Protocol of the Session on June 26, 2014

Ich rufe die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Bernhard Braun, Nils Wiechmann und Stephanie Nabinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Durch Transparenz mit gutem Beispiel voran: Erörterungstermin zur Abbauphase 2 b des AKWs Mülheim-Kärlich – Nummer 3 der Drucksache 16/3672 – betreffend, auf.

Herr Abgeordneter Wiechmann trägt die Fragen vor.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Was unternimmt die Landesregierung, um beim Rückbau des AKW Mülheim-Kärlich ein transparen

tes Verfahren mit breiter Bürgerbeteiligung sicherzustellen?

2. Welche Schlüsse zieht die Landesregierung aus den Einwendungen zu den Genehmigungsunterlagen zur Abbauphase 2 b sowie deren Erörterung?

3. Welchen weiteren Zeitplan verfolgt die Landesregierung bezüglich des Rückbaus des AKW MülheimKärlich?

4. Wie bewertet die Landesregierung den Vorbildcharakter des Rückbauverfahrens für den Rückbau von AKWs in anderen Ländern?

Für die Landesregierung antwortet Frau Staatsministerin Lemke.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Gern beantworte ich Ihre Mündliche Anfrage; denn auch für mich haben beim Rückbau dieses AKW Transparenz und Bürgerbeteiligung oberste Priorität. Deswegen haben wir schon am 22. September 2012 erstmalig eine öffentliche Informationsveranstaltung zum Abbau des AKW Mülheim-Kärlich in Urmitz durchgeführt. Daher möchte ich, auch was Ihre Fragen betrifft, darauf eingehen, wie wir mit dem förmlichen Erörterungstermin umgegangen sind, wie dieser einzuordnen ist und wie der aktuelle Genehmigungsschritt 2 b durchzuführen ist.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich Ihre Mündliche Anfrage wie folgt:

Zu Frage 1: Da meinem Ministerium neben der Transparenz auch die Sicherheit, der beim Rückbau des AKW Mülheim-Kärlich ein sehr hoher, eigentlich sogar der höchste, Stellenwert eingeräumt wird, sehr wichtig ist, besteht schon seit 2011 kontinuierlich ein regelmäßiger Informationsaustausch mit Bürgerinitiativen und interessierten Bürgerinnen und Bürgern. Auf diese Art und Weise werden wir weiterhin beim Rückbau des AKW ein transparentes Verfahren mit breiter Bürgerbeteiligung sicherstellen. Dazu gehört nicht nur dieser Erörterungstermin, sondern auch die Tatsache, dass wir am Rheinland-Pfalz-Tag drei Bustouren für Bürgerinnen und Bürger anbieten, die im Herzen der Stadt Neuwied an der Energiemeile starten werden. Auf diesen Bustouren werden die Bürgerinnen und Bürger, die mitfahren werden, in zweieinhalb Stunden umfassend über den Abbau informiert werden und können alle Fragen stellen. Auch die RWE beteiligt sich an diesen Busfahrten mit Informationen und einer Besichtigung vor Ort.

Zu Frage 2: Im nächsten Schritt, der formal abzuwickeln ist, werden die erhobenen Einwendungen durch die Fachabteilung meines Hauses mit der gebotenen Sorgfalt im Detail geprüft werden. Zu Ihrer Frage im Speziellen kann ich Ihnen schon jetzt sagen, wenn wir jedes Argument aus den Einwendungen ernst nehmen wollen,

müssen wir uns gerade auch zu den technischen Fragestellungen an der einen oder anderen Stelle die Zeit nehmen, die dafür erforderlich ist. Dies ist auch die Voraussetzung für die Genehmigung.

Wir wollen deswegen alle Sorgen, Bedenken und Anregungen in die fachliche Prüfung aufnehmen. Dies ist der Respekt, den wir den Bürgerinnen und Bürgern in einem transparenten Verfahren zollen. Wir nehmen sie ernst, und dazu diente auch der Erörterungstermin, der über zwei Tage dauerte. Erst wenn die fachliche Auswertung abgeschlossen ist, werden die entsprechenden Schlüsse gezogen.

Wie lange dauert das Ganze, und welchen Fortgang hat es? – Darüber möchte ich Ihnen schon jetzt einiges sagen. Sie dürfen davon ausgehen, dass wir bis Ende Juli zunächst einmal das Wortprotokoll zu diesem Termin vorlegen werden. Bis Ende November wird auch das Sicherheitsgutachten des TÜV Rheinland Industrieservice GmbH vorliegen sowie ein Gutachten zum Themenkomplex Umweltverträglichkeitsprüfung, welches auch die vorgetragenen Bedenken aufnimmt. Danach wird es eine fachliche Prüfung geben, und im dritten Quartal 2015 ist mit der Genehmigung und den entsprechenden Auflagen zu rechnen.

Die Einbindung sämtlicher Fragestellungen dient auch der Optimierung des Verfahrens für mehr Sicherheit für Mensch und Umwelt und führt auch zu mehr Vertrauen in die Genehmigungsbehörden und in den Betreiber bzw. den Antragsteller, also denjenigen, der das AKW abbaut, und das ist die RWE.

Zu Frage 3: Ich kann Ihnen versichern, dass wir in erster Linie für einen sicheren Rückbau des AKW stehen, und das ist die oberste Prämisse. Insgesamt wird der Rückbau, auch wenn er sehr zügig verläuft, planmäßig bis zum Jahr 2025 abgeschlossen sein.

Um die Abbauschritte noch ein wenig zu differenzieren, möchte ich darauf hinweisen, eine wohl sehr wichtige Phase ist der Abbau des Kühlturms. Wir rechnen damit aber schon zu einem früheren Zeitpunkt, nämlich im kommenden Jahr.

Zu Frage 4: Der Rückbau des AKW hat eine besondere Bedeutung; denn dies ist das erste Atomkraftwerk in dieser Art, das bis zur grünen Wiese zurückgebaut werden soll. Es ist in die 1.200-MW-Klasse einzuordnen, weist aber, da es nur für 13 Monate am Netz war und genauso oft hoch- und heruntergefahren worden ist, weniger Strahlungsintensität auf als AKW der gleichen Größenordnung, die 20 Jahre betrieben worden sind. Deswegen haben wir eine etwas andere Situation.

Grundsätzlich kann man sagen, die Strahlungsintensität ist etwas geringer, was – wenn man das erste Mal technisch herangehen muss – etwas günstiger für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch in der Fachaufsicht einzuschätzen ist. Aber es hat deswegen wegweisende Wirkung für alle weiteren Abbauvorhaben aller AKW, und zwar nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland – wir tauschen uns darüber auch mit anderen Bundesländern aus –, sondern es hat auch schon jetzt Vorbildfunktion für andere Länder. Zuletzt hatte ich eine Dele

gation aus Japan von der nationalen Atomaufsicht in Rheinland-Pfalz zu Besuch, die sich auch das AKW Mülheim-Kärlich angeschaut haben und sich mit unserer Behörde in Verbindung gesetzt haben. Wir sind gern bereit, dazu Hilfestellung zu leisten und uns mit anderen internationalen Betreibern auseinanderzusetzen, wie man dies technisch gut leisten kann.

Ferner lernen wir, dass es auch weiterhin erforderlich ist, Fachkräfte wie Atomphysiker auszubilden, die solche Prozesse begleiten können. In der Zukunft werden wir beim Rückbau von Atomkraftwerken auf Kenntnisse der Atomphysik nicht verzichten können und dürfen und müssen auch darauf achten, dass wir weiterhin junge Menschen finden, die sich dafür interessieren.

Es liegt eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wiechmann vor.

Frau Ministerin, vielen Dank für Ihre Antwort. Eine Frage, die auch die Menschen in der Region sehr betrifft, lautet: Wird es nach Ihrer Einschätzung auf dem Gelände des Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich ein Zwischenlager geben? Wird dies genehmigt werden?

Ein Zwischenlager am Standort wäre nicht genehmigungsfähig. Sie kennen die typische Situation. Das AKW steht auf der Spalte eines Vulkans, und dies war auch der Grund, weshalb damals die Genehmigung zum Bau des AKW gerichtlich versagt werden musste. Genau aus diesem Grund wäre ein Zwischenlager auch in der Zukunft nicht genehmigungsfähig, und meine politische Antwort wäre auch ganz klar: Ich würde es nicht genehmigen.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dötsch.

Frau Ministerin, wie beurteilen Sie die kontinuierlichen Aktivitäten des Kraftwerkeigners, der mit regelmäßigen Informationsveranstaltungen für Politik und auch für die Bürger seinen Beitrag dazu leistet, Offenheit und auch Transparenz in das Rückbauverfahren zu bringen?

Ich kann sagen, dass wir eine sehr gute, offene und transparente Zusammenarbeit erleben. Ich habe soeben geschildert, dass es auch am Rheinland-Pfalz-Tag Bus

touren geben wird. Es gibt ein kleines Infozentrum. Man kann wirklich sagen, wir sind gemeinsam immer unterwegs, alles zu tun, um alle Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern zur vollen Zufriedenheit zu beantworten. Ich kann mich wirklich nicht beschweren. Ich bin froh und glücklich, dass wir so gut zusammenarbeiten.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hürter.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Staatsministerin, vor einiger Zeit wurde von den Betreibern von Atomkraftwerken in Deutschland das fragwürdige Angebot unterbreitet, eine Art „Bad Bank“ zu gründen und die bestehenden Atomkraftwerke einzubringen. Vor dem Hintergrund des Rückbaus in Mühlheim-Kärlich frage ich Sie: Kann man absehen, inwieweit die Rückstellungen, die gebildet wurden, dafür reichen, und könnte es sein, dass die Frage, ob die Rückstellungen reichen, die Motivation für diesen Vorschlag war und ist? Mich würde auch interessieren, wie Sie diesen Vorschlag der vier großen EVUs beurteilen und bewerten.

Selbstverständlich nehmen die vier großen EVUs aus diesen großen Projekten – Mühlheim-Kärlich steht maßgeblich dafür – Erfahrungen mit, was ein solcher Rückbau kostet. Wenn wir über eine halbe Milliarde Euro im Zuge eines Rückbaus eines AKW nachdenken und auch für die anderen Atomkraftwerke kalkulieren müssen, gibt dies einen Einblick in die Dimension, die der komplette Abbau aller Atomkraftwerke in Deutschland noch bedeuten wird, natürlich auch die Frage der sicheren Endlagerung sämtlichen Atommülls.

Hier gehe ich nicht von dem hoch radioaktiven Müll aus, sondern natürlich auch von dem, der schwach und mittel radioaktiv ist; denn Sie wissen, hier sind die Lagerkapazitäten mit dem Schacht Konrad nicht ausreichend kalkuliert. Das ist sozusagen genau die Stelle, an der noch Lösungen politischer und technischer, aber auch finanzieller Art gefunden werden müssen.

Ich kann verstehen, dass die vier EVUs ein Interesse haben, sich von diesen Lasten zu befreien und eine Regelung zu finden. Aber ich sage auch, für die Bürgerinnen und Bürger und die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler dieses Landes muss es ein starkes politisches Interesse geben, genau dies abzusichern. Das habe ich schon artikuliert.

Alle Rückstellungen müssen dann auch echte sein und keine verfälschten nur in Form von abgeschriebenen Kraftwerken, die keinen Wert haben. Es muss sozusagen in Cash, in Money, in wirklich echtem Geld eine Absicherung geben.

Ich kann mir vorstellen, dass es durchaus Modelle gibt, die gefunden werden können, um einen dauerhaften und zukunftssichernden Rückfluss für Finanzmittel zur Absicherung dieser Rückbaukosten möglich zu machen.

Damit befassen sich jetzt auch Bundesrat und Bundestag. Ich werde Wert darauf legen und an jeder Stelle alles tun, damit die Rückstellungen, die gebildet werden, echte Maßnahmen sind und man Gelder beziffern kann, die zukunftssichernd wirken werden.

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Kollegen Hürter.

Frau Staatsministerin, mich würde noch interessieren, wie Sie den Atomkompromiss aus der Zeit von Bundeskanzler Gerhard Schröder bewerten. Inwieweit wurde durch diesen Kompromiss finanzieller Schaden für das Land abgewendet, und inwieweit hat das den Rückbau auch in der jetzigen Form beschleunigt bzw. ermöglicht?

Zum damaligen Zeitpunkt gab es eine Einigung zur Frage der Schadenersatzforderungen, die erhoben wurden. Diese Einigung ist damals in den Atomkompromiss mit eingeflossen, der unter Rot-Grün getroffen wurde. Das hat dann auch dazu geführt, dass dann, nachdem die Einigung gefunden wurde, zum zügigen Abbau übergegangen werden konnte.

Es bedeutet aber noch etwas anderes, wenn ich wegweisend nach vorne schaue. Es gibt einige unter anderem vor dem Verfassungsgericht anhängige Klagen seitens der großen EVUs und auch eine in einem internationalen Schiedsgerichtsverfahren seitens Vattenfall, in denen sie die Bundesregierung auf Schadenersatz wegen eines zügigeren Atomausstiegs verklagen. Da geht es genau um die Fragen von Schadenersatz.

Für den Fall Mühlheim-Kärlich und insofern für das Bundesland Rheinland-Pfalz kann ich sagen, dass bei dieser Anlage das mit der damaligen Vereinbarung geregelt wurde und nichts auf uns zukommt.

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Klöckner.

Frau Ministerin, trifft es zu, dass RWE und die Deutsche Bank eine in Luxemburg gegründete Tochtergesellschaft

haben, aus der sie je 50 Millionen Euro Gewinn erzielen, obwohl das AKW nicht in Betrieb ist?

Es gibt die Gesellschaft. Zur Buchhaltung möchte ich mich an dieser Stelle nicht äußern. Das ist Angelegenheit der Gesellschaft.

Es ist auch nicht Angelegenheit der Ministerin, die Bücher dort zu interpretieren.

(Pörksen, SPD: Aber interessant wäre das schon!)

Damit ist die Mündliche Anfrage beantwortet. Herzlichen Dank.