Protocol of the Session on September 19, 2013

Es ist sicherlich klar, eine Ministerpräsidentin gibt den Takt vor, aber das heißt nicht, dass sie sich nicht an ihre Gesetze halten muss. Ihr eigenes KVR-Gesetz formuliert Leitlinien. Wenn Ihnen die nicht gefallen, dann sollten Sie diese ändern.

(Beifall bei der CDU)

Der nächste Bilanzpunkt sind die finanziellen Aspekte. Die Kommunal- und Verwaltungsreform sollte Einsparungen bringen. Bisher war sie jedenfalls nur mit Kosten verbunden. Nehmen Sie alleine die Landesgutachten in Höhe von über 1,3 Millionen Euro. Was glauben Sie, in welchen Größenordnungen noch die ganzen Gutachten hinzukommen, die vor Ort gestrickt wurden?

Gegen die Zwangsfusionen sind Klagen angekündigt. Nach jetzigem Stand der Dinge werden mindestens acht der zehn angekündigten Zwangsfusionen beklagt werden. Da freuen sich natürlich die Rechtsanwälte. Damit werden sich auch die Gerichte wieder beschäftigen. Damit müssen sich aber auch die Büroleiter und Mitarbeiter herumschlagen. Das bindet Arbeitskräfte. Das bindet Zeit. Ich sage ganz ehrlich, Zeit, die die ganzen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sicherlich sinnvoller für die Bürgerinnen und Bürger hätten einsetzen können.

(Beifall der CDU)

Zu diesem finanziellen Aspekt sage ich ganz klar, hätten Sie dieses Geld, das hier eingesetzt wurde, den Kommunen gegeben, glauben Sie mir, da wäre es besser angelegt. (Beifall bei der CDU)

Nächster Bilanzpunkt: Sonstige Ressourcen. Damit meine ich insbesondere die menschlichen Ressourcen. Die betroffenen Bürger vor Ort sind es einfach satt. Sie haben Streit in Orte, Räte, quer durch Familien gebracht. Es gibt Familienangehörige, Brüder, die wegen dieser Kommunal- und Verwaltungsreform nicht mehr miteinander reden.

Die Mitarbeiter und die Personalräte in den Verwaltungen sind es satt. Es gibt ungezählte Überstunden, in

denen sie Argumente für Anhörungen zusammentragen.

(Zuruf des Abg. Köbler, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Sie geben gerade einmal Zeit über die Sommerferien, von denen Sie genau wissen, es tagen keine Räte. Die Menschen sind es satt.

Leid tun mir auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Innenministerium;

(Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Weil sie sich das anhören müssen!)

denn ihnen wird es auferlegt, im Dschungel dieser Regellosigkeit Gesetzesbegründungen jeweils passend so zu formulieren, dass sie zu dem gerade opportunen Duktus passen. Dieser Duktus ändert sich ebenso wie der Zeitplan in dieser Sache ständig.

Herr Minister, ich hatte Sie in der letzten Sitzung des Innenausschusses am 29. August gefragt, wie es mit einem Zeitplan aussehe. Sie sind ein bisschen herumgeeiert. Da hieß es zuerst, im September kommen die freiwilligen und im Oktober die Zwangsgesetze. Herr Pörksen ist dann in dem ihm eigenen Reflex direkt dazwischen gegangen: Nein, nein, im Oktober gibt es nur Haushaltsberatungen.

Sie waren sich dann doch nicht mehr ganz sicher und haben gesagt, Sie reichten es schriftlich nach. Dieses Papier kam dann am 4. September.

(Staatsminister Lewentz: Es kommt so, wie ich es gesagt habe!)

Darin war zu lesen: fünf im September und die anderen Zwangsfusionen im Oktober. – Ein paar Tage später war klar, das ist auch wieder geändert worden, im Oktober kommen noch einige nach.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich, strategisches Vorgehen sieht anders aus.

(Beifall der CDU – Frau Schleicher-Rothmund, SPD: Aber auf wessen Wunsch denn?)

Fakt ist jedenfalls eines: Die ganzen Zwangsgesetze sollen nach der Bundestagswahl kommen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich denke, auch das ist eine Aussage.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU – Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die sind alle schon bekannt!)

Herr Lewentz, in Anbetracht der heutigen Erkenntnisse, dass Sie auch nach der Kommunalwahl im nächsten Jahr mit diesem Schlingerkurs weitermachen wollen, wird klar, dass der Unmut im gesamten Land offensichtlich auf Dauer angelegt sein wird. Von daher kann ich

nur an Sie appellieren: Überdenken Sie mit Blick auf die betroffenen Menschen, ob es das wirklich wert ist.

(Beifall der CDU)

Längst hat auch Ihr Innenstaatssekretär, Herr Häfner, erkannt, dass es so nicht weitergehen kann. Ich zitiere aus der Presse von einem Besuch in Meisenheim, bei dem er gesagt hat: Problematisch seien aber nach wie vor die starren Kreisgrenzen – eine Schwäche der Reform. –

(Frau Klöckner, CDU: Aha!)

Frau Ministerpräsidentin, Richtlinienkompetenz hat etwas mit Richtlinien zu tun. Die sind hier nicht mehr erkennbar.

Ihr Vorgänger, Kurt Beck, hat einmal in einer anderen Angelegenheit vor nicht allzu langer Zeit gesagt: Man hätte vorher die Reißleine ziehen müssen. – Deshalb appelliere ich an Sie, an Ihre Einsicht, dass es ohne ein Zukunftskonzept keine Zwangsfusionen geben darf. Ziehen Sie die Reißleine, stoppen Sie diese Zwangsfusionen.

(Beifall der CDU)

Wir brauchen eine Reform aus einem Guss. Deswegen sage ich Ihnen: Lassen Sie uns zum Wohl der Menschen mit dem Ziel einer sinnvollen Reform das Ganze gemeinsam neu angehen und dann richtig starten.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Noss das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Frau Beilstein, ich habe jetzt Angst. Sie haben apokalyptische Zustände an den Horizont gemalt, die uns heute oder morgen treffen werden und alles Staatswesen zerstören werden, eine Ministerpräsidentin, die Gesetzesbruch begeht, und ein Innenminister, der nichts mehr zu sagen hat, weil er nur delegiert wird.

(Pörksen, SPD: Dann will ich nicht mehr leben!)

Ich glaube, Sie lesen zu viele Kriminalromane.

(Vereinzelt Heiterkeit bei der SPD)

Ich will eines sagen: Die Reform ist 2007 eingeleitet worden. Unsere Hoffnung war, dass – ähnlich wie vor 40 Jahren – die CDU als Oppositionspartei mitmacht. Es kam das Schweigen im Walde. Es war noch gar nicht klar, wie diese Reform aussieht, da wussten Sie schon

eines, dass Sie dagegen sind. Das haben Sie in einer Presseerklärung zum Besten gegeben.

Von Anfang an haben Sie Feuer gelegt, gezündelt und versucht, politischen Gewinn aus dieser Reform zu ziehen. Wir haben bewusst vor der letzten Landtagswahl die Kommunen bekannt gegeben, die auf der Liste stehen und eventuell fusioniert werden. Wir wollten einfach einmal testen.

(Licht, CDU: Testen? Sie wollten testen?)

Wir wollten Ehrlichkeit demonstrieren. Ich kann sagen, das hat sich bewährt. Wir haben in diesen Gemeinden bessere Ergebnisse erzielt als fünf Jahre vorher.

Sie sprechen von einem „Murksgesetz“. Dabei hatten Sie sieben Jahre Gelegenheit, sich einzubringen. Wo sind Ihre Einbringungen gewesen? – Nichts haben Sie gebracht. Sie haben sich immer schön Abseits gestellt und überall dort, wo zwei Personen gegen das Gesetz waren, diese befeuert und unterstützt. So kann man nicht arbeiten. Das ist keine politische Verlässlichkeit und keine staatsbürgerliche Handlungsweise.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Sie sprechen bei Ausnahmeregelungen von einem vergifteten Angebot. Jetzt öffnet man das Ganze etwas und versucht, den betroffenen Kommunen entgegenzukommen. Dann sprechen Sie von einem vergifteten Angebot. Was haben Sie denn für ein Demokratieverständnis? Diese Frage muss ich in diesem Zusammenhang dann stellen.

Sie sprechen davon, dass das Gesetz nur als Machtdemonstration der SPD durchgezogen wird. Beim besten Willen, dieser Vergleich ist sehr weit hergeholt und entbehrt jeglicher Grundlage.

Wir hätten keine Bürgernähe gezeigt. Wir haben die größte Bürgerbeteiligung überhaupt gemacht, die es jemals in dieser Art gab. Wir haben über 15.000 Menschen in verschiedenen Kongressen, Telefonaktionen und Online-Aktionen kontaktiert und gefragt, wie sie das Ganze sähen. Das Ergebnis war überall: Super, das müsse gemacht werden.

Es ist natürlich klar, dass bei eigener Betroffenheit das Ganze vielleicht etwas anders gesehen wird. Das räume ich durchaus ein.

Wir haben das Gesetz intensiv vorbereitet. Wir haben Gespräche mit verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, wie Gewerkschaften und den kommunalen Spitzenverbänden, geführt. Das hätten wir auch gerne mit Ihnen, aber Sie haben gesagt, Sie halten sich heraus.