Lieber Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben überraschend eine Rede von Herrn Schreiner zu großen politischen Linien gehört.
Wir haben zur Kenntnis genommen, dass in Deutschland – außer in Rheinland-Pfalz – alles gut ist. In Deutschland gibt es überhaupt keine Probleme. Er ist aber erschüttert, wenn er die Pläne der SPD und der GRÜNEN liest.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin wirklich erschüttert, wenn ich feststelle, dass Sie überhaupt kein Gefühl haben und nicht wahrnehmen, dass es in dieser Republik inzwischen eine soziale Schieflage gibt und viele Menschen uns zustimmen, wenn wir sagen, die Gerechtigkeit waltet in diesem Land nicht mehr.
Wir haben vor wenigen Wochen eine Untersuchung über die Gerechtigkeit in Deutschland zur Kenntnis genommen. Aus dieser Untersuchung geht klar hervor, dass eine große Mehrheit, und zwar mehr als drei Viertel der Menschen, nämlich 77 %, es so sehen, dass die Einkommen und die Vermögen in dieser Republik nicht mehr richtig verteilt sind. Darauf muss die Politik reagieren.
Über diese Dinge reden Sie nicht. Sie reden nur über pauschale Dinge, wie zum Beispiel über die Frage, wen das trifft und wen das nicht trifft. Wir werden dafür sorgen, dass es die Richtigen trifft und es diejenigen, die das nicht verkraften können, nicht trifft. Darauf können Sie sich verlassen.
Wir werden uns auch zu Herzen nehmen, dass das, was zum Beispiel Bischof Zollitsch sagt, auch berücksichtigt wird. Er sagt: „Wenn die Gegensätze zu groß werden, dann bricht eine Gesellschaft. Wir müssen auch im Interesse der Gesellschaft sehr danach schauen, dass tatsächlich die Solidarität größer wird und wir zwischen Arm und Reich stärker ausgleichen.“ – Sie wissen, dass ich kein Katholik bin. Wenn aber Bischof Zollitsch etwas Richtiges sagt, soll das auch vermerkt werden.
Ich komme auf Ihren Antrag zurück. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass die CDU im Augenblick anfängt, in Richtung Bundestagswahlkampf zu trommeln, dann hätte man diesen Antrag betrachten müssen. Ich habe es heute Mittag schon einmal gesagt.
Frau Klöckner, es tut mir leid, dass Sie für diesen Antrag so viel Zeit und so viel Papier verbraucht haben. Sie hätten ihn nämlich ganz kurz fassen können, und zwar in zwei oder drei Zeilen. Die Substanz dieses Antrags ist wie folgt: Die CDU will, dass der Landtag die Landesregierung bewegt, dass sie im Bundesrat das gesamte Regierungsprogramm sowohl der SPD als auch der GRÜNEN torpediert und ablehnt. – Das ist die Substanz dieses Antrags.
Dann sage ich Ihnen aber dazu, was wir Sozialdemokraten wollen. Ich rede für die Sozialdemokraten. Der Kollege Steinbach wird auch noch reden. Wir Sozialdemokraten wollen, dass in die Bildung, die öffentliche Infrastruktur und auch die Kommunen mehr investiert werden kann.
Wir Sozialdemokraten wollen, dass eine gute Ausbildung, sichere und funktionsfähige Verkehrswege und die Energieversorgung finanziert werden können. Wir wollen, dass der wirtschaftliche, soziale und kulturelle Erfolg der Bundesrepublik gesichert wird. Allein im Bildungsbereich fehlen 20 Milliarden Euro pro Jahr, wenn wir auf den Durchschnittsstandard kommen wollen, der im EuroRaum herrscht. Das ist eine immense Aufgabe.
Das kann man genauso wenig durch kleine Umschichtungen erreichen wie die 30 Milliarden Euro von Frau Merkel, über die wir heute Mittag geredet haben. Der Unterschied ist, dass wir in unserem Steuerkonzept eine klare Gegenfinanzierung haben. Wir haben eine klare Gegenfinanzierung für mehr Investitionen und den Schuldenabbau berücksichtigt.
Ich erzähle es Ihnen doch gleich. Haben Sie doch einmal Geduld. Hören Sie doch einfach einmal geduldig zu, so wie wir das heute auch schon gemacht haben, auch wenn es manchmal schmerzt. Wir haben sogar Herrn Schreiner einigermaßen ruhig zugehört.
Meine Damen und Herren, wir wollen, dass es nicht mehr so sein kann, dass die reichsten zehn Prozent
nicht mehr wie 1970 40 %, sondern heute 60 % aller Vermögen haben. Wir wollen nicht, dass die Mittelschicht weiter schrumpft. Wir wollen nicht, dass die Schere zwischen Arm und Reich,
wie wir jetzt sogar in dem geschönten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung gesehen haben, weiter auseinandergeht, sondern wir wollen ganz gezielt für eine soziale Balance in unserer Gesellschaft sorgen. Deswegen sagen wir, dass wir das ändern müssen.
Deswegen müssen wir einige Steuern für einige Steuerzahler verändern. Eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 49 % betrifft Menschen, die als Single mehr als 100.000 Euro versteuern. Diese betrifft Menschen, die als Verheiratete mehr als 200.000 Euro versteuern. Man kann nicht sagen, dass man arme Leute trifft. Wenn Sie die komische Rechnung aufmachen, wie das früher mit dem Spitzensteuersatz war, dann sage ich Ihnen, unter Helmut Kohl hat der Spitzensteuersatz 53 % betragen. Das war nicht etwa das 20-Fache, sondern das 2,4Fache eines Durchschnittsgehalts. Bleiben Sie einmal ein bisschen auf dem Teppich.
Wir werden auch die Kapitalertragsteuer von 25 % auf 32 % erhöhen; denn es kann nicht angehen, dass Einkommensteuer- und Mehrwertsteuerzahler 80 % finanzieren und die Kapitalsteuer nur 20 % erbringt. Deshalb wollen wir etwas Vernünftiges tun.
Wir werden auch die Vermögensteuer für private und nicht für mittelständische Unternehmen – wir werden aufpassen – mehr belasten; denn es ist unser Anliegen, dass mittelständische Unternehmen anständig existieren und anständige Gewinne machen können. Wir werden auch die Erbschaftsteuer entsprechend verändern und weiter daran bleiben, dass die Finanztransaktionssteuer, wenn sie kommt und erhoben wird, mit einer breiten Bemessungsgrundlage – – –
Frau Klöckner, ich weiß noch, wie Sie dagegen waren. Sie sind inzwischen wie die Kanzlerin auch dafür. Jetzt kommen wir wieder einmal zu der sozialen Komponente.
Wir werden Subventionen abbauen. Ich sage Ihnen, was die größte Subvention in diesem Land ist. Die größte Subvention in diesem Land die Tatsache, dass es keinen gesetzlichen Mindestlohn gibt, so viele Menschen unter einem vernünftigen Lohnniveau in prekären Arbeitssituationen arbeiten müssen, deswegen keine Steuern bezahlen und im Gegenteil die öffentliche Hand jährlich noch 1,8 Milliarden zuschießen muss. Wenn wir dafür sorgen können, dass ein flächendeckender Mindestlohn kommt, dann werden wir um die 3 Milliarden Euro Steuern einnehmen und die 1,8 Milliarden Euro Zuschüsse dafür einsparen. Dann haben wir hier eine entsprechende Gegenrechnung.
Meine Damen und Herren, wir werden auch andere Subventionen abbauen, die ökologisch schädlich sind, zum Beispiel die berühmte Dienstwagenförderung in dem Ausmaß, wie wir sie jetzt haben, die Begünstigung
Wenn Herr Schreiner meint, es wäre nur hypothetisch, wir würden ohnehin nicht gewinnen, sind Sie einmal vorsichtig;
denn der Unterschied zwischen der Opposition hier im Hause und der Opposition im Bundestag ist der, dass wir ein Konzept haben.
Ihr Konzept nach der letzten Bundestagswahl war ganz einfach. Sie haben sich mit Herrn Brüderle und anderen Liberalen zusammengesetzt, wahrscheinlich im Mövenpick Hotel, und haben so einfach einmal die Hotelsteuer rasiert.
Sie haben sie begünstigt, dass sie weniger Mehrwertsteuer bezahlen müssen. Wir werden das natürlich wieder ändern. Auch das bringt 5 Milliarden Euro in die Staatskasse.
Meine Damen und Herren, damit wollen wir Deutschland zukunftsfähig machen. Ich glaube, dass das etwas anderes ist als das, was in dem Antrag der CDU steht. Mich wundert aber jetzt nichts mehr. Ich dachte, wie kommt die CDU dazu, jetzt einen solch dünnen Antrag zu stellen. Aber jetzt hat sich herausgestellt, aus welcher Ecke er kommt. (Glocke des Präsidenten)