Protocol of the Session on October 1, 2013

.............................................................................................................. 3601 Präsident Mertes:............................................................................................................................. 3601, 3610

56. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz am 1. Oktober 2013

Die Sitzung wird um 14:00 Uhr vom Präsidenten des Landtags eröffnet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste! Ich darf Sie zur 56. Plenarsitzung des Landtags herzlich begrüßen. Mit mir werden als schriftführende Abgeordnete Frau Dr. Ganster und Herr Oster hier oben die Sitzung leiten.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, bitte ich Sie, sich von den Plätzen zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich von den Plätzen)

Meine Damen und Herren, Otto Meyer ist für viele vielleicht nur eine Legende, aber das war er auch. Er war sehr lange unser Landwirtschaftminister. Er war stellvertretender Ministerpräsident. Er kam aus dem Taunus und ist jetzt gestorben. Wir verdanken ihm den Aufbau – was für uns vielleicht ganz selbstverständlich klingt – einer vernünftigen Lebensmittelversorgung durch Landwirte, Bauern und Winzer nach dem Krieg. Das war so einfach nicht. Das war die schwierigste Aufgabe. Die Debatten in diesem Landtag gingen darum, dass wir den Franzosen vorwarfen, sie würden uns Kultur bringen, aber keine Kartoffeln.

Otto Meyer war derjenige, der in den 50- und 60erJahren die Landwirtschaft wieder auf die Beine brachte und dann die Modernisierung begann. Mit ihm ist eine leistungsfähige Landwirtschaft und vor allen Dingen ein ganz besonderer Ton verbunden. Die damalige Opposition hat in vielen Fällen seinen Einzelplan Landwirtschaft nicht abgelehnt – selbst wenn sie den Haushaltsplan abgelehnt hat – wegen Otto Meyer, wegen der Art und Weise, wie dieser Mann uns für sich und für seine Politik einnahm.

Er war Mitglied der CDU. Viele werden ihn vielleicht später noch einmal auf Parteitagen und Dokumentationen gesehen haben. Jetzt ist er schon seit Langem weg. Es ist aber immer noch schmerzlich, an ihn zu denken und über ihn zu reden.

Herzlichen Dank.

(Die Anwesenden nehmen wieder Platz)

Ich darf in den Regularien zur Sitzungseröffnung fortfahren. Wir haben Ihnen die fehlenden Drucksachen zu den Tagesordnungspunkten 3 und 14 noch fristgerecht nachgeliefert. Die Drucksache zum Tagesordnungspunkt 4 wurde wegen ihres Umfangs am Freitag, den 27. September, zugestellt und ist, wenn Sie der Tagesordnung zustimmen, als fristgemäß einzustufen. Änderungsanträge und Entschließungsanträge rufen wir gesondert auf.

Gibt es von Ihnen noch Wünsche zur Tagesordnung? – Dann ist die Tagesordnung so festgestellt.

Entschuldigt sind heute die Kolleginnen und Kollegen Demuth, Günther, Hartenfels, Nabinger und Neuhof sowie Staatssekretär Schumacher.

Als Gäste können wir noch niemand begrüßen, aber der Tag ist noch lang.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Landeshaushaltsgesetz 2014/2015 (LHG 2014/2015) Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 16/2750 – Erste Beratung

dazu: Finanzplan des Landes Rheinland-Pfalz für die Jahre 2013 bis 2018 Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags – Drucksache 16/2772, Vorlage 16/3002 –

Die Einbringungsrede erfolgt durch den Minister der Finanzen, Herrn Dr. Carsten Kühl. Herr Finanzminister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung bringt heute den Doppelhaushalt für die Jahre 2014 und 2015, die Finanzplanung bis zum Jahr 2018 und die Konsolidierungsplanung bis zum Jahr 2020 im Landtag ein. Es ist der zweite Doppelhaushalt und die zweite Konsolidierungsplanung seit Verabschiedung der neuen Schuldenbegrenzungsregel in unserer Verfassung. Das heißt, wir haben bereits Ergebnisse, mit denen wir unsere Planung für die Zukunft besser bewerten können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich stelle heute fest, dieser Haushalt ist solide, transparent und setzt die richtigen politischen Schwerpunkte.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Kluges Sparen in Zeiten der Schuldenbremse bleibt unsere Richtschnur. Die Landesregierung geht einen konsequenten Weg, einen Weg, den wir gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in Rheinland-Pfalz bei allen Zumutungen, die Einsparungen mit sich bringen, verantworten können. Es geht um die gesellschaftspolitisch verantwortbaren Entscheidungen, um die strukturelle Neuverschuldung bis zum Jahr 2020 Schritt für Schritt zu reduzieren.

Transparent, solide und konsequent: Wir haben die Einsparnotwendigkeiten – auch für die zukünftigen Jahre – klar benannt und setzen diese – auch entgegen manch öffentlicher Kritik – stringent um. Die Konsolidierung konsequent realisieren und dabei die Handlungsmöglichkeiten künftiger Generationen erhalten – meine

Damen und Herren, diesen Spagat zu leisten, ist die gesellschaftspolitische Verantwortung, der wir uns stellen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Deshalb ist im Interesse von uns Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzern ebenfalls wichtig, dass wir

der jungen und der zukünftigen Generation ein leistungsfähiges und an Chancengerechtigkeit orientiertes Bildungssystem weiterhin unentgeltlich zur Verfügung stellen,

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

unsere Infrastruktur- und unsere Forschungspolitik so gestalten, dass innovative Unternehmen in Rheinland-Pfalz investieren und zukunftsfähige Arbeitsplätze in unserem Land entstehen und

ökologische Herausforderungen heute angehen und nicht in die Zukunft verschieben, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir stellen uns dieser Verantwortung. Für diese gesellschaftspolitischen Ziele muss der Landeshaushalt Mittel bereitstellen.

Die Schuldenbremse ist eine wichtige überparteiliche Verabredung im Interesse unserer Kinder und Enkelkinder. Sie ist eben nicht eine Anleitung zur Entstaatlichung, und sie ist auch nicht die späte Rache des Neoliberalismus an der sozialen Marktwirtschaft.

Meine Damen und Herren, sie verlangt unbestreitbar die Konzentration auf das Wesentliche, und sie erhält einen handlungsfähigen und aktiven Staat, wenn sie klug und verantwortungsvoll umgesetzt wird.

Dieser handlungsfähige Staat ist zwingende Voraussetzung für das Funktionieren einer sozialen und ökologischen Marktwirtschaft. Die Bedürfnisse der Älteren, der Schwächeren, der Kranken und der Pflegebedürftigen werden ebenso wenig durch den freien Markt befriedigt wie Chancengerechtigkeit, kulturelle Vielfalt und Rücksichtnahme auf eine intakte Umwelt. Wem diese Werte wichtig sind – und uns Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzern sind sie wichtig –, der muss beides wollen, meine Damen und Herren: Rückführung der Verschuldung und Sicherung eines handlungsfähigen Staates.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Der Landtag hat 2010 einstimmig die neue Schuldenbegrenzungsregel beschlossen. Danach hat das Land sein strukturelles Defizit regelmäßig so zu verringern, dass im Jahr 2020 ein ausgeglichener Haushalt realisiert werden kann. Entscheidend gegenüber der vorherigen Schul

denbegrenzungsregelung in unserer Verfassung ist, dass die insbesondere unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten untaugliche Zielgröße „Nettokreditaufnahme“ durch die Zielgröße des „strukturellen Defizits“ ersetzt wird.

Meine Damen und Herren, merkwürdig ist, dass dieser Paradigmenwechsel hier im Land immer wieder infrage gestellt wird, obwohl er im Jahr 2009 auch im Deutschen Bundestag und im Bundesrat von einer breiten politischen Mehrheit getragen wurde und in der Finanzwissenschaft einhellig befürwortet wird. Diesen Paradigmenwechsel in unserer Verfassung zu akzeptieren, ist keine Frage der politischen Opportunität bzw. es sollte keine sein, meine Damen und Herren!

Es ist allzu offensichtlich, warum das strukturelle Defizit als Richtgröße ökonomisch klüger und vor allen Dingen weniger strategie- und weniger manipulationsanfällig ist als die bisherige an der Nettokreditaufnahme und den Investitionen orientierte Schuldengrenze.

Der strukturelle Saldo setzt auf dem Finanzierungssaldo des Landeshaushalts auf. Im Unterschied zu diesem werden konjunkturell bedingte Mehr- und Mindereinnahmen bei den Steuern nicht berücksichtigt. Auch werden Einnahmen und Ausgaben, die die Finanzvermögensposition des Landes nicht verändern, die sogenannten finanziellen Transaktionen, herausgerechnet. So zählen zum Beispiel Darlehensvergaben des Landes nicht zu den strukturellen Ausgaben und Darlehensrückflüsse logischerweise nicht zu den strukturellen Einnahmen.

Zusätzlich zum strukturellen Saldo des Kernhaushalts werden die Kreditaufnahme der Landesbetriebe und der Universitätsklinik sowie die Salden des Pensionsfonds, der Versorgungsrücklage und des Sondervermögens „Wissen schafft Zukunft“ einbezogen. Dieser letzte Hinweis auf die Einbeziehung all dieser Nebenhaushalte gilt all denen, die nach der Vorstellung des neuen Doppelhaushalts meinten, die Verschuldung würde schöngerechnet, weil sogenannte Nebenhaushalte nicht erfasst würden.

Meine Damen und Herren, das ist falsch: Sie werden alle einbezogen. Das war ausdrücklicher Wille dieses Parlaments, als wir die Schuldenbremse in der Landesverfassung verankert haben. Dann sollten wir uns auch an diese Sprachregelung halten.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Im Dezember 2010 haben wir die neue Schuldenregel in die rheinland-pfälzische Verfassung übernommen. Bis heute sind wir eines der wenigen Bundesländer, die diesen Schritt gegangen sind.

Ich komme damit zu der wichtigen Frage, ob und inwieweit wir dem Gebot des Defizitabbaus bisher und mit dem jetzt zur Beratung anstehenden Doppelhaushalt Rechnung tragen.

Nach der Landesverfassung wäre das strukturelle Defizit des Jahres 2010 gleichmäßig, das bedeutet, in mindes

tens proportionalen Schritten, bis 2020 auf null zu reduzieren. Anders ausgedrückt: Im Jahr 2015, also dem zweiten Haushaltsjahr, das wir mit diesem Doppelhaushalt gesetzlich bestimmen, wäre ein strukturelles Defizit von maximal 1,03 Milliarden Euro erlaubt.

Dieses Parlament hat sich im Juni 2012 mit den Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei der Verabschiedung des Ausführungsgesetzes zur Verfassungsvorschrift selbst verpflichtet, das niedrigere strukturelle Defizit des Haushalts 2011 als Ausgangspunkt für die linear-stetige Abbaulinie als Obergrenze zu nutzen. Folge: Die zu beachtende Obergrenze fiel dadurch für alle weiteren Jahre bis 2020 nochmals ambitionierter aus. – Das heißt: Die zuverlässige Neuverschuldung muss in jedem Jahr geringer sein, als das nach der Verfassung eigentlich möglich gewesen wäre. – Konkret: Im Jahr 2015 sollte der Landeshaushalt maximal ein strukturelles Defizit von 906 Millionen Euro aufweisen.

In der Finanzplanung für die Jahre 2011 bis 2016 hat die Landesregierung parallel zur Verabschiedung des Doppelhaushalts – damals 2012/2013 – eine Konsolidierungsplanung bis zum Jahr 2020 festgelegt. Mit dieser Konsolidierungsplanung haben wir nochmals einen deutlich ehrgeizigeren Abbaupfad für die strukturelle Neuverschuldung definiert.