Meine sehr verehrten Damen und Herren, lieber Herr Präsident! Vorab möchte ich ein Wort zu Folgendem sagen: Der Kollege Konrad ist sehr höflich. Er spricht vom „Murks aus Berlin“. Ich bin schon etwas länger im Parlament, und deswegen traue ich mich zu sagen: Wenn es nur Murks wäre, hätten wir es gut.
Aber bei diesem Gesetz – Herr Dr. Rosenbauer, ich glaube, Sie haben nicht so ganz begriffen, was meine Absicht war – gibt es einen unmittelbaren Zusammenhang mit der „Rösler-Reform“. Natürlich rede ich über die Kopfpauschale, weil in dem Versorgungsstrukturgesetz neue Leistungen enthalten sind, die Geld kosten. Diese Leistungen, die Geld kosten, werden in Zukunft
ausschließlich über die Kopfpauschale finanziert, das heißt ausschließlich über die Versicherten. Der Sozialausgleich, den Sie damals in diesem Parlament als Rechtfertigung für die Kopfpauschale angeführt haben, wird durch dieses neue Gesetz ausgehöhlt; denn Minister Schäuble hat hineingeschrieben, dass, wenn dieses Gesetz zu Mehrkosten führt, man es auf die Ausgaben des Bundes für den Sozialausgleich anrechnen wird. Deswegen müssen wir über diese grundsätzliche gesundheitspolitische Frage hier diskutieren. – Das ist Punkt 1.
Punkt 2. Noch einmal: Ja, als die SPD an der Regierung war bzw. Ulla Schmidt Gesundheitsministerin war, sind ganz entscheidende Dinge passiert. Es ist manchmal ein Vorteil, wenn man ziemlich lange dabei ist. Ich erinnere mich nämlich gut an die letzten beiden Gesundheitsreformen. Dabei spielte zum Beispiel das Thema „Umstellung auf den Gesundheitsfonds“ eine Rolle: einheitliche Beiträge, die dazu führen sollten, dass auch irgendwann die Leistungen vereinheitlicht und die Honorare angeglichen werden. Die CDU und die FDP haben das, als es um die Gesundheitsreform ging, von Anfang an verhindert. Wir sind nie über diesen Punkt hinausgekommen;
denn Sie vertreten im Bund schon immer die Meinung – ich unterstelle das nicht einmal Ihnen persönlich –, dass es nicht dazu kommen soll. Das geflügelte Wort bei jeder Gesundheitsreform war: Das Geschäftsmodell der PKV muss erhalten bleiben. – Das bedeutet eben, dass es nicht geht, die Honorare anzugleichen und zu veranlassen, dass auch die PKV in den Gesundheitsfonds einzahlt. Das wäre richtig gewesen; denn dann hätten wir uns auf den Weg begeben, einen einheitlichen Versicherungsmarkt zu schaffen, und dann würden sich PKV und GKV nicht permanent zulasten der Versorgungssicherheit Konkurrenz machen. Die Menschen könnten sich ihre Versicherungen aussuchen. Der Quatsch, der da teilweise erzählt wird – Einheitskasse usw. –, ist nicht wahr. Jeder Mensch kann sich versichern, aber die Versicherungen müssen zu gleichen Bedingungen arbeiten
und dürfen sich nicht gegenseitig die besten Patienten wegnehmen und damit unheimlich viel Geld aus dem Versorgungssystem herausholen. Wenn wir das nicht schaffen – das prophezeie ich Ihnen schon seit vielen Jahren –, werden wir die grundsätzlichen Probleme nicht lösen.
(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Rosenbauer, CDU: Es ist doch kein Austausch zwischen PKV und GKV! Es ist ein Austausch zwischen GKV und GKV! Das ist doch völliger Quatsch!)
Noch etwas: Ich habe vorhin gesagt, dass wir die entsprechenden Rahmenbedingungen brauchen, um in diesem Land gut gestalten zu können. Aber zum Beispiel die Disease-Management-Programme bei Diabetes
und anderen Krankheiten – strukturierte Behandlungsprogramme, die uns in der Behandlung wirklich vorangebracht haben – sind Themen, bei denen es inzwischen wieder schwieriger wird. Die MVZs, von denen ich niemals geglaubt hätte, dass sie in Rheinland-Pfalz eine Rolle spielen würden, sind wichtig geworden, weil wir damit die Versorgung aufrechterhalten.
Was die integrierte Versorgung betrifft, Herr Rosenbauer, so sind damals Anreize geschaffen worden, damit sich möglichst viele Ärztinnen und Ärzte auf den Weg begeben, sektorenübergreifend miteinander zu arbeiten. Das ist kein Thema mehr.
Das ist es, was ich sagen möchte: Wir hatten damals den Mut, Weichenstellungen vorzunehmen. Dieser Mut ist jetzt nicht mehr vorhanden. Im Grunde geht es in diesem Gesetzentwurf um Lobbyismus. Im Grunde geht es darum, bestimmte Dinge zu bewahren, anstatt die Partner im ganzen Bundesland dafür zu gewinnen, dass sie sagen, wir machen uns sektorenübergreifend auf den Weg und organisieren die Versorgung der Bevölkerung.
Mein letzter Punkt ist der Masterplan. Das sprengt – ehrlich gesagt – die Aktuelle Stunde. Ich würde vorschlagen, dass man dieses Thema noch einmal zu einem Extrathema macht.
Aus dem Kopf kann ich Ihnen sagen, es sind viele Dinge geschaffen worden, von denen wir alle wissen, dass sie wichtig sind. Bereitschaftsdienstzentralen, weil junge Ärzte keine Lust mehr haben, auf dem Land jedes Wochenende Dienst zu schieben. Da ist die KV in der Umsetzung gut. Es gibt viel Ärger darüber. Aber es ist der richtige Weg.
Ich nenne die Famulaturbörsen, die es inzwischen gibt. Ich nenne die Weiterbildung, bei der wir uns verbessert haben. Ich nenne Ihnen die Universitätsmedizin, die die Zulassungsvoraussetzungen für die Medizin geändert hat. Diese werden von dem ehemaligen Minister Rösler sogar als beispielhaft bezeichnet.
Es gibt viele andere Punkte, über die ich gerne – wie der Herr Kollege gesagt hat – im Ausschuss mit Ihnen gemeinsam diskutiere.
Ich habe allerdings nie behauptet, dass der Masterplan sicherstellt, dass wir in Rheinland-Pfalz im Sinne einer Bewältigung der Demografie all diese Sitze, die es im Moment gibt, genauso werden besetzen können wie vorher. Aber ich habe gemeinsam mit den Partnern den Anspruch, die Herausforderung anzunehmen und zu schauen, was gemeinsam gelöst werden kann. Diese Herausforderung werden wir auch in Zukunft annehmen.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Gerne noch zur letzten Runde. Ich beziehe mich speziell noch einmal auf Herrn Dr. Rosenbauer und Frau Kollegin Demuth, die nicht die blaue Karte zückt, sondern twittert, um ihren Beitrag zu leisten. Wir sind in der Runde, um miteinander zu sprechen.
Wir haben zu keinem Zeitpunkt gesagt, dass die gesundheitliche Versorgung in Rheinland-Pfalz problemlos ist.
Wir haben aus gutem Grund den Masterplan 2007 mitentwickelt, weil die ärztliche Versorgung nicht perfekt und gut ist, wir die Herausforderung in der Zukunft sehen und bewältigen müssen.
Hierbei ist selbstverständlich auch für die Zukunft die Frage des Kernthemas die Finanzierung dieser gesellschaftlichen Herausforderung, damit alle Menschen das Menschenrecht haben, egal, wo sie wohnen, entsprechend würdig behandelt und therapiert werden.
Frau Ministerin hat es deutlich ausgeführt. Die Auflösung des eingefrorenen Arbeitgeberbeitrags und damit die Auflösung der sozialen Sicherungskomplexe hat dazu geführt, dass wir jetzt in der Problematik sind, eine dauerhafte Finanzierung dazustellen. Es war eine Kehrtwende in der schwarz-gelben Politik, die sogenannte „Rösler-Reform“.
Wir brauchen im Gesundheitswesen, um dauerhaft etwas zu erreichen, die solidarische Finanzierung. Wer in diesem Land, in Rheinland-Pfalz, in Deutschland, krank ist, Hilfe, Behandlung oder Begleitung in den letzten Tagen braucht, muss sie bekommen können. Das ist unser sozialdemokratischer Grundsatz, ich denke, auch der des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Dieses Menschenrecht braucht eine solidarische Finanzierung.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ein kurzes Wort noch, Herr Dr. Rosenbauer.
Ich bin seit vielen Jahren Betroffener im Gesundheitssystem. Ich habe einen Sohn, der schwer- bis mehrfachbehindert ist. Ich habe einen Vater, der pflegebedürftig ist.
All diese Menschen sind auf uns angewiesen. Wir sollten aufpassen, dass wir das, was wir miteinander besprechen, vor diesem Licht der Menschen, die wir selbst kennen, denen wir in die Augen schauen, bestätigen können. Ich glaube, da macht Ihr Koalitionspartner in Berlin keine gute Figur.
Herr Schmidt, der eben gesprochen hat, ist niedergelassener Allgemeinmediziner in einer Praxis auf dem Land. Ich bin auch niedergelassen tätig.
Ich unterstelle allen in diesem Hohen Hause, dass Sie den Willen haben, gemeinsam dafür zu sorgen, dass in Rheinland-Pfalz gemeinsam mit der Selbstverwaltung Maßnahmen umgesetzt werden können, die dieses Gesetz, von dem Sie selbst sagen, dass es nicht alle Probleme löst, soweit ergänzen und finanzierbar machen, damit diese Menschen auch in Zukunft gut versorgt sind und die Arbeit der Ärzte draußen sich lohnt und das Ergebnis zu sehen ist. Die Menschen kommen auch zu der Medizin, die sie verdient haben.
Herr Präsident! Herr Dr. Konrad, dass dies näher an den Menschen ist, würde ich nie behaupten wollen. Richtig ist aber, dass die Anfrage lautet „Medizinische Versorgung für den ländlichen Raum nachhaltig gestalten“. Sie haben 80 % der Zeit dafür verwendet, über Finanzierungsfragen zu diskutieren, das heißt, eine Frage, die einem anderen Gesetz vorgeschaltet war und nicht in dem neuen Gesetz enthalten ist.
Die Menschen interessiert eins: Habe ich meinen Hausarzt vor Ort, habe ich noch eine Facharztschiene in erreichbarer Nähe, klappt der Notarzt, und habe ich noch ein Krankenhaus in erreichbarer Entfernung? – Das interessiert die Menschen vor Ort.
Man muss feststellen, dass sich die Situation in den letzten Jahren verschlechtert hat, und zwar mit Ankündigung. Sie wird sich in den nächsten Jahren nicht verbessern. Auch das muss man ehrlich sagen. Dann reden wir über den Ärztemangel, auch wenn es noch nie so viele Ärzte gab. Aber die Ärzte, die in der Versorgung tätig sind – das wissen sie genauso gut wie ich –, sind immer weniger.