwei Jahre in Anspruch genommen. Zum Projekt „Early Intervention“ liefen bereits seit einem Jahr Gespräche mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will auch etwas zu dem vielfach kritisierten und häufig auch falsch dargestellten Thema der freiwilligen Rückführungen und Abschiebungen sagen. Es ist ausdrücklich kein Widerspruch, freiwillige Rückführungen zu befördern und gleichzeitig da, wo es nötig ist, abzuschieben.

Wir setzen verstärkt auf die freiwillige Rückkehr und haben für unsere Landesinitiative zur freiwilligen Rückkehr jährlich 1,3 Millionen Euro im Haushalt eingestellt. Wir setzen damit die EU-Rückführungsrichtlinie konsequent um, nach der die freiwillige Rückkehr immer einer Abschiebung vorzuziehen ist.

Aber klar ist auch: Da, wo jemand einen ablehnenden Asylbescheid hat und nicht freiwillig ausreist, schieben wir auch ab. Das ist geltendes Recht, und selbstverständlich halten wir uns daran.

Zu Ihrer Information will ich zudem noch einmal darauf hinweisen, dass die Abschiebungen in der Verantwortung der Kommunen und nicht des Landes liegen. Ich will Ihnen dazu ein Beispiel aus dem Jahr 2013 geben: 2013 hatten wir in Rheinland-Pfalz 223 Abschiebungen. Damit lagen wir weit unter dem bundesweiten Vergleich, und darauf sind wir stolz; denn wir hatten gleichzeitig 787 freiwillige Rückreisen. Das lag weit über dem bundesweiten Vergleich. Ich möchte damit vor allen Dingen sagen, die freiwillige Rückkehr ist ein Paradebeispiel für unsere humanitäre Asylpolitik in Rheinland-Pfalz.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU)

Weil sie die Würde des Menschen achtet, ist sie Zwangsmaßnahmen immer vorzuziehen.

Ich appelliere deshalb ausdrücklich an die Opposition, hier keine unnötige Schärfe in die Debatte einzubringen und eine sachliche Diskussion zu führen – auch aus Respekt vor den Flüchtlingen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Flüchtlingsfrage leisten Land, Kommunen und Zivilgesellschaft unglaublich viel. Die Beteiligung des Bundes lässt indes zu wünschen übrig. Der Bund muss erstens die Asylverfahren schneller bearbeiten. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung werden drei Monate als Ziel genannt.

Die durchschnittliche Dauer der Entscheidungen beträgt – ich bin ganz froh, dass wir heute in der Presse die aktuellen Zahlen lesen konnten – für den Dezember 5,7 Monate. Das bedeutet, dass wir im Schnitt nun immerhin von acht Monaten auf sieben Monate gesunken sind. Das ist ein richtiger Schritt in die richtige Richtung.

Dennoch, durch diese verzögerten Abwicklungen der Verfahren und durch den Antragsstau beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge von mittlerweile 160.000 Verfahren entstehen Mehrkosten für die Kommunen und Mehrkosten für das Land.

Es geht hier aber auch um Integration; denn eine schnellere Bearbeitung der Asylverfahren ermöglicht auch eine schnellere Integrationsarbeit. Solange ein Asylsuchender im Verfahren ist, hat er keinen Anspruch auf einen Integrationskurs. Solange hat er keinen Anspruch auf eine reguläre gesundheitliche Versorgung, und er darf erst nach drei Monaten arbeiten, erschwert durch die immer noch bestehende Vorrangprüfung, die erst nach 15 Monaten entfällt. Das muss sich ändern, damit die Flüchtlinge schneller in den Arbeitsmarkt integriert werden können.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Der Bund muss sich außerdem endlich strukturell an den Kosten der Fluchtaufnahme beteiligen und die Länder und die Kommunen dauerhaft entlasten. Die Landesregierung fordert den Bund deshalb weiterhin auf, die Kosten der Unterbringung für die Flüchtlinge als nationale Aufgabe zu begreifen und sich strukturell daran zu beteiligen. Hierfür gäbe es vielfältige Möglichkeiten, etwa, indem sich der Bund an den Kosten der Sozialleistungen für Asylsuchende beteiligt, wie bei anderen Sozialhilfeempfängern auch, oder, indem der Bund nach drei Monaten die Kosten bis zum Erlass eines Erstbescheides übernimmt.

Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir brauchen auf Bundesebene ein Einwanderungsgesetz. Wir brauchen gezielte Einwanderung. Nur so halten wir die wirtschaftliche Dynamik in Deutschland und in Rheinland-Pfalz. Schon jetzt leiden einzelne Branchen und Regionen unter einem Fachkräftemangel. Wir müssen diesem Mangel offensiv begegnen – dazu gehört untrennbar die Einwanderung. Der Bund ist hier aufgefordert zu handeln. Wenn der Bund nicht handelt, werden wir auf jeden Fall im Bundesrat aktiv. Wir haben bereits gestern im Landtag ausführlich darüber gesprochen.

Für die Flüchtlinge ist es dabei vor allem wichtig, dass sie eine Möglichkeit bekommen, ihren Status zu wechseln. Und es ist wichtig, dass die Vorrangprüfung für sie sofort entfällt.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht um Menschen. Ob Land, Kommunen, Verbände, Vereine, Kirchen, Unternehmen oder Einzelpersonen, die sich engagieren, alle haben das gleiche Ziel: das Wohl der Flüchtlinge.

Seitdem wir Flüchtlinge aufnehmen, führen wir regelmäßig Gespräche mit allen Akteuren. Ich habe in den letzten Wochen zur Kenntnis genommen, dass der Gesprächsbedarf nach wie vor sehr hoch ist. Die Landesregierung trägt diesem Bedarf Rechnung, indem sie alle bereits laufenden Kommunikationsprozesse bündelt.

(Baldauf, CDU: Schnellmerker! – Weitere Zurufe von der CDU)

Der unserem Land bereits bewährte „Pakt für RheinlandPfalz“ führt hierbei alle Prozesse zusammen und wird in eine Flüchtlingskonferenz münden, die wir derzeit vorbereiten.

Zusammen – Bund, Land, Kommunen und Zivilgesellschaft – können wir es schaffen. Jetzt ist es an der Zeit zu helfen und zu handeln.

Lassen Sie uns die großen Herausforderungen der Fluchtaufnahme gemeinsam angehen.

Lassen Sie uns das Potenzial und die Chancen dieser Zuwanderung nutzen.

Lassen Sie uns gemeinsam unsere humanitären Verpflichtungen erfüllen.

Es geht nur gemeinsam.

Und es geht um Menschen.

Vielen Dank.

(Anhaltend Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die Fraktion der CDU hat Frau Abgeordnete Klöckner das Wort. Wir haben eine Grundredezeit von 20 Minuten vereinbart, also 30 Minuten für die CDU. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, Frau Ministerpräsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! 51,2 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. 16,7 Millionen von ihnen gelten nach völkerrechtlicher Definition als Flüchtlinge. Laut OECD kamen 2012 rund 400.000 dauerhafte Migranten.

Die Flüchtlingszahlen sind merklich gestiegen. Die Ministerin hat es eben erwähnt. In Rheinland-Pfalz haben sich die Zahlen 2014 gegenüber 2013 praktisch verdoppelt. Das sind Zahlen. Dahinter stecken Menschen und Schicksale.

Das sind Menschen, die ihre Heimat verlassen. Man muss sich vorstellen, Wurzeln zu verlassen und sich ungewiss auf den Weg zu machen. Man ist auf der Flucht, verliert Angehörige. Hab und Gut zu verlieren ist dann wohl noch das Geringste. Aber sie lassen geliebte Menschen zurück und kommen in die Ungewissheit. Sie sind in Not. Menschen, die in Not geraten sind, verdienen unsere Hilfe, und zwar schnell und unkompliziert.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SPD)

Gründe dafür, warum Menschen auf der Flucht sind, gibt es viele. Das gilt auch für die direkte Nachbarschaft zu Europa. Libyen steht an der Schwelle zu einem Bürgerkrieg und verliert zunehmend an staatlicher Souveränität. Syrien versinkt seit Jahren in einem blutigen Bürgerkrieg. Im Irak tobt ein Machtkampf um die Vorherrschaft im Staat. Hinzu tritt seit einigen Monaten das grausame Wüten des Islamischen Staates, dem vor allem religiöse Minderheiten wie die orientalischen Christen und Jesiden sowie gemäßigte Muslime zum Opfer fallen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will eines vorweg sagen. Die beste Flüchtlingspolitik ist die, die den Grund der Flucht überflüssig macht, ist die Hilfe, die Perspektiven in den Heimatländern der Flüchtlinge ermöglicht.

(Beifall der CDU)

Das ist nicht nur eine deutsche, eine europäische, sondern eine weltweite Aufgabe. Das kann natürlich Rheinland-Pfalz nicht stemmen.

Aber auf jeder Ebene muss jeder seine Hausaufgaben bestmöglich bewältigen. Klar ist aber auch: Mit den derzeit bestehenden Strukturen kann man den enormen Anstieg der Asylbewerber nicht mehr sinnvoll bewältigen.

Was wir aber stemmen können und müssen, ist die akute Hilfe, ist Mitmenschlichkeit, ist die nachhaltige Integration in unsere Gesellschaft. Die Bereitschaft dazu ist vielfach da. Jetzt müssen aber auch die Rahmenbedingungen vor Ort bei den Kommunen, den Ehrenamtlichen und den vielen, die in den Kirchen und Wohlfahrtsverbänden helfen, stimmen.

Ich möchte mich so, wie es die Ministerin getan hat, bei all denjenigen bedanken, die unabhängig der Parteifarbe, des Glaubens, ihrer gesellschaftlichen Verortung einfach vor Ort anpacken und helfen, weil sie berührt sind und berührt werden.