Protocol of the Session on August 17, 2011

Zweitens fehlen eine gesamte Bedarfsanalyse und eine unabhängige Studie darüber, welche medizinischen Maßnahmen wirklich sinnvoll sind.

Laut einer Studie des Bundesamtes in Düsseldorf werden jährlich in Deutschland allein für 9,2 Milliarden Euro Medikamente vernichtet, und zwar aus Haushalten, Apotheken und Krankenhäusern. 11.000 Altenheime sind darin nicht beinhaltet. Wir wissen auch, dass Deutschland in manchen diagnostischen Mitteln wie MRT und CT Weltmeister ist. Dies beides zusammengerechnet kostet im Jahr 2 Milliarden Euro. Das Ganze müsste nicht sein.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Drittens verbannt die zunehmende Ökonomisierung die sprechende Medizin aus Arztpraxen. Es entsteht Zeitdruck. Kein Wunder, dass die Patienten, wenn sie in die Arztpraxen kommen, hohen Blutdruck haben, obwohl sie eigentlich in den besten Händen sind. Das macht die Sache für uns schwierig. Die Bürokratie und all das kosten uns sehr viel Zeit und demotivieren.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung versucht, die Unterversorgung im ländlichen Raum mit dem Gießkannenprinzip und mit dem Verteilen von Geld zu lösen. Die strukturellen Probleme zwischen verschiedenen Sektoren werden nicht angegangen. Es ist doch ein ganz wichtiges Prinzip gerade in ländlichen Räumen, im Zuge des demografischen Wandels dieses Thema ernsthaft anzugehen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Das Thema „Pflege“ wird völlig ausgeklammert. Darüber wird nicht diskutiert. Wir hatten doch von der Presse

mitbekommen, dass die Bundesregierung im Jahr 2011 das Jahr der Pflege ausrufen wollte. Warum steht dort eigentlich kein einziges Wort über Pflege und die Versorgung pflegerischer Maßnahmen?

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Hinzu kommt, dass ab 2014 – falls diese kalkulierten Mittel nicht ausreichen sollten, was der Verdacht von Finanzminister Schäuble ist – die Versicherten die Zusatzbeiträge tragen müssen.

Was wir brauchen, ist eine Koordination, Vernetzung, Patientenorientierung und eine Bürgerversicherung. Die Landesregierung hatte den sozial-ökologischen Wandel in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart und richtige Ansätze gesetzt, nämlich Investitionen in die Bildung und eine ökologische Landwirtschaft. Das sind alles Maßnahmen, die nachhaltig und langfristig wirken.

Wir haben in unserem Koalitionsvertrag auf diesen Masterplan Bezug genommen und uns verpflichtet, diesen weiterzuentwickeln.

(Glocke des Präsidenten)

Ich zitiere: „Wir wollen speziell für ländliche Regionen – entsprechend der regionalen Bedarfe – die Nachwuchsförderung verstärken und Anreizsysteme entwickeln.“ In diesem Plan sind weitere Maßnahmen, eben die Allgemeinmedizin, deren Stellenwert zu erhöhen wäre, damit die Studierenden motiviert an die Arbeit gehen können.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das Wort hat Herr Dr. Enders.

(Zuruf des Abg. Dr. Enders, CDU – Abg. Dr. Rosenbauer, CDU, meldet sich zu Wort)

Herr Dr. Rosenbauer, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Dr. Schmidt, die Aktuelle Stunde heißt: „Medizinische Versorgung für den ländlichen Raum nachhaltig gestalten“. Sie haben jetzt eine Reihe von bundespolitischen Themen angesprochen. Wenn ich jetzt im Wortjargon von Herrn Hering bleibe, sage ich: Wo bleiben denn die Vorschläge?

(Beifall bei der CDU)

Es ist ganz interessant, was Sie ausgeführt haben. Der Gesetzentwurf, der jetzt von der Bundesregierung auf den Weg gebracht worden ist, hatte ausschließlich das Ziel, sich um die Ärzteschaft zu kümmern, um die KV

Rechte und um das Zusammenlegen der niedergelassenen Ärzte. Es war immer angekündigt, dass es einen extra Initiativantrag noch geben wird außerhalb dieses Bereiches, der sich ausschließlich mit der Pflege beschäftigt. Auch das ist von der Bundesregierung immer wieder vorgetragen worden. Insofern trifft die Aussage von Ihnen in Bezug auf die Pflege nicht zu, weil es nur auf diesen Punkt bezogen war, weil die Pflege noch kommt. Daran arbeiten noch das Parlament im Bund und die Bundesregierung. Insofern ist das nicht das Problem.

(Beifall der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Ich möchte aber noch einmal auf das Problem zurückkommen. Sie haben den Masterplan angesprochen. Vielleicht sollten Sie noch einmal die Pressemeldungen der GRÜNEN seit 2005, 2006, 2007, 2008 nachlesen, was dazu steht, was die GRÜNEN dort geäußert haben.

(Pörksen, SPD: Lesen Sie einmal Ihre Presseerklärungen!)

Ja, die kenne ich sehr gut. Sie hätten besser einmal früher auf uns gehört. Wir thematisieren seit – – –

(Pörksen, SPD: Zur Atomenergie!)

Sie haben hier bis vor eineinhalb Jahren das Problem des Ärztemangels immer geleugnet. Sie haben immer geleugnet, dass es ein Verteilungsproblem zwischen der Rheinschiene, den ländlichen Räumen und den Großstädten gibt. Das ist hier immer ein Tabuthema gewesen. Sie haben immer gesagt, es gibt keine Probleme.

Richtig ist doch, wir haben einen akuten Ärztemangel. In der „WirtschaftsWoche“ und im „Handelsblatt“ waren große Berichte enthalten, in denen gesagt wurde, es fehlen 20.000 Stellen. Es sind alleine im letzten Jahr 700 Arztstellen im niedergelassenen Bereich nicht mehr besetzt worden. Wir müssen einmal über die Wirklichkeit reden und hier nicht alles schönreden.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich gehe davon aus, dass im rheinland-pfälzischen Krankenhausbereich Arztstellen mindestens in einem dreistelligen Bereich nicht besetzt sind. Das ist der Punkt. Was im Krankenhaus zurzeit an Arztstellen nicht besetzt wird, wird in vier bis fünf Jahren dann auch im niedergelassenen Bereich fehlen.

Wir werden es in den nächsten drei Jahren erleben, dass mindestens 500 bis 800 weitere niedergelassene Arztstellen nicht besetzt werden können. Dann hilft es auch nicht immer, mit der Gesamtzahl zu argumentieren, sondern man muss schauen, wie viele Ärzte mit wie vielen Stunden in der Versorgung tätig sind. Das ist das Problem.

Es gibt weitere Probleme. Herr Lewentz ist jetzt nicht da. Ich kann Ihnen ein Lied über die Notarztversorgung im Kreis Altenkirchen und im Westerwaldkreis singen. Herr Kollege Wehner hat gestern mit uns drei Stunden zusammengesessen. Er hat die Probleme gehört. Wenn in

einem Landkreis viele Stunden lang keine der Notarztstellen besetzt ist, dann haben wir ein echtes Problem.

(Zuruf der Abg. Frau Ebli, SPD)

Ich habe Herrn Lewentz am 12. Juli 2011 angeschrieben. Bis heute habe ich noch keine Antwort bekommen. Auch das ist typisch.

(Frau Klöckner, CDU: Das geht mir ähnlich!)

Das geht Ihnen ähnlich. Die wahren Probleme müssen benannt werden, ohne Panik zu machen. Ich bin absolut gegen Panikmache. Aber Tatsache ist, der Ärztemangel ist riesig. Er ist viel größer, als er zurzeit thematisiert wird. Er wird sich in den nächsten Jahren massiv steigern.

Herr Dr. Schmidt, ich gebe Ihnen recht, das Gleiche werden wir in der Pflege erleben. Wenn Sie heute mit den ambulanten Pflegediensten darüber reden, wie schwierig die Rekrutierung von Personal für die ambulante Pflege heute schon ist, dann wird es einem sehr schnell klar. Deshalb kann ich nur bitten, endlich sachgerecht daranzugehen, auch was die Notarztversorgung und den Ärztemangel angeht und wie wir die Ärzte binden. Deshalb sind die Vorschläge der Bundesregierung völlig richtig, im niedergelassenen Bereich im ländlichen Raum die Ansätze zu erhöhen, um dort mehr Ärzte für die Niederlassungen zu bekommen. Das ist ein wesentlicher Punkt.

Denken Sie an die Bereiche Hunsrück, Westerwaldkreis und Eifel. Wir haben ganz erhebliche Probleme. Die Anreize sind richtig. Es ist nicht vom Masterplan abgeschrieben. Vieles ist in dieser Hinsicht aus Sachsen kopiert worden.

Es ist eine ganze Reihe aus Sachsen kopiert worden. Sachsen gibt seit Jahren Anreize in diese Richtung. Auch das ist wahr, Frau Dreyer.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Man muss fragen – dabei muss man ehrlich sein –, wie erfolgreich der Masterplan bis jetzt ist. Wir erfolgreich ist er? Ich habe die Probleme genannt. Ich könnte Ihnen eine Reihe von Arztstellen nennen, die nicht mehr besetzt werden. Niedergelassene Ärzte können ihre Praxen nicht mehr weiterveräußern. Das ist Tatsache.

(Glocke des Präsidenten)

Es gibt viele gute Anreize in diesem Gesetz.

(Vizepräsident Dr. Braun übernimmt den Vorsitz)

Ich will ausdrücklich sagen, dieses Gesetz löst bei Weitem nicht alle Probleme. Das sage ich, damit das klar ist. Es ist zumindest ein Bausatz, mit dem man arbeiten kann. Man kann versuchen, die Situation zu verbessern.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Ich erteile Frau Kollegin Anklam-Trapp das Wort.