Protocol of the Session on February 20, 2014

(Beifall der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Kein Experimentierfeld an den Grundschulen und vier zentrale Forderungen – verbindliche Lehrpläne, einheitliche Zeugnisse mit verbindlichen Noten, weg von zu viel offenen Unterrichtungsformen und verbindliches Erlernen der Schreibschrift –, das ist für uns eine Grundschule, die Zukunft hat.

(Beifall der CDU)

Frau Kollegin Brück von der SPD-Fraktion hat das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, als ich den Antrag gelesen habe, habe ich mich gefragt, ob der

CDU die Themen ausgehen und woher dieses an den Haaren herbeigezogene Thema kommt. Der Antrag der CDU offenbart einmal mehr die rückwärtsgewandte Auffassung von Grundschulpädagogik.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für mich sind die Forderungen der CDU ein Rückfall in die 50er-Jahre oder in die bildungspolitische Steinzeit. Dabei sind Ihre Forderungen noch nicht einmal wissenschaftlich fundiert. Es werden einfach einzelne Bildungsforscher herausgepickt und nicht repräsentative Studien oder Aussagen aus dem Zusammenhang zitiert, und zwar gerade so, wie es passt.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Genau!)

Es wird der Versuch gemacht, uns Kuschelpädagogik zu unterstellen oder die Bildungskatastrophe auszurufen. Heute haben Sie es als Experimentierfeld betrachtet. Wir brauchen uns nur die Bildungserhebungen der letzten Jahre anzusehen und nicht nur die IQB-Studie herausgelöst zu betrachten. Dann werden wir sehen, dass rheinland-pfälzische Schülerinnen und Schüler weit vorne sind, was die Bildungsthematik anbelangt.

Ich komme zu den Forderungen der CDU, und zwar zunächst zu der alten Leier nach verbindlichen und verlässlichen Lehrplänen. Darüber haben wir schon tausendfach diskutiert. Unsere Lehrpläne sind verbindlich und wie in jedem anderen Bundesland auch an den Bildungsstandards orientiert und erstellt.

Bei dem Antrag muss Sie total die Verzweiflung gepackt haben, dass Sie gerade das Beispiel Englisch herausgreifen. Das ist das Fach, das integrativ und interdisziplinär unterrichtet wird. Was machen Sie denn, wenn die Kinder Französisch gehabt haben und dann in die fünfte Klasse kommen und Englisch lernen? Das war irgendwie ein bisschen daneben.

(Pörksen, SPD: Ein bisschen? – Frau Brede-Hoffmann, SPD: Ahnungslos!)

Dann kommt die immer wiederkehrende Kritik an offenen Unterrichtsformen. Es gibt überhaupt keine Präferenz für offene Unterrichtsformen in unserer Grundschulordnung. Im Übrigen widerspricht das auch jeder Bildungsforschung. Die Lehrpläne ermöglichen den Lehrkräften jedweden Freiraum für die Ausgestaltung ihrer pädagogischen und didaktischen Arbeit, um sich ganz individuell den Schülerinnen und Schülern zu widmen. Gerade der von der CDU in dem Antrag ins Feld geführte Professor Hurrelmann vertritt die These des aktiven und selbstständigen Lernens. Lernen ist ein aktiver Prozess, der durch die Lehrkraft unterstützt, aber nicht von ihr dominiert wird.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Das hat sie nicht gelesen!)

Unsere jungen Lehrkräfte lernen in ihrer sehr guten Ausbildung sehr genau, wie sie Freiarbeit, Stillarbeit, Gruppenarbeit, Frontalunterricht oder welche Möglichkeiten es auch immer gibt, abwechselnd so nutzen, dass

sie die didaktische Freiheit haben. Diese wollen wir den Lehrkräften im Sinne einer individuellen Förderung von den jungen Leuten auch nicht nehmen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Dann thematisieren Sie die Zeugnisse. Das ist wohl das totale Eigentor. Jetzt hat die Landesregierung einen größtmöglichen Kompromiss gefunden, der alle Verbände, die Gewerkschaften, den Hauptpersonalrat und die Eltern zufriedenstellt. Den wollen sie jetzt wieder aufweichen. Das verstehe, wer will. Wir verstehen das nicht.

(Beifall der SPD)

Natürlich sind auch Noten in Rheinland-Pfalz allgemeingültig. Wie man zu anderen Schlüssen kommen sollte, ist ein bisschen merkwürdig und im Grunde genommen pure Augenwischerei; denn Noten dienen in erster Linie einer schnellen Vergleichbarkeit von Leistungen unterschiedlicher Kinder oder desselben Kindes in unterschiedlichen Bereichen.

Im Grunde genommen sind Noten nicht das, was die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes abdeckt. Das kann man in Zahlen nicht tun. Der ausschließliche Fokus auf die Noten verstellt vielleicht sogar auch den Blick für das Wesentliche. Ich glaube, gerade deshalb haben sich in dem großen Kompromiss, der im Bildungsministerium mit allen Beteiligten gefunden worden ist, die Lehrkräfte und die Eltern darauf verständigt, dass es viel wichtiger ist, dass in einem Gespräch miteinander der Stand der Leistungen der Kinder dokumentiert wird. Deshalb wird das Schüler-Lehrer-Eltern-Gespräch über die zweite Klasse hinaus auf die dritte und vierte Klasse ausgeweitet.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Ich komme zu dem Thema Schreibschrift. Das haben wir schon in der Presse diskutiert. Durch welche Methoden die Kinder schreiben lernen, überlassen wir in Rheinland-Pfalz den Lehrkräften, weil diese das am besten einschätzen und den Kindern an die Hand geben können. Es ist so, dass bis zum Ende der vierten Klasse eine flüssige Handschrift gelernt werden soll. Wie das geschehen soll, ist unterschiedlich und kann unterschiedliche Arten und Weisen haben. Wir sind überzeugt, dass die Lehrkräfte das am besten wissen.

Wir fragen uns bei solchen Anträgen der CDU: Was kommt als nächstes? Sollen Linkshänder nicht mehr links schreiben dürfen?

(Glocke des Präsidenten – Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Kollegin Ratter das Wort.

Herr Präsident, vielen Dank für das Wort. Grundschulen stärken und klare und verständliche Bildungsmaßstäbe etablieren – das steht drauf. Doch was ist drin?

(Pörksen, SPD: Schwindel!)

Eng führen im Stil der Fifties. Der vorliegende Antrag der CDU-Fraktion zeigt ein weiteres Mal, wie verengt der Bildungsbegriff ist, mit dem Sie in Bezug auf die Grundschule agieren. Die Vermittlung von grundlegenden Kulturtechniken, von Bildungsinteresse und von wachsender Teilhabe formulieren Sie noch vergleichsweise offen. Die Kulturtechnik ist aber bei Ihnen gleichbedeutend mit Schreibschrift.

Bildungsinteresse wird vermittelt und nach Ziffern dekliniert. Teilhabe wächst nicht über die dritte Zeile Ihres Antrags hinaus. Kurz: Ihnen geht es um die Einschränkung von Vielfalt in der Auswahl von Inhalten, Methoden und Lernsettings, um die Rücknahme des individualisierten Lernens und um die Abschaffung der individualisierten Leistungsfeststellung. Nicht mit uns.

Ich gebe Ihnen recht, dass die Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit von Zeugnissen, solange wir uns noch in einem mehrgliedrigen Schulsystem bewegen, vor allem an den Übergängen eine große Rolle spielen. Schleswig-Holstein hat übrigens die Noten für die Klassen 1 bis 3 abgeschafft. Die Noten für die vierte bis siebte Klasse sind vom positiven Beschluss der Schulkonferenz abhängig.

Machen wir uns nichts vor. Notenzeugnisse sind nicht die Dokumentation allgemeingültiger Maßstäbe, wie Sie es nennen. Noten suggerieren eine Pseudoobjektivität der Leistungsbeurteilungen. Sie haben gerade über Schleswig-Holstein geredet. Sie sagen selbst, dass man Bremen und Bayern nicht nach Noten vergleichen sollte.

Auch und gerade wenn es um die Empfehlung einer weiterführenden Schule geht, ist eine sorgfältige Abwägung der Eltern unter kompetenter und professioneller Beratung durch Lehrerinnen und Lehrer durch nichts zu ersetzen. Dass der angebliche Verzicht auf Ziffernnoten negative Auswirkungen auf den Lernerfolg habe, ist hingegen nicht belegbar.

In Ihrem Antrag wird Klaus Hurrelmann mit der Bemerkung zitiert, feste Unterrichtsstrukturen mit klarer Ansprache seien deutlich Erfolg versprechender als offener Unterricht ohne klare Ansprache. Die naheliegende Idee, dass offener Unterricht klare Ansprachen erfordert, ist Ihnen wohl nicht in den Sinn gekommen. Ich vergleiche doch auch nicht faule Eier aus der Legebatterie mit frischen aus der Biohaltung. Wie tief sitzt eigentlich Ihre Abscheu gegen alles, was irgendwie nach neuen Wegen in der Pädagogik aussieht,

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Sehr tief!)

auch wenn das aus der Reformpädagogik der 20erJahre stammt? Dieses Verständnis von Pädagogik steht kontrafaktisch zu allen Befunden einer zeitgemäßen Bildungsforschung. Sie entwerfen das Zerrbild offenen

Unterrichts, von Beziehungslosigkeit zwischen Lehrerinnen und Schülerinnen und von Verwahrlosung und Chaos geprägt.

Damit zeigen Sie vor allem eines: Ihnen geht es in erster Linie um Disziplin. Sie meinen, damit alles in den Griff zu bekommen, was Ihnen derzeit über den Kopf wächst. Es ist beschämend, welch unglaubliches Maß an Misstrauen den Lehrerinnen entgegengebracht wird; denn darauf läuft der Antrag letzten Endes hinaus.

Trotz aller Beteuerungen, sich vehement für die Selbstverantwortlichkeit an Schulen einzusetzen, geht es hier vor allem um rigide Einschränkungen von pädagogischen Freiheiten und Handlungsspielräumen der Lehrerinnen. Pädagoginnen und Pädagogen werden bei Ihnen zu Paukerinnen und Paukern.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Die Realität in vielen Schulen ist zum Glück eine andere! Offener Unterricht stärkt die Motivation. Neben fachbezogenem Lernfortschritt entwickeln sich hier im sozialkommunikativen sowie im prozeduralen Bereich Kompetenzen, die zum Beispiel Kommunikationsfähigkeit und Arbeitsstrategien zulassen und entwickeln. So belegt dies zum Beispiel schon 2006 Irmgard Nickel-Bacon, eine renommierte Bildungsforscherin. Derlei Kompetenzen lassen sich nicht in Noten abbilden, weil sie komplex sind und Noten immer eine Vereinfachung darstellen.

Frau Dickes, Ihr Beispiel vom Englisch-Unterricht ist komplett daneben. Er ist nämlich kommunikationsgestützt und hat ganz wenig mit Schreibschrift zu tun. Zu Ihrem Rettungsversuch der Schreibschrift im Ansatz der Grundschrift, die Sie erneut vehement bekämpfen – das hatten wir alles schon. Es wird die verbundene Schrift nicht mehr mit allen Verbindungen streng gepaukt!

Da die Methode jung ist, gibt es bislang keine belastbaren Ergebnisse über den Erfolg der Methode. Die Kritik daran ist damit zwangsläufig nicht fundiert, sondern eher ein Klagen über den Untergang wichtiger Kulturtechniken. Die Sütterlin-Schrift ist übrigens 1915 als Vereinfachung eingeführt worden, die lateinische Ausgangsschrift, von der Sie jetzt ausgehen, 1953 und die vereinfachte 1972. Also: Sie wollen zurück in die Fifties. Das ist belegt.

(Glocke des Präsidenten)

Gerne würde ich mich noch zu Arbeitsplänen, Teilrahmenplänen und Rahmenplänen äußern, aber das macht Frau Ministerin Ahnen.

Danke schön.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Frau Staatsministerin Ahnen hat das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Sechs Forderungen der CDU. Forderung Nummer 1, verlässliche Lehrpläne, die Auskunft über Unterrichtsinhalte geben. Antwort: Wir haben nicht nur einen Rahmenplan, sondern wir haben auch Teilrahmenpläne. Die sind sowohl als Ganzes als auch in ihrem Teil verbindlich, und sie geben klare Auskunft darüber, was Kinder am Ende der Grundschulzeit können sollen. Sie sind in vollständigem Einklang mit den bundesweit zwischen 16 Ländern vereinbarten Bildungsstandards, und sie beruhen auf dem modernsten Stand der Fachwissenschaft und Fachdidaktik.

Forderungen Nummer 2 und 3, wir sollen die eindeutige Präferenz für offene Unterrichtsmethoden zurückführen. Dazu kann ich nur sagen, man kann auf Seite 20 des allgemeinen Rahmenplans nachlesen – Herr Präsident, ich zitiere mit Ihrer Genehmigung –: „Der Unterricht der Grundschule setzt Lernaktivitäten durch eine Vielzahl von Unterrichtsmethoden in Gang, die ein Lernen in unterschiedlichen Formen und auf unterschiedlichen Niveaus ermöglichen.“ – Ich kann keine Präferenz für eine Unterrichtsmethode erkennen, sondern wir setzen auf die Qualität der Lehrerinnen und Lehrer.