Protocol of the Session on June 26, 2014

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Dr. Enders, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte nicht so viel Zeit wie der Kollege Dröscher, dieses dicke Gutachten zu lesen, da ich erst gestern vom Antrag erfahren habe. In der Tat hat der Sachverständigenrat im deutschen Gesundheitswesen eine besondere Stellung. Als parteipolitisch unabhängiges und interdisziplinäres Gremium analysiert er seit einigen Jahrzehnten regelmäßig die aktuelle Entwicklung und auch die Herausforderungen unseres Gesundheitssystems. Dabei zeigt er immer wieder konkrete Handlungsmöglichkeiten zur Weiterentwicklung der bestehenden Strukturen und auch der Rahmenbedingungen auf.

Aktuell hat der Rat in seinem Gutachten die künftige Versorgung im ländlichen Raum (hausärztliche Versor- gung, dies dick unterstrichen) jetzt in den Mittelpunkt gestellt. Dieses Thema ist für unser Bundesland von besonderer Bedeutung. Wir sind ländlicher Raum pur. Wir haben wenige große Städte, aber sehr viel Landschaft mit schönen Dörfern, die versorgt werden müssen. Die Bevölkerung muss sich auch in Zukunft sicher sein, dass sie angemessen – so, wie das notwendig ist – mit Hausärzten versorgt wird.

Ziel muss es also sein, die Rahmenbedingungen für die medizinische Versorgung gerade in strukturschwachen Regionen weiter zu verbessern. Ich bin überzeugt, dass die Bundesregierung – die Große Koalition unter Federführung von Bundesminister Gröhe – in Kürze auch gesetzliche Maßnahmen auf den Weg bringen wird und die Impulse des Gutachtens für kurz- und langfristige Maßnahmen nutzen wird. Das, was die Experten gesagt haben – da hat Peter Dröscher recht –, ist im Prinzip nichts Neues. Wir wussten das alles schon, aber es ist gut, wenn jemand, der parteipolitisch unabhängig ist, so etwas auf den Punkt bringt, um uns auch zu unterstützen, das gemeinsam umzusetzen.

Deswegen will ich einige Schwerpunkte – ähnlich, wie Sie es gemacht haben – beleuchten. Das sind Schwerpunkte, die das Ziel haben, absehbarer gesundheitlicher Unterversorgung in ländlichen Regionen besonders wegen zunehmender Fehlverteilung der Kapazitäten in den Ballungsräumen entgegenzuwirken. Das ist, um es auf den Punkt zu bringen, das eigentliche Problem, das Aufzeigen an der haus- und fachärztlichen Versorgung.

Das Gutachten stellt heraus, das 90 % aller aktuellen Facharztabschlüsse, die erfolgen, im spezialisierten Bereich stattfinden: Orthopädie, Neurochirurgie, Anästhesie, Gynäkologie, und nur knapp 10 % im Bereich Allgemeinmedizin und Innere Medizin, also die klassischen Hausarztdisziplinen. – Das bedeutet, dass es Ziel sein muss, zukünftig – das sagt das Gutachten sehr deutlich – doppelt so viele Fachärzte für Allgemeinmedizin zu bekommen. Das bekommt man aber nur, indem man wirkliche Anreize bietet, die auch dazu beitragen, dass junge Ärztinnen und Ärzte bereit sind, in unterversorgten Regionen zu arbeiten.

(Beifall der CDU)

Ich bin ja – ich bin auch seit 30 Jahren Arzt – kein Lobbyist der Ärzte. Mancher glaubt mir das zwar nicht, aber

ich bin es nicht. Ich bin Lobbyist der Patienten. Nun mag das für den einen oder anderen vielleicht merkwürdig klingen, wenn das Gutachten einen Vergütungszuschlag von 50 % in der Regelversorgung in definiert unterversorgten Gebieten bei den Hausärzten fordert. Man stelle sich vor, wir würden die Diäten um 50 % erhöhen, was das für ein Aufschrei wäre. Aber hier ist die Situation so, dass seit vielen Jahren gerade die Hausärzte diejenigen sind, die im durchschnittlichen Verteilungsmaßstab der Honorare immer untendurch fallen.

(Frau Thelen, CDU: So ist das!)

Das ist mit ein Grund neben der Spezialisierung, dass junge Kolleginnen und Kollegen das nicht als letztes Berufsziel sehen. Wenn man dort etwas tut, müssen andere etwas abgeben. Das Geld muss ja irgendwo herkommen.

Das sage ich in aller Deutlichkeit.

Der zweite Punkt, der bei der ambulanten haus- und fachärztlichen Versorgung angesprochen wird, ist der Ankauf frei werdender Arztsitze. Das ist vielleicht für jemanden, der die Materie nicht kennt, etwas ungewöhnlich, aber ich halte das für nötig, außer bei Psychotherapeuten, dass die KV das in definiert überversorgten Gebieten machen kann, um dafür zu sorgen, dass wir Systematiken und Regulierung in die Struktur der Praxen hineinbekommen.

(Beifall bei der CDU)

In dem Zusammenhang ist das Programm der Landesärztekammer besonders begrüßenswert. Es muss erst noch richtig anlaufen, dass sich auch Fachärzte aus anderen Fachgebieten mit klinischer Erfahrung, die älter sind, so wie ich, in zwei Jahren durchaus zum Allgemeinarzt weiterbilden können, um dann vielleicht in der letzten Berufsphase Anfang/Mitte 60 noch einige Jahre als Hausarzt zu arbeiten, vielleicht nicht in freier Niederlassung, aber als angestellter Arzt, um im ländlichen Raum unterstützen zu können.

Das ist ein tolles Programm, das unsere Landesärztekammer unter der Führung von Professor Hessenauer auf den Weg gebracht hat.

(Glocke des Präsidenten)

In der zweiten Runde noch ein paar weitere Aspekte.

(Beifall der CDU)

Das Wort hat Herr Kollege Dr. Schmidt.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Es wurden einige Aspekte dieses Gutachtens hier erwähnt. Im Prinzip sind die Ergebnisse für uns nicht ganz neu. Die Informationen haben wir, und das

Land Rheinland-Pfalz ist mit diesen Informationen schon lange dabei, sie entsprechend umzusetzen.

Rheinland-Pfalz war mit seinem Masterplan Vorreiter. Es hat auf diesem Gebiet alle Akteure zusammengebracht und die Basis für die heutige Arbeit in diesem Bereich gelegt.

Das Programm „Gesundheit und Pflege – 2020“ greift diese Maßnahmen auf, vertieft sie und entwickelt als Steuerungsinstrumente drei wichtige Säulen: Fachkräftesicherung, sektorenübergreifende Versorgung und Erweiterung und Integration von Telemedizin im ländlichen Raum.

Meine Damen und Herren, Fachkräftesicherung ist im Gesundheitsbereich ein ganz wichtiges Thema. Sie bietet Chancen, viele Arbeitsplätze zu schaffen. Gerade für die Pflegeberufe, in denen eine harte Arbeit geleistet wird, ist es wichtig, dass die Maßnahmen, die die Landesregierung ergriffen hat, Aktivierung der stillen Reserven, kompetent zur Führung und Leitung im Pflegebereich, kommuniziert werden; denn das sind Maßnahmen, die die Attraktivität dieser Berufe steigern.

Zu nennen ist hier auch die Einrichtung der Pflegekammer. Wir wissen, dass der pflegerische Beruf ein Mitläufer der medizinischen Versorgung durch die Ärzte war. Die ihn Ausübenden konnten und durften mit dieser wunderbaren Arbeit nicht auf Augenhöhe mit den Ärzten zusammenarbeiten.

Durch diese Akademisierung und Schaffung der Pflegekammer stellen wir die Basis für diese sehr wertvolle Wertschätzung der Zusammenarbeit her.

Die Zukunft – das geht aus diesem Gutachten hervor – liegt in der Teamarbeit, in der Gemeinschaftsarbeit. Wenn man gemeinschaftlich zusammenarbeiten will, muss man diese wichtigen Aspekte, wie das Arbeiten auf gleicher Augenhöhe, berücksichtigen.

Ich bin oft im Land unterwegs. Ich war zum Beispiel in Meisenheim in der Glantal-Klinik. Hier wird das Prinzip der sektorenübergreifenden Versorgung mit Filialen und Belegarztpraxen praktiziert. Das ist die Maßnahme, die in ländlichen Regionen kleinen Häusern erlaubt und hilft, am Leben zu bleiben, aber natürlich auch den Patienten, den Betroffenen hilft, keine langen Strecken fahren zu müssen, sondern die Versorgungssicherheit vor der Haustür in Anspruch nehmen zu können.

Ich war noch in Bad Ems, Bad Sobernheim und Altenkirchen. Ich habe dort mit den ärztlichen Kollegen, mit Vertretern der Krankenversicherungen, mit Männern und Frauen, die Pflegeberufe ausüben, und mit Psychotherapeuten gesprochen. Dieses Programm der Landesregierung „Gesundheit und Pflege – 2020“ kommt sehr gut an.

Wir wissen aber auch, es gibt nicht die Lösung für dieses Problem, das bundesweit bekannt ist, sondern es bedarf dieser Teamarbeit, der Kreativität und der gemeinsamen Nutzung der Ressourcen auf kommunaler Ebene sowie der Mobilisierung und Aktivierung dieser Kräfte und Möglichkeiten.

Ich persönlich, auch immer noch als praktizierender Hausarzt, freue mich sehr, dass auf dem Gebiet der Hausärzte – das sind diejenigen, die in der Primärversorgung die meiste Arbeit leisten – ein Lehrstuhl für Allgemeinmedizin an der Universitätsmedizin Mainz eingerichtet werden soll.

Damit setzen wir ein Zeichen für die Aufwertung dieses Hausarztberufes; denn Hausärzte haben sehr starke Belastungen, gerade im ländlichen Raum. Die Stichpunkte kennen wir: Bürokratie und Arbeitsbelastung.

Wir brauchen neue Studierende, die sich für diesen Beruf interessieren und engagieren. Das können wir nur, wenn wir den Beruf durch diese Errichtung des Lehrstuhls aufwerten.

Das gelingt dadurch, dass in der Lehre und in der Forschung die Leidenschaft für diese wunderbare Arbeit diskutiert, kommuniziert und auch gebündelt wird, sodass die Mediziner bereit sind, sich auf dem Land niederzulassen.

Ich sagte schon vorhin, dass es nicht die Lösung gibt, vielmehr müssen neue Ideen und neue Gedanken im Geiste, im Zuge dieses demografischen Wandels eingebracht werden, welche Möglichkeiten es gibt, um die Mediziner auf das Land zu bringen, damit die Versorgung gegeben ist.

Das ist nicht nur eine Frage des Geldes – das wissen wir auch –, die Ärzte und die Pflegenden wollen durch eine Entwicklung in ihrem Beruf Freude an der Arbeit, an Zusammenarbeit haben. Auch solche Arbeitsräume und -bedingungen sind wichtig.

(Glocke des Präsidenten)

Auf diesem Gebiet ist das Land schon lange unterwegs. Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Herr Präsident, ich möchte mit Ihrer Erlaubnis Herrn Abgeordneten Dröscher Dank sagen.

Nein, das kommt alles nachher, Herr Kollege.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich darf noch Gäste begrüßen, bevor ich der Landesregierung das Wort erteile. Auf der Zuschauertribüne begrüße ich den SPD Stadtverband Andernach AG 60+. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Des Weiteren begrüße ich auf der Zuschauertribüne Schülerinnen und Schüler der 10. Jahrgangsstufe des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums, Trier. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Für die Landesregierung hat Herr Staatssekretär Langner das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Manchmal werden wir in der Aktuellen Stunde gefragt, was das mit der Aktualität zu tun hat. Ich glaube, heute fragt bei dieser Themenstellung niemand. Ein Gutachten von über 600 Seiten, das Anfang der Woche vorgestellt worden ist, in seiner Tiefe und in den Dingen, die dort dargelegt worden sind, in der Zukunft erst noch ausgewertet werden muss und sicherlich kein Werk ist, das man übermorgen schon wieder in die Schublade legen kann, sondern sicherlich weitere Wirkung entfalten kann, ist mit Sicherheit ein aktuelles Thema.

Ich freue mich, dass wir heute im rheinland-pfälzischen Landtag dieses Gutachten, das auf der Bundesebene vorgestellt worden ist, diskutieren können.