Protocol of the Session on August 18, 2011

(Glocke der Präsidentin)

Sie hätten das nicht gekonnt.

(Beifall der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun noch einmal Herr Kollege Steinbach das Wort.

Frau Klöckner, Ihr Versuch, sich hier als Heilige Johanna des Sparvermögens des deutschen Steuerbürgers aufzuspielen, endete in einem gnadenlosen Eiertanz.

(Frau Klöckner, CDU: Julia, nicht Johanna! Sie sind aber nicht der Romeo hier!)

In einem Punkt möchte ich Ihnen recht geben: Ich fand die Rede unseres Finanzministers auch ziemlich gut. Ich finde sie deutlich besser, analytischer und substantiierter als vieles von dem, was ich aus Berlin höre. Ich finde, das ist schon einmal ein ganz guter Eingang.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich war noch nicht ganz zu Ende gekommen, deshalb will ich den Gedanken noch einmal aufgreifen. Sie hatten das eingefordert: Was können wir hier in RheinlandPfalz tun? Ja, da sind wir inhaltlich durchaus beieinan

der, glaube ich, nämlich zu sagen, wir müssen das Maß an Staatsverschuldung auf eine nachhaltige und tragfähige Basis stellen. Deshalb hat diese Koalition auch vereinbart, dieses Problem als oberstes Leitziel auszugeben und daran heranzugehen, meine Damen und Herren.

Da warte ich immer noch auf substanzielle Beiträge von der rechten Seite des Hauses. Ich habe sie bislang nicht gehört.

(Billen, CDU: Von Ihnen habe ich auch noch nichts gehört!)

Zu diesem Umfeld gehört auch, dass wir uns einer gerechten Steuerpolitik verpflichtet fühlen und die Einnahmenseite dieser Haushalte nicht weiter schwächen wollen.

Meine Damen und Herren, in diesem Umfeld sind die noch gar nicht so lange her gewesenen Steuersenkungsdebatten, die wir auch aus Berlin vernommen haben, geradezu eine groteske Idee, um die Frage nachhaltiger Haushalte tatsächlich sicherzustellen. Das hat etwas mit diesem Land und mit Ihrer Verantwortung zu tun. Darüber dürfen wir gerne reden.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Wir müssen auch bei der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung dieses Landes auf Nachhaltigkeit setzen, das heißt, nicht auf spekulative Blasen, das heißt, nicht auf kurzfristige Entwicklungen, sondern wir müssen an morgen denken. Wir müssen den technischen Wandel einleiten und begleiten. Genau das ist das, wozu sich diese Landesregierung verpflichtet hat. Das ist genau das, was diese Wirtschaftsministerin und dieser Finanzminister unterstützen. Darum ist es genau die richtige Antwort, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die Landesregierung hat nun Herr Ministerpräsident Kurt Beck das Wort.

(Frau Klöckner, CDU: Er hätte besser einmal zur Justizreform geredet!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Ministerpräsident entscheidet immer noch selbst, wozu er redet. Liebe, verehrte Frau Klöckner, das ist mir obliegend, und wann Sie reden, ist Ihnen obliegend. Ich wollte es Ihnen nur sagen.

(Zurufe von der CDU)

Der Justizminister hat das Notwendige dazu gesagt, und ich möchte versuchen, zu dem jetzigen Thema etwas zu

sagen. Frau Ministerin Lemke wird auch noch zu einigen wirtschaftspolitischen Bezügen etwas sagen.

Ich hätte es für unvorstellbar gehalten, wenn in einer Situation, in der einen die Menschen, wo man auch immer hinkommt, mit ihren Sorgen ansprechen und in der Mittelständler uns fragen, wie wir die Dinge einschätzen, und ob sie nun, obwohl sie ein gutes Geschäft haben, notwendige Investitionen tätigen sollten oder nicht, eine Plenarsitzung des rheinland-pfälzischen Landtags stattfindet, in der nicht über diese Fragen gesprochen worden wäre. Ich kann mir auch schwer vorstellen – dies ist von der Union kritisiert worden –, dass kein Interesse daran besteht, wie die rheinlandpfälzische Landesregierung sich zu positionieren versucht – das ist kein leichter Meinungsbildungsprozess –, um ihren Beitrag zu leisten, wenn sie im Deutschen Bundesrat und in den Ausschüssen gefordert ist. Sie wissen, die Mitglieder der Landesregierung tragen nicht nur rheinland-pfälzische Verantwortung, sondern sie sind in unserem Zwei-Kammer-System über den Bundesrat immer auch für bundespolitische Angelegenheiten verantwortlich.

Ich denke, deshalb sollte ein Interesse daran bestehen, dass wir uns – ja, ich möchte es so formulieren – an Antworten heranzutasten versuchen; denn es gibt ohne Frage bei dieser Herausforderung nach meiner Überzeugung niemals die Antwort, die allein richtig ist, und alle anderen sind falsch. Ein Blick darüber, was uns die Wissenschaft an unterschiedlichen Ansätzen dazu liefert, bestätigt mich in dieser Feststellung.

Sie müssen heute nur die Wirtschaftspresse lesen, dann werden Sie ganz unterschiedliche Empfehlungen und Debatten finden. In der „Süddeutschen Zeitung“ beispielsweise ist eine spannende Diskussion zwischen Herrn Otte und Herrn Bofinger nachzulesen, wirtschaftswissenschaftlich mit Sicherheit sehr ernst zu nehmende Persönlichkeiten. Ich habe auch mit Interesse im „Handelsblatt“ gelesen, was Herr Merz dazu in einem Namensartikel veröffentlicht hat. Ich sehe also überhaupt nicht, weshalb im Plenum eine rechthaberische Diskussion geführt werden sollte. Ich sehe aber sehr wohl, dass wir die Verantwortung haben, uns mit diesen Fragen auseinanderzusetzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, natürlich spielen dabei Dinge eine Rolle, die man sehr gründlich analysieren könnte und analysieren müsste. Wo sind wir mit einer Wirtschaftsordnung hingekommen, in der offensichtlich fast alle Mittel weltweit rechtens sind? – Wie ist es in einer Wirtschaftsordnung möglich, auf Wertpapiere zu spekulieren, die einem nicht gehören, die man sich leiht? – In einem freien Finanzmarkt ist es geradezu gewünscht, Papiere zu erwerben und damit Geld in Unternehmen zu investieren, die besonders gute Forschungsanstrengungen betreiben oder die in Weiterbildung und Fortbildung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer investieren, bei denen also zu erwarten ist, dass durch positive Beiträge, durch neue Entwicklungen oder neue Produkte Gewinn zu erzielen ist.

(Vizepräsident Dr. Braun übernimmt den Vorsitz)

Gegen eine solche Spekulation auf Erfolg, auf Kriterien, die werthaltig sind, ist doch überhaupt nichts einzuwenden.

Aber bei sogenannten Leerverkäufen – Herr Finanzminister Dr. Kühl ist in seiner Rede darauf eingegangen – wird doch darauf spekuliert, dass solche Papiere innerhalb einer bestimmten Frist einen möglichst großen Wertverlust erleiden, um über Rückkaufmodelle noch Gewinn zu erzielen. Ich finde, in einer Wirtschaftsordnung, in der so etwas möglich ist, müssen sehr viele und sehr grundlegende Fragen gestellt werden. Dies geht aber aktuell über unsere derzeitige Debatte hinaus. Es ist also eine wirtschaftsethische Debatte oder, wenn man so will, eine Wertedebatte zu führen. Dennoch wäre es zu kurz gesprungen, wenn man diese Dinge nicht auch im Auge behalten würde.

Natürlich ist es mehr als zu hinterfragen, ob wir uns auf Dauer als europäische Volkswirtschaften innerhalb und über die Europäische Gemeinschaft hinaus einer Handvoll amerikanischer Rating-Agenturen und deren Urteil unterwerfen wollen, und zwar nicht, weil ich die Kriterien außer Kraft gesetzt sehen möchte, die ein stabiles und verantwortliches Verhalten messen und widerspiegeln, sondern weil wir wissen, dass zwischen der amerikanischen Volkswirtschaft und den europäischen Volkswirtschaften deutliche Unterschiede bestehen, gerade in der Gewichtigkeit von mittelständischen Unternehmen und Familienunternehmen, die Gott sei Dank in Deutschland, bei uns in Rheinland-Pfalz und auch in weiten Teilen Europas eine viel größere Rolle spielen als in der amerikanischen Volkswirtschaft.

(Beifall der SPD)

Meine Damen und Herren, dies ist auch zu hinterfragen, weil wir wissen, dass diese Rating-Agenturen sich am Markt ihr Geld verdienen müssen – das ist nichts Unschickliches –, aber dass sie natürlich auch Geschäftsbeziehungen mit Banken insbesondere in den USA haben (Billen, CDU: Oder in der Schweiz!)

oder anderswo, aber insbesondere in den USA –, die sie mit bewerten. Die Frage, welche Bank oder welche Volkswirtschaft man mit AAA bewertet und welche man schlechter bewertet, hat auch etwas damit zu tun, wie man Relationen bewertet, wie man beispielsweise eine amerikanische Volkswirtschaft bewertet, die nach einem sehr mühsamen Prozess davon Gebrauch machen musste, die verfassungsgemäße Gesamtverschuldungshöhe nach oben zu korrigieren und dennoch noch bis vor wenigen Wochen von all diesen Agenturen mit AAA bewertet wurde.

Ich möchte dies heute nicht kritisieren, das ist nicht mein Punkt. Ich will nur deutlich machen, dass es doch unser gemeinsames Interesse sein muss, diesem System einen unseren volkswirtschaftlichen Vorstellungen in Europa entsprechenden eigenen Bewertungsmaßstab hinzuzufügen. Ich möchte in diesem Kontext gar nicht von „entgegensetzen“ sprechen; denn dies wird man erst sehen, wenn die Bewertungen vorliegen.

(Billen, CDU: Ja!)

Lieber Herr Billen, Sie sagen jetzt Ja. Ich sage einmal ganz bescheiden, ich habe schon in meiner Position als Parteivorsitzender und auch in Zeiten der Großen Koalition darum gekämpft, dass wir uns die Kraft nehmen, eine europäische Rating-Agentur zu schaffen. Dies ist letztendlich daran gescheitert, dass man – zumindest vordergründig – die Befürchtung hatte, man müsse europaweit Geld in einer Größenordnung von bis zu 100 Millionen Euro in die Hand nehmen, um ein solches Institut zu schaffen. Ich habe das damals vorgeschlagen, aber es ist leider nicht umgesetzt worden.

Die Tatsache, dass wir nun zum Spielball von zumindest nicht völlig interessenfreien Bewertungen werden, muss doch eine Rolle spielen. Es muss uns auch eigentlich beschäftigen, dass zwischenzeitlich ganze Volkswirtschaften, die sich selbst angreifbar gemacht haben – zum Beispiel Griechenland –, von einer solchen Fremdbewertung abhängig sind und dass aufgrund solcher Bewertungen landläufig – verkündet über Fernsehen, Hörfunk und über die Presse – deren Staatsanleihen und deren Wertpapiere als Schrottwert eingestuft werden.

Das betrifft jede Bürgerin und jeden Bürger auch dieses Landes Rheinland-Pfalz, weil am Ende – egal, welchen Weg wir wählen – diese Abwertungen zumindest einmal abgesichert werden müssen. Dass diese Absicherungen auch etwas mit dem Zinsniveau zu tun haben, bis hin zur Wertigkeit der Papiere der „kleinen Leute“, also der Lebensversicherungen und ihrer Ertragssituation, kann man doch nicht außen vor lassen. Darüber müssen wir doch auch hier in diesem Parlament reden.

(Dr. Weiland, CDU: Was machen wir denn jetzt dagegen? Eurobonds oder was?)

Als ich bin jetzt gerade – – –

(Zuruf des Abg. Dr. Weiland, CDU)

Lassen Sie mich doch auch einmal einen Gedanken zu Ende bringen, lieber Herr Kollege.

(Dr. Weiland, CDU: Dass Sie das Problem beschrei- ben, ist unkritisch! Die Vorschläge brauchen wir! Frau Klöckner, CDU: Regierungserklärung!)

Lieber Herr Kollege Weiland, ich habe eben einen ersten Punkt genannt, und der bezieht sich darauf – – –

(Dr. Weiland, CDU: Leerverkäufe sind in Deutschland verboten! Weitere Zurufe von der CDU)

Ich habe beliebig viel Redezeit, aber ich wäre dankbar, wenn hinterher nicht gesagt wird, der redet ewig lange, weil der Kollege Dr. Weiland offensichtlich nicht die Geduld hat, wenigstens einen Moment mal zuzuhören.

Frau Klöckner, dass Sie darüber in einer Situation lachen können,

(Frau Klöckner, CDU: Ich habe überhaupt nicht darüber gelacht!)

bei der wir vor einer der wirklich größten Finanzkrise dieser Welt mit katastrophalen Auswirkungen stehen könnten,

(Zurufe der Abg. Frau Klöckner, CDU – Bracht, CDU: Unverschämtheit!)