Protocol of the Session on March 27, 2014

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Insofern bin ich sehr froh, dass wir uns diesem allgemeinen Trend entzogen haben. Das war damals gar nicht leicht; denn es war eine politische Forderung von vielen, dass unbedingt G8 gemacht wird. Ich musste mich übrigens im Parlament regelmäßig dafür rechtfertigen, wie ich überhaupt auf die Idee kommen konnte, es sei nicht sehr vernünftig, das flächendeckend zu machen. Das ging mit einer allgemeinen gesellschaftlichen Diskussion einher, die, wie man sagen muss, auch aus der Wirtschaft kam. Die sagten immer: Das Allerwichtigste ist, die kommen ganz schnell durch das Bildungssystem.

Nein, Bildung braucht auch Zeit. Deswegen glaube ich, dass man den Kindern den Stress zwar nicht allein durch solche Maßnahmen nehmen kann, man aber sehr sorgfältig abwägen muss, ob man die Kinder neuem Stress aussetzt. G8 ist ein Modell für einen Teil der Schülerinnen und Schüler, die einen solchen Bildungsgang schnell durchlaufen können. Dazu bedürfen sie einer großen Unterstützung, zum Beispiel durch die Ganztagsschule. Dann kann das in einem bestimmten Umfang funktionieren. Das tut es bei uns auch. Man sieht, dass sich der Anteil dieser Schülerinnen und Schüler dann irgendwo bei 10 % einpendelt. Das scheint mir die Lehre aus der Entwicklung gerade in den Ländern zu sein, in denen flächendeckend umgestellt worden ist: Wenn man es einfach umstellt und für alle Kinder verbindlich macht, führt das zu erhöhtem Stress.

Eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Brück.

Frau Ministerin, Sie haben es gerade angesprochen: Die Opposition hat bei der Diskussion in diesem Hause im Jahr 2007 auch davon gesprochen, dass wir Insellösungen und Halbherzigkeiten machen. Sehen Sie vor dem Hintergrund der Diskussion und der Anzahl der Schülerinnen und Schüler in den G8-Gymnasien die Notwendigkeit eines weiteren Ausbaus dieses Schultypus in unserem Bundesland?

Es ist nicht meine Hauptaufgabe, die Opposition zu verteidigen. Ich sage es einmal so: Die Opposition hat sich damals einfach dem Mainstream angeschlossen, der in der Gesellschaft vorherrschte. Allerdings verhehle ich nicht, dass ich mir in Vorbereitung auf diese Mündliche Anfrage noch einmal die Plenarprotokolle der damaligen Zeit angeschaut habe. Die Massivität, mit der die Opposition hier gegen die Pläne der Landesregierung vorgegangen ist, ist schon bemerkenswert. Man hielt es für völlig ausgeschlossen, dass Rheinland-Pfalz auf dem richtigen Weg sein könnte. Es hat dann offensichtlich der Entwicklung in vielen anderen Bundesländern bedurft, um eine gewisse Einsicht an dieser Stelle einkehren zu lassen.

Zu Ihrer Frage konkret: Nein, ich glaube nicht, dass es einen weiteren Ausbaubedarf bei G8 gibt. Das kann im Einzelfall so sein, aber im Moment ist es aus meiner Sicht überhaupt nicht absehbar.

Eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Dickes.

Frau Ministerin, was ist Ihre Begründung dafür, dass ausschließlich in Rheinland-Pfalz das Abitur nach achteinhalb Jahren eingeführt wurde? Gibt es aus Ihrer Sicht Erkenntnisse darüber, wie viele Abiturienten direkt nach dem Abitur im Sommersemester in ein Studium starten?

Ich glaube, ich habe Ihnen meine Begründung damals sehr deutlich dargelegt. Meine Begründung ist, dass man mit der Lebenszeit junger Menschen sehr wohl verantwortungsvoll umgehen muss. Wenn es Leerläufe gibt oder Zeiten, die wir, ohne den Stress zu erhöhen, aus dem System herausnehmen können, um damit einen früheren Einstieg in das Studium, in die Ausbildung, in ein Praktikum oder etwas Ähnliches zu ermögli

chen, machen wir das natürlich. Es ist nicht so, dass wir sagen, die Lebenszeit junger Menschen ist völlig egal.

Aber wir haben immer eine hart definierte Grenze gehabt: Was ist für die Schülerinnen und Schüler „packbar“? – Offensichtlich ist das, was wir in RheinlandPfalz eingeführt haben, nämlich das vorgezogene Abitur bei G9 und die Auswahl von einigen wenigen Standorten für G8, nicht nur „packbar“, sondern es wird von den Betroffenen auch akzeptiert. Deswegen sehe ich überhaupt keine Notwendigkeit, an einem der wenigen Konzepte in der Bundesrepublik Deutschland, die offensichtlich akzeptiert werden, etwas zu ändern.

(Beifall der SPD)

Fragen haben noch: die Kollege Steinbach, BredeHoffmann, Ratter, noch einmal Frau Brück und Frau Dickes. Dann schließe ich die Rednerliste.

(Zurufe von der CDU)

Wissen Sie, die Rednerliste wird nach der Geschäftsordnung vom Präsidenten geschlossen, wenn er das Gefühl hat, dass die Anfrage beantwortet ist. Das hat er.

(Henter, CDU: Sie war noch nicht beantwortet!)

Sie können das ruhig sagen. Es bleibt dabei. – Kollege Steinbach.

(Zurufe von der CDU)

Frau Ministerin.

(Zurufe von SPD und CDU)

Sie sind einfach nur am Krangeln. – Herr Steinbach

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Schlechtes Gewissen halt! – Zurufe von der CDU)

Frau Ministerin.

(Zurufe von der CDU)

Die Unruhe auf dieser Seite des Hauses verhindert, dass ich meine Frage stellen kann. Vielen Dank!

Frau Ministerin, die Verteilung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland bezüglich der Anzahl der Schuljahre, die erforderlich sind, um das Abitur zu erlangen, ist sehr unterschiedlich. Vor allem in den neuen Bundesländern

gibt es eine sehr starke Tradition der zwölfjährigen Schulzeit bis zum Abitur. Das ist nach wie vor so festgelegt. Können Sie erläutern, woher diese Unterschiede kommen, warum man möglicherweise an ihnen festhält und wie die unterschiedliche Verteilung in der Bundesrepublik zu erklären ist?

Ich glaube, man kann in der Tat sagen, dass es eine gewisse Zweiteilung in dieser Frage gibt. In den neuen Ländern wird G8 deutlich besser akzeptiert. Das hängt vor allen Dingen mit der Tradition des dortigen schulischen Systems zusammen.

Überall dort, wo in den alten Bundesländern auf G8 umgestellt worden ist, gibt es inzwischen große Schwierigkeiten. Es gibt große Akzeptanzprobleme. Überall gibt es Diskussionen darüber und Bemühungen, zumindest wieder in größerem Umfang zu G9 zurückzukehren. In manchen Ländern ist das schon sehr aktuell. Wie ich Ihnen eben gesagt habe, ist das Land Niedersachsen vorausgegangen. Die haben gesagt, sie wollen wieder umstellen. Aber wenn Sie mich heute fragen, sage ich: Ich gehe davon aus, dass weitere Länder dem folgen werden.

Eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Brede-Hoffmann.

Frau Ministerin, in vielen der Bundesländer, von denen Sie eben berichtet haben, dass sie Akzeptanzprobleme haben, wird dieses Akzeptanzproblem auch dadurch verursacht, dass Eltern und Schüler, aber auch Lehrer feststellen, dass kaum noch Zeit oder sogar keine Zeit mehr bleibt für Arbeitsgemeinschaften und für Inhalte, die nicht dem ganz strengen Lehrplan entsprechen.

Welche Erfahrungen haben Sie mit unserem G8-Modell in Rheinland-Pfalz gemacht? In welcher Form ermöglicht dieses Modell verschiedenen Schulen, immer noch einen Inhalt zu bewahren, der nicht streng an Leistungskriterien und Lehrplan ausgerichtet ist, sondern sich an den Neigungen der Kinder orientiert und sich der Vertiefung widmet?

Frau Brede-Hoffmann, ich glaube, eine der Erkenntnisse aus dem Aufbau der G8/GTS-Schulen ist, dass es, wenn Kinder den ganzen Tag in der Schule sind, erstens ein Mittagessen und Zeit darum herum und zweitens sehr bewusst eingeschobene Phasen geben muss, in denen Entspannung, Spielen, Austoben oder sportliche Aktivitäten im Vordergrund stehen.

Das ist übrigens auch vor diesem Hintergrund interessant: Sie wissen, dass wir hier manchmal Debatten

darüber haben, was in einer Ganztagsschule zum Angebot gehört. Die verpflichtenden Ganztagsschulen G8/GTS machen vor, zu einer Ganztagsschule gehört, dass es Angebote gibt, die nicht allein vom Unterricht und vom schulischen Lernen geprägt sind. Vielmehr muss man in einer solchen Schule auch sehr bewusst andere Zeiten für die Schülerinnen und Schüler organisieren. Insofern befruchten sich G8/GTS und Ganztagsschulen gegenseitig.

Eine Zusatzfrage der Kollegin Ratter.

Danke, Frau Ministerin, dass Sie deutlich gemacht haben, dass sich Ihr Bildungsbegriff nicht auf die Vermittlung von Fachwissen reduzieren lässt. Die Persönlichkeitsbildung haben Sie angesprochen. Das Demokratielernen gehört für mich auch dazu.

Meine Frage an Sie: GTS/G8 hat oft zur Folge, dass junge Menschen vor dem Erreichen der Volljährigkeit aus der Schule entlassen werden. Denken Sie daran, dass Sie Hilfesysteme für die jungen Leute aufbauen, die zum Beispiel nicht in der Lage sind, einen Mietvertrag zu unterschreiben? Es gibt viele Berichte dahin gehend, dass junge Menschen mit 17 Jahren, wenn sie die Schule verlassen, überhaupt nicht in der Lage sind, ihren Lebensalltag als junge Erwachsene zu organisieren.

In der Tat sind beim Übergang von der Schule in Ausbildung und Beruf solche Veränderungen feststellbar. Besonders auffällig ist, dass im Übrigen auch an den Hochschulen, Universitäten und Fachhochschulen deutlich jüngere Menschen zum Studium kommen. Es ist auch eine Rückmeldung, die ich aus diesem Bereich bekomme, diese jungen Menschen brauchen etwas mehr Begleitung. Ich denke, darauf müssen sich die gesellschaftlichen Systeme einstellen. Dass das nicht so einfach ist, merkt man daran, dass selbst Vertreterinnen und Vertreter aus der Wirtschaft beklagen, dass die Abiturientinnen und Abiturienten zu jung seien.

Auch das ist ein Punkt, von dem ich sage, das wusste man damals, und man hätte sich besser darauf einstellen müssen. Im Sinne der jungen Menschen, die jetzt aus diesen verkürzten Bildungsgängen kommen, sage ich, es geht kein Weg daran vorbei, wir müssen dann auch schauen, wie wir im Übergang die jungen Menschen besser begleiten können.

Frau Dickes, Ihre dritte Zusatzfrage.

Vielen Dank. Ich würde gern noch einmal die Frage von eben wiederholen, die ich gestellt habe. Haben Sie eine Vorstellung, wie viele der Abiturienten direkt nach dem Abitur im Sommersemester ein Studium beginnen?

Ja, ich habe eine Vorstellung, Frau Dickes. Vor allen Dingen schaue ich mir regelmäßig an, wie sich das in Rheinland-Pfalz mit dem Alter der Studienanfängerinnen und Studienanfänger verhält, und stelle dabei regelmäßig fest, dass das Alter der Studienanfängerinnen und Studienanfänger in Rheinland-Pfalz im bundesweiten Vergleich relativ niedrig ist. Dazu dürfte vieles beigetragen haben. Da es nicht der achtjährige Bildungsgang sein kann, ist es unter anderem auch darauf zurückzuführen, dass unsere jungen Menschen relativ schnell nach der Schule ein entsprechendes Studium aufnehmen. Wir vergewissern uns da regelmäßig.

Ich glaube, in der Tat, mit dem, was wir geleistet haben, um dies schneller zu ermöglichen, waren wir auf dem richtigen Weg. Aber noch einmal: Für mich ist die klare Grenze die, an der es für Schülerinnen und Schüler sowie Kinder nicht mehr leistbar ist. Deswegen wird es in Rheinland-Pfalz G8 nur in Verbindung mit der Ganztagsschule und nur an ausgewählten Schulen geben.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Ministerin, damit ist die Mündliche Anfrage beantwortet. Herzlichen Dank.

Ich begrüße Schülerinnen und Schüler der Berufsbildenden Schule Wilhelm-Emmanuel-von-Ketteler-Schule sowie Schülerinnen der Maria-Ward-Schule in Mainz. Heute ist Girls´Day. Wir freuen uns über so viele junge Leute im Landtag und wünschen ihnen, dass sie sich bei uns wohlfühlen und wir uns heute mit ihnen beschäftigen können. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Ich rufe die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Hans-Josef Bracht und Alexander Licht (CDU), Dienstleistungs- und Beratungsverträge für den Flughafen Hahn – Nummer 2 der Drucksache 16/3424 – betreffend, auf. Wer trägt vor? – Herr Bracht, bitte schön.

Herr Präsident, zum Themenkomplex Dienstleistungs- und Beratungsverträge für den Flughafen Hahn fragen wir die Landesregierung: