Protocol of the Session on September 24, 2014

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ziel des Gesetzentwurfs der Landesregierung ist es – – –

(Weitere Unruhe im Hause – Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, Sie werden alle von diesem Gesetz berührt werden können. Ich bitte Sie daher zuzuhören.

Ich will es noch einmal wiederholen: Ziel des Gesetzentwurfs der Landesregierung ist es, die Bestimmungen im Landeswahlgesetz über die Wahlkreiseinteilung fortzuentwickeln. Dies ist insbesondere im Hinblick auf Bevölkerungsentwicklung und auch kommunale Gebietsänderungen notwendig, aber auch wegen den bestehenden verfassungsrechtlichen Erfordernissen.

(Vizepräsidentin Frau Klamm übernimmt den Vorsitz)

Zunächst soll für die Landtagswahl 2016 die Wahlkreiseinteilung so geändert werden, dass kein Wahlkreis mit seiner Bevölkerungszahl mehr als 25 v. H. von der durchschnittlichen Bevölkerungszahl aller Wahlkreise abweicht.

Der Gesetzentwurf greift damit eine Anregung im Wahlkreisbericht der Landesregierung auf. Dabei werden in dem vorgelegten Entwurf alle im Zuge der Kommunal- und Verwaltungsreform bereits in Kraft getretenen Gebietsänderungen, soweit sie Auswirkungen auf die Wahlkreisgrenzen oder die Wahlkreisbeschreibungen haben, berücksichtigt.

Ferner sieht der Gesetzentwurf vor, dass mit Beginn der nächsten Wahlperiode des Landtags die erwähnte Toleranzgrenze von 25 v. H. als absolute Obergrenze im Landeswahlgesetz festgeschrieben und die Bemessungsgrundlage für die Wahlkreisgröße von der deutschen Wohnbevölkerung auf die Anzahl der Stimmberechtigten umgestellt wird.

Die Landesregierung ist dankbar dafür, dass nach Vorlage des Wahlkreisberichts der Wissenschaftliche Dienst des Landtags um eine verfassungsrechtliche Bewertung gebeten wurde und er sich der Einschätzung der Landesregierung angeschlossen hat, dass die gegenwärtige absolute Toleranzgrenze von 33 ⅓ v. H. auf 25 v. H. abgesenkt werden sollte.

Ebenso hilfreich ist es, dass der Wissenschaftliche Dienst auch die Wahlkreisänderungen begrüßt, die sich aus der Kommunal- und Verwaltungsreform bisher ergeben haben.

Die vom Wissenschaftlichen Dienst vorgeschlagene Umstellung der Bemessungsgrundlage für die Wahlkreisgröße auf die Anzahl der Stimmberechtigten ist verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten, aus Gründen der Rechtssicherheit jedoch sinnvoll und wird deshalb im Gesetzentwurf ebenfalls berücksichtigt.

Die Landesregierung hat sich bei der Erarbeitung ihrer Vorschläge zur Fortentwicklung der Wahlkreiseinteilung an folgenden Grundsätzen orientiert:

1. Die Zahl der Wahlkreise in den vier Bezirken soll deren Bevölkerungsanteil soweit wie möglich entsprechen.

2. Die Bevölkerungszahl eines Wahlkreises soll von der durchschnittlichen Bevölkerungszahl aller Wahlkreise um nicht mehr als 25 v. H. nach oben oder unten abweichen.

3. Jeder Wahlkreis soll ein zusammenhängendes Gebiet bilden.

4. Die politischen Grenzen der Gemeinden, Städte, Verbandsgemeinden und Landkreise sollen nach Möglichkeit eingehalten werden.

5. Geschichtliche, kulturelle, wirtschaftliche und sonstige Verflechtungen sollen beachtet werden.

Ferner hat die Landesregierung berücksichtigt, dass die durch die Wahlkreisstimme geknüpfte engere persönliche Beziehung der oder des Wahlkreisabgeordneten zu dem Wahlkreis einer gewissen Kontinuität bedarf.

Dem Prinzip der demokratischen Repräsentation liefe es zuwider, wenn Wahlkreise häufig räumlich verändert würden. Ich darf an dieser Stelle aber schon darauf hinweisen, dass mit wenigen Ausnahmen unsere Wahlkreise seit ihrer Bildung im Jahre 1989 unverändert geblieben sind.

Allerdings lassen sich diese Grundsätze und Gesichtspunkte in ihrer Gesamtheit nicht vollkommen verwirklichen. Insbesondere die hier angestrebte Absenkung der Bevölkerungstoleranzgrenze für Wahlkreisabweichungen, die unterschiedliche Bevölkerungsentwicklung in Teilen unseres Landes sowie die im Zuge der Kommunal- und Verwaltungsreform mit Wirkung zum 1. Juli 2014 vorgenommene Zusammenlegung von Gemeinden und Verbandsgemeinden sind Maßgaben, die mit anderen Grundsätzen nicht immer völlig in Einklang zu bringen sind.

Die Landesregierung ist sich bewusst, dass ihre Vorschläge zur Änderung einzelner Wahlkreise zumindest teilweise umstritten sind. Allerdings zeichnet sich die von uns vorgeschlagene Wahlkreiseinteilung dadurch aus, dass unter weitgehender Beachtung der vorerwähnten Grundsätze nur relativ wenige kommunale Gebiete einem anderen Wahlkreis zugeordnet werden. Von den

Änderungen sind lediglich neun Verbandsgemeinden sowie drei Stadtteile betroffen. Die Landesregierung hat jeden Einzelfall sorgfältig geprüft und abgewogen.

Zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung sind von kommunaler Seite einige Stellungnahmen eingegangen. Der CDU-Landesverband Rheinland-Pfalz hat eine Stellungnahme abgegeben, die auch Alternativen zu den Änderungsvorschlägen der Landesregierung aufzeigt. Alle Stellungnahmen sind in dem Gesetzentwurf zusammengefasst dargestellt und bewertet. SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben den Gesetzentwurf befürwortet.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben, wie Sie im Gesetzentwurf nachvollziehen können, eine meines Erachtens sehr ausgewogene Wahlkreisstruktur vorgelegt und die Veränderungen auf das absolut Notwendige beschränkt. Auf Anregung aus dem parlamentarischen Raum haben wir in der Begründung des Gesetzes Alternativen zum Bezirk 4 vorgelegt, die so rechtlich noch zulässig wären.

Allerdings halte ich es mit Blick auf die praktische Durchführung der Wahl und der Identifikation der Bevölkerung mit ihrem Wahlkreis bzw. ihrem Wahlkreisabgeordneten für sehr schwierig, die Neubildung der Verbandsgemeinden nicht nachzuvollziehen, sondern hier die alten Wahlkreisgrenzen bestehen zu lassen. Aus gutem Grund haben wir in der Vergangenheit die Grenzen der Verbandsgemeinden in den Wahlkreisen beachtet. Aber ich will ausdrücklich betonen, rechtlich wäre eine Zweiteilung einer fusionierten Verbandsgemeinde möglich. Damit liegt die Entscheidung im parlamentarischen Raum.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im weiteren Gesetzgebungsverfahren wird es sicher noch einige Diskussionen über die Details der vorgesehenen Änderungen des Landeswahlgesetzes geben. Die Landesregierung ist offen für alle Vorschläge, die dazu beitragen, das seit Jahrzehnten bewährte Landtagswahlrecht im Einvernehmen fortzuentwickeln. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen den Fraktionen auch derzeit zur Verfügung.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Herr Kollege Bracht hat sich zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten heute in erster Lesung über die Änderung des Landeswahlgesetzes. Hierbei geht es zunächst um die Anpassung der Landtagswahlkreise entsprechend den Vorgaben des geltenden Wahlgesetzes. Dieses sieht eine Pflicht zur Anpassung der Wahl

kreise vor, wenn die durchschnittliche Wohnbevölkerung in einem Wahlkreis um mehr als 33 ⅓ v. H. vom Durchschnitt abweicht. Insofern muss lediglich ein Wahlkreis jetzt zwingend geändert werden. Das ist der Wahlkreis 28, Mainz II, der mit 34,5 v. H. vom Durchschnitt nach oben abweicht.

Neben dieser eindeutigen Notwendigkeit kommen nach den Vorgaben des Wahlkreisberichts weitere Anpassungsbedürfnisse hinzu. Es sind dies insbesondere die Erkenntnis, dass es ein vor dem Verfassungsgericht rechtssicheres Gesetz sein soll, und die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Bundeswahlrecht, dass eine maximale Abweichung von durchschnittlich plus/minus 25 v. H. der Wohnbevölkerung der Wahlkreise voneinander bestehen darf. Jedenfalls sind 33 ⅓ v. H. zu viel.

Ferner ist der Umstand zu nennen, dass fusionierte Verbandsgemeinden eigentlich auch einem Wahlkreis angehören sollten. Ferner gibt es die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, dass statt der deutschen Wohnbevölkerung die Zahl der Wahlberechtigten ein konkretes Kriterium für die Bemessungsgröße der Wahlkreise ist.

Obwohl der Landesregierung die Informationen hierüber sehr lange vorliegen, obwohl klar ist, dass so eine weitgehende Wahlgesetz- und damit Wahlkreisänderung viel Zeit und Diskussionen der Basis erfordert, hat sie nicht nur, was angemessen gewesen wäre, den Wahlkreisbericht nicht schon vor der Ausschlussfrist vom November 2013 abgegeben, noch nicht einmal zum spätest vorgegebenen Termin, sondern noch zwei Monate später. Damit ist die Landesregierung verantwortlich für eine nur begrenzt zur Verfügung stehende Beratungszeit. Das Gesetz bzw. die Wahlkreisänderung muss spätestens Ende Oktober verabschiedet sein.

Hinzu kommt ein im Frühjahr beauftragtes und vorgelegtes Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes, in dem aufbauend auf dem Wahlkreisbericht dargelegt wird, dass die sofortige Umstellung auf eine Toleranzschwelle von 25 v. H. und von der Wohnbevölkerung auf die Wahlberechtigten zwar nicht zwingend ist, um ein verfassungsrechtlich sicheres Landeswahlgesetz und damit am Ende verfassungssichere Wahlen zu haben, in jedem Fall aber unbedingt zu empfehlen ist.

In den Beratungen zwischen den Fraktionen haben sich diese dann zumindest mehrheitlich dazu durchgerungen, beide Veränderungen mit den entsprechenden Konsequenzen für die Wahlkreise anzustreben. Dies wurde allerdings wesentlich dadurch erschwert, dass lange Zeit von alten Bevölkerungszahlen ausgegangen wurde und erst seit wenigen Wochen von neueren Bevölkerungs- und darauf aufbauend von Wahlberechtigtenzahlen ausgegangen werden kann. Wir hätten uns hier eine frühere Überlassung seitens der Regierung gewünscht.

Der Wahlkreisbericht beinhaltete Wahlkreisveränderungsvorschläge auf der Basis alter Zahlen. Das gilt ebenfalls für den Referentenentwurf vom Sommer. Erst der Regierungsentwurf, der uns letzte Woche zuging, basiert auf neueren Bevölkerungszahlen, bringt aber erhebliches Durcheinander in die Diskussion, weil er

zunächst Bevölkerungszahlen, ab 2016 aber Wahlberechtigtenzahlen zur Grundlage macht. Auch hier kein konsistentes Verhalten bei den Regierungsvorschlägen. Das erschwert die Beratung.

Hinzu kommt, dass bei den Entscheidungen zur Wahlkreisbildung vom Verfassungsgericht weitere Maßstäbe Berücksichtigung finden müssen. Darunter fallen die Gebote, dass zum Beispiel jeder Wahlkreis ein zusammengehörendes, abgerundetes Ganzes bilden muss, die historisch verwurzelten Verwaltungsgrenzen nach Möglichkeit eingehalten werden sollten, die räumliche Gestalt eines Wahlkreises einer Kontinuität bedarf und ausgeschlossen werden muss, dass Wahlkreise von politischen Mehrheiten mit dem Ziel des Erhalts der eigenen Mehrheit gebildet werden.

Das sind hehre Maßstäbe, die sicher nie alle zusammen zu 100 % zu erreichen sind, die aber immer neben der Toleranzschwelle zur Sicherung des Gleichgewichts der Wahlstimmen beim Neuzuschnitt Beachtung finden müssen. Dass dies bei großen Veränderungen unter Zeitdruck große Schwierigkeiten bereitet, dürfte jedem klar sein. Dennoch wollen wir es angehen.

Ich komme kurz zu den bisherigen Lösungsvorschlägen. Die Regierung hat Vorschläge gemacht. Die Fraktionen beraten derzeit über die Vorschläge und über Alternativen dazu. Ich will an dieser Stelle heute sagen: Die bisherigen Vorschläge sind für uns allerdings weitgehend nicht akzeptabel.

Ein großes Problem besteht dabei unter anderem darin, dass bei fast allen Vorschlägen der Regierung und der Regierungsfraktionen Verbandsgemeinden historisch verwurzelte Verwaltungsgrenzen, sprich Kreise, verlassen müssten. Das ist im Westerwald mit der Verbandsgemeinde Rennerod so. Das betrifft die Verbandsgemeinde Höhr-Grenzhausen. Das betrifft in der Pfalz die Verbandsgemeinde Hettenleidelheim wie auch die Verbandsgemeinde Annweiler.

Zudem werden Verbandsgemeinden Wahlkreisen zugeordnet, zu denen auch territorial kaum Bezüge bestehen. Wir stellen fest, dass Verbandsgemeinden anderen Wahlkreisen zugeordnet werden, ohne dass dem Gesetzgeber Alternativen vorgelegt werden. Teilweise haben wir den Eindruck, dass Vorschläge weit mehr dem Ziel des Machterhalts dienen als den objektiv vorgegebenen Maßstäben des Verfassungsgerichts.

(Beifall bei der CDU)

Dies gilt insbesondere für Mainz, wo nach dem Vorschlag der Landesregierung gleich drei Stadtteile zwischen den Wahlkreisen verschoben werden, obwohl die Zuordnung des Stadtteils Mainz-Weisenau vom Wahlkreis 28 an den Wahlkreis 27, also nur eines Stadtteils, alle Probleme lösen würde.

Meine Damen und Herren, Sie sehen sehr viele Probleme. Aber wir sind ernsthaft in Gesprächen, um die Probleme zu lösen.

(Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ernsthafte Gespräche in der CDU!)

Wir haben deshalb auch Vorschläge unterbreitet, Herr Pörksen. Das sind Alternativvorschläge. Der Minister hat es erwähnt.

Zur Problemlösung – das will ich ausdrücklich sagen – trägt bei, dass es zum Regierungsentwurf bereits den Alternativvorschlag zwei gibt, der einen entsprechenden Maßstab enthält. Das ist mit Blick auf die Situation, in der wir sind, mit Blick auf wahrscheinlich weiteren Änderungsbedarf im Zuge der Kommunalreform und auf die Zusammenlegung von fusionierten Verbandsgemeinden in einem Wahlkreis, insbesondere in der Pfalz, zu sehen.

Zur Lösung trägt auch bei, dass es aktuell Gespräche betreffend alternative Lösungen für die Pfalz gibt. Das geht bis hin zu der Frage, ob jetzt oder später eine der demografischen Entwicklung folgende Wahlkreisverlegung aus der Westpfalz in die Südpfalz sinnvoll und möglich ist. Ob wir tatsächlich am Ende bis zur Gesetzesverabschiedung zu Lösungen finden, die in möglichst weitgehender Form den formulierten Maßstäben und dem Interessenausgleich zwischen den Parteien gerecht werden, wird sich zeigen. Wir haben – jedenfalls bezogen auf Westerwald und Mainz – als CDU-Fraktion bereits frühzeitig Alternativen zu den Regierungsvorschlägen aufgezeigt und beraten gemeinsam über die Pfalz. Das zeigt das ernsthafte Bemühen unserer Fraktion, die Fragen soweit wie möglich jetzt zu beantworten. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob das gelingt.

(Glocke der Präsidentin)