Protocol of the Session on January 31, 2013

Wir wollen den Gedanken des Wandels und des Zusammenhalts weiter in unseren internationalen Partnerschaften verankern. Das gilt auch für die in letzter Zeit entwickelte Dynamik bei dem Jubiläum bei der Partnerschaft mit Ruanda. Das ist bemerkenswert. Dazu stehen wir. Das heißt nicht, dass man nicht auch den Menschenrechtsdialog führt und Kritik übt. Im Gegenteil. Ich glaube, das ist gerade eine Voraussetzung dafür zu sagen, wir stehen für diese Graswurzelpartnerschaft, weil sie in den Menschen in Ruanda Hilfe zur Selbsthilfe gibt, weil sie ihnen tatsächlich hilft.

Auf dieser Grundlage können wir Kritik an mancher Entscheidung der ruandischen Regierung oder von einzelnen Militärs üben, weil wir den Kommunikationskanal dafür haben. Damit können wir wirklich etwas verändern. Ich glaube nicht, dass es besonders zielfüh

rend ist, wenn Herr Niebel alle Mittel streicht. Es trifft die Menschen und die Projekte in Ruanda vor Ort. Es trifft nicht die Regierung, im Gegenteil, es stärkt sie möglicherweise noch. Wir sagen Ja zur Graswurzelpartnerschaft, Ja zu einer verantwortlichen internationalen Partnerschaft, zu einer Entwicklungshilfe, die auch auf Selbsthilfe baut, aber nicht zu populistischen und schnellen Maßnahmen, die den Menschen vor Ort nur schaden.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Frau Klöckner, CDU: Herr Josef Winkler hat das Gleiche gesagt.)

Wir haben den Grundsatz „global denken lokal handeln“. Deswegen wollen wir unseren Beitrag zu Frieden und Gerechtigkeit in der Welt weiter leisten. Deswegen werden wir in Rheinland-Pfalz eine Friedensakademie einrichten, die die Aufgabe hat, Aus- und Weiterbildungsprogramme zur Gewaltprävention und zur zivilen Konfliktbearbeitung zu entwickeln und Friedensfachkräfte in Rheinland-Pfalz auszubilden. Ich glaube, man kann nicht nur sonntags vom Weltfrieden reden, aber in der Woche nichts dafür machen. Es ist ein Beitrag zu einer friedlichen Welt, den wir mitgeben wollen, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Bei uns ist der demografische Wandel vielleicht d a s Zukunftsthema, sowohl auf dem Land als auch in den Städten. Frau Klöckner, ich bin vollkommen bei Ihnen, wenn Sie hier fordern, es soll keine weitere Ausweisung von Neubaugebieten mehr geben. Dann sagen Sie das aber auch einmal Ihrer Kollegin aus Neustadt an der Weinstraße und vielen anderen beispielsweise, die nämlich genau das im ganzen Land blockieren.

Ich glaube nicht, dass es besonders zukunftsfähig ist, wenn wir auf der einen Seite wissen, dass die Bevölkerung zurückgeht, wir Dorf- und Ortskerne stärken müssen, um sie zu erhalten, und dann auf der anderen Seite die Ihren überall herumlaufen und sich um das größte und nächste Neubaugebiet bemühen, sondern es geht darum, zu konzentrieren, im Bestand zu sanieren und auch das kulturell Wertvolle zu erhalten und eben auch die natürlichen Ressourcen zu erhalten und den Flächenverbrauch zu minimieren.

Wir werden durch die Ausweisung von weiteren Neubaugebieten im ländlichen Raum in 20 oder 30 Jahren Geisterstädte haben, die wir wieder zurückbauen müssen, sowohl die Neubaugebiete, die nicht bewohnt sein werden, als auch die Dorfkerne, die ausbluten. Das ist ein völlig falscher Weg. Deswegen gehen wir genau in die andere Richtung, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Was die Städte angeht, haben wir zum Teil das gegenteilige Problem. Da haben wir tatsächlich das Problem, dass die Mieten explodieren. Frau Klöckner, ich gebe Ihnen auch recht, da müssen wir auch im sozialen Woh

nungsbau einiges tun. Ich habe aber tatsächlich nicht verstanden, was das jetzt mit der Vermögensteuer zu tun hat und warum die Vermögensteuer genau das behindert. Das Gegenteil ist doch der Fall. Es war doch die CDU-geführte Regierung, die bei den Hartz-IVVerhandlungen beispielsweise rheinland-pfälzische Initiativen blockiert hat, die Hartz-IV-Empfänger auch bei den Nebenkosten entsprechend zu entlasten. Es ist doch Ihre Bundesregierung, die jetzt ein entsprechendes Gesetz vorgelegt hat, das eben nicht hilft, die Mietpreise zu dämmen. Nein, wir wollen auch einmal über die Maklergebühren reden, ob es nicht fairer ist, wenn die Vermieter die Maklergebühren übernehmen, um da eben auch die Mieter zu entlasten. Wir wollen auch den sozialen Wohnungsbau in Rheinland-Pfalz entsprechend stärken. Hätten wir die Vermögensteuer, dann hätten wir es doch viel einfacher, da auch entsprechende Investitionen zu finanzieren. Das heißt, der soziale Wohnungsbau wird doch durch die Vermögensteuer gestärkt und nicht geschwächt, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ja, wir werden immer älter, aber nicht alle gleichzeitig. Wir werden immer weniger, aber nicht überall, und wir werden immer vielfältiger. Das wird leider, wie bei Ihnen auch, häufig vergessen. Aber wir sehen in der Unterschiedlichkeit und der Vielfalt der Menschen eine Chance, und wir wollen die Potenziale dieser Menschen fördern, Zukunftschancen eröffnen sowie Diskriminierung abbauen und entschlossen bekämpfen.

Zur Akzeptanz von Vielfalt gehört eben auch ein wirksamer Diskriminierungsschutz. Deswegen ist es gut, dass wir im Ministerium von Irene Alt eine Antidiskriminierungsstelle eingerichtet haben. Wir wollen eben auch zeigen, dass wir GRÜNE, dass diese Regierung nicht nur für das Wetter steht. Ja, es scheint manchmal die Sonne, und manchmal kommt der Regen. Aber wenn es zusammen kommt, dann stehen wir unter dem Regenbogen. In diesem Jahr steht Rheinland-Pfalz unter dem Regenbogen. Das Kabinett hat jetzt erst den Aktionsplan „Rheinland-Pfalz unterm Regenbogen“ verabschiedet, der ein wesentlicher Beitrag zu mehr Akzeptanz und zur Gleichstellung Gleichgeschlechtlicher und queerer Lebensweisen in diesem Land ist. Das ist auch gut so, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Bundesweit anerkannt ist, dass Rheinland-Pfalz für die humanste Flüchtlingspolitik Deutschlands steht. Wir wollen aber noch einen Schritt weitergehen. Inklusion ist eine politikfeldübergreifende Aufgabe, die alle Lebensbereiche und alle Menschen berührt. Inklusion heißt, dass jeder einzelne Mensch mit seinen Stärken und Schwächen ganzheitlich wahrgenommen wird. Die inklusive Gesellschaft ermöglicht gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen in allen Lebensbereichen. Es geht nicht darum, Menschen, die am Rande oder außerhalb unserer Gesellschaft stehen, zu integrieren, sondern es geht darum, eine Gesellschaft so aufzubauen, dass alle die gleichen Teilhabechancen haben, meine Damen und Herren.

Deswegen ist die Inklusion für uns eine ganz zentrale Zukunftsaufgabe. Wir wollen im engeren Sinne die schulische Inklusion von Kindern mit Behinderungen mit aller Konsequenz angehen, weil es eben eine zentrale Gerechtigkeitsfrage ist, wie wir mit Menschen umgehen, die von Geburt an, durch Unfall oder Krankheit eine Behinderung aufweisen, ob wir ihnen die Chance geben, an allen gesellschaftlichen Institutionen teilzuhaben, wie wir alle das können, oder ob wir ihnen diese Chance verweigern. Es geht um die Chance, und diese Chance wollen Sie ihnen verweigern. Das verstehe ich nicht.

(Frau Klöckner, CDU: Das ist nicht fair!)

Das hat auch nichts mit christlich zu tun, sondern es geht um die Frage, dass die Würde des Menschen für jeden Menschen gleich viel zählt, auch wenn er eine Behinderung hat.

(Frau Klöckner, CDU: Das ist jetzt nicht fair! Das hat selbst Herr Hering nicht gesagt!)

Ob das eine körperliche oder geistige Behinderung ist, darf in Zukunft in diesem Land keine Rolle mehr spielen, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Dann erzählen Sie etwas davon, die Familien zu stärken, und hier wollen Sie die Eltern entmündigen. Das passt doch nicht zusammen. Wir wollen in der Schule jetzt das Elternwahlrecht einführen, weil wir auch glauben, dass es richtig ist, dass die Familien das selbst entscheiden können. Hören Sie doch mit der ideologischen Diskussion auf.

(Heiterkeit bei der CDU – Bracht, CDU: Was machen Sie denn hier die ganze Zeit?)

Es geht doch gar nicht darum, hier die Förderschulen abzuschaffen, sondern im Gegenteil, es geht doch darum, diese Kompetenz in den Förderschulen nutzbar zu machen, dass inklusive Bildung auch überall funktioniert. Da werden wir schrittweise vorgehen. Aber dafür ist die Bedingung eben auch die Bekenntnis zu inklusiver Bildung. Dazu gehört eben auch – das ist unabdingbar – das Elternwahlrecht. Dazu gehört auch der Ausbau von Inklusion in Regelschulen, beispielsweise durch 200 zusätzliche Lehrerstellen, die Rot-Grün ganz speziell dafür schaffen wird. Wir sind auf einem guten Weg, und das begrüße ich ausdrücklich, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Neben der Gerechtigkeit gehört auch die Freiheit zu den höchsten Gütern unserer Demokratie. Da erfüllt es einen doch auch mit Sorge, was man da hört, was sozusagen in Vorwahlkampfzeit der Bundesinnenminister wieder verkündet. Ich glaube, es gibt keine Begründung bei der Evaluation der Antiterrorgesetze, die ja damals hineingeschrieben worden ist, weil man gesagt hat, ein derartiger Eingriff in die Privatsphäre der Menschen will man

nicht ohne Verfallsdatum ins Gesetz schreiben. Der Innenminister, die CDU, will jetzt diese Überwachungsmöglichkeiten zum Überwachungsstaat ausbauen.

(Staatsminister Lewentz: Der Bundesinnenminister!)

Es gibt keinen Grund, über die Verschärfung der Vorratsdatenspeicherung nachzudenken. Es gibt auch keinen Grund, zusätzliche Befugnisse für den Verfassungsschutz zu diskutieren. Ich sehe auch nicht, wie der Einsatz von Drohnen durch die Polizei wirklich zu mehr Sicherheit – vor was denn? – in unserer Gesellschaft beitragen will. Ich glaube, wir müssen uns über eines im Klaren sein: Wenn ein vermeintlicher Schutz vor Angriffen auf unsere freiheitliche Demokratie dazu führt, dass wir das Freiheitliche in unserer Demokratie abschaffen, dann ist der Preis dafür zu teuer, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Aber Freiheit bedeutet eben auch nicht Beliebigkeit und dass nicht alles ohne Widerspruch bleibt. Der alltägliche Sexismus ist nach wie vor ein Thema in unserer Gesellschaft. Frauen werden heute noch im Alltag diskriminiert. Ich verstehe den Aufschrei, der gerade durch die Republik geht und den alltäglichen Sexismus zu dem macht, was er ist. Mutige Frauen und viele Männer sagen ganz klar: Wir wollen nicht wieder ein Rollenbild aus den 50erJahren salonfähig machen, das letztlich mit dafür verantwortlich ist, dass wir bis heute Strukturen haben, die Frauen daran hindern, die gleiche Chancen in unserer Gesellschaft wie Männer zu haben, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Mit einer Ministerpräsidentin, einer stellvertretenden Ministerpräsidentin, dem weiblichsten Kabinett, aber auch dem weiblichsten Parlament in dieser Republik setzen wir in Rheinland-Pfalz Zeichen. Mit der anstehenden Novellierung des Landesgleichstellungsgesetzes werden wir die Grundlage auch für die umfängliche Gleichstellung von Frauen im öffentlichen Dienst schaffen.

Wir müssen aber auch von der Privatwirtschaft noch einiges einfordern. Der Gender Pay Gap, also der Unterschied zwischen dem, was Männer und Frauen für die gleiche Tätigkeit verdienen, liegt immer noch bei über 20 %. In einer Studie des Weltwirtschaftsforums für 2012 steht sogar, dass sich die Situation der Frauen in den letzten Jahren noch verschlechtert hat.

Wen wundert es denn, wenn wir eine Frauenministerin haben, die die Herdprämie propagiert, also wenn eine Frau in diesem Land signalisiert, für mich ist euer Platz zuhause am Herd. Nein, das ist nicht meine Ministerin. Ich bin froh, dass wir mit Irene Alt das Gegenmodell in Rheinland-Pfalz zu Frau Schröder in Berlin haben.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Dank dieser Anstrengung ist Rheinland-Pfalz Vorreiter bei der frühkindlichen Bildung und dem Ausbau der Kinderbetreuung. Es liegt auf Platz 1 der westdeutschen Flächenländer. Um diesem Ziel weiterhin gerecht zu werden, und weil wir wissen, dass die Bedarfe größer sind, als sie einmal festgesetzt worden sind, werden wir 39 % der Kinder unter drei Jahren einen Betreuungsplatz zur Verfügung stellen. Das ist eine gewaltige Anstrengung auch finanzieller Natur.

Wir werden die Kommunen dabei stärker als bisher unterstützen, weil es sich um Zukunftsaufgaben handelt. Hier ist das Land in der Pflicht. Wir müssen den Kommunen helfen, diese Zukunftsaufgaben noch stärker zu erfüllen. Wir sind es den Kindern und der Zukunft unseres Landes schuldig. Deshalb werden wir es auch tun. Es geht dabei um jedes einzelne Kind.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das gilt auch bei der Frage der Prioritäten. Auch in Zeiten der Schuldenbremse muss man an der Zukunftsinvestition Bildung festhalten. Das bedeutet auch, die Qualität der Bildung immer weiter zu stärken und zu entwickeln. Ich bin im Gegensatz zur CDU der Auffassung, dass die Qualität des konkreten Unterrichts dann am besten läuft, wenn man es den pädagogischen Kompetenzen der Lehrerinnen und Lehrer, der Kollegien vor Ort, im Dialog mit den Kindern und den Eltern überlässt, auf welche Art und Weise sie in jeder einzelnen Klasse die Qualität steigern wollen.

Meine Damen und Herren, man kann Qualität nicht durch bildungspolitische Maßnahmen vorschreiben. Hören Sie doch auf zu erzählen, die Lehrpläne in Rheinland-Pfalz werden aufgeweicht. Das widerspricht doch jeder Realität. Sie wollen wieder einen bildungspolitischen Kampf anzetteln. Ihre Behauptung ist falsch und nichts als eine bloße Unterstellung, liebe Frau Klöckner.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir setzen auf ein längeres gemeinsames Lernen. Wir wollen die Integrierten Gesamtschulen ausbauen, weil die Eltern es wollen. Wir haben in einer Integrierten Gesamtschule eine Veranstaltung der GRÜNEN durchgeführt. Dort hat der Schulleiter gesagt, er muss 50 % der Kinder jedes Jahr abweisen, weil er nicht genug Plätze hat. Das ist doch die Realität in diesem Land.

Wir wollen die inklusive Beschulung ausbauen. Wir halten an der Gebührenfreiheit fest, und zwar von der Kita bis zum Hochschulabschluss. Das sind Prioritäten. Wir müssen auch darüber reden, dass wir in den Hochschulen vor großen Herausforderungen stehen, weil, was wir begrüßen, die Studierendenzahlen immer steigen. Dazu gehört auch, dass sich die Bundesregierung endlich dazu bekennt, dass der Hochschulpakt weiter finanziert wird. Die größte Unsicherheit in unserem Bildungssystem ist, dass die Bundesregierung hier keine Verlässlichkeit bietet.

Ich sage auch, wir müssen das Kooperationsverbot im Bildungsbereich weitgehend überwinden, um es nicht

nur in der Spitzenforschung, sondern auch in der Lehre, im Hochschulbereich und bei der Fragestellung der Inklusion zu ermöglichen, dass gesamtgesellschaftliche Aufgaben und auch die Gesamtgesellschaft über den Bund finanziert werden. Es reicht nicht, wenn Frau Merkel die Bildungsrepublik verkündet und überall dort, wo sie mehr für Bildung tun kann, alles blockiert.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Haushaltskonsolidierung bedeutet, auch klare Schwerpunkte für die Bildung, den Umweltschutz, die Energiewende und die soziale Gerechtigkeit zu setzen. Wir wollen vor allem einen handlungsfähigen Staat, der seine Aufgaben auch aus Einnahmen und nicht aus Schulden finanziert. Das bedeutet Einsparungen, Effizienz, aber auch Einnahmesteigerungen als Leitbild einer nachhaltigen Finanzpolitik.