Protocol of the Session on August 18, 2011

Herr Präsident, liebe Gäste, liebe Kolleginnen und Kollegen! Hier ist mehrfach die Frage gefallen, was das alles mit Rheinland-Pfalz zu tun hat. Vielleicht verschaffe ich Ihnen einfach einen Einblick in die Veranstaltung, die ich heute Morgen eröffnen durfte. Das war das Forum Außenwirtschaft: eine Art Messe, die Kontaktmöglichkeiten bietet, und zwar nicht nur der Industrie- und Handelskammern und der Auslandshandelskammer, der Handwerkskammern und der vielen Netzwerker, sondern vielmehr auch der Landesvertretungen, vieler, die mit uns Außenhandel betreiben. Darunter sind auch einige gute Partner aus den Ländern, die jetzt in die Europäische Union hineinwollen und erste Kontakte mit uns suchen. Vertreten waren Serbien, BosnienHerzegowina und viele andere mehr. Wir hatten auch andere Gäste, die nicht aus Europa kamen.

Das hat auch gezeigt, welche Bedeutung der Export und das Importgeschäft für Rheinland-Pfalz haben. Deswegen ist natürlich auch eine starke Währung von Bedeutung. Allein 44 % unseres Exports werden innerhalb Europas gehandelt. Das ist sehr viel. Wir müssen bedenken, dass die Hälfte der Betriebe in Rheinland-Pfalz im Exportgeschäft ist, Im- und Exportgeschäfte fast die Hälfte unseres gesamten Geschäftes ausmachen und wir in Rheinland-Pfalz eine enorme Dynamik in diesem Bereich haben. Diese Dynamik hat nicht nur im letzten Jahr – 2010 – zugenommen, sondern sie lag auch in diesem Jahr wieder über dem Bundesdurchschnitt. Das hat also eine ganze Menge mit Rheinland-Pfalz zu tun.

Aber ich kann Ihnen Folgendes schildern: Es waren rund 250 Unternehmen anwesend. Ich habe einen Standrundgang gemacht und mit sehr vielen gesprochen. Die Unternehmerinnen und Unternehmer wissen sehr wohl, welche Grenzen es für die Wirtschaftspolitik gibt. Die klassische Wirtschaftspolitik bestand immer aus drei Säulen: Die eine Säule war die Geldmengenpolitik. Die machen wir heute nicht mehr selbst; seit wir den Euro haben, hat sich das verlagert und ist nicht mehr an die nationale Politik gekoppelt. Die zweite Säule war die Zinspolitik: Zinsen rauf und Zinsen runter. – Auch das sind Instrumente, die über den europäischen Raum stark zusammengezogen sind. Die dritte Säule ist die Fiskalpolitik. Das ist das, was wir hier machen. Dabei geht es um die Frage – die richtet sich auch an die Schülerinnen und Schüler –, wie viel Geld der Staat für bestimmte Leistungen, die er einkauft, ausgibt.

Hier sehen wir, wo die Grenzen liegen. Wir haben in diesem Jahr eine Staatsschuldenkrise; der Kollege hat das eben zutreffend ausgeführt. Im Gegensatz dazu hatten wir im Jahr 2008 eine starke Krise, was das Vertrauen in die Banken betraf. Das sind zwei unterschiedliche Dinge. Eine Krise bei dem Vertrauen, das unsere Händlerinnen und Händler sowie unsere Produzenten in die Banken haben, ist etwas anderes als eine Krise bei dem Vertrauen in die Staatengemeinschaft und in die Fähigkeit der Politiker.

Ich möchte noch einmal auf das von Kurt Beck skizzierte Bild eingehen: Ich sehe Angela Merkel als Krankenschwester und Herrn Sarkozy als Sanitäter neben einem Patienten stehen, der kurz vor dem Ableben ist. Sie beide wissen nicht so recht, welche Medizin sie ihm verabreichen sollen. Wir haben gesehen, dass ein Tropf angelegt wird. Aber ich glaube, wir müssen uns sehr große Sorgen darüber machen, welche Medizin über diesem Tropf gegeben wird. Eurobonds machen da nur einen ganz kleinen Teil aus; denn – das ist an die Mitglieder der Fraktion der CDU gerichtet; ich hoffe, Sie hören zu – Eurobonds gibt es nämlich eigentlich schon. Diese Art von Anleihen gibt es im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus, der sich „Finanzstabilisierungsfazilität“ nennt. Das sind Staatsanleihen, die aufgekauft werden. Dieses Instrument gibt es also schon. Man muss sich fragen, ob all das vor dem Hintergrund, dass die üblichen Mechanismen, mit denen wir Wirtschaftspolitik betreiben, nicht mehr funktionieren, hinreichend angewendet wird.

Ich sage Ihnen, es gibt nur einen Ausweg. Frau Klöckner, da Sie eine solch überzeugte Europäerin sind, hoffe

ich doch, dass Sie das Sprichwort „Einer guten Idee ist es egal, wer sie gehabt hat“, vielleicht dazu bewegen wird, von problematischen Zitaten Abstand zu nehmen und mit uns daran zu arbeiten, dass wir eine europäische Wirtschaftsregierung erhalten, die sich auch so nennen kann. Es reicht nicht aus, wenn sich Angela Merkel alle sechs Monate mit Herrn Sarkozy treffen will, um dann mit ihm über die Staatsverschuldung und die Harmonisierung in der Steuerpolitik zu sprechen. Da ist viel mehr erforderlich. Vor allen Dingen bedarf es noch viel stärker der demokratischen Instrumente; denn eine Wirtschaftsregierung muss demokratisch abgesichert sein.

Genau das ist das Aufgabenfeld, auf dem ich momentan noch sehr viel Arbeit vor uns liegen sehe: Wir, nämlich wir in diesem Landtag und die Regierung, müssen demokratisch darauf hinarbeiten. Darauf – das kann ich Ihnen aufgrund meines Eindrucks vom Forum Außenwirtschaft heute Morgen übermitteln – vertrauen nämlich die Unternehmerinnen und Unternehmer. Sie verdienen ihr Geld damit, dass sie Produkte herstellen, die einen tatsächlichen Mehrwert haben. Produkte mit diesem Mehrwert lassen sich gut in der Welt verkaufen. Im Moment sind es vor allen Dingen Umweltgüter, und es gibt für Technologien im Zusammenhang mit den erneuerbaren Energien einen sich völlig neu entwickelnden Markt. Da tut sich wirklich eine Tür auf. Da haben wir eine Kompetenz, und da schaffen wir einen richtigen Mehrwert. Außerdem stärken wir unsere Binnenlandkonjunktur damit, und das ist ein weiterer Baustein, auf den wir setzen sollten. Unsere Binnenlandkonjunktur lässt im Moment nach.

Aber wir, die Landesregierung, haben mit unserer Koalitionsvereinbarung bereits gezeigt, dass wir das Vorhandensein dieser Märkte erkannt haben. Wir haben gesagt: Wir brauchen eine Energiepolitik in diesem Land, die uns befähigt, von Preisschwankungen unabhängig zu werden. – Das ist genau das, was wir erleben, wenn die Rohstoffe knapp werden und wenn uns das Öl ausgeht. Dann werden wir Preise haben, die von den Unternehmerinnen und Unternehmern nicht mehr zu bezahlen sind. Deswegen haben auch sie eine Motivation, in diese neuen Bereiche hineinzugehen. Da wird Mehrwert geschaffen, und daran müssen wir arbeiten. Das stärkt nicht nur uns selbst, sondern das bietet auch Lösungen für die Probleme der Welt an, und es ist zudem Friedenspolitik. Daran müssen wir weiter arbeiten.

Danke.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Sie haben nun noch 15 Minuten Redezeit pro Fraktion zur Verfügung. Das teilt sich in drei fünfminütige Redebeiträge pro Fraktion auf.

Herr Weiland spricht für die Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach der Einführung des Euro vor mehr als einem Jahrzehnt und nach Abschluss des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, der für uns Deutsche seinerzeit die Voraussetzung für die Zustimmung zur Einführung des Euro war, steht die Europäische Union vor großen Herausforderungen. Aber auch angesichts dieser großen Herausforderungen und der weitverbreiteten Nervosität und Hektik, mit der darauf reagiert wird, muss man, glaube ich, einige Sachverhalte noch einmal ganz klar ansprechen.

Wir haben trotz aller Herausforderungen – die sind nicht gerade klein – keine Krise der Europäischen Union. Wir haben auch keine Krise des Euro. Der Euro ist stabil, und er wird nach wie vor international hoch bewertet. Die Inflation im Euroraum ist überschaubar niedrig. Als verantwortungsvolle Politiker sollten wir angesichts der Probleme, die wir zweifellos haben, auch nicht mehr Krisen herbeireden, als wir tatsächlich haben

(Beifall der CDU)

Wir haben es mit einer existenziellen Schuldenkrise einzelner Staaten im Euroraum zu tun.

Jetzt laufen manche Leute durch die Gegend und erwecken den Eindruck, als brauche es nur des starken Mannes oder der starken Frau, des starken Bundeskanzlers oder der starken Bundeskanzlerin, die mit einem Schlag den Gordischen Knoten der ganzen Probleme, die vor uns liegen, durchschlagen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ich kann nur sagen, das ist eine sehr deutsche Sicht der Dinge, aber eine Sicht der Dinge, die der Wirklichkeit in keinem Fall gerecht wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es sind die unterwegs, die so tun und den Eindruck erwecken, als gäbe es für das Problem, das vor uns steht, das ein sehr komplexes Problem ist, nämlich ein Problem der nationalstaatlichen Ebene auf der einen Seite und ein Problem einer bereits vollzogenen, aber noch nicht vollendeten europäischen Einigung auf der anderen Seite, einfache Lösungen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Es gibt das Allheilmittel zur Lösung dieser Probleme nicht. Es gibt nicht die Instantlösung so nach dem Tütensuppenmuster: Tütchen uff, Wasser druff, fertig. – Meine sehr geehrten Damen und Herren, das geht hier nicht.

Herr Ministerpräsident, das Bild mit dem Patienten und den Ärzten, die um ihn herumstehen, das Sie eben gebraucht haben, hat mir sehr gut gefallen. Das Bild ist wirklich weiterführend. Aber jetzt frage ich einmal: Wenn Sie von den unterschiedlichen Ärzten unterschiedliche Therapievorschläge bekommen, und Sie haben Ärzte, die schlagen Ihnen vor, ich habe das Allheilmittel, wenn du dieses Allheilmittel nimmst, sind alle Probleme weg, und Sie haben auf der anderen Seite Ärzte, die sagen,

dieses Problem ist für mich neuartig, wir müssen uns an die Lösung dieses Problems, an eine richtige Therapie Schritt für Schritt sozusagen in der Stückwerktechnologie, die Sie in Ihrem Antrag, der gleich auf der Tagesordnung steht, ablehnen, herantasten, wem glauben Sie dann? – Dem, der das Allheilmittel für teures Geld verkauft, wie manche Fernsehpfarrer das tun, oder demjenigen, der sagt, wir müssen solide die Ursachen beschreiben, die Ursachen analysieren und aus dieser präzisen Ursachenanalyse heraus die richtigen Maßnahmen treffen?

(Beifall der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nichts anderes machen die Bundeskanzlerin und die Bundesregierung.

Herr Ministerpräsident, Ihnen braucht doch in diesem Hause wirklich niemand zu erklären, wie Politik funktioniert.

(Ramsauer, SPD: Wirklich nicht! – Glocke des Präsidenten)

Deshalb frage ich mich – Herr Präsident, ich komme zum Schluss –, wieso Sie den Eindruck erwecken, als gäbe es für das Problem, über das wir reden, einfache Lösungen.

(Ministerpräsident Beck: Das habe ich weiß Gott nicht getan!)

Ich werde darauf zurückkommen. Ich habe nicht unbegrenzte Redezeit wie Sie.

(Beifall der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Man könnte sich auch einmal darüber unterhalten, was das für ein Umgang mit der Opposition ist, wenn in einer Aktuellen Stunde

(Glocke des Präsidenten)

der Finanzminister, der Ministerpräsident und die Wirtschaftsministerin reden, meine Damen und Herren.

(Beifall der CDU – Frau Klöckner, CDU: Sehr gut!)

Herr Dr. Weiland, das ist die Geschäftsordnung des Landtags, die die CDU mit beschlossen hat. Die kann man natürlich ändern. Die kann man aber nicht hier ändern, sondern über eine Debatte und Anträge im Ältestenrat.

(Zurufe aus dem Hause)

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Ich sehe eine Wortmeldung von Herrn Steinbach.

(Zurufe aus dem Hause)

Herr Weiland, es tut mir jetzt leid. Das geht nicht.

(Frau Klöckner, CDU: Das ist die Geschäftsordnung!)

Frau Klöckner, ich glaube, Sie kennen die Geschäftsordnung noch nicht auswendig. Das muss ich deutlich sagen.

Herr Steinbach hatte sich gemeldet. Deshalb ist Herr Steinbach jetzt als nächster Redner für das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an der Reihe. Wenn es sonst keine Wortmeldungen aus der SPD gibt, dann ist als nächster Herr Dr. Weiland an der Reihe. Die Redezeit beläuft sich auf jeweils fünf Minuten.

Liebe Gäste, sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Abseits der geäußerten Geschäftsordnungsfrage, wann sich wo wie die Regierung zu Wort meldet,

(Unruhe im Hause)

ist das eine Debatte, die man durchaus führen kann. Führen Sie sie aber doch bitte in dem Ausschuss, der sich mit der Geschäftsordnung auseinandersetzt, und überlagern Sie damit nicht die jetzige Debatte und vermeiden Sie damit den Eindruck, dass Sie inhaltlich dazu nicht so wahnsinnig viel beizutragen haben.

(Bracht, CDU: Das werden wir auch noch tun! – Weitere Zurufe von der CDU)

Ich möchte sehr gerne darauf eingehen, was die Vertreter der Regierung gesagt haben. Ich bin dem Ministerpräsidenten und der Staatsministerin äußerst dankbar für das, was sie gesagt, an Ausführungen und Klarstellungen gemacht und geleistet haben, weil nicht zuletzt – – –

(Billen, CDU: Sie haben Frau Lemke vergessen!)

Staatsministerin habe ich gesagt, Herr Billen. Ohren reinigen hilft manchmal.