Wo stehen wir heute? Wie ist der aktuelle Zustand der rheinland-pfälzischen Wirtschaft? Ich will hier gleich zu Beginn klarstellen: Unsere wirtschaftliche Lage ist stabil. Sie ist robust und allgemein gut.
Ich durfte zusammen mit dem Präsidenten des Statistischen Landesamtes den aktuellen Jahreswirtschaftsbericht vorstellen. Unsere Wirtschaft ist 2012 in einem schwierigen Umfeld um 0,9 % gewachsen. Damit liegen wir über dem Bundesdurchschnitt.
Wir haben eine Exportquote von 54,5 %. Auch das ist bundesweit der drittbeste Wert. Kurzum, der Wirtschaftsstandort Rheinland-Pfalz präsentiert sich zur Jahresmitte in einem guten Zustand auch und gerade im Vergleich zu den anderen Bundesländern.
Wer Rheinland-Pfalz kennt, weiß, warum das so ist: Wir haben eine extrem breit aufgestellte und gleichzeitig auch sehr gut differenzierte Unternehmensstruktur. Die familiengeführten Betriebe, die mittelständischen Unternehmen und zahlreiche Hidden Champions, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten auf der ganzen Welt Märke erobert haben, das ungemein erfolgreiche Handwerk, die innovativen Dienstleister, die internationalen Flaggschiffe, wie etwa die BASF, Boehringer, Schott oder die Werke von Daimler und Opel – all das steht für die kreative Vielfalt des Wirtschaftsstandortes Rheinland-Pfalz. Für alle gilt: In Rheinland-Pfalz zu Hause und weltweit erfolgreich.
Diese Leistungen haben wir den Menschen in den Betrieben mit ihrem Unternehmergeist, ihrem Ideenreichtum und ihrer Tatkraft zu verdanken. Die Landesregierung, das Wirtschaftsministerium und auch ich ganz persönlich, wir alle bekennen uns zum Wirtschaftsstandort Rheinland-Pfalz, und wir sind stolz auf diese wirtschaftliche Stärke und auf die wirtschaftliche Stärke der Menschen!
Meine Damen und Herren, die Zahlen stimmen. Aber niemand darf sich auf diesem Erfolg ausruhen, die Unternehmen nicht, die Gewerkschaften nicht und auch nicht die Politik; denn auch wenn die Voraussetzungen gut sind – wir stehen vor erheblichen Herausforderungen. Wenn wir auch in Zukunft wirtschaftlich erfolgreichen sein wollen, dann müssen wir heute wichtige Weichen stellen. Wir müssen das Fundament unserer Wirtschaft wenn nicht erneuern, aber dann zumindest neu stärken. Wir müssen heute das Morgen für den Wirtschaftsstandort Rheinland-Pfalz neu denken und neu gestalten!
Das Morgen denken, meine Damen und Herren, was müssen wir dafür mitdenken? Wir müssen globale Entwicklungen und globale Trends mit im Blick haben. Ich nenne die Globalisierung, ich nenne die Verschiebung der weltwirtschaftlichen Kräfteverhältnisse, und ich nenne die Neuvermessung der internationalen Arbeitsteilung. Schon allein das fordert unsere Unternehmen im globalen Wettbewerb. Das ist das eine.
Das andere ist ein unglaublicher Druck auf die Ressourcen. Rohstoffe werden knapp und teuer, und dies nicht nur, weil sie endlich sind, sondern auch, weil die Nachfrage so rapide steigt. In China und in anderen Schwellenländern bildet sich eine ganz neue Mittelschicht heraus, und die will ihren neuen Wohlstand auch ausleben. Das bedeutet einerseits natürlich eine enorme Nachfrage nach guten Produkten. Das ist natürlich eine wirtschaftliche Chance auch für die Unternehmen in Rheinland-Pfalz. Unser Ziel muss sein, dass unsere Unternehmen in diesen Märkten präsent und gut aufgestellt sind und diese Chance auch nutzen.
Die knapper werdenden Rohstoffe und die ansteigenden Preise sind aber vor allem auch eine ökologischökonomische Herausforderung. Das gilt auch und gerade für den Klimawandel: Eine ökonomisch-ökologische Herausforderung mit enormen volkswirtschaftlichen Kosten.
Das ist der Kern der neuen Ökonomie: Umwelt und Wirtschaft, Ökonomie und Ökologie wachsen in ein neues Verhältnis zueinander, ein ganz neues Beziehungsverhältnis. Die Wirtschaftspolitik muss daraus ihre Schlüsse ziehen.
Wir müssen mit unseren Ressourcen viel effizienter als bisher umgehen. Wer aus Weniger Mehr macht, hat die Nase vorn. Wer mit weniger Strom produziert, weniger Materialeinsatz hat, weniger Verschnitt und weniger unnütze Wegstrecke, der steigert auch seine Konkurrenzfähigkeit. Und wer kluge industrielle Lösungen bereithält, ressourcensparende Investitionsgüter am Markt anbietet, der spielt ganz vorne mit. Die Märkte der Zukunft – das ist inzwischen eine Binsenweisheit – sind grün. Der Übergang zu einer „Green Economy“ ist zwar noch lang, aber er hat längst begonnen.
Die „F.A.Z“ hat gestern getitelt: „Die vierte industrielle Revolution fest im Auge. Die Wachstumstreiber der nächsten Jahre werden die Industrie 4.0, Energiewende und das Internet sein“. Deutsche Unternehmen sind schon jetzt gut im Rennen.
Aber dieser Übergang bedeutet enorme Chancen für unsere Unternehmen einerseits, wenn es uns gelingt, unsere Produktionsstrukturen darauf einzustellen, auf den Märkten der Zukunft mit intelligenten, ressourcenleichten Produkten präsent zu sein, wenn wir die Märkte der Zukunft erobern, dann werden wir auch künftig die Zahlen am Wirtschaftstandort Rheinland-Pfalz stimmen lassen.
Deswegen reicht es mir nicht, wenn wir uns auf dem Erfolg ausruhen. Deswegen geht es mir auch nicht um große bloße Wachstumsstrategien, sondern es geht mir um intelligentes Wachstum.
Auch gesellschaftlich ändert sich die Einstellung zum Wachstum. Ja, wir brauchen und wir wollen Wachstum, aber nicht bedingungslos und auch nicht jede Art von Wachstum.
Nicht umsonst hat der Deutsche Bundestag eine Enquete-Kommission einberufen, die den Zusammenhang zwischen Wachstum, Wohlstand und Lebensqualität von unterschiedlichen Seiten beleuchtet hat. Mein Haus lässt zudem einige der Erkenntnisse der Enquete aufgreifend einen regionalen Wohlfahrtsindex für Rheinland-Pfalz errechnen.
Meine Damen und Herren, dass eine nachhaltige Wirtschaftspolitik notwendig ist, steht außer Frage. Ich darf zitieren: „Wir haben als Industrieländer eine besondere Verantwortung, allen voran auch die Bundesrepublik Deutschland, Technologien zu entwickeln, Beispiele zu zeigen, wie man nachhaltig wirtschaften kann, damit andere von uns dann auch etwas mitnehmen können. Denn wir haben durch unsere Industrialisierung den Klimawandel schon so weit vorangetrieben, dass wir jetzt auch eine Bringschuld haben zu zeigen, wie man Wachstum, Wohlstand und Nachhaltigkeit zusammenbringen kann.“
Da hätte die CDU auch mit klatschen dürfen; denn dieses Zitat stammt von Frau Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin.
Dieses Zitat stammt von vor zwei Monaten auf dem Evangelischen Kirchentag in Hamburg. Leider war das eine typische Sonntagsrede, der keine Taten folgen. Ob CO2-Zertifikate-Handel oder die CO2-Grenzwertfestsetzung – das Handeln der Bundesregierung passt leider nicht zu dem, was die Bundeskanzlerin sagt.
(Frau Klöckner, CDU: Ich lese Ihnen nachher auch noch einmal ein paar Zitate vor! – Zuruf des Abg. Licht, CDU)
Meine Damen und Herren, die Landesregierung Rheinland-Pfalz steht im Gegensatz zur Bundesregierung für nachhaltiges und für intelligentes Wachstum. Wir brauchen und wollen auch weiterhin Wachstum am Wirtschaftsstandort Rheinland-Pfalz. Wir wollen und brauchen ein intelligentes Wachstum, das die natürlichen Ressourcen schont.
Ich nenne ein weiteres Zitat: „Künftiges Wachstum muss grün sein – egal wo auf der Welt.“ Das ist nicht nur meine Überzeugung, das ist auch die Überzeugung der Wirtschaft. Dieses Zitat stammt von Peter Löscher, dem Vorstandsvorsitzenden der Siemens AG.
Ich will, dass der Wirtschaftsstandort Rheinland-Pfalz zu den Gewinnern dieses Übergangs gehört. Dabei setze ich auf den Erfindungs- und Pioniergeist unserer Unternehmen, dabei setze ich auf den Dialog mit den Unternehmen, mit den Kammern, mit den Gewerkschaften. Auch in den kommenden Wochen werde ich im Rahmen einer zweiwöchigen Reise durch das Land wieder ganz bewusst den Kontakt zu denjenigen suchen, auf die es ankommt, wenn es darum geht, wirtschaftliche Entwicklungen voranzutreiben.
Meine Damen und Herren, mit dem Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung haben wir ganz bewusst eine bundesweit einmalige Struktur geschaffen, eine Ressortstruktur für eine moderne, eine nachhaltige Wirtschaftspolitik, mit der wir heute auf die Herausforderungen und Trends von morgen reagieren können.
Es ist meine Überzeugung, heute, im Jahr 2013, gehören Energiepolitik, Klimaschutzpolitik und – in Zeiten eines zunehmenden Flächenverbrauchs und der Flächenkonkurrenz – die Landesplanung und der Bodenschutz untrennbar zu der Wirtschaftspolitik, ebenso wie die Kreislaufwirtschaft, weil sie Zukunftschancen aufnehmen.
Das sieht die Wirtschaft übrigens genauso. Nicht umsonst hat Eric Schweitzer, der neue Präsident des DIHK, dieser Tage darauf hingewiesen, ich zitiere: „Bei der Green Economy geht es um Ressourcen-, Material- und Energieeffizienz. Wir haben hier einen Weltmarktanteil von 15% – mehr als doppelt so hoch, wie bei der Industrie insgesamt. Die Green Economy ist eine Riesenchance für Deutschland.“ Dem ist nichts hinzuzufügen. Wir in Rheinland-Pfalz haben das erkannt und ergreifen diese Riesenchance.
Dass wir mit dem neuen Zuschnitt eine richtige Entscheidung getroffen haben, belegen mir auch und gerade die Reaktionen aus den zahlreichen Unternehmensbesuchen, den Gesprächen mit Unternehmerinnen und Unternehmern in Rheinland-Pfalz. Viele Betriebe im Land haben die Zeichen der Zeit erkannt und sind richtige und wichtige Vorreiter einer nachhaltigen Wirtschaftsweise geworden.
Es gibt zahlreiche Beispiele hierfür, ein energieintensiver Aluminiumhersteller, der seine überschüssige Wärme an ein Gewerbegebiet abgibt, wo unter anderem eine Brauerei ihre Gerste trocknet, oder eine Eisengießerei, die einen Teil ihrer Energie mit Windkraft selbst erzeugt und sich somit unabhängiger von steigenden Energiekosten macht, oder ein Hersteller von Weingelee, der durch den Umbau seiner Kühlstrecke 50 % der Ressource Wasser einspart.
Das alles sind nachhaltige Erfolgsgeschichten, die Unternehmen in Rheinland-Pfalz ganz aktuell schreiben.
Unsere Unternehmen haben sich also längst auf den Weg gemacht. Die Wirtschaftspolitik will und wird sie auf diesem Weg ermuntern und begleiten. Wir handeln heute also schon für das Morgen.
Meine Damen und Herren, heute für morgen handeln – was sind dabei die Aufgaben der Landesregierung? Wie wollen und können wir den Rahmen setzen, um optimale Bedingungen zu schaffen? Zentrale Elemente sind für mich der Dialog Industrieentwicklung, die Fachkräftesicherung, die Energiewende, Unternehmensansiedlungen und die Bewältigung der Konversion. Die Landesregierung setzt den Rahmen, in dem sich die Unternehmen bewegen. Wir sorgen für Entbürokratisierung. Wir sorgen für gute Rahmenbedingungen, nicht zuletzt über die Landeskartellbehörde, die Energieregulierung oder auch über die Sparkassenaufsicht.
Sich aber im Wettbewerb behaupten, das müssen die Unternehmen nicht nur selbst, das können sie auch besser als die Politik. Unsere Unternehmen sind dabei erfolgreich.
Die Wirtschaftspolitik in Rheinland-Pfalz hat bei der Weiterentwicklung des wirtschaftlichen Rahmens bewusst ein neues Instrument – ich hatte es erwähnt –, den Dialog Industrieentwicklung, gewählt. Die Landesregierung bekennt sich ausdrücklich zum Industriestandort Rheinland-Pfalz.
Wir hatten 2012 einen Industrieanteil an der Wertschöpfung von 26 %. In Deutschland waren es immerhin 22 %. Der EU-Schnitt liegt nur bei 16 %. Deutschland und insbesondere Rheinland-Pfalz sind somit der Benchmark im internationalen Vergleich.
Denn: Geht es der rheinland-pfälzischen Industrie gut, dann geht es auch der Wirtschaft im Land insgesamt gut, und dann geht es den Menschen hier gut. Deshalb habe ich den Dialog Industrieentwicklung gemeinsam mit unseren Partnern, den Industrie- und Handelskammern, der Landesvereinigung der rheinland-pfälzischen Unternehmerverbände und dem Deutschen Gewerkschaftsbund initiiert.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, RheinlandPfalz steht seit jeher für eine solide Sozialpartnerschaft. Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat in ihrer Regierungserklärung für die Landesregierung noch einmal betont: Die Pflege der Dialogkultur und die politische Partizipation von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen sind für diese Landesregierung ein wichtiges Anliegen. Der offene Austausch, den die Landesregierung mit den Sozialpartnern sucht und pflegt, ist gerade auch mit Blick auf die Herausforderungen, vor denen wir stehen, von
großer Bedeutung. Der Wandel der Arbeitswelt und die demografische Entwicklung fordern gemeinsame Strategien. Nicht nur die Politik, sondern auch die Sozialpartner tragen Verantwortung dafür, wie die Arbeit und die Bedingungen, unter denen sie geleistet wird, ausgestaltet sind.
In dieser Tradition steht jetzt auch der Dialog Industrieentwicklung. Mit unseren Partnern haben wir eine gemeinsame Diskussionsplattform geschaffen – bewusst auch unter Einbeziehung wissenschaftlicher Expertise. Uns geht es darum, gemeinsam Handlungsfelder, Handlungsstrategien und Handlungsempfehlungen zu identifizieren, zu beschreiben und umzusetzen. Ziel ist es, Akteure zu aktivieren. Nicht die Landesregierung allein kann den Wirtschaftsstandort voranbringen, sondern das Zusammenspiel mit Unternehmerinnen und Unternehmern, mit den Kammern und mit den Sozialpartnern. Natürlich sind wir dabei nicht immer einer Meinung. Ich halte auch nichts davon, Kritik und Meinungsunterschiede mehr oder weniger unausgesprochen im Raum stehen zu lassen; denn tragfähige und nachhaltige Lösungen entwickeln wir nur, wenn wir Positionen, Meinungen und Interessen offen austauschen.