Protocol of the Session on April 24, 2013

Ich will nach vorne blicken. Was müssen wir tun? – Wir müssen auf der einen Seite Steuerhinterziehung, die in der Vergangenheit passiert ist, bekämpfen, und wir müssen auf der anderen Seite die Voraussetzungen für Steuerhinterziehung, aber auch die Voraussetzungen für Steuervermeidung beenden. Wir müssen die Möglichkeiten, dies zu tun, beenden. Steuervermeidung heißt, jemand verhält sich legal, aber nicht so, wie es eigentlich der Gesetzgeber – also die Parlamente in den Ländern und dem Bund – ursprünglich erwartet hat.

Zu dem ersten Punkt, zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung, meine sehr verehrten Damen und Herren, gehört dann auch, wenn wir uns in einer Situation befinden, in der wir uns leider noch befinden, nämlich in einer Zeit, in der wir kein vernünftiges Steuerabkommen mit der Schweiz haben, dass CDs angekauft werden. Sie werden dann angekauft – das haben wir immer ge- sagt –, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind, nämlich erstens die Bedingung, dass sie werthaltig sind, und zweitens die Bedingung, dass die rechtsstaatlichen Voraussetzungen erfüllt sind und wir in der rechtsstaatlichen Abwägung zu dem Ergebnis kommen, dass ein solcher Ankauf in Ordnung ist.

Das war in dem vorliegenden Fall gewährleistet und gegeben. Ich möchte mich an dieser Stelle auch noch einmal sehr herzlich beim Haushalts- und Finanzausschuss des rheinland-pfälzischen Landtags dafür bedanken, dass er bereit war, diesen Ankauf der CD über einen gewissen Zeitraum – nämlich so lange, bis Steuerfahndung und Staatsanwaltschaft die Gelegenheit hatten, ihre Ermittlungen richtig zu beginnen – mit der gebotenen Diskretion zu behandeln.

Ich möchte mich auch ganz herzlich bei den Steuerfahndern und Steuerfahnderinnen in der rheinland-pfälzischen Finanzverwaltung bedanken. Das ist keine Routine für die Kolleginnen und Kollegen. Sie haben das besonnen, gut und im Ergebnis erfolgreich gemacht.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich will mich auch gerne beim Bundesministerium der Finanzen und beim Bundeszentralamt für Steuern bedanken; denn wir haben diesen Ankauf in enger Abstimmung mit den Bundesbehörden vorgenommen.

Warum es dennoch richtig war, im Dezember 2012 das Deutsch-Schweizer Steuerabkommen abzulehnen, haben Selbstanzeigen, die im unmittelbaren Anschluss an diese Ablehnung erfolgt sind, noch einmal deutlich gezeigt.

Meine Damen und Herren, ein Steuersünder hat im Grunde genommen drei Möglichkeiten. Er kann warten, bis er erwischt wird. Er konnte auf das DeutschSchweizer Steuerabkommen hoffen, oder er konnte eine Selbstanzeige machen. Die Selbstanzeige und das Deutsch-Schweizer Steuerabkommen haben zwei Dinge miteinander gemein, nämlich erstens, dass sie anonym sind, und zweitens, dass sie unter bestimmten Voraussetzungen Straffreiheit gewährleisten.

Wenn sich jemand bis zum Ende der Debatte um das Deutsch-Schweizer Steuerabkommen dann dafür entscheidet, dass er eigentlich lieber das Abkommen genutzt hätte, als eine Selbstanzeige zu machen, dann kann das doch nur noch einen Grund haben, wenn alle Bedingungen gleich sind: Es wäre günstiger gewesen.

(Fuhr, SPD: Genau!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das war ein entscheidender Grund dafür, weswegen wir seinerzeit dieses Steuerabkommen abgelehnt haben. Ein zweiter Grund war, dass nach vorne gerichtet zwar ein richtiger Steuersatz eingesetzt wurde, aber kein automatischer Informationsaustausch gewährleistet war.

Lieber Herr Weiland, das war der Grund dafür, dass ich bis zum Schluss – das ist richtig – für dieses Steuerabkommen gekämpft habe, aber für ein verändertes, und nicht für das, was nachher die Bundesrepublik Deutschland nicht mehr bereit war, mit der Schweiz zur Disposition und zur Verhandlung zu stellen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir Steuerhinterziehung bekämpfen müssen, dann gehört dazu auch, dass wir die Steuerfahndung personell vernünftig ausstatten. Rheinland-Pfalz hat hier ein gutes Gewissen. Wir müssen zwar in der Finanzverwaltung Personal abbauen und können das auch im Bereich der Veranlagung durch die Automation, aber wir haben in der Steuerfahndung in den letzten fünf Jahren unser Personal um 10 % aufgestockt.

Zum Zweiten bin ich der Meinung, wir müssen darüber nachdenken, wie wir die Synergien zwischen Ländern und Bund weiter verbessern können. Ich glaube nicht, dass wir, wie Herr Kampeter das vorschlägt, dafür ein Steuer-FBI brauchen, sondern wir nutzen die Einrichtung des Bundeszentralamts für Steuern, die es noch gar nicht so lange gibt, die wir geschaffen haben, um im Bereich der Betriebsprüfungen schlagkräftiger zu werden, die wir jetzt schon im Bereich der Steuerfahndung – beispielsweise auch beim Ankauf von CDs – nutzen. Ich glaube, dass da noch einiges an Optimierungspotenzial ist.

Meine Damen und Herren, ich glaube auch, dass wir bestimmte Veränderungen im Strafrecht vornehmen müssen. Wir müssen die Verjährungsfristen überprüfen. Wir werden am kommenden Freitag im Bundesrat gemeinsam mit anderen Ländern einen Antrag einbringen. Gegebenenfalls wird das Land Baden-Württemberg bis dahin schon einen entsprechenden Gesetzesantrag einbringen. Wir wollen zunächst einen Entschließungsantrag einbringen, in dem wir einfordern, dass die Verjährungsfristen aneinander angeglichen werden und nicht mehr diese schwammige Unterscheidung zwischen schwerer Steuerhinterziehung auf der einen Seite oder leichterer Steuerhinterziehung auf der anderen Seite stattfindet. Das macht es eigentlich nur schwerer.

Wir müssen darüber nachdenken, ob Banken, die aktive Beihilfe zur Steuerhinterziehung betreiben, nicht deutlicher im Strafrecht darauf hingewiesen werden, dass das gegebenenfalls zu einem Lizenzentzug führen kann.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Pörksen, SPD: Wie wahr!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen so etwas wie eine Beweislastumkehr bei großen Vermögen einführen. Es kann nicht sein, dass die Ämter nachprüfen müssen, ob tatsächlich alles, was da an Vermögen vorhanden ist, einmal so entstanden ist, sondern wir müssen diejenigen, die dieses Vermögen haben, auch in die Pflicht nehmen, das entsprechend deutlich zu machen und zu deklarieren.

Ich komme zu dem zweiten und wesentlich schwierigeren Punkt, wenn wir zukünftig Steuerhinterziehung bzw. Steuervermeidung zurückführen wollen. Es ist der schwerere, vom Ergebnis her aber der wirksamere Weg. Zunächst einmal brauchen wir vernünftige Steuerabkommen. Wir brauchen aber auch einen automatischen Informationsaustausch.

Lieber Herr Weiland, ein automatischer Informationsaustausch hätte, das wird Ihnen jeder bestätigen, im Rahmen des vorgeschlagenen Steuerabkommens nicht stattgefunden. Doch genau das wollten eigentlich immer alle – außer der christlich-liberalen Koalition. Deshalb bin ich froh darüber, dass die Schweizer Finanzministerin, Frau Widmer-Schlumpf, nur kurze Zeit nach dem Scheitern des Steuerabkommens erklärt hat, dass der Schweiz jetzt doch nichts anderes übrig bleibe und sie es auch richtig finde, wenn sie sich diesem automatischen Informationsaustausch nähern. Glauben Sie, eine solche Diskussion wäre in der Schweiz politisch möglich gewesen, wenn es das Abkommen gegeben hätte? Natürlich nicht.

Der zweite Punkt, lieber Herr Weiland: Wir müssen sehen, dass wir neben dem Informationsaustausch auch eine vernünftige Abwicklung der rückwirkenden Besteuerung, also der hinterzogenen Steuern, bekommen.

(Dr. Weiland, CDU: Das war im Abkommen aber vorgesehen!)

Gerade darin liegt der Schlüssel: Haben wir einen automatischen Informationsaustausch, dann wird dies trans

parent. Deswegen spricht alles dafür, dieses Instrument zu wollen und herauszuhandeln.

Es ist, finde ich, ein gutes Zeichen, wenn die Schweizer Banken mittlerweile darüber diskutieren, dass sie deutsche Steuerhinterzieher auffordern wollen, die Schweiz Ende des Jahres 2013 mit ihrem Vermögen zu verlassen, wenn sie keine entsprechende Erklärung zur Besteuerung vorlegen.

All das sind Entwicklungen, die wir uns immer gewünscht haben. Dafür hätte es keinerlei Anreize gegeben, wenn das Steuerabkommen in der verhandelten Form verabschiedet worden wäre.

Meine Damen und Herren, wir müssen Steueroasen bekämpfen. Das ist wohl das Schwierigste. Aber wenn es gelingt, ist es für die öffentlichen Kassen sicherlich attraktiv. So kann der Gesetzgeber das Geld bekommen, das er sich ursprünglich einmal gewünscht hat, als diese Gesetze verabschiedet wurden.

Über Mindeststeuersätze in der Europäischen Union müssen wir nachdenken, weil es natürlich nicht sein kann, dass in der Europäischen Union auf der einen Seite komplette Dienstleistungsfreiheit und Unternehmensfreiheit besteht, aber jeder seinen Unternehmenssitz dort anmelden kann, wo es den geringsten Steuersatz gibt. Wer das eine will, muss das andere folgen lassen. Da müssen wir uns in unseren nationalen Autonomiebestrebungen auch einmal zurücknehmen und das akzeptieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Steuerhinterziehung – daran besteht meines Erachtens kein Zwei- fel – ist Diebstahl. Steuervermeidung zeugt von einem mehr als fragwürdigen Staatsverständnis.

Die Bezieher normaler Einkommen, etwa eines Jahreseinkommens von 40.000 Euro, zahlen davon 10.000 oder 12.000 Euro Steuern. Damit tragen sie dazu bei, dass Kindertagesstätten, Schulen, Universitäten und Straßen gebaut werden können und Polizisten für die Innere Sicherheit sorgen. Da kann es nicht sein, dass andere ihre hohen Vermögen ins Ausland bringen und all diese Infrastruktureinrichtungen auf Kosten der Einkommens- und Vermögensschwächeren nutzen. Das ist unsolidarisch.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Manche meinen dann: Na ja, mir gefällt das nicht, was der Staat mit seinem Geld tut. – Ihnen kann ich nur sagen: Das ist Demokratie. Wenn euch das nicht passt, dann engagiert euch in Parteien, geht entsprechend wählen! Aber eine Selbstjustiz kann es auch in diesem Sinne nicht geben. Ich glaube, da sind wir uns einig.

Herr Weiland, Sie haben ein Argument genannt, bei dem man vorsichtig sein muss. So, wie Sie es gesagt haben, ist es in Ordnung. Aber es wird mit der gleichen Intonation immer auch von Leuten bemüht, bei denen mir die Argumentation nicht gefällt. Sie haben sinngemäß gesagt: Der Kampf gegen Steuerhinterziehung ersetzt keine gute Steuerpolitik. – Es gibt manche, die erklären

Steuerhinterziehung und Steuerflucht damit, dass die Steuerpolitik angeblich schlecht sei.

(Dr. Weiland, CDU: Habe ich nicht gemacht!)

Ich sage: Es gibt welche. – Die äußern das teilweise offen, wenn auch nicht in diesen Tagen. Aber Sie können sich manche Debattenbeiträge anhören, auch Reden aus dem Deutschen Bundestag, die vor ein paar Jahren vorgetragen wurden. Da finden Sie diese Argumentation.

(Dr. Weiland, CDU: Das ist unzulässig, da sind wir uns einig!)

Das ist unzulässig, weil es geltende Gesetze verletzt.

(Dr. Weiland, CDU: Ja!)

Wenn jemand gegen das Betreuungsgeld ist – das sind in Deutschland ja nicht wenige –, dann legitimiert das denjenigen natürlich nicht, am nächsten Tag keine Steuern mehr zu bezahlen.

(Dr. Weiland, CDU: So ist es!)

Denn diese Bürger haben die Chance, das auf demokratischem Weg in Ordnung zu bringen, indem sie eben die Parteien wählen, die gegen so etwas sind.

(Zuruf des Abg. Baldauf, CDU)

Meine Damen und Herren, ich bin fest davon überzeugt: Wenn wir es schaffen, Steuerhinterziehung in den Griff zu bekommen, wenn es uns gelingt, Steuerhinterziehung einzudämmen – und ich finde, wir sind auf einem guten Weg –, dann müssen wir, um eine Konsolidierung von öffentlichen Haushalten vornehmen zu können, nicht mehr über Steuererhöhungen reden.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Genau!)

Denn dann leisten diejenigen, denen es besser geht, ihren Beitrag auf reguläre Art und Weise.

Ich bin auch von Folgendem überzeugt: Wenn es uns gelingt, diejenigen, die Steuern zwar legal, aber gegen den Gesetzgeber vermeiden, zur Steuerzahlung heranzuziehen, dann, meine Damen und Herren, schaffen wir den Konsolidierungsprozess. Dann können wir vielleicht sogar an der einen oder anderen Stelle vernünftig Steuern senken.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, aufgrund der verlängerten Redezeit der Landesregierung verlängere ich die Redezeiten der Fraktionen: die Redezeit der CDU um 7 Minuten, die der beiden anderen Fraktionen um 3,5 Minuten. Das ergibt für letztere 5,5 Minuten und für Herrn