Protocol of the Session on February 20, 2014

Auch in Sotschi ist das Ganze so. Ich will bei Frau Spiegel anschließen, es ist doch perfide, da sitzt der Präsident von Russland dort auf der Tribüne und sonnt sich – übrigens total verrückt, er sonnt sich ja wirklich, weil wir in Sotschi 20 Grad plus haben –, und dann zieht er an seiner Strippe Januko-witsch und lässt dort quasi den Krieg in der Ukraine durchführen. Da ist doch irgendetwas an der ganzen Sache nicht mehr in Ordnung.

(Beifall der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Weiland, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in Sotschi hat man auf Druck des IOC – ein bisschen etwas tun sie schon – eine Demonstrationsfläche geschaffen. Sie befindet sich 15 Kilometer weg von den Stadien. Kein Mensch findet sie. Es war übrigens eine Dokumentation im Fernsehen gewesen. Dann hat man zudem noch die Möglichkeit, überhaupt ein Demonstrationsrecht zu bekommen, so stark eingeschränkt – noch stärker, als es vorher war –, dass es eigentlich gar nicht möglich, ein Demonstrationsrecht zu bekommen. Das ist das, was dort im Augenblick geleistet wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, meines Erachtens müssen die Verbände – hier das IOC – Sanktions- und Kontrollmöglichkeiten haben und nicht nur einfach einmal den Finger heben. Zur Not müssen sie sich auch das Recht herausnehmen – das muss vorher geklärt sein –, einem solchen Land dann wieder die Spiele abzunehmen. Ich habe ein bisschen Hoffnung. Wir haben jetzt einen deutschen IOC-Präsidenten. Ich habe wirklich die Hoffnung, dass sich Thomas Bach dieses Themas annehmen wird.

Aber wenn ich auf die FIFA schaue, dann schwindet meine Hoffnung ganz ungemein; denn sie hat nach Katar vergeben. Sie hat viele Jahre voraus nach Katar vergeben und gleichermaßen nach Russland. Deswegen ist es auch verrückt, wenn unser Theo Zwanziger als Rheinland-Pfälzer und früherer DFB-Präsident sagt: Bei künftigen Vergaben müssen wir darauf achten, dass Menschenrechte eingehalten werden. – Bis die FIFA wieder vergibt, werden noch einmal sieben bis acht Jahre vergehen. Also ist es notwendig, dass die FIFA jetzt herangeht. Ich setze aber auch ein Stück weit in Herrn Zwanziger die einzig kleine Hoffnung, die ich bei der FIFA überhaupt noch habe; denn dort haben wir anscheinend noch viel größere Diskussionsbedürfnisse. Wenn er mit diesem Satz spricht – er hat ja eine Reputation in der FIFA –, hoffe ich, dass er das Präsidium und auch den Präsidenten damit erreicht und man jetzt in der Situation handelt, auch unter dem Fokus, was in Sotschi passiert; denn die Weltmeisterschaft 2018 in Russland steht auch bald an.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, insoweit tragen die Sportorganisationen die Verantwortung. Unser politisches Zeichen muss sein, gemeinsam mit allen Länderparlamenten und dem Bundestag an die Sportorganisationen heranzugehen, damit in der Zukunft die Menschenrechte bei solchen Spielen geachtet werden.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat nun Herr Sportminister Lewentz das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Für die Landesregierung darf ich sagen, dass der mit der Bezeichnung „Berücksichtigung der Lage der Menschenrechte bei internationalen Sportgroßveranstaltungen“ überschriebene Antrag von uns sehr begrüßt wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, wenn man genau hinhört, geht es dem gesamten Hohen Hause so, dass wir mit einer großen Unsicherheit ausgestattet sind und überlegen, was wir als Land Rheinland-Pfalz, als Landesparlament, als Landesregierung dazu beitragen können, dass die Menschenrechte stärker verwirklicht werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir alle sind sicherlich stolz auf den Artikel 1 in unserem Grundgesetz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ – Für mich ist das ein universelles Recht. Die Würde des Menschen muss überall unantastbar sein.

Herr Ernst, Sie haben gesagt, man könne den Eindruck haben, dass manche Bewerbung um solche Großveran

staltungen auf den Weg gebracht wird, damit eine solche Großveranstaltung missbraucht werden kann. Ich glaube sogar, damit sie missbraucht werden soll. Oftmals hat man den Eindruck, die Bewerbung ist schon so angelegt, dass man mindestens eine Propagandaveranstaltung daraus machen will.

Auch wir in Deutschland können uns aufgrund unserer Geschichte davon nicht freisprechen. 1936 hatten wir diese Propagandaveranstaltungen in Deutschland. Ich erinnere an Ex-Jugoslawien mit Sarajewo und an das Elend, was wir danach dort mit dem Genozid erleben mussten. Ich will an den Tian’anmen-Platz in China erinnern sowie an die Europameisterschaft in Polen und in der Ukraine, auf die wir uns alle gefreut haben und wo wir jetzt die Dinge erleben müssen, die Sie eben zu Recht beschrieben haben, Frau Spiegel. Man kann das sehen, wenn man abends ins Fernsehen schaut und wenn man mit den Möglichkeiten, die wir alle haben, den Liveticker verfolgt. Es treibt einen mehr als um, dass wir so etwas erleben müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit Blick auf Sotschi habe ich sehr frühzeitig darauf hingewiesen, welche Spiele wir dort erleben werden. Meine öffentlichen Hinweise wurden von der Tatsache ausgelöst, dass Amerika gesagt hat, wir müssen einen Flugzeugträger und Lazarettschiffe ins Schwarze Meer schicken, um dann, wenn etwas geschieht, unseren Bürgerinnen und Bürgern helfen zu können. Daraus ist eine sehr starke Erkenntnis geworden, wie dort in einer Region Sicherheit gewährleistet werden muss, die von sehr vielen Bürgerkriegskonflikten geprägt ist.

Die Menschenrechte müssen gewährleistet werden. In der Theorie stimmen viele Regelwerke der FIFA und des IOC, aber nicht komplett. Wenn ich sehe, dass das IOC den Sportlerinnen und Sportlern vor Ort Meinungsäußerungen untersagt, solange sie als Sportler eine Nation vertreten, ist das etwas, was ich mit Blick auf den mündigen Bürger überhaupt nicht akzeptieren kann.

Präsident Bach wurde eben angesprochen. Ich hatte die Gelegenheit, im Rahmen einer Innenministerkonferenz, kurz nachdem er gewählt worden ist, mit ihm zu sprechen. Ich glaube, das ist einer der Ansatzpunkte. Wir müssen unsere Möglichkeiten da, wo wir sie haben, nicht nur alle zwei Jahre zu solchen Großveranstaltungen nutzen, sondern wir müssen hier immer wieder über dieses Thema miteinander diskutieren und es einbringen. Das reicht hin bis zu der Möglichkeit, dafür Bundesparteitage zu nutzen, denen wir alle als Delegierte angehören, um diese Thematik immer wieder im öffentlichen Interesse zu halten; denn Fairplay und Diskriminierung gehen nicht zusammen.

Wenn man Menschen unterdrückt, wenn man Menschen in ihren Freiheiten aufgrund von Religion, sexueller Identität, ethnischer Herkunft, politischer Gesinnung oder Geschlecht einschränkt, gibt es diese Dinge auf der Welt. Das wissen wir alle. Wenn wir in wenigen Wochen gemeinsam nach Kigali in Ruanda fliegen, um dort gemeinsam mit unseren Partnern 20 Jahre Genozid in Ruanda zu gedenken, wissen wir, das gab es, das gibt es, und das wird es leider auch weiter geben.

Nationen, die aber sportliche Großveranstaltungen von der Gemeinsamkeit des Sports übertragen bekommen wollen, müssen besondere Kriterien anlegen. Die, die vergeben – ich glaube, da liegt das Hauptproblem –, müssen sehr genau schauen, wohin sie etwas vergeben. Ich habe eben China genannt. Wir haben die Ukraine genannt. Wir haben Ex-Jugoslawien und andere mehr genannt. An vielen Stellen konnte man absehen, dass dort die Menschenrechte nicht ernst genommen werden.

Was für Athleten gilt, gilt für die Menschen, die dort leben, in besonderem Maße. Man muss sich nur Sotschi und die politische Diskriminierung anschauen. Die Demonstrationen von gestern sind genannt worden. Ich nenne Homophobie und den Umgang mit der Natur als Stichworte. Auch auf die Arbeitsbedingungen der Bauarbeiten und den unverantwortbaren Energieverbrauch in Katar ist hingewiesen worden. In Brasilien gibt es Demonstrationen wegen Armut. Wenn es auf der einen Seite dort Menschen gibt, die nicht wissen, wie sie ihre Familien ernähren sollen, aber auf der anderen Seiten dort für Milliarden Stadien hochgezogen werden, weiß man, dass es dort Positionen gibt, die offenkundig kaum miteinander in Einklang zu bringen sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin mir nicht sicher, ob Sportgroßveranstaltungen in dem Sinne, wie sie uns immer wieder angepriesen werden, in solchen Ländern Demokratie und Menschenrechte fördern können. Ich habe an den genannten Beispielen leider nicht erkennen können, dass es durch Olympische Sommer- oder Winterspiele, Fußballmeistermeisterschaften bis hin zu Fußballeuropameisterschaften besser geworden ist. Es hat keiner vermutet, dass wir diese Bilder aus der Ukraine erleben müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube auch nicht, dass Boykottaufrufe, um mit einem anderen Extrem zu antworten, der richtige Weg sind. Wir haben in Moskau erleben dürfen, dass wir auch damit nichts erreichen können.

Ich bin froh und stolz – das ist angesprochen worden –, dass sich die Bundesregierung, die deutsche Politik, in Sotschi klar und eindeutig verhält und nicht hinfährt. Das ist richtig so. Da gehören keine deutschen Politiker hin. Das ist meine feste Überzeugung.

Wenn uns aber dieser Antrag und diese Diskussion dazu bringen – das sagte ich bereits eingangs –, dass das Thema auch in diesem Landtag kein Strohfeuer bleibt, sind wir auf einem richtigen Weg; denn Sport und Menschenrechte werden auch nach Sotschi für uns ein großer Herausforderungsbogen sein, für die Regierung in der Innenministerkonferenz, in der Sportministerkonferenz auf europäischer Ebene, in der ich übrigens die deutschen Bundesländer vertreten darf, in der Ministerpräsidentenkonferenz und an anderer Stelle, aber eben auch hier in unserer eigenen Verantwortung im Innenausschuss und im Plenum, wenn das angemessen ist. Menschenrechte müssen wir – das ist die Verpflichtung gegenüber unserem Grundgesetz – über alles stellen.

Ich will mit dem nochmaligen Hinweis enden, dass der Artikel 1 von der Würde des Menschen spricht und nicht des Mannes, der Frau, des Weißen, des Schwarzen,

des Katholiken oder von wem auch immer. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das gilt nicht nur in Rheinland-Pfalz und in Deutschland, sondern es muss für unsere Arbeit der Auftrag sein, für Frieden und Ausgleich in dieser Welt zu sorgen. In diesem Sinne möchte ich mich herzlich – ausdrücklich auch im Namen der Landesregierung – für den Antrag bedanken. Ich bin fest davon überzeugt, den größten Fehler, den wir begehen könnten, wäre der, dieses Thema bis zur nächsten Großveranstaltung sozusagen auf Wiedervorlage zu legen.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Lewentz. – Wird Ausschussüberweisung beantragt? – Nein, das ist nicht der Fall.

Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/3301 – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Antrag ist mit den Stimmen der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der CDU angenommen.

Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:

Sexuellen Missbrauch an Schulen besser bekämpfen Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 16/3233 –

dazu:

Sexuellen Missbrauch in Abhängigkeitsverhältnissen effektiv bekämpfen Antrag (Alternativantrag) der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/3326 –

Es wurde eine Grundredezeit von 5 Minuten vereinbart. Die antragstellende Fraktion spricht zuerst. Herr Dr. Wilke, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, verehrte Damen und Herren! Im August 2012 hat dieser Landtag einstimmig einen Entschließungsantrag aller drei Fraktionen mit dem Titel „Schutzbefohlene effektiv vor sexuellem Missbrauch schützen“ verabschiedet.

Lassen Sie mich zum Einstieg in meine heutige Rede in dieser Debatte die Schlussworte der geschätzten Kollegin Raue bei der Einbringung dieses Antrags zitieren: „Der Landtag von Rheinland-Pfalz wird den weiteren Weg einer Neufassung des Strafgesetzbuches aufmerksam begleiten. Es ist gut, dass wir dies gemeinsam tun.“

Diesen gemeinsamen Weg sollten wir auch heute weitergehen. Das war meine Hoffnung. Leider hat uns nun

Rot-Grün wie so oft in letzter Minute einen Alternativantrag auf den Tisch gelegt, der inhaltlich von unserem Antrag gar nicht weit weg ist. Er verfolgt aber vor allen Dingen einen Zweck, nämlich den Minister aus der Schusslinie herauszuholen. Das wird Ihnen nicht gelingen;

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

denn wir müssen feststellen, dass die Landesregierung – konkret Sie, Herr Minister Hartloff – den Auftrag, den ihr dieser Landtag einstimmig am 30. August 2012 erteilt hat, bisher nicht erfüllt hat. Das ist schlecht. Das können wir uns im Landtag nicht gefallen lassen.

(Beifall bei der CDU)

Erinnern wir uns zurück, was der Landtag damals einstimmig beschlossen hat. Ich darf das in Erinnerung rufen. Die Landesregierung sollte umfassend und zügig prüfen, und zwar gemeinsam mit den anderen Bundesländern, ob eine Änderung des § 174 Strafgesetzbuch geeignet ist, sexuellen Übergriffen in Obhutsverhältnissen besser zu begegnen.

Ich komme zum nächsten Punkt. Sie wollten sich dafür einsetzen, dass eine eventuelle Gesetzgebungsinitiative über den Bundesrat ergriffen wird. Drittens – auch das ist uns wichtig gewesen – sollten Sie dem Landtag bzw. den Fachausschüssen unverzüglich über die Beratungsergebnisse Bericht erstatten. Was ist geschehen? Allem Anschein nach praktisch nichts.

Das wiegt umso schwerer, als Sie, Herr Minister, im November 2012, also vor eineinviertel Jahren, konkrete gesetzliche Änderungen im Strafgesetzbuch vorschlagen wollten. Wir haben davon bisher nichts gesehen. Erst recht haben Sie nicht im Landtag oder wenigstens dem Rechtsausschuss Bericht darüber erstattet, wie die Diskussion in der Justizministerkonferenz bzw. dem Bundesrat weitergegangen ist.

Herr Minister, Sie haben Ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Das ist ein weiterer Schwachpunkt in Ihrer sowieso schon ziemlich mageren Leistungsbilanz Ihrer bisherigen Amtszeit.

(Beifall bei der CDU)

Nun gibt es Schüler, die sich wenigstens clever verteidigen, wenn sie ertappt werden, dass sie ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. Aber auch davon kann bei dem Herrn Minister leider keine Rede sein. Als wir am 29. Januar 2014 unseren Entschließungsantrag vorstellten, über den heute beraten wird, wird Ihr Haus in der Presse mit dem Satz zitiert, man habe das Thema in die Verhandlungen über die Große Koalition – Zitat – „eingespeist“. Sie persönlich stünden in Verbindung zum neuen Bundesjustizminister.

(Zuruf des Abg. Schwarz, SPD)

Regen Sie sich doch nicht auf. Hören Sie lieber einmal zu. Wir verfolgen einmal im Detail, wie das gewesen ist und wie sich der Herr Minister eingelassen hat. Am 30. Januar, einen Tag später, lanciert der Minister urplötzlich