Protocol of the Session on February 20, 2014

„Kommunen bei Inklusion nicht alleine lassen“ auf Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 16/3312 –

Das Wort hat Herr Kollege Henter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der inklusiven Beschulung wird davon ausgegangen, dass Kinder mit Beeinträchtigungen in der Regelschule mit Kindern ohne Beeinträchtigungen unterrichtet werden. Die Umsetzung dieses Vorhabens stellt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe dar. Sie kann unserer Auffassung nach nur gemeinschaftlich, in fairer Partnerschaft zwischen dem Land und den Kommunen, gelöst werden.

(Beifall der CDU)

Das Land Rheinland-Pfalz hat seit dem Jahr 2001 ein Konzept von Schwerpunktschulen, das bereits zu diesem Zeitpunkt die inklusive Beschulung ermöglicht. Die Kostenträger für den Bereich der Jugend- und Sozialhilfe, Landkreise und kreisfreie Städte und die Schulträger, haben bereits zum jetzigen Zeitpunkt die Erfahrung gemacht, dass die Schwerpunktschulen personell und fachlich große Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Bildungsauftrags für Kinder mit Beeinträchtigungen haben. Es ist daher im Interesse der Kinder unbedingt erforderlich, diese Schulen so auszustatten, dass sie den individuellen Bedarf der Kinder mit Beeinträchtigungen nach Beschulung erfüllen können.

(Beifall der CDU)

Wenn in Zukunft vermehrt Kinder mit Beeinträchtigungen in dezentralen Schwerpunkt- oder Regelschulen unterrichtet werden, müssen diese Schulen auch räumlich und fachlich in die Lage versetzt werden, diese Aufgabe wahrzunehmen.

(Beifall der CDU)

Bei der Ertüchtigung von Regelschulen sprechen wir von mehr als nur von der Schaffung von Barrierefreiheit. Es geht darum, dass wir Investitionen sowohl in bauliche Maßnahmen als auch in eine Verbesserung der personellen Ausstattung vornehmen müssen. Gefordert ist hier auch das Land Rheinland-Pfalz. Es geht um die Bereitstellung von Fach- und Therapieräumen und von Rückzugsräumen. Es gibt das Problem der Integrationshilfe. Bei zunehmender inklusiver Beschulung wird in Zukunft von einem erheblich höheren Umfang der Bereitstellung von Integrationshilfen auszugehen sein. Hier ist das Land gefordert, die Übernahme der Kosten für Integrationshelfer im Schulgesetz zu regeln, so, wie es auch von der Rechtsprechung verlangt wird.

(Beifall der CDU)

Es widerspricht eindeutig einem fairen Verhalten gegenüber den Kommunen, die Inklusion einzuführen, die Kosten aber durch die Hintertür über das Jugendhilfe- und das Sozialhilferecht teilweise den Landkreisen und den kreisfreien Städten aufzubürden.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Wir gehen davon aus – sehr geehrter Herr Pörksen –, dass die Zahl der Integrationshelfer ansteigen wird.

(Pörksen, SPD: Was?)

Wenn das Land das nicht im Schulgesetz regelt, müssen die kreisfreien Städte und die Landkreise es zahlen. Es geht darum, dass eine Ausstattung von Schwerpunkt- und gegebenenfalls Regelschulen mit Lehr- und Lernmitteln erforderlich ist.

Jetzt kommen wir zu den Kosten. Es liegt ein Gesetzentwurf vor, in dem eine Kostenfolgenabschätzung fehlt. Es wird angegeben, es seien keine validen Daten vorhanden, die eine Abschätzung der Höhe der eventuellen Mehrkosten ermöglichten. Ich appelliere an die Landes

regierung: Gehen Sie partnerschaftlich mit den Kommunen um!

(Beifall der CDU)

Gehen Sie doch den Weg des Landes NordrheinWestfalen, und beauftragen Sie einen externen Gutachter, der eine Kostenfolgenabschätzung vornimmt.

(Beifall der CDU)

Wenn Sie behaupten, Sie könnten die Kosten nicht schätzen und daher seien sie nicht konnexitätsrelevant, wird es nämlich, wie Sie feststellen werden, in der Praxis – in der Realität – so aussehen, dass die tatsächlich eintretenden Mehrkosten in den Haushalten der Kommunen landen.

(Beifall der CDU)

Das kann es nicht sein. Wir haben dann eine Situation wie beim Ausbau der U3-Betreuung, als man die Kommunen ebenfalls im Stich gelassen hat.

(Beifall der CDU – Pörksen, SPD: Sie bauen Ihre Rede auf Absurditäten auf!)

Entweder beauftragen Sie einen Gutachter, der eine externe Kostenfolgenabschätzung macht – wir haben ein Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung in Speyer; ein Institut für Gesetzesfolgenabschätzung und Evaluation könnte man zum Beispiel damit beauftragen –, oder reichen Sie den kommunalen Spitzenverbänden die Hand, machen Sie eine gemeinsame Arbeitsgruppe, und versuchen Sie, sich so zu einigen, dass die Kommunen nachher nicht mit zusätzlichen Kosten belastet werden.

Wir haben die große Befürchtung, dass Sie auf einem anderen Weg sind. Ins Bild passt dabei auch eine gesetzessystematische Vorgehensweise, bei der man versucht, eine durch Rechtsnormen erfolgte Festlegung konkreter Anforderungen an die Inklusionsschule oder eine Festschreibung von Standards für die Einrichtung und Ausstattung derartiger Schulen zu vermeiden. Gerade das brauchen wir.

(Glocke der Präsidentin)

Sehr geehrte Frau Ministerin, wir brauchen die Festlegung von Standards und keine zusätzliche Belastung für die Kommunen.

(Beifall der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat nun Frau Kollegin Brück das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich war etwas erstaunt, Herrn Henter als neuen Bildungspo

litiker der CDU-Fraktion hier vorne zu sehen.

(Dr. Mittrücker, CDU: Sie sind immer so erstaunt!)

Herr Henter, wir reden heute über einen Gesetzentwurf, der noch gar nicht im parlamentarischen Verfahren ist.

(Baldauf, CDU: Man muss vielleicht auch Leute reden lassen, die Ahnung haben!)

Nun denn, wir reden aber gern darüber; denn Inklusion ist in der Tat eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, und es ist keine neue Aufgabe. Es ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit in unserer demokratischen Grundordnung und spätestens seit der Ratifizierung der UNBehindertenrechtskonvention als Gesetz zu sehen.

(Frau Thelen, CDU: Sie sind dabei, das Thema zu verfehlen!)

Insofern muss jeder seinen Beitrag dazu leisten, egal auf welcher Verwaltungsebene, ob in der Kommune oder beim Land oder beim Bund. Es ist auch kein Selbstzweck, sondern wir reden hier von Menschen. Wir reden von Menschen mit oder ohne Behinderung, die alle gemeinsam selbstbestimmt ihr Leben führen sollen, ob zu Hause, im Beruf oder auch in der Schule. Ich finde es ein bisschen bedenklich, dass heute das Thema Inklusion als Kostenfaktor heruntergespielt wird.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb die Frage: Geht es Ihnen eigentlich um die Sache, oder geht es ihnen eigentlich nur um das Schlechtreden und die Frage, wo die einzelnen Verantwortlichkeiten sind?

(Vereinzelt Beifall bei der SPD – Bracht, CDU: Uns geht es um seriöse Politik!)

Die Verantwortlichkeiten im Land Rheinland-Pfalz sind klar geregelt, Herr Henter. Sie sind ganz klar geregelt. Das Land stellt die personellen und pädagogischen Voraussetzungen und Ressourcen zur Verfügung. Die Schulträger sind für die Schulgebäude und für die sächliche Ausstattung verantwortlich. So war das schon immer im Land Rheinland-Pfalz. Wir sehen auch keine Abkehr von dieser Zusammensetzung und dieser verantwortungsvollen Aufgabe bei den einzelnen Kommunen.

(Dr. Wilke, CDU: Integrationshelfer!)

Es kann doch nicht sein, dass man in Sonntagsreden gute Reden auf Inklusion hält, aber sich im Alltagsleben nicht an den Taten messen lassen will. Genau das wollen wir tun. Wir wollen Inklusion in der Mitte des Schulgesetzes verankern, und zwar so, wie das de facto schon seit vielen Jahren geregelt wird, nämlich den Eltern ein Wahlrecht zu geben und insofern den Eltern die Möglichkeit überlassen, an welchem Ort ihre Kinder beschult werden möchten.

Es ist auch keine zwingende Voraussetzung, dass Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf per se einen Integrationshelfer brauchen, wenn sie in einer

Regelschule, in einer Schwerpunktschule, beschult werden. Im Grunde genommen ist das, was Sie als Konnexitätsrelevanz hier aufführen, doch ganz klar und unstrittig. Das Meiste ist doch geklärt. Die Beauftragung weiterer Schwerpunktschulen wird nur mit dem Einverständnis der Schulträger erfolgen. Was den Schulbau und die Schülerbeförderung angeht, ist in den Richtlinien alles geregelt. Eine Vergleichbarkeit zu NordrheinWestfalen ist in keiner Weise gegeben, weil sie ganz andere Grundvoraussetzungen als wir haben.

(Zurufe von der CDU)

Ihnen geht es im Grunde genommen letztendlich ausschließlich um die Integrationshelfer. Ich frage mich tatsächlich, was Sie eigentlich mit der Formulierung “Einführung von Kosten durch die Hintertür“ bezwecken wollen. Hier geht es um ein Bundesgesetz. Im SGB ist klar geregelt, wer für die Integrationshelfer zuständig ist.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Es handelt sich dabei um einen individuellen Rechtsanspruch eines Menschen. Ob er einen Integrationshelfer braucht oder nicht, ist in der Sozialhilfe oder Jugendhilfe geregelt. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, in welcher Schule jemand beschult wird, sondern allein die Tatsache, ob individueller Anspruch und individueller Hilfebedarf erforderlich ist, ist nötig in der Prüfung, ob ein Integrationshelfer gebraucht wird oder nicht.

(Frau Schäfer, CDU: Dann schauen sie sich einmal die Statistiken an!)