Protocol of the Session on July 4, 2013

Sie sagen, Sie wollen eine Bürgerbeteiligung. Dann frage ich Sie zunächst einmal: Auf welcher Rechtsgrundlage wollen Sie sie durchführen? – Es gibt nämlich keine Rechtsgrundlage für eine solche Bürgerbeteiligung.

Darüber hinaus frage ich Sie: Wo wollen Sie die Grenzen ziehen?

(Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Wer darf beispielsweise mit abstimmen? Dürfen nur diejenigen abstimmen, die in den Anliegergemeinden wohnen? Dürfen diejenigen abstimmen, die im Kreis wohnen? Dürfen vielleicht auch diejenigen mit abstimmen, die sagen: Jawohl, ich möchte so etwas in der Region? – Wir haben das Saarland dabei, und wir haben andere Kreise mit dabei.

Des Weiteren muss ich Ihnen sagen, eine Bürgerbefragung – oder wie auch immer Sie es nennen möchten – im Zusammenhang mit einer Bundestagswahl durchzuführen, ist auch nicht ganz so einfach; denn dazu gibt es Rechtsvorschriften, die das so einfach nicht möglich machen.

Ich sage deutlich, mehr Bürgerbeteiligung, mehr Bürgermeinung als in diesen Verfahren bisher gewährleistet worden ist, gibt es nirgendwo. Vor allen Dingen haben in diesem Verfahren die Bürger die Möglichkeit gehabt und konnten sich substanziell und qualitativ melden.

(Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Bei einer Bürgerbefragung, wie Sie sie vorsehen und wie sie Teile der CDU bei uns im Landkreis fordern, wird nur die Frage gestellt: Wollen Sie einen Nationalpark? – Wir dagegen haben den Bürgern die Möglichkeit gegeben zu definieren, was sie möchten und ob sie einen Nationalpark möchten. Das ist weit überwiegend bejaht worden. Vor allen Dingen haben sie die Möglichkeit zu erläutern, wie sie sich einen Nationalpark vorstellen.

Ich sage ganz eindeutig, der CDU geht es dabei nicht um die Bürgerbefragung. Das wäre ein ganz neuer Zug der CDU. In der Vergangenheit war es nämlich die CDU, die bei Verbesserungen von Bürgerbefragungen oder Bürgermitwirkung immer gebremst hat und die auch beim letzten Mal, als wir die Quoren für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide gesenkt haben, dagegen gestimmt hat. Sich heute im Plenum aufzuspielen und zu sagen, wir sind die Bürgerpartei,

(Glocke des Präsidenten)

das ist lachhaft, und das ist durchsichtig.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Sie wollen nur eines: Sie wollen alles kaputtmachen. Sobald ein Projekt positiv gesehen wird, wollen Sie es zerstören.

(Glocke des Präsidenten)

Das gilt nicht nur für den Hahn oder den Nürburgring, sondern auch für jedes andere Projekt an jeder anderen Stelle. Dieses Spiel machen wir nicht mit.

(Glocke des Präsidenten – Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich erteile Frau Kollegin Schellhammer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich doch sehr stark über den Beitrag von Herrn Billen gewundert, der zeigt, welch enges

Verständnis die CDU von Bürgerbeteiligung hat und dass sie sich tatsächlich nicht intensiv mit dem von uns gewählten Beteiligungsverfahren auseinandergesetzt hat. Sie verkürzen – das haben Sie sowohl in Ihrem Wortbeitrag, als auch in Ihrem Antrag gezeigt – die Bürgerbeteiligung auf eine reine Bürgerbefragung.

Vorliegend geht es aber um ein Vorhaben, das hoch komplex ist. Wir haben eine nationale Biodiversitätsstrategie, wir haben das Vorhaben der Landesregierung, und wir wollen gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort im Rahmen eines konsultativen Verfahrens klären, wie diese Region die Artenvielfalt berücksichtigen, aber auch Entwicklungspotenziale erarbeiten kann. Dies ist viel zielgenauer, weil die Bedenken der Bürgerinnen und Bürger ernst genommen werden und sie selbst ein Konzept für ihren Nationalpark vor Ort erarbeiten können.

Von Anfang an waren alle Betroffenen bei diesem Verfahren intensiv in die Diskussions- und Entscheidungsprozesse eingebunden. Es wurde ergebnisoffen und transparent in einem mehrstufigen Verfahren diskutiert. Man hat einen Bottom-up-Ansatz gewählt, das heißt, man konnte zunächst einmal als Region das Interesse bekunden, und dabei hat sich die Region Hochwald/Idarwald herauskristallisiert. Das heißt, wie Sie auch gesagt haben, es geht in keinem Fall darum, etwas überzustülpen, sondern die Region selbst hat ihr Interesse bekundet. Es ist keinesfalls so, dass ihr etwas übergestülpt wird.

In der zweiten Phase, in der wir uns derzeit befinden – und dies macht die Qualität und den Umfang dieser Bürgerbeteiligung, verbunden mit einem intensiven Beratungsprozess aus –, wird nun in zahlreichen moderierten Veranstaltungen in der Breite und in der Fläche diskutiert und an Problemlösungen und Entwicklungsmöglichkeiten gearbeitet. Erst danach, in der dritten Phase, wird dieses Konzept zur Entscheidung geführt. Aber von Anfang an war klar, dass über die förmliche Ausweisung des Nationalparks in der Region Hochwald/Idarwald die gewählten Vertreterinnen in den kommunalen Gremien entscheiden, allerdings nur dann, wenn nach dem Beteiligungsverfahren auch ein positives Konzept zur Gründung eines Nationalparks tatsächlich vorliegt.

Wenn ich Diskussionen zum Thema „Bürgerbeteiligung“ führe, bekomme ich von CDU-Vertreterinnen und -Vertretern immer wieder gesagt: Wir können das alles machen, aber die kommunale Selbstverwaltung muss beachtet werden. Die Hoheit, darüber abzustimmen, wollen wir bei den kommunalen Räten belassen. – Das ist ein Widerspruch, den Sie selbst mit Ihrer Partei klären müssen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

In diesem Fall wurde ein vorbildliches Beteiligungsverfahren mit einer qualitativ hochwertigen Begleitung durch eine Moderation gewählt. Man hat bei der Kommunikation einen mehrkanaligen Ansatz gewählt, eine Homepage mit mehreren Bürgerforen, Arbeitsgruppen, aber auch ein Informationstelefon eingerichtet, an das sich

alle Bürgerinnen und Bürger, aber auch betroffene Unternehmen vor Ort wenden konnten und ihre Fragen und Anregungen mit einbringen konnten. Dies ist ein sehr breites und umfassendes Verfahren, und es war auch hochgradig transparent. Es war immer klar, welches die nächsten Schritte im Verfahren sind. Wir nehmen die Bürgerinnen und Bürger vor Ort mit ihrer Meinung ernst, mehr noch, wir gehen auf ihre Sorgen, Bedenken und Anregungen in diesem Beteiligungsprozess ein.

Die CDU-Fraktion hat jedoch mit ihrer Argumentation soeben klar gemacht, sie bewertet die Bürgerbeteiligung nach Schema F: Macht es Rot-Grün, ist es schlecht, schlagen Sie es selbst vor, ist es gut. – Das zeigt, welch ein begrenztes Verständnis Sie haben: Es geht Ihnen weder um die Artenvielfalt noch um die Region und erst recht nicht um die Bürgerbeteiligung, sonst hätten Sie sich qualitativ mit dem Verfahren auseinandergesetzt. –

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das ist sehr bedauerlich, und Sie bleiben auch in Ihrem Antrag, den wir noch später im Plenum behandeln werden, sehr vage. Herr Kollege Noss hat es bereits dargestellt: Wer genau soll überhaupt abstimmen, und auf welcher Grundlage? – Sie haben selbst gesagt, auch die umliegenden Regionen sollen informiert werden. – Sollen sie auch mit abstimmen? Soll landesweit oder sogar bundesweit abgestimmt werden? – Es handelt sich um eine nationale Biodiversitätsstrategie, die auch von Ihrer Kanzlerin propagiert wird.

Sie bleiben in Ihrem Antrag sehr vage, und dies bestätigt mich erneut darin, dass Sie tatsächlich nur ein parteipolitisches Spiel vom Zaun brechen wollen und den Frontalangriff gegen die GRÜNEN fahren möchten. Dies wird dem Anliegen des Nationalparks und der breiten Bürgerbeteiligung, die mit diesem Verfahren vonstatten gegangen ist, wirklich nicht gerecht.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Die Qualität einer Bürgerbeteiligung bemisst sich an den gewählten Instrumenten, an der Dialogbereitschaft, an der Offenheit, alle Probleme anzugehen und offen zu diskutieren, an der Breite, an dem breiten Angebot, das mit diesem Verfahren unterbreitet worden ist.

(Glocke des Präsidenten)

Wenn man es mit dieser Maßgabe bewertet, ist dies ein vorbildliches Bürgerbeteiligungsverfahren, das man – wenn man sich wirklich qualitativ damit auseinandersetzt – nur loben kann.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die Landesregierung spricht nun Herr Staatssekretär Dr. Griese.

Vielen Dank! Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich eine Vorbemerkung machen, weshalb ein Nationalpark Sinn macht. – Er ist Teil der Biodiversitätsstrategie, also unserer Verantwortung, unsere natürlichen Lebensgrundlagen und unsere natürliche Lebensumwelt zu erhalten. Das ist nicht etwas, was wir allein in Rheinland-Pfalz praktizieren, sondern es ist Teil der Biodiversitätsstrategie des Bundes, und niemand Geringeres als Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am 18. Mai dieses Jahres noch einmal das Ziel der Biodiversität betont und in diesem Rahmen auch deutlich gemacht, dass 10 % der öffentlichen Waldflächen für diese Schutzzwecke zur Verfügung zu stellen sind. Das sollte als inhaltliche Leitlinie maßgebend sein und uns alle daran erinnern, dass dies ein wichtiges Themenfeld ist, das wir zu bearbeiten haben.

Den Schutz der Natur müssen wir ohnehin bewerkstelligen, aber wir können es verbinden – und das ist das Instrument des Nationalparks – mit einer positiven Regionalentwicklung.

Herr Abgeordneter Noss hat das eben sehr richtig ausgeführt. Gerade der Landkreis Birkenfeld, über den wir hier reden, ist vom demografischen Wandel besonders betroffen. Er braucht einen regionalen Aufbruch. Dieser regionale Aufbruch, diese positive Regionalentwicklung, ist mit einem Nationalpark gestaltbar. Das ist unser Ziel. Das ist nicht erst seit gestern oder vorgestern, sondern seit eineinhalb Jahren mit umfangreichster Bürgerbeteiligung gelaufen. Wir haben Dutzende von Bürgerdialogveranstaltungen, Dutzende von Informations- und Diskussionsveranstaltungen durchgeführt. Die Bürger haben sich einbringen können. Es ist eben mehr, als nur einmal abzustimmen. Es ist eine über Monate und Jahre laufende Mitwirkung am Prozess.

Es reduziert sich nicht auf eine einzige Abstimmung, sondern es ist die Gestaltung und Mitgestaltung des ganzen Vorhabens, die Fortentwicklung der Region, die wir hier durchführen.

Gestatten Sie mir noch eine Nebenbemerkung, da mehrfach Stuttgart 21 angesprochen wurde. Wenn die Regierung Mappus ein derart gestaltetes Bürgerbeteiligungsverfahren im Vorfeld gemacht hätte, wären alle Konflikte, die da gewesen sind, vermeidbar gewesen, Herr Billen. Sie wären alle vermeidbar gewesen!

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Die Region hat sich intensiv in Tausenden, ja in Zehntausenden Mitwirkungs- und Arbeitsstunden ehrenamtlichen Zeitaufwands mit dem Thema beschäftigt und ihre Position dazu gefunden. Die kommunalen Gremien haben sich damit befasst und beschlossen.

Ergebnis ist unter anderem dieses Eckpunktepapier, das fast 50 Seiten stark ist und in dem die Kommunen entsprechend den Wünschen der Bürgerinnen und Bürger ihre Anforderungen, ihre Wünsche und ihre Bedingungen für einen Nationalpark definiert haben. Das ist echte

Bürgerbeteiligung. Das ist nicht nur Abstimmung. Das ist echte Bürgerbeteiligung. Sie hat stattgefunden und wird weiter stattfinden.

Es ist auch interessant, dass Sie in Ihrem Antrag von Bürgerbeteiligung reden, was noch richtig ist, dann aber im Text und auch heute im Beitrag nur eine Abstimmung verlangen. Das ist eben falsch. Es geht um die Mitwirkung am Prozess. Diese ist nicht an einem Tag am Anfang und nicht an einem Tag zu Ende.

Weil das so ist, werden wir auf dem Weg, die Bürgerbeteiligung weiterhin zu gewährleisten, fortfahren. Wir werden die Ergebnisse, die wir erzielt haben, in Nationalparkforen vorstellen. Wir werden unsere Möglichkeiten darstellen, mit denen wir die positive Regionalentwicklung vor Ort vorantreiben können. Das gilt auch für die Bereiche Infrastruktur und das Umfeld dieser Infrastruktur.

Wir stellen jetzt schon fest – das darf ich sagen und ausdrücklich noch einmal den Herrn Abgeordneten Noss bestätigen –, dass in der Region eine Aufbruchstimmung entstanden ist, dass man sich mit seiner Region identifiziert und sich Gedanken macht, wie man nach vorne kommt.

Diese Aufbruchsstimmung müssen wir nutzen. Wir sehen es als eindeutig notwendig an, dass sich die Kommunalvertretungen vor Ort auf Kreis- und Verbandsgemeindeebene hiermit wieder befassen und dabei auch ihren Weg gehen werden, die Ortsgemeinden einzubinden und alles aufzunehmen, was von den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort eingebracht wird. Das ist echte Bürgerbeteiligung. Auf dem Weg werden wir fortfahren. Das ist der Weg, mit dem die Region am Ende auch nach vorne kommen wird.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)