Lassen Sie mich dabei zunächst einmal feststellen, dass Prostitution keine Randerscheinung unserer Gesellschaft ist. Schätzungsweise – ich weiß, man muss bei solchen Zahlen immer sehr vorsichtig sein, denn es gibt eine hohe Dunkelziffer, genaue Schätzungen sind sehr schwierig, weshalb die Zahlen sehr volatil sind – arbeiten etwa 20.000 Prostituierte in Rheinland-Pfalz.
Sie arbeiten in bordellähnlichen Betrieben, in Laufhäusern, auf dem Straßenstrich, in Terminwohnungen als Selbstständige oder im Escort-Service. Dabei wäre es ebenso fahrlässig, von d e n Prostituierten zu sprechen.
Es gibt solche, die sich aus freien Stücken dazu entschlossen haben, seit Jahren in diesem Beruf arbeiten und ihre Familie damit ernähren. Es gibt junge Studentinnen, die sich ihr Studium durch stundenweise Arbeit als Prostituierte finanzieren. Es gibt solche, die aufgrund völlig falscher Vorstellungen als Prostituierte begonnen haben und nun aufgrund finanzieller Probleme oder Suchtproblematiken große Schwierigkeiten haben, den Ausstieg zu schaffen.
Es gibt einen großen Anteil an ausstiegswilligen Prostituierten, die bei allen potenziellen zukünftigen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern auf massive Vorbehalte stoßen. Ja, es gibt auch diejenigen, die gegen ihren Willen als Prostituierte arbeiten und von Zuhältern, Bekannten oder sogar eigenen Familienmitgliedern zur Prostitution gezwungen werden.
Meine Damen und Herren, wir sind es diesen Frauen schuldig, zwischen frei gewählter Erwerbstätigkeit auf der einen Seite und dem Verbrechen der Zwangsprostitution und des Menschenhandels auf der anderen Seite genau zu differenzieren.
Es gibt auch nicht d i e Freier. Es gibt den Familienvater, den Witwer, den Professor, den Arbeitslosen, den Menschen mit Behinderung, der sein Recht auf Sexualität ausleben möchte. Ebenso vielfältig sind auch die unterschiedlichen Forderungen, die sich aus der Anhörung ergeben haben. Vieles befindet sich im vorliegenden rot-grünen Antrag. Ich möchte mich daher auf die zentralen Punkte beschränken.
Der Einstieg in die Prostitution fiel vielen Frauen leicht, doch der Ausstieg aus der Prostitution ist ungeheuer schwer. Viele ausstiegswillige Prostituierte befinden sich in einem Teufelskreis; denn sie wohnen dort, wo sie ihre Freier empfangen. Sie brauchen daher dringend eine Notunterkunft, um sich außerhalb des Milieus ein neues Leben aufbauen zu können. Eine Wohnung, eine Perspektive auf eine andere Arbeit oder eine Ausbildung und vor allen Dingen eine gute Beratung und Begleitung in dieser Phase sind sehr wichtig, damit die ausstiegswilligen Frauen den Absprung auch wirklich schaffen.
Damit die Informationen über Anlauf- und Beratungsstellen für Frauen zugänglich und verständlich sind, fordern wir in unserem Antrag ebenfalls, dass es mehrsprachige Flyer gibt, gerade auch für die aufsuchende Arbeit mit den Prostituierten.
Darüber hinaus wollen wir die unterschiedlichen Akteurinnen und Akteure in den Beratungsstellen, bei der Polizei, bei den Behörden, beim Gesundheitsamt und in der sozialen Arbeit stärker als bisher miteinander vernetzen. Wir wollen runde Tische vor Ort in den Kommunen initiieren. Das ist ein Punkt, den uns die Anzuhören
Meine Damen und Herren, viele Prostituierte kommen aus Osteuropa, aus Bulgarien und aus Rumänien. Gerade diese Frauen stehen unter einem massiven finanziellen Druck. Sie verschweigen ihren Familien zum Teil in der Heimat ihre wahre Tätigkeit, oder sie wurden von diesen sogar dazu gezwungen. Bei diesen Frauen ist die Rückkehr in die Heimat ein Weg in eine perspektivlose Zukunft. Sie sind dort isoliert und ausgegrenzt und haben keine Möglichkeit, auf ein Netzwerk oder ein Hilfenetz zurückzugreifen, das sie empfängt.
Wir waren in der vergangenen Woche mit dem Innenausschuss und dem Rechtsausschuss in Rumänien und Bulgarien und konnten uns vor Ort auch zu diesem Thema in Gesprächen ein Bild von der Situation machen. Deswegen ist es ganz wichtig, dass diese Frauen nicht in diese Länder zurückkehren müssen, ganz im Gegenteil, dass sie die Möglichkeit haben, auch ihre Kinder nach Deutschland nachziehen lassen zu können.
Die gesundheitliche Situation von Prostituierten ist ein weiterer Aspekt, der in unserem Antrag aufgegriffen wird. Sie ist zum Teil in höchstem Maße alarmierend: Geschlechtskrankheiten, Schmerzen, Entzündungen, Schwangerschaften, Abtreibungen, von den psychischen Folgen einmal ganz abgesehen – oftmals kombiniert mit der Tatsache, dass die Frau nicht krankenversichert sind.
Gestatten Sie mir, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, in diesem Zusammenhang nur eine Anmerkung zu Ihrem vorliegenden Antrag. Sie fordern darin eine Kondompflicht. Ich denke, das kann man auch in den Kontext der gesundheitlichen Vorsorge setzen.
Wir sind uns sicherlich alle einig, dass es wichtig und wünschenswert wäre, wenn alle Prostituierten und vor allem, wenn alle Freier auf ein Kondom drängen und das auch verwenden würden, immerhin ein sehr sicherer Schutz vor Infektionen, Krankheiten und Schwangerschaften. Meine Damen und Herren, das Ziel eint uns. Aber bei dem Weg dorthin bin ich dezidiert aus folgendem Grund anderer Meinung:
Ich habe wirklich lange gegrübelt, ob mir eine Pflicht einfällt, deren Einhaltung schwieriger zu überprüfen wäre als eine Kondompflicht. Es fällt mir wirklich keine Pflicht ein. Ich bin durchaus lernfähig, Frau Kohnle-Gros. Vielleicht können Sie mir gleich eindrucksvoll schildern, wie diese Pflicht in der Realität kontrolliert werden kann. Ich kann es mir einfach nicht vorstellen, dass wir an dieser Stelle mit einer Kondompflicht weiterkommen.
Die Frauen, die in der Prostitution arbeiten, haben ein Recht darauf, nicht tabuisiert oder ausgeblendet zu werden. Sie sind ein Teil unserer Gesellschaft und verdienen den Schutz, die Fürsorge und auch die Akzeptanz unserer Gesellschaft. Wir sollten uns sachlich und ohne moralische Schubladen oder Scheuklappen auf den Weg machen, die Situation dieser Frauen zu verbessern. Ich hoffe dafür auf eine breite Unterstützung für den vorliegenden Antrag.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf als Gäste Mitglieder des Fördervereins „Runder Turm“ e.V. Andernach begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!
Vielen Dank. Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Frau Ministerin Alt! Ich möchte die Geschichte etwas anders anfangen. Vor gut einem Jahr haben wir als CDU-Fraktion im Ausschuss einen Antrag nach § 76 unserer Geschäftsordnung gestellt und haben das Beispiel einer neuen Beratungsstelle in Mannheim hinterfragt, die sich Amalie nennt und von der Diakonie getragen ist.
Wir wollten wissen, wie die Landesregierung diese Einrichtung sieht, wie sie die wissenschaftliche Begleitung durch die Universität Heidelberg sieht und welche korrespondierenden Einrichtungen es in Rheinland-Pfalz zu diesem Thema gibt. Wir wollten wissen, wie die Situation dort aussieht, was die Landesregierung weiß, was sie in Zukunft zu tun gedenkt und wie sie die Situation insgesamt einschätzt.
Meine Damen und Herren, ich glaube, ich kann für uns alle, die wir im Ausschuss sind, Männer und Frauen, sagen, wir waren ein Stück weit entsetzt über die Antworten, die die Landesregierung bereit war, im Ausschuss zu diesen Themen zu geben.
Das hat dann spontan dazu geführt, dass wir uns durch Zuruf darauf verständigt haben, diesem Themenkomplex insgesamt noch einmal nachzugehen. Wir haben dann den Präsidenten gebeten, uns die Erlaubnis zu geben, eine gemeinsame Anhörung durchzuführen. So kam es dazu, dass diese Anhörung stattgefunden hat. Jetzt sehen Sie auch das Ergebnis in zwei Anträgen.
Ich möchte ausdrücklich sagen, dass die beiden Kolleginnen geschildert haben, welche Ergebnisse die Anhörung gebracht hat. Sie haben aus ihrer Sicht als SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Konsequenzen gezogen, genauso wie wir das als CDU getan haben.
Weil ich gerade das Ministerium angesprochen habe, möchte ich auch darauf hinweisen, dass offensichtlich der Erkenntnisgewinn beim Ministerium immer noch nicht groß vorhanden ist. Heute berichtet der SWR – zufällig oder weil wir hierüber diskutieren – über eine eigene Anfrage bzw. eine eigene Recherche. Die Überschrift lautet – ich habe dies gerade online gesehen –: „Zahlen sind Ministerium offenbar unbekannt“. Wie viele
Frauen dem Gewerbe nachgehen, weiß das Frauenministerium nicht. Dabei sind die Zahlen offen zugänglich. „Nach SWR-Recherchen haben im vergangenen Jahr rund 3.300 Prostituierte eine tägliche Pauschalsteuer gezahlt.“ Für den Prostituierten-Hilfsverein SOLWODI ist das mehr als unverständlich. Dies ist ein wörtliches Zitat einer Mitarbeiterin. Weiter heißt es, dass das Ministerium noch nicht einmal weiß, wie viel Prostituierte es im Land gibt. Wie will man ernsthaft helfen, wenn man sich nicht mit den Hintergründen beschäftigt?
Nur so könnten dann auch extra Anlaufstellen – die Gesundheitsvorsorge wurde eben schon angespro- chen – entsprechend ausgestattet werden.
Meine Damen und Herren, Rot-Grün hat die 20.000 auch noch einmal in ihren Antrag hineingeschrieben. Ich glaube, dass das Ministerium jetzt wirklich einmal zur Kenntnis nehmen sollte, was wir uns durch die Anhörung erarbeitet haben, was wir an Informationen gewonnen haben, und dass man dann auch einmal bereit ist, die „grüne“ Brille – was weiß ich – abzuziehen und über dieses Thema offen zu reden, so in etwa, wie Frau Spiegel das eben getan hat.
Es gilt nämlich, die Probleme, so wie sie sich tatsächlich darstellen und wie wir das auch gelernt haben, dass sie sich auch in Rheinland-Pfalz darstellen, beim Namen zu nennen und dann zu Entscheidungen zu kommen, wie wir hier tatsächlich helfen könnten.
Meine Damen und Herren, ich glaube, dass wir helfen müssen, hat sich inzwischen bei allen Menschen, auch bei denen, die sich nicht jeden Tag mit Politik beschäftigen, herumgesprochen.
Deswegen verstehen wir nicht, warum das Frauenministerium hier immer noch sehr restriktiv vorgeht. Damit diese theoretische Betrachtung ein bisschen konkret wird, darf ich jetzt einen Artikel aus der „Rhein-Zeitung“ von Anfang des Jahres nehmen. Da geht es um die Stadt Trier. Alle, die sich dem Thema etwas genähert haben, wissen, dass das Saarland und auch die Region Trier die größten Probleme haben, weil in Frankreich augenblicklich über die Bestrafung der Freier – sprich über das Verbot der Prostitution – heftig diskutiert wird. Die Nationalversammlung hat das Gesetz schon verabschiedet. Der Senat sperrt sich noch ein bisschen, aber wahrscheinlich wird das dort jetzt kommen.
Das heißt natürlich, dass wir in Deutschland jetzt mit neuen „Kunden“ in diesem Geschäft rechnen müssen, und nicht nur mit „Kunden“, sondern natürlich auch mit denen, die die „Ware“ Mensch in entsprechenden Gebäuden und Einrichtungen liefern, die heftig daran arbeiten. Wir hatten das übrigens auch bei der Fußballweltmeisterschaft hier in Rheinland-Pfalz, als die Rockerbanden in Kaiserslautern sehr frühzeitig die entsprechenden Wohnungen angekauft oder angemietet haben, um dieses Gewerbe hier betreiben zu können.
Dieser Artikel befasst sich mit dem Rotlichtmilieu in Trier. Dort heißt es, dass die Stadt Trier genug Rotlichtmilieu hat – meint die Stadtverwaltung – und die Ansiedlung weiterer Bordelle deswegen verhindern will. Der Ordnungsdezernent sagt: Es reicht, wir haben genug Betriebe für eine Stadt von 100.000 Einwohnern. Zuletzt habe die Zahl der Bordelle und einschlägigen Häuser zugenommen.
Es ist auch dort nicht wirklich bekannt, wie viele Prostituierte in Trier ihre Dienste anbieten. Sie wird auch ein Stück weit geschätzt. Ich komme noch einmal darauf zurück, wie wir auch da abhelfen können. Trier wird wegen der Nähe zu Frankreich und Luxemburg stark von Freiern aus diesen Ländern besucht, weiß Florence Humbert von der Frauenrechtsorganisation TERRE DES FEMMES in Trier. Der Grund: In Luxemburg und Frankreich sind Bordelle verboten. – Sie sagt wörtlich: Deutschland ist ein Paradies für Zuhälter und Freier. – Ihrer Ansicht nach ist die Zahl der Prostituierten in Trier tatsächlich viel höher als vermutet. Um sie besser kontrollieren zu können, müssen sie dem Gewerberecht unterstellt werden, fordert wiederum der Ordnungsdezernent. Dann müssten sich Prostituierte anmelden und Betriebe bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Er sagt, wir haben in Deutschland bei der Ausübung von Berufen so viele Vorschriften, nicht aber bei der Prostitution.
Seit Oktober 2012 erhebt Trier eine Sexsteuer, und die Kommune arbeitet an einem neuen Konzept zur Prostitution. Es geht vor allem um eine Höchstzahlverordnung bei den Bordellen und um eine Veränderung beim Sperrbezirk. Das hat uns auch Frau Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer am Samstag auf dem Landestag der Frauen-Union noch einmal dargestellt, dass auch in Saarbrücken, wo das gleiche Problem vielleicht noch in verschärfter Form aufgetreten ist, nicht alle 100 Straßen, sondern nur noch fünf oder drei als Sperrbezirk zugänglich sein sollen.
Meine Damen und Herren, die aktuelle Situation ist mit den 20.000 Prostituierten in der Bandbreite, wie sie eben schon dargestellt worden ist, wie sie auch in unserem Antrag beschrieben ist, meines Erachtens wirklich gut benannt. Wir haben eben die genannten Probleme. Ich darf ein Stück weit auch auf unseren Antrag und auf den Antrag der Regierungsfraktionen verweisen, was die Schilderung der Herkunftsländer, der Sprachprobleme, der Gesundheitsprobleme und anderer aufklärender Probleme angeht.
Ich habe heute Morgen im Zusammenhang mit der Schwangerschaftsberatung schon gesagt, dass die Kürzungen bei den Schwangerschaftsberatungsstellen genau in die falsche Richtung laufen, wenn man jetzt
sieht, dass man mehr Flüchtlinge hat, aber auch in der Prostitution hohe Bedarfe hat und in allen Beratungsstellen – die Schuldnerberatung wurde noch einmal genannt und so weiter – wirklich hohe Bedarfe hat, um den Menschen in ganz konkreten Lebenssituationen zu helfen. Das gilt auch in diesem Bereich.
Das hat mir übrigens am Montagabend auch noch einmal der Vertreter der Diakonie extra mit ans Herz gelegt.