Protocol of the Session on May 14, 2014

Das Wort hat Frau Ministerin Höfken.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Ich freue mich, heute den Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung der Stiftung „Grüner Wall im Westen“ in den Landtag einbringen zu können. Mit dieser Einbringung kommt die Landesregierung einer entsprechenden Aufforderung des Landtags aus dem vergangenen Sommer nach.

Beim „Grünen Wall im Westen“ handelt es sich um die Relikte des sogenannten Westwalls, einer ehemaligen militärischen Befestigungsanlage des Dritten Reiches, die sich von der niederländischen Grenze im Norden bis hin zur Schweizer Grenze im Süden erstreckt. Die Bunkerruinen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten zu wichtigen Lebensräumen für zahlreiche besonders geschützte Tier- und Pflanzenarten entwickelt, wie zum Beispiel die Wildkatze, Fledermäuse, Amphibien, kalkliebende Moose, Farne und Flechten. Aufgrund ihrer Verteilung können wir sagen, diese können die Grundlage bilden, um einen überregionalen Biotopverbund zu schaffen.

Als Relikte aus der Zeit des nationalsozialistischen Unrechtsregimes sind die Reste des Westwalls auch von besonderer Bedeutung für die politische Bildung. Dies findet mittlerweile auch bundespolitische Beachtung. Meine Kollegin Steffi Lemke im Deutschen Bundestag hat in der vergangenen Woche im Bundestag unser Projekt im Westwall in eine Reihe mit dem grünen Band der ehemaligen innerdeutschen Grenze gestellt, das auch ein wichtiges Projekt nicht nur der deutschen Geschichte, sondern eben auch des Naturschutzes ist.

Solche zusammenhängenden Gebiete sind für den Schutz der Biodiversität in Deutschland und natürlich für unsere Zielsetzung, die Biodiversitätsstrategie des Bundes umsetzen zu können, immens wichtig.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich sehe es als Herausforderung – das ist wirklich nicht so dahergesagt; denn wer dieses Gelände kennt, weiß, dass es sich um ein schwieriges Gelände handelt, das wirklich eine enorme Herausforderung darstellt – und auch als Chance an, die Überreste eines Terrorregimes, das Europa an den Abgrund geführt hat, zu Orten werden zu lassen, die Mensch und Natur in der Großregion verbinden und an denen man sich künftig begegnen wird.

Aus den Überresten eines tod- und unheilbringenden Krieges ist heute mitten in einem friedlichen Europa eine Zuflucht für das Leben geworden. Gleichzeitig mahnen uns die Ruinen 100 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg und fast 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges daran, dass ein friedliches Europa keine Selbstverständlichkeit ist.

Für die Landesregierung ist nicht zuletzt deshalb die Erhaltung der Westwallruinen unter Einbindung der anerkannten Naturschutzvereinigungen – ich nenne beispielhaft den BUND, dessen Vorarbeiten wir auch dieses Projekt verdanken –, der Einrichtungen und Initiativen der Denkmalpflege und der politischen Bildung ein wichtiges Ziel. Daher war der 4. Januar 2013 ein wichtiger Tag.

An dem Tag hat nämlich der damalige Ministerpräsident Kurt Beck die Vereinbarung mit dem Bund zur Übertragung der ehemaligen Westwallanlagen zum 1. Oktober 2014 auf das Land Rheinland-Pfalz unterschrieben. Für rund 9.000 ehemalige Bunker und Anlagen im Land übernimmt Rheinland-Pfalz das Eigentum und die Sicherungspflichten vom Bund. Pflichten ist da ein richtiger Ausdruck.

Mit dem Gesetz wird eine rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts errichtet, an die wiederum das Land das Eigentum an den Westwallanlagen überträgt. Diese Stiftung erhält als Stiftungsvermögen die genannten 25 Millionen Euro für die Verkehrssicherung. Aus den Erträgen des Stiftungsvermögens führt die Stiftung also die notwendigen Maßnahmen zur Sicherung der Anlagen durch und übernimmt dabei die Sicherungspflichten des Bundes. Reichen die Erträge oder Zuwendungen nicht aus, kann die Stiftung für die Anlagen und die Verkehrssicherung das Stiftungsvermögen bis zu einer Höhe von 5 Millionen Euro einsetzen. Darüber hinaus kann die Stiftung Maßnahmen des Natur- und Denkmalschutzes und der politischen Bildung aus sonstigen Zuwendungen durchführen.

Der Gesetzentwurf enthält die zentralen Bestimmungen zum Stiftungszweck, zum Stiftungsvermögen und zu den Stiftungsorganen. Einzelheiten werden in einer Satzung geregelt, die vom Stiftungsvorstand erlassen wird.

In dem ehrenamtlich tätigen Stiftungsvorstand werden neben den für Naturschutz, Denkmalschutz, Bauen und Tourismus zuständigen Ministerien auch die Landeszentrale für politische Bildung und bis zu zwei weitere von der Landesregierung zu berufende Personen vertreten sein. So wird erreicht, dass sich Aufgaben und Ziele der Stiftung in der Zusammensetzung des Stiftungsvorstandes widerspiegeln.

Wir würden uns sehr freuen, wenn der Landtag das Gesetz noch vor der Sommerpause beschließt, damit die Stiftung zum 1. Oktober 2014 ihre Arbeit aufnehmen kann. Ich würde mich auch sehr über eine breite fraktionsübergreifende Zustimmung zu dem Thema Westwall/Grüner Wall im Westen freuen. Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Manfred Geis das Wort.

Da wir schon seit Stunden so schön harmonisch miteinander arbeiten, rede ich so lange, bis der CDU-Kollege anwesend ist und wir uns in dem Punkt auch einig sind.

(Licht, CDU: Sonst rede ich!)

Manchmal kann man politische Entwicklungen angemessen personalisieren und auf eine Person direkt beziehen. Ich hoffe, Sie stimmen mir da auch zu. Niemand wird ernsthaft widersprechen wollen, wenn ich sage, Kurt Beck sei Dank für die Entwicklung bis zur Errichtung der Stiftung „Grüner Wall im Westen“.

Keiner hat sich so wie er dafür eingesetzt, dass die ehemaligen Anlagen des Westwalls im Bewusstsein geblieben sind. Sie waren der Spielplatz seiner Kindheit – ein problematischer Spielplatz – in seinem Heimatdorf Steinfeld, das wie kein anderes unter dem Westwall gelitten hat, dem Ausdruck eines verbrecherischen und menschenverachtenden Systems. Keiner hat sich so wie er dafür eingesetzt, dass eine nachhaltige Sicherung der Anlagen und eine Ausgestaltung als Mahn- und Denkmal sowie als „Biotop in Ruinen“ erfolgten.

Die Vereinbarung zwischen Bund und Land vom Januar 2013 – die Ministerin hat das gesagt – hat die Entwicklung ermöglicht, deren gesetzliche Absicherung wir heute in die Wege leiten. Wir alle können froh sein, dass eine solch vernünftige Regelung zustande gekommen ist.

Die 25 Millionen Euro, die der Bund zur Verfügung stellt, werden nach den Erfahrungen der letzten Jahre ausreichen, um die Anlagen zu sichern. Weitere Zuwendungen werden die Möglichkeit eröffnen, die vielen engagierten Menschen, die sich seit Jahren im Natur- und Umwelt

schutz sowie in der historischen und kulturellen Bildung engagieren, bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Da wird es auch, wie die Frau Ministerin angedeutet hat, Fördermöglichkeiten des Bundes geben.

Dieser Aspekt gibt mir die Möglichkeit, ein zweites Mal den vielen Verbänden, Vereinen, Initiativen und Einzelpersonen Danke zu sagen, die das Bewusstsein für die Bedeutung des Westwalls wachgehalten haben. Sie sind der Garant dafür, dass diese Anlagen auch in Zukunft angemessen gepflegt und sinnvoll genutzt werden. Das will ich ausdrücklich auch als Ziel unserer Fraktion unterstreichen: Diejenigen, die sich bisher ehrenamtlich um den Westwall gekümmert haben, sollen auch künftig eine wichtige Rolle spielen. Der „Grüne Wall im Westen“ ist ein gesamtrheinlandpfälzisches Projekt: von der Eifel im Norden bis zur französischen Grenze im Süden. Im Norden bietet sich eine Zusammenarbeit mit Initiativen in NordrheinWestfalen an, und ein Friedensprojekt wie das neue muss im Süden auch den engen Austausch mit den französischen Freunden pflegen. Überall gibt es engagierte und – was besonders wichtig ist – kompetente Menschen. Ihre Anstrengungen noch stärker als bisher miteinander zu vernetzen und öffentlich zu machen, wird die Aufgabe vor allem der Landeszentrale für politische Bildung im historisch-politischen Bereich und von Verbänden und Weiterbildungseinrichtungen im Natur- und Umweltschutz sein. Dem Anliegen sollte auch personell im Vorstand und im Kuratorium der Stiftung Rechnung getragen werden.

Die Einrichtung der Stiftung „Grüner Wall im Westen“ markiert das Ende eines jahrzehntelangen Bemühens um die materielle Sicherung der Anlagen und um das Bewussthalten der Erinnerungen an die politische Bedeutung des Westwalls. Sie schafft die Voraussetzungen dafür, dass mit besserer finanzieller und organisatorischer Unterstützung die bisherige engagierte Arbeit weiterentwickelt werden kann.

Danke schön.

(Beifall der SPD)

Ich darf zunächst noch Gäste bei uns begrüßen: Ortsvorsteher aus Bad Neuenahr Ahrweiler mit ihren Angehörigen. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Ich erteile dem Kollegen Thomas Weiner von der CDUFraktion das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Westwall ist ein auf Führerbefehl errichtetes Festungsbauwerk aus Beton und Stahl, an dem der Schweiß von Zwangsarbeitern und das Blut von Soldaten kleben. Der Hauptteil des Bauwerks befindet sich unter der Erde. Dieses Festungsbauwerk aus brauner

Zeit künftig auf seinen oberflächlichen Bewuchs zu reduzieren und in den „Grünen Wall im Westen“ umzubenennen, halten wir für eine Verniedlichung. Wir sollten deshalb, wie auch die Franzosen mit der „Ligne Maginot“ beim historisch korrekten Namen „Westwall“ bleiben.

(Beifall der CDU)

Der vorliegende Gesetzentwurf hat mehrere Konstruktionsfehler. Vier davon will ich aufzeigen:

Erster Punkt. Angeblich entstehen dem Land keine Kosten. § 2 Absatz 3 belegt aber, dass dieses Versprechen der Landesregierung nicht richtig ist. Wenn im Herbst vom Bund die Akten und Unterlagen für rund 20.000 Westwallbauwerke an das Land übergeben werden und dieses Verzeichnis im Ministerium geführt werden soll, entstehen dem Land sehr wohl Kosten. Die Aktenfortführung ist Teil der Vereinbarung mit dem Bund. Also müssten eigentlich auch diese Aufgaben von der Stiftung übernommen oder wenigstens aus den Erträgen bezahlt werden.

(Beifall der CDU)

Zweiter Punkt. Der Bund gibt dem Land 25 Millionen Euro zweckgebunden, nicht nur für die Fortschreibung der Akten, sondern vor allen Dingen auch für die Gefahrensicherung und für die Haftungsfreistellung. So ist das mit dem Bund vereinbart. Der Bund hat zuletzt 80.000 Euro jährlich für Sicherungsmaßnahmen aufgewendet. Dazu kommen Haftungsansprüche, die in unterschiedlicher Höhe anfallen. Das Stiftungsvermögen ist eigentlich ausschließlich für diese Zwecke zu verwenden.

(Staatsministerin Frau Höfken: Habe ich gesagt!)

Wenn das Vermögen durch unkalkulierbare Haftungsansprüche vorübergehend angegriffen wird – gerade in der Anfangszeit wäre das denkbar –, muss durch eine entsprechende Verpflichtung im Gesetz sichergestellt sein, dass das Grundvermögen von 25 Millionen Euro in den Folgejahren aus den Erträgen wiederaufgefüllt wird.

Es wäre ein Vertragsbruch, auch gegenüber dem Bund, wenn 5 Millionen Euro des Stiftungskapitals zweckentfremdet würden. Frau Ministerin, wir fordern Sie auf, die Kalkulation offenzulegen und nachzuweisen, dass die Verwendung mit dem Vertrag vereinbar ist.

Dritter Punkt. Armierungseisen rosten, und Beton bröckelt: Die Sicherungsaufgaben werden in den nächsten 20 oder 50 Jahren nicht weniger, sondern eher mehr. Deshalb muss, wie es auch bei anderen Stiftungen üblich ist, der Stiftung ein Inflationsausgleich auferlegt werden. Das heißt, ein Teil der Erträge muss jährlich dem Stiftungsvermögen zugeführt werden, damit es real seinen Wert behält und auch noch in 50 Jahren ausreicht, um die Kosten aus den Erträgen zu finanzieren.

(Beifall der CDU)

Dieser Punkt fehlt in dem Gesetzentwurf und müsste im Rahmen des Ausschussberatungen noch ergänzt werden.

Vierter Punkt. Wenn wir diesen Gesetzentwurf beschließen sollten, hätte der Landtag nie wieder Einfluss auf diese Stiftung. Der Vorstand würde fast ausschließlich von der Landesregierung besetzt.

(Pörksen, SPD: Was wollen Sie eigentlich?)

Es fehlen Vertreter des Parlaments, wie sie bei anderen Stiftungen üblich sind. Wir als Parlament hätten auch keinen Einfluss auf die Satzung und keinen Einfluss auf die Amtszeit der Vorstandsmitglieder. Man munkelt bereits, dass Kurt Beck Vorstandsvorsitzender auf Lebenszeit werden soll.

(Fuhr, SPD: So ein niveauloser Beitrag!) Wir haben keinen Einfluss mehr auf den Sitz der Stiftung sowie auf die Geschäftsbesorgung und die Personaleinstellung; wir hätten keinen Einblick und keinerlei Kontrollmöglichkeiten. Die Stiftung und ihr Handeln wären völlig intransparent. Meine Damen und Herren von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und von der SPD, wir appellieren an Sie, auch in Ihrem eigenen Interesse als Parlamentarier: Denken Sie nicht zu kurzfristig! Die Regierungsmehrheit von heute ist die Opposition von morgen. (Beifall der CDU – Pörksen, SPD: Träumen Sie ruhig weiter! – Ramsauer, SPD: Wer sollte denn da regieren?)

Sorgen Sie in den Ausschussberatungen gemeinsam mit uns für eine Lösung, um die Mitwirkungsmöglichkeiten des Parlaments einzubauen und die parlamentarische Kontrolle im Gesetz zu verankern.

Danke schön.

(Beifall der CDU)