Protocol of the Session on January 31, 2013

Akzeptanz für neue Verkehrsinfrastrukturprojekte erfordert allerdings auch Fortschritte bei der Bekämpfung des Verkehrslärms. Wer gute Infrastruktur will, muss mehr für den Schutz vor Lärm tun. Dies ist ein zentraler Aspekt in der Verkehrspolitik; denn die Belastungen der Menschen mit Lärm haben vielerorts die Grenzen er

reicht, an manchen Orten haben sie die Grenzen des Zumutbaren bei Weitem überschritten.

(Beifall des Abg. Pörksen, SPD)

Deshalb, wer neue Verkehrsinfrastruktur will – das wollen wir –, der muss für Akzeptanz sorgen. Wir werden keine Akzeptanz mehr finden, wenn wir beim Lärmschutz in entscheidenden Schritten nicht gemeinsam vorankommen.

(Beifall der SPD und vereinzelt bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Rheinland-Pfalz hat sich zu einem starken und erfolgreichen Wirtschaftsstandort entwickelt.

Ein Vorteil des Wirtschaftsstandorts Rheinland-Pfalz ist der hohe Anteil an Industrieproduktion. Mit einem Anteil von weit über 26 % liegt Rheinland-Pfalz an Position 3 im Ländervergleich. Die rheinland-pfälzische Industrie beschäftigt mehr als 270.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und erzielte einen Umsatz von 75 Milliarden Euro pro Jahr.

Wir bekennen uns zum Industriestandort RheinlandPfalz.

(Beifall der SPD und des Abg. Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im engen Dialog mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Wirtschaft erstellen Frau Ministerin Lemke und ihr Ministerium den Masterplan Industriepolitik. Die Herausforderungen liegen auf der Hand, Innovationsfähigkeit stärken, Fachkräftebedarf sichern, ressourcenschonend und energieeffizient produzieren, eine gute Infrastruktur und schnelle Genehmigungsverfahren.

Die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft sichert uns die Erfolge in der Exportwirtschaft. Deshalb ist der Ansatz richtig, der gestern dargelegt wurde. Wir müssen die Instrumente für den Wissenstransfer von Wissenschaft in kleine und mittelständische Unternehmen weiter ausbauen und stärken. Da sollten wir um den richtigen Ansatz ringen.

Rheinland-pfälzische Unternehmen haben hier einen enormen Wettbewerbsvorteil.

80 % der kleinen und mittelständischen Unternehmen, die in Nischenprodukten Weltmarktführer sind, kommen aus Deutschland und Skandinavien. 100 Millionen Einwohner haben einen Marktanteil von über 80 %. Rheinland-Pfalz ist hier, auch im Vergleich innerhalb Deutschlands, in einer hervorragenden Position. Das ist die eigentliche Stärke des Wirtschaftsstandorts RheinlandPfalz, der uns so exportstark macht. Deswegen ist der richtige Ansatz, das zu stärken und auszubauen und unseren Wettbewerbsvorteil zu erhalten.

(Beifall der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das werden wir in einem dialogorientierten Ansatz tun. Diese Landesregierung, die Wirtschaftsministerin, die

Ministerpräsidentin und das übrige Kabinett stehen in engem Dialog mit der Wirtschaft. Wir hören zu, was von der Wirtschaft gefordert wird.

Ich komme zum Thema „Bürokratieabbau“. Ich verstehe die Wirtschaft, dass sie sich über wachsende Bürokratie beklagt. Aber es gehört zur Wahrheit, dass weit über 90 % der bürokratischen Auflagen – Statistik und vieles andere – nicht in Rheinland-Pfalz, sondern in Brüssel und in Berlin entschieden werden. Das ist der entscheidende Ansatz, wenn wir vorankommen wollen, Bürokratie abzubauen. Da lohnt ein gemeinsamer Dialog mit der Wirtschaft, um zu schauen, wo Fortschritte erzielt werden können. Wir stehen Seite an Seite mit der Wirtschaft, dass es hier Fortschritte geben muss.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir scheuen auch dann nicht den Dialog, wenn die Entscheidungen zu den wichtigen Verkehrsinfrastrukturprojekten gefallen sind. Wir haben in Rheinland-Pfalz eines unter Beweis gestellt, dass soziale Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Erfolg keine Gegensätze sind. Wir sind der Auffassung, dass nachhaltiger Erfolg für einen Wirtschaftsstandort nur dann möglich ist, wenn es auch sozial gerecht zugeht.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben in Rheinland-Pfalz eine gute Bilanz. Wir haben die drittniedrigste Arbeitslosenquote, und noch nie waren in Rheinland-Pfalz so viele Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt wie heute.

Für uns ist der Satz „Sozial ist, was Arbeit schafft“ zynisch. Wir formulieren es besser, „Sozial ist, was Gute Arbeit schafft“; denn zu Guter Arbeit gehört zwingend eine anständige Bezahlung. Das gehört zu unserer Wirtschaftspolitik selbstverständlich dazu.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Deswegen gehört zu einem starken Wirtschaftsstandort und zu einem lebenswerten Rheinland-Pfalz, dass wir uns gemeinsam für die Reduzierung der versicherungsfreien Minijobs, die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns, den Abbau von Lohndiskriminierung von Frauen, die Eindämmung der prekären Beschäftigung und die Abschaffung sachgrundloser Befristungen, die besonders junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betreffen, einsetzen. Hier im Land haben wir dort, wo wir Entscheidungskompetenz haben, die notwendigen Maßnahmen ergriffen.

(Dr. Weiland, CDU: Bei den Lehrern zum Beispiel!)

Wir haben das Tariftreuegesetz auf den Weg gebracht, und zwar mit der Innovation, dass der Mindestlohn mit Zustimmung der Vertreter der Wirtschaft auf 8,70 Euro gesteigert wurde. Dazu haben Sie Nein gesagt. Sie haben auch im Parlament zu einem flächendeckenden Mindestlohn Nein gesagt. Sie lehnen es dem Grunde

nach ab, dass soziale Mindeststandards in der Wirtschaft gelten.

(Dr. Weiland, CDU: Aus guten Gründen!)

Wir haben eine klare Position, die Sie bisher immer abgelehnt haben, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Jedem Menschen eine Chance zu geben – Malu Dreyer hat es noch besser formuliert, auch eine zweite und dritte Chance zugeben –, ist nicht nur ein Gebot von sozialer Gerechtigkeit. Wir brauchen das auch angesichts des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels für den Wirtschaftsstandort Rheinland-Pfalz. Deswegen gehört zur klugen Wirtschaftspolitik soziale Gerechtigkeit und jedem Menschen in diesem Land eine Chance zu geben.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir wollen vor allem die Erwerbstätigkeit von Frauen, Migrantinnen und Migranten, Alleinerziehenden, Älteren, Jugendlichen, Langzeitarbeitslosen und Menschen mit Handicap erhöhen, um dem Fachkräftemangel rechtzeitig entgegenzuwirken. Damit wollen wir vor allen Dingen verhindern, dass wir heute einen Grund für Altersarmut setzen; denn wer heute keinen vollschichtigen, anständig bezahlten Arbeitsplatz hat, ist zukünftig von Altersarmut betroffen. Deswegen ist das vorausschauende kluge Politik, die im Ansatz in der Regierungserklärung deutlich wurde.

(Beifall der SPD)

Meine Damen und Herren, wir holen die Menschen dort ab, wo sie stehen, und richten unsere Politik an der Lebenswirklichkeit unserer Bürgerinnen und Bürger aus.

Dies gelingt, indem wir intensiv auf die verschiedenen Lebensphasen und die damit verbundenen Bedürfnisse der Menschen eingehen. Dies gilt nicht nur für das Leben im Alter, sondern betrifft auch die Situation der Familien; denn neben der Frage nach Kinderbetreuung müssen sich immer mehr Menschen damit auseinandersetzen, wie sie es schaffen, Beruf und Betreuung eines pflegebedürftigen Angehörigen zu organisieren.

Wir als Koalition haben dies erkannt. Mit dem Programm lebensphasenorientierter Personalpolitik bringen wir die zentralen Akteure, Unternehmen, Beschäftigte und Kommunen, zusammen. Nur in einer gemeinsamen Anstrengung kann man den Lebensbedürfnissen der Menschen gerecht werden. Deswegen stehen wir für eine Kultur, die für verschiedene Lebensentwürfe offen ist. Wir müssen eine Kultur schaffen, die Menschen, die sich für die Pflege eines Angehörigen, die sich anderen verpflichtet fühlen, nicht benachteiligt und ausgrenzt, sondern mitnimmt. Das muss die Kultur der Politik zukünftig in diesem Land sein.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, 1956 durfte der damalige Ministerpräsident Altmeier drei Bürgerinnen und Bürgern gratulieren, die ihren 100. Geburtstag gefeiert haben. Ministerpräsident Beck konnte in seinem letzten kompletten Amtsjahr 769 Bürgerinnen und Bürgern zu diesem Anlass gratulieren. Daran wird die Dynamik des demografischen Wandels meines Erachtens sehr deutlich.

Die Menschen haben eine klare Vorstellung und Ideen hinsichtlich ihrer Lebensgestaltung im Alter. Es entspricht ihrem Wunsch, so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden und im vertrauten Umfeld zu leben. Wir stehen dazu, dass Rheinland-Pfalz das Land der echten Wahlmöglichkeit wird.

Daher setzen wir neben den stationären Einrichtungen auch auf neue Wohnformen, auf die Unterstützung pflegender Angehöriger und die Stärkung der Pflegekräfte. Selbstbestimmtes Leben und der Zugang zu alternativen Wohnformen muss für alle gleichermaßen und nicht nur für einige wenige zur Verfügung stehen.

Malu Dreyer hat ein großes Ziel formuliert: In jedem Dorf in Rheinland-Pfalz soll es eine alternative Wohnform geben. – Ich bin der festen Überzeugung, dass wir in einer großen Bürgerbewegung mit viel bürgerschaftlichem Engagement dieses Ziel erreichen und vielleicht sogar noch viel mehr erreichen werden und damit Rheinland-Pfalz zu dem Land machen,

(Zuruf der Frau Abg. Thelen, CDU)

in dem ältere Menschen wirklich eine Wahlmöglichkeit haben, wie sie im Alter wohnen wollen. Es muss ein gemeinsames Ziel über die Parteigrenzen hinweg sein, diesem Wunsch älterer Menschen gerecht zu werden.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Auch für den Bereich Bürgerbeteiligung hat Malu Dreyer starke Akzente gesetzt. Für uns steht dabei vor allem eines unumstößlich fest: Teilhabe und Transparenz bei politischen Entscheidungsprozessen sind zwei Seiten ein und derselben Medaille.

Bürgerinnen und Bürger wollen nicht nur am Ende zu einem fertigen Konzept der Politik Ja oder Nein sagen. Sie wollen auch entstandene Entwicklungen nicht nur an Wahltagen honorieren oder bestrafen.

Beteiligung, das meint nicht ein bloßes Mitnehmen, nicht bloß die Vermittlung des Gefühls, beteiligt worden zu sein, sondern Beteiligung muss als tatsächliche Mitwirkung verstanden werden. Wenn Beteiligung ernst genommen wird, werden Bürgerinnen und Bürger zu Partnern von Politik und Staat.

(Zuruf der Frau Abg. Kohnle-Gros, CDU)

Mit den von Malu Dreyer genannten Maßnahmen, wie das Transparenzgesetz und das Absenken der Quoren bei Volksbegehren, werden wir direkte demokratische Prozesse in unserem Land stärken. Sie sind eingeladen, auch daran konstruktiv mitzuwirken, weil das Ansätze

sind, bei denen die demokratischen Parteien eigentlich gezwungen sind, zusammenzuwirken, da es um ein grundliegendes Anliegen geht. Ich hoffe, dass es in der Enquete-Kommission „Bürgerbeteiligung“ gelingen wird, dass das im Interesse des Landes zu einem gemeinsamen Anliegen wird.