Protocol of the Session on June 6, 2013

Der Leerstand von 90.000 Häusern und Wohnungen gerade in den ländlichen Regionen wird sich im Zuge des demografischen Wandels noch erheblich ausweiten. Auch hier ist die Politik gefordert, Schlüsse zu ziehen.

Ein weiteres Ergebnis ist der Bildungsstand. Hatten bei der letzten Zählung 12,1 % einen Hochschulabschluss, so sind es 2011 bereits 29,5 %.

Bei den Realschulen stieg die Zahl von 17,1 % auf 28,2 %, wobei sich die Zahlen für die Hauptschulen fast halbiert haben. Es zeigt sich, dass die Bildungspolitik der letzten 20 Jahre große Erfolge erzielt hat.

(Beifall der SPD)

Nach dem Saarland und Bayern leben in RheinlandPfalz die meisten Katholiken, nämlich 45 %, wobei ich froh darüber bin, dass ich zu der Mehrheit gehöre.

Viele weitere Informationen findet man beim Statistischen Landesamt, und für jede Region, jeden Kreis und jede Stadt sind die heruntergebrochenen Daten leicht einsehbar. Mit den Daten, woher man kommt, und mit dem Sachstand von heute kann man Zukunft gestalten. Dabei sind verlässliche Quellen wesentlich, und der Zensus liefert eine dieser Quellen.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU spricht nun ein kampffähiger Mann, nehme ich an. Ich erteile Herrn Abgeordneten Schreiner das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ergebnisse der Volkszählung liegen vor, und die entscheidende Botschaft, die wir in diesem Parlament zur Kenntnis nehmen müssen, lautet, die Bevölkerung in Rheinland-Pfalz altert – es werden zu wenig Kinder geboren –, und die Bevölkerung im Land sinkt. Rheinland-Pfalz verliert Menschen, die ihren Arbeitsplätzen in anderen Bundesländern hinterherziehen müssen.

Konkret bedeutet dies, dass beispielsweise bei einer Stadt wie Pirmasens in den letzten zehn Jahren die Bevölkerung um 11 % abgenommen hat und – wenn man in die Zukunft schaut – in den nächsten 20 Jahren weitere 20 % der Einwohner Pirmasens verlassen werden. Auch bei den Landkreisen war in der Vergangenheit Birkenfeld mit 8 % weniger Einwohnern in den letzten zehn Jahren der traurige Spitzenreiter, und in den nächsten 20 Jahren prognostiziert man für die Südwestpfalz einen Bevölkerungsrückgang von 16 %.

Weniger Kinder und Wegzug – das ist kein Ruhmesblatt für eine Landesregierung, die Milliarden Euro in die Konversion investiert hat, die seit 20 Jahren am Ruder ist und die sich gern „sozial“ nennt. Dies sind keine guten Aussichten, aber die Prognose war genauer als anderswo.

Die rheinland-pfälzische SPD-geführte Landesregierung steht völlig hilflos vor den Problemen des Flächenlandes Rheinland-Pfalz, aber immerhin, das Statistische Landesamt arbeitet einwandfrei. Nun freuen wir uns ganz nebenbei auch über hoffentlich viel Geld, das über den Länderfinanzausgleich mehr nach Rheinland-Pfalz fließt.

Ich habe mich gefragt, weshalb Sie angesichts dieser Daten das Thema für eine Aktuelle Stunde gewählt haben, aber ich sage einmal, vor dem Hintergrund dessen,

(Pörksen, SPD: Was Sie uns gestern geboten haben, ist das aktuell, ja!)

was uns aus dem Länderfinanzausgleich erwartet, hätten Sie sie auch mit dem Titel: „Danke, Hessen!“ überschreiben können; denn das Geld zahlen andere.

Der Zensus zeigt – diese Aussage geht an die GRÜNEN –, eine Volkszählung tut nicht weh. Das hat auch Frau Kollegin Fink deutlich gemacht. Sie ist immer einmal notwendig, aber man muss die Statistik dann auch nutzen. Die Statistiker sagen uns nicht nur, dass wir keine 4 Millionen Einwohner mehr sind, sie sagen uns auch, dass es Gewinner und Verlierer bei der Bevölkerungsentwicklung in Rheinland-Pfalz gibt, und wir müssen genau hinschauen, wo die Ursachen dafür liegen. Die Ursache dafür ist im Kern die Infrastruktur.

(Beifall der CDU)

Dort, wo das Internet schnell ist, können die Unternehmen vernünftig arbeiten. Dort, wo man nicht im Stau steht, sehen die Menschen eine Perspektive für sich, bleiben bei uns oder ziehen zu. Dort, wo aber Daten- und Straßennetze fehlen, gehen erst die Arbeitsplätze und dann die Menschen. – Ergo, der Schuldenabbau ist auf der einen Seite das Gebot der Stunde.

Wir gehen natürlich davon aus, dass die erwarteten Millionen aus dem Länderfinanzausgleich als unerwartete Mehreinnahme ausschließlich zur Senkung der Nettokreditaufnahme verwandt werden. Der Schuldenabbau ist das eine, aber gleichzeitig braucht es mit den geringeren Mitteln vor allem eine Verschiebung der Ausgaben hin zu den Investitionen, die den Menschen nützen. Wir brauchen Landesstraßen zur Zukunftssicherung. Die B 10 beispielsweise ist nicht das Thema für eine ergebnislose Mediation, sondern die B 10 ist ein Existenzthema für die Menschen in dieser Region, die bleiben wollen, die Kinder haben wollen und die zu Recht erwarten, dass dafür der richtige Rahmen gesetzt wird.

(Beifall der CDU)

Insofern können wir nur hoffen, und die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Sie haben die Aktuelle Stunde auf die Tagesordnung gesetzt. Wir hoffen, dass Sie die Daten, die uns die Statistiker liefern, auch für ein kluges Regierungshandeln in den nächsten Jahren, die Ihnen noch bleiben, nutzen werden.

(Beifall der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Schellhammer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht sind Sie etwas verblüfft, wenn ich als GRÜNE damit beginne, dass eine Volkszählung natürlich eine wichtige Funktion hat: Sie bietet eine Orientierung und eine Informationsgrundlage, die aussagekräftig ist.

Aber zu dem „Aber“ komme ich natürlich in meinem Redebeitrag auch noch; denn Sie können sicherlich verstehen, dass ich als GRÜNE nicht an diesem Rednerpult stehen kann, ohne auf den Datenschutz einzugehen.

Die nun vorliegenden Einwohnerzahlen von Bund, Ländern und Gemeinden und auch die ersten Strukturdaten, die uns vorliegen, sind eine wichtige Grundlage für politische Entscheidungen und werden ihre Auswirkungen haben. Die Kollegen, die vor mir gesprochen haben, sind natürlich auch schon darauf eingegangen. Sie werden auch eine Grundlage dafür sein, dass wir über die Frage diskutieren können, wie wir dem demografischen und

auch dem strukturellen Wandel in unserem Land begegnen können.

Natürlich kann ich an dieser Stelle nur begrüßen, dass die Abweichung der Ergebnisse bei den Einwohnerzahlen im Vergleich zu den Einwohnermelderegistern in Rheinland-Pfalz nur bei 1 % liegt, das damit sehr erfolgreich ist; denn in keinem anderen Bundesland waren die Abweichungen so gering. Dafür möchte ich auch von meiner Fraktion ausdrücklich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Meldebehörden loben und mich für diese gute Arbeit bedanken.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Kollege Schreiner, Sie haben soeben gesagt, eine Volkszählung tue nicht weh. – Ja, natürlich tut sie nicht weh, aber sie ist ein erheblicher Eingriff in die Persönlichkeitsrechte. Sie ist ein erhebliches datenschutzrechtliches Problem, und dies muss immer in der Debatte erwähnt werden, auch wenn man auf die Vorteile der nun erhobenen Statistik eingeht. Deswegen habe ich meine erste Kleine Anfrage in diesem Hause auch gleich dem Zensus gewidmet und die datenschutzrechtlichen Belange bei der Durchführung des Zensus abgefragt, inwieweit nämlich den Vorgaben gefolgt wurde.

Natürlich haben wir GRÜNE schon im Vorfeld des Zensus 2011 auf die verschiedenen Probleme hingewiesen. Auf europäischer Ebene, als der Vorschlag der EUKommission vorgelegt wurde, der eine erhebliche Verletzung des Datenschutzes vorsah, wurden auf Initiative der GRÜNEN hin im Europaparlament Änderungen vorgenommen, und auch im Bundestag hat die Fraktion der GRÜNEN das Zensus-Gesetz sehr kritisch diskutiert und hat ihm nicht zugestimmt. Nun müssen wir natürlich schauen, wie man in den Ländern mit diesem Gesetz umgeht, und deswegen ist es umso wichtiger und auch begrüßenswert, dass die Arbeit des Landesbeauftragten für den Datenschutz bei der Durchführung des Zensus so intensiv war.

In der Zusammenarbeit mit dem Statistischen Landesamt und mit dem Innenministerium konnte der Landesbeauftragte für den Datenschutz Sicherheitskonzepte, Rahmenvorgaben und Musterdienstanweisungen für die Erhebungsstellen erstellen und somit eine Orientierung beim Umgang mit den höchst sensiblen Daten gewährleisten. So musste beispielsweise einwandfrei nachgewiesen werden, dass es eine räumliche Trennung bei der Erhebung gibt und auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit diesen Daten beschäftigt sind, nicht verknüpft sind mit anderen Tätigkeiten, die eventuell mit den Informationen durch die Erhebungsdaten vermischt werden könnten. Deswegen gilt meine zweite Danksagung neben den gewissenhaften Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Meldebehörden dem Landesbeauftragten für den Datenschutz für seinen gewissenhaften Umgang mit dem Zensus 2011.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für uns GRÜNE bleibt es dabei: Volkszählungen sind Eingriffe in die Freiheitsrechte aller Bürgerinnen und Bürger. Schon wegen ihres quantitativen und verpflich

tenden Charakters ist es deshalb so wichtig, dass alle beteiligten Stellen sehr sensibel damit umgehen und höchste Wachsamkeit geboten ist. Wir müssen uns aber auch darüber klar werden, dass nach dem Zensus vor dem Zensus ist; denn nach den europäischen Vorgaben wird im Jahr 2021 erneut eine Volkszählung erfolgen. Das ist in acht Jahren, und bis dahin müssen wir mit den Erfahrungen des jetzigen Zensus auch bei den Rechtsgrundlagen diskutieren, wie wir noch eine Verbesserung des Datenschutzes bei der Erhebung der Daten umsetzen können.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte hat einige wichtige Punkte genannt. Denen kann ich mich für meine Fraktion vollumfänglich anschließen. Ich gehe gerne auch noch einmal in einer zweiten Runde oder bei einer anderen Gelegenheit darauf ein, welche Punkte das sind.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die Landesregierung hat Herr Innenminister Lewentz das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich mich ganz herzlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die für diesen Zensus in Rheinland-Pfalz Verantwortung zeigen, bedanken. Das sind an erster Stelle die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Statistischen Landesamtes, die, die wir hinzugewinnen konnten, die uns unterstützt haben, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kommunen.

Liebe Frau Fink, ich widerspreche Ihnen ungerne, aber ich glaube, diese waren mindestens so gut wie die römischen Zensoren. Das steht für mich fest. Ich meine jedenfalls die Rheinland-Pfälzerinnen und RheinlandPfälzer, die hier mitgewirkt haben.

Wenn man sich diese Datenerhebung anschaut, registergestützt, per postalischer Befragung und durch direkte Befragung erhoben, dann weiß man, dass wir in Rheinland-Pfalz mit unserem Meldewesen richtig und gut aufgestellt sind und die Volkszählungen 1981 in der ehemaligen DDR und 1987 in der alten Bundesrepublik Deutschland in Rheinland-Pfalz wirklich sehr gut fortgeschrieben wurden.

Ich glaube, es kommt noch ein Vorteil hinzu, dass wir nämlich eine kommunale Aufstellung haben, wie sie kaum ein anderes Bundesland kennt. Wir haben 2.258 eigenständige Ortsgemeinden. Ich kenne die Praxis so, dass die Ortsbürgermeister die Einwohnerlisten bekommen und wir natürlich hinschauen, dass wir die Einwohnermeldeämter sehr nah vor Ort angesiedelt haben. Wenn man sich noch einmal zwei Zahlen vor Augen führt, kann man dies auch nachvollziehen.

Die Durchschnittsgröße einer rheinland-pfälzischen Gemeinde beträgt 1.700 Einwohnerinnen und Einwohner, in Nordrhein-Westfalen 44.000 Einwohnerinnen und Einwohner.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man dann allerdings über Schlussfolgerungen dieses Zensus spricht, Herr Schreiner, dann muss man bei Ihrer ersten Würdigung nahezu entsetzt sein. In der Bundesrepublik Deutschland haben wir 1,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner verloren. 9.900 in Rheinland-Pfalz. In Rheinland-Pfalz ist es also eine Punktlandung. Dann zu sagen, unser größtes selbst verursachtes Problem wäre eine Landflucht,

(Pörksen, SPD: So ein Quatsch!)

und alle die Dinge, die Sie gesagt haben, das ist – mit Verlaub – wirklich, ich nehme dieses Wort auf, Quatsch. Das hat nichts mit der Realität zu tun.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geehrter Herr Schreiner, wenn Sie Hessen nennen, dann, glaube ich, sollten wir beide einmal auf den Eingang eines Dankesschreibens aus Hessen warten. Sie haben in den letzten Jahren daran verdient, dass dieser Zensus erst jetzt erhoben wurde. Es wird uns auch klar, warum man in den Gremien des Bundesrates aus anderen Bundesländern erlebt hat, dass man am liebsten die Ergebnisveröffentlichung des Zensus erst in die zweite Stufe geschoben hätte, die für 2014 vorgesehen ist, um noch einmal länger auf den alten Basen dann auch über den Länderfinanzausgleich Geld zu verdienen.

Wenn man es hochrechnen würde – Herr Finanzminister, ich glaube, ich liege da gar nicht so falsch –, so sind uns durch diese lange Zeit, bis wir diese Daten heute haben, rund eine Milliarde Euro entgangen. Das ist für Rheinland-Pfalz enorm viel Geld. Diese Gelder hätten wir gerne gehabt, weil sie uns zugestanden hätten; denn wir haben mit unserem Meldewesen dafür gesorgt, dass unsere Daten im Verhältnis zu den Daten der anderen Bundesländer exakt sind und genau das widerspiegeln, was uns eigentlich zusteht. Dieser Ausfall beträgt eine Milliarde Euro. Das gehört zur Wahrheit auch dazu. Dann die Hessen, die davon profitiert haben, Herr Schreiner, zu nennen, ist, glaube ich, ein wirklich falsch gegriffenes Beispiel.