Protocol of the Session on March 8, 2013

Wer trägt vor? – Herr Hürter.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie werden die Ruinen der ehemaligen Westwallanlagen als Friedensmahnmal im Rahmen der Neukonzeptionierung für die Bürgerinnen und Bürger erfahrbar gemacht?

2. Welche wichtigen Tier- und Pflanzenarten sind nach Kenntnis der Landesregierung in den Arealen der ehemaligen Westwallanlagen in Rheinland-Pfalz zu finden?

3. Welche Vorteile beinhaltet der Abschluss der Vereinbarung für den Naturschutz und im Sinne der Bewahrung der Ruinen des ehemaligen Westwalls als Friedensmahnmal?

4. Beabsichtigt die Landesregierung einen weiteren Informationsaustausch oder Begegnungen mit den angrenzenden Bundesländern und europäischen Nachbarländern sowie auch mit Naturschutzverbänden, Einrichtungen der politischen Bildung sowie weiteren Initiativen im Rahmen der Neukonzeptionierung der Ruinen des ehemaligen Westwalls?

Für die Landesregierung antwortet Herr Staatssekretär Barbaro. – Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ruinen des ehemaligen Westwalls besitzen heute als Zeugnis deutscher Geschichte eine hohe überregionale Bedeutung.

Die noch vorhandenen Relikte wurden vom Land in das Verzeichnis der Kulturdenkmäler aufgenommen. Darüber hinaus hat sich in den vergangenen Jahrzehnten innerhalb wie auch im Umfeld vieler Bunkerruinen eine für den Naturschutz bedeutende Flora und Fauna eingestellt.

Seit Jahrzehnten gibt es allerdings Schwierigkeiten, weil das Land mit seinem hohen Interesse an der Bewahrung und Nutzung der Ruinen nicht Eigentümerin war. Nach dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz befinden sie sich im Eigentum des Bundes, dem auch die Verkehrssicherungspflicht obliegt.

Seit vielen Jahren beobachten wir Bestrebungen des Bundes, Ruinen vernichten zu wollen. An vielen Stellen ist dies auch erfolgt.

Im Jahr 2010 eskalierte ein Konflikt zwischen dem Bund einerseits und dem Land bzw. dem Landkreis Südliche Weinstraße andererseits. Sechs Ruinen auf der Gemarkung der südpfälzischen Gemeinde Dörrenbach sollten nach dem Willen der Bundesregierung abgerissen werden. Während einer juristischen Auseinandersetzung konnte Anfang 2011 eine Vereinbarung zwischen Finanzstaatssekretär Beus und mir getroffen werden, welche den Abriss verhinderte. Im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung wurde auch festgelegt, dass Landesregierung und Bundesregierung eine dauerhafte Lösung anstreben. Bis zu dieser Lösung wurde ein Abrissmoratorium beschlossen.

Nach über zweijährigen Verhandlungen konnte nunmehr am 4. Januar 2013 eine Vereinbarung geschlossen werden, welche dem Land die Möglichkeit eröffnet, im Sinne des Friedensmahnmals und im Sinne des Naturschutzes die Ruinen zu erhalten. Das Land übernimmt das Eigentum und erhält dafür eine Ablösesumme in Höhe von 25 Millionen Euro.

Die Landesregierung bedankt sich ausdrücklich bei der Bundesregierung für die konstruktiven Verhandlungen und für die gute Lösung.

(Beifall der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Mit dieser Vereinbarung ging eine mehr als 20-jährige Auseinandersetzung zwischen dem Land und dem Bund zu Ende. Über Jahrzehnte hinweg hat sich Herr Ministerpräsident a. D. Kurt Beck für eine solche Lösung eingesetzt. Wir haben in erster Linie Kurt Beck zu verdanken, dass sich nunmehr neue Perspektiven für den

Umgang mit diesem sensiblen historischen Erbe ergeben.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Er hat auch für das Land die Vereinbarung unterzeichnet.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Es ist ein auch im Koalitionsvertrag verankertes Ziel dieser Landesregierung, im Einvernehmen mit den Umweltschutzverbänden, der Denkmalpflege, den Initiativen vor Ort, Privaten, Kommunen und der politischen Bildung,

(Unruhe im Hause)

eine neue Konzeption für die ehemaligen Westwallanlagen zu entwickeln, – –

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, wenn Sie Gesprächsbedarf haben, gehen Sie doch in die Lobby!

die der historischen Sensibilität und den ökologischen Interessen Rechnung trägt.

Die Landeszentrale für politische Bildung wird in ihrer grenzüberschreitenden Gedenkarbeit mit dem Elsass und mit Luxemburg den Prägungen der Grenzgebiete durch die beiden monumentalen Festungslinien des Westwalls einerseits und der Maginot-Linie andererseits nachgehen. Dabei soll auch den unterschiedlichen Wahrnehmungen in der jeweiligen nationalen und regionalen Erinnerungskultur nachgegangen werden, die sich gegenwärtig auch in der ganz unterschiedlichen Präsentation der Relikte der beiden Festungslinien zeigt.

Die bereits unter Mitwirkung der Landeszentrale für politische Bildung realisierten Westwallwege in der Südpfalz oder am Schwarzen Mann in der Eifel können hierfür beispielgebend sein.

Zu Frage 2: Die Ruinen des Westwalls haben sich über Jahrzehnte hinweg zu wertvollen Sekundärbiotopen für eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten entwickelt. So haben sich zahlreiche kalkliebende Moose und Farne angesiedelt. Die noch vorhandenen Überstände und Hohlräume sind Rückzugs- und Überwinterungshabitate für Fledermäuse und Amphibien. Im offenen Gelände werden die besonderen felsartigen Strukturen durch Reptilien, etwa die Mauereidechse und Schlingnatter, besiedelt. Von besonderer Bedeutung sind die Westwallruinen in ihrer kleinräumigen Abfolge als Lebensraum und großräumige Biotopvernetzung für die europäische Wildkatze und andere wandernde Arten.

Ich möchte an dieser Stelle stellvertretend für viele Initiativen den Bund für Umwelt und Naturschutz dankend nennen, der viel zur eben genannten Entwicklung und ihrer Erforschung beigetragen hat.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Zu Frage 3: Einerseits werden die parallelen Zuständigkeiten des Landes und des Bundes entflochten und latente Interessenkonflikte, von denen ich eingangs sprach, gelöst. Andererseits beinhaltet der Abschluss der Vereinbarung für den Naturschutz und im Sinne der Bewahrung der Ruinen des ehemaligen Westwalls auch als Friedensmahnmal ein sofortiges Abrissmoratorium, ein Moratorium, das den künftigen Rückbau von Anlagen durch den Bund verhindert und insofern eine Erhaltung für kommende Generationen sichert. Mit der Vereinbarung wird es dem Land aber auch finanziell erleichtert, seinen beschriebenen Aufgaben nachzukommen.

Zu Frage 4: Zwischen den zuständigen Stellen wurde bereits seit vielen Jahren eine enge Abstimmung und Kommunikation mit dem ehrenamtlichen Natur- und Denkmalschutz, mit den betroffenen Kommunen, Naturparkverwaltungen und anderen Akteuren gepflegt. Aktuell erfolgt dies über das vom Projektbeirat der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten finanzierte Projekt „Grüner Wall im Westen“. Dabei geht es auch um die Erprobung alternativer Methoden zur Gefahrenabwehr unter Wahrung der Belange des Denkmal- und Naturschutzes.

Eine Neukonzeptionierung im Umgang mit den Westwallruinen auf der Grundlage der Vereinbarung mit dem Bund ist in Vorbereitung und wird auch die Ergebnisse des eben genannten Projektes aufgreifen.

Es ist in der Tat beabsichtigt, die benachbarten Länder und europäischen Nachbarn – wie schon bisher – über das Vorgehen in Rheinland-Pfalz zu informieren und daraus gegebenenfalls auch gemeinsame Initiativen zu entwickeln.

Die Naturschutzverbände stehen in gleicher Weise mit ihren Partnern in den benachbarten Ländern in Kontakt.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Kollegen Hürter für eine Zusatzfrage das Wort.

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie diesen Abschluss aus wirtschaftlicher Sicht, insbesondere im Hinblick auf die anstehenden Aufwendungen für die Verkehrssicherung?

Herr Hürter, vielen Dank für die Rückfrage.

Ich möchte auf zweierlei Arten darauf antworten. Zum einen ist bei Abschluss der Vereinbarung die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte sowohl von der Bundesregierung als auch von der Landesregierung beauftragt worden zu analysieren, ob der Abschluss dieser Vereinbarung dem Wirtschaftlichkeitsgebot sowohl des § 7 LHO als auch des § 7 BHO genügt. Das war auch Grundlage für die Vereinbarung.

Zum anderen möchte ich eine Dimension darstellen. Die Bundesregierung hat für die Gefahrenabwehr in Rheinland-Pfalz zwischen 2005 und 2010 jahresdurchschnittlich 80.000 Euro aufgewendet. Wenn ich eine Modellrechnung mit 20 Millionen Euro anstelle und einen Zinssatz von 2 % unterstelle, lande ich bei einem Ertrag von 400.000 Euro. Das wäre der Faktor 5.

Insofern spricht einiges dafür, dass wir uns nicht schlecht gestellt haben. Die Frage der Wirtschaftlichkeit hängt natürlich sehr stark von der Zinsentwicklung ab. Ich habe gerade bewusst nur mit 2 % argumentiert. Bei 4 % würden wir den Faktor 10 erreichen.

Eine Zusatzfrage von Herrn Kollegen Schreiner.

Ich möchte an der Stelle gleich weitermachen. Herr Staatssekretär, vor dem Hintergrund der Diskussion im Haushalts- und Finanzausschuss, dass die Anlage der 25 Millionen Euro in einer kapitalstockerhaltenden Stiftung angezeigt erscheint, frage ich, wie weit die Einrichtung dieser Stiftung gediehen ist und ob sichergestellt ist, dass alle entstehenden Kosten aus den Zinserträgen gedeckt werden können.

Sie haben richtig referiert. In der Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses am 17. Januar 2013 haben wir erklärt, dass, wie von Ihnen angeregt, auch aus unserer Sicht eine kapitalerhaltende Stiftung sicher die sinnvollste Lösung ist.

Das Verfahren wird so sein, dass, wie das im Koalitionsvertrag auch steht, eine Konzeption mit den Interessengruppen gemeinsam gestaltet wird. Das hat auch etwas damit zu tun, dass genau dieses Verfahren am ehesten geeignet ist, künftige Zustiftungen zu ermöglichen.

Sobald nach der Sommerpause eine Konzeption für ein Stiftungsmodell steht, werden die Arbeiten angesetzt, um ein Landesgesetz zur Bildung einer Stiftung zu erarbeiten. Wir sollten zwingend bis Oktober 2014 ein solches Gesetz verabschiedet haben.

Eine Zusatzfrage von Herrn Kollegen Brandl.