Protocol of the Session on February 19, 2014

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Frauenanteil in rheinland-pfälzischen Kommunalparlamenten beträgt 16,8 %.

(Licht, CDU: Darum geht es aber heute nicht!)

Artikel 3 des Grundgesetzes, den Sie auch seitens der CDU-Rheinland-Pfalz auf die Stimmzettel schreiben wollten, sagt: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“

Das ist ein klarer Auftrag unserer Verfassung. Diese Verfassung gibt uns einen klaren Handlungsauftrag, uns mit 16,8 %, wie sie seit vielen Jahren bestehen, nicht abzufinden. Die Verfassung zwingt uns hier zum Handeln, ob Sie es wahrhaben wollen oder nicht, meine Damen und Herren von der CDU.

(Beifall der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Baldauf, CDU: Aber nicht zum stümper- haften Handeln!)

Wir haben diesen Auftrag ernst genommen und haben geprüft, was uns an Möglichkeiten zur Verfügung steht. Wir haben anerkannte Verfassungsrechtler mit einem Gutachten beauftragt, was unter Geltung des Grundgesetzes und der rheinland-pfälzischen Verfassung möglich ist. Uns war auch klar, dass wir Neuland im Bereich des sensiblen Wahlrechts betreten.

(Licht, CDU: Umso mehr hätten Sie prüfen müssen!)

Bei intensiver Abwägung ist das Gesetz hier vorgelegt worden, nachdem es eine Reihe von Einschränkungen gegeben hat. Die ursprünglichen Quotenregelungen und alles andere wurde gestrichen.

(Zurufe der Abg. Frau Klöckner, CDU, des Abg. Pörksen, SPD, sowie des Abg. Licht, CDU)

Es ist folgende Situation eingetreten: Aufgrund auch des Aufsatzes, den Frau Klöckner zitiert hat, hat es Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einiger Bestimmungen dieses Gesetzes gegeben. Wir haben uns intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, wie jetzt verantwortbar gehandelt wird. Wir haben uns entschlossen, nicht so zu handeln wie der Bund, was Sie, Frau Klöckner, vorgeschlagen haben. Der Bund musste zweimal das Wahlrecht zur Bundestagswahl nachbessern und wurde jeweils vom Verfassungsgericht gestoppt und angemahnt, die Verfassung einzuhalten.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Ihre Leute!)

Das war ein negatives Beispiel, wie mit Wahlrechtsbestimmungen in Deutschland von einer schwarz-gelben Regierung in Berlin umgegangen wird. Das war ein Negativbeispiel.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Baldauf, CDU: Da waren aber nicht in drei Monaten Wahlen!)

Da niemand, kein Gutachter, eine abschließende Meinung vorlegen kann, die mit 100%iger Sicherheit Bestandskraft hat, war der von uns eingegangene Weg genau der richtige

(Frau Klöckner, CDU: Klar!)

zu sagen, wir legen diese Frage dort vor, wo sie rechtskräftig abschließend auch vor der Kommunalwahl im Mai entschieden werden kann. Das ist der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz.

(Licht, CDU: Vor dem Drucken der Stimmzettel!)

Deswegen haben wir von der Möglichkeit des Artikels 130 Gebrauch gemacht, der auch für solche Konstellationen geschaffen wurde, um in sensiblen Fragen Rechtsklarheit zu schaffen,

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Frau Klöckner, auch in Ihrem Interesse Rechtsklarheit zu schaffen; denn wer hier mit diesen moralischen Attitüden unser Handeln infrage stellt, dem muss ich sagen, Sie haben selbst einen Antrag vorgelegt, auf die Stimmzettel zur Kommunalwahl Artikel 3 des Grundgesetzes zu schreiben. Wir haben das unterstützt. Auch das ist mittlerweile bei Verfassungsjuristen umstritten.

Unser Antrag sorgt auch dafür, dass das geklärt wird. Ich wünsche mir, dass das Bestandskraft durch das Verfassungsgericht Rheinland-Pfalz hat. Aber niemand kann das mit 100 %iger Sicherheit sagen. Ihren Weg zu gehen, würde unter Umständen bedeuten, wir ändern das Gesetz, und die Wahl ist trotzdem verfassungsrechtlich problematisch. Frau Klöckner, deswegen ist das, was wir vorschlagen, der rechtssicherste Weg, der gewählt werden kann.

(Frau Klöckner, CDU: Das kann es wohl nicht sein!)

Es wird nach unserer festen Überzeugung eine Entscheidung rechtzeitig vor dem 7. April geben. Entweder wird es Bestandskraft geben, oder es müssen Änderungen vorgenommen werden, dann von dem Gericht.

Das ist ein sauberer Weg und besser als der, den der Bund eingeschlagen hat. Wir zeigen Verantwortung. Wir tun vor allem eines, Frau Klöckner: Wir nehmen den Verfassungsauftrag ernst und drücken uns nicht vor der Verantwortung. – Genau das wollen Sie. Sie finden sich lieber damit ab, dass nur 16 % Frauen in den Parlamenten sind.

(Baldauf, CDU: Ach! So ein Käse!)

Wir tun das eben nicht, Frau Klöckner.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich erteile Frau Kollegin Spiegel das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor etwa 100 Jahren haben viele mutige Frauen mit langem Atem, Leidenschaft und Nachdruck für die Gleichberechtigung gestritten, für das Frauenwahlrecht gekämpft und darauf gepocht, dass Frauen auch in die Politik gehören. Ansonsten würde ich, würden wir Frauen hier im Parlament sicherlich heute nicht hier sein.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Diesen bewundernswerten Frauen haben wir viel zu verdanken. Wir sind es den vielen Generationen an Frauen, die vor uns für die Gleichberechtigung gestritten haben, schuldig, ihren Weg fortzusetzen.

Skandalöse 16,8 % Frauenanteil in den kommunalen Parlament in Rheinland-Pfalz – diese Zahl ist mir eine Verpflichtung. Sie sollte uns allen eine Verpflichtung sein, nicht die Hände in den Schoß zu legen, sondern es wenigstens zu versuchen und nichts unversucht zu lassen, die Gleichberechtigung an dieser Stelle zumindest mit kleinen Schräubchen voranzutreiben, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich mache keinen Hehl daraus, ich hätte mir eine Quoten-Regelung gewünscht. Das wäre ein frauenpolitischer Paukenschlag gewesen. Stattdessen kommen wir jetzt mit der Blockflöte um die Ecke. Aber erste Schritte sind immer noch ein Vielfaches besser, als einfach in einer Schockstarre – oder, meine Damen und Herren von der CDU, sollte man vielleicht besser Gleichmut sagen – an dieser Stelle zu verharren.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Gleichgültigkeit!)

Da kann man einfach nur verwundert den Kopf schütteln. In Sonntagsreden, in der Enquete-Kommission „Bürgerbeteiligung“, im Frauenausschuss, auf frauenpolitischen Veranstaltungen landauf, landab, überall wird gerne betont – an dieser Stelle sind wir politisch auch Seit‘ an Seit‘ –, dass der Frauenanteil in der Politik dringend gesteigert werden muss. Welche gesellschaftliche Gruppe würde auch schon ernsthaft an dieser Stelle widersprechen?

Dass wir mehr Frauen in der Politik und in den politisch Entscheidungsprozessen brauchen, dass es eine gläserne Decke gibt, an der sich schon so manche Frau eine Beule gestoßen hat, dass wir eine kritische Masse an Frauen brauchen, um die Atmosphäre in Sitzungen zu verändern oder, sollte ich besser sagen, zu verbessern, dass die Perspektive, der Blick von Frauen auch die Dinge bei Entscheidungsprozessen bereichert, all das ist schnell festgestellt.

Doch während die CDU dann nach dem Feststellungsteil das politische Denken und Handeln einstellt und sich vor der daraus abzuleitenden Conclusio wegduckt, haben wir GRÜNEN gemeinsam mit der SPD wenigstens den Mut, neue Wege zu denken und zu gehen, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Politische Missstände wie die immer noch massive Ungleichheit zwischen Männern und Frauen anzuprangern, ist das eine. Aber, meine Damen und Herren, es gehört zu einer ernsthaften Debatte mit dazu, dass man bereit ist, dieser Ungerechtigkeit auch entgegenzutreten und konkrete Lösungswege zu suchen.

Peinlich – dieses Wort habe ich im Zusammenhang mit den Änderungen des Kommunalwahlgesetzes öfter gehört. Es findet sich auch in der Pressemitteilung der CDU von der letzten Woche.

Meine Damen und Herren, ich finde es peinlich, dass wir im 21. Jahrhundert noch immer so weit von einer Chancengleichheit für Männer und Frauen entfernt sind.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Licht, CDU: Darum geht es gar nicht!)

Ich finde es peinlich, dass wir in Rheinland-Pfalz gerade einmal zwei Oberbürgermeisterinnen haben.

(Licht, CDU: Darum geht es in der Situation doch gar nicht!)

Ich finde es peinlich, dass die Frauenpolitik immer noch nicht den Stellenwert erlangt hat, den sie verdient.

(Zurufe der Abg. Frau Thelen und Licht, CDU)

16,8 % Frauenanteil in unseren kommunalen Vertretungskörperschaften sind ein Alarmsignal.

(Vizepräsidentin Frau Klamm übernimmt den Vorsitz)

Es ist der falsche Weg, jetzt über das Wahlrecht zu debattieren. Hier wird der Verfassungsgerichtshof entscheiden.