Protocol of the Session on November 8, 2012

Sie sprechen einmal von einer detaillierten Steuerung. Dann sprechen Sie von einer individuellen Förderung. Andererseits verlangen Sie aber klare Lernziele pro Klassenstufe, die zwischen den Klassen vergleichbar sein sollen.

Mir ist unklar, wie das zusammenpassen soll, wenn es um Kinder geht, die nicht irgendwo in der Gegend des Mittelwertes von ihren Leistungen her sind, sondern die Teilleistungsschwächen, einen individuellen Förderbedarf haben, die aber normal intelligent, etwas hochbegabt oder etwas weniger begabt sind. Wie soll das zusammenpassen, individuelle Förderung, die zielgenau auf dieses Kind eingeht und gleichzeitig ein Lernziel für die ganze Klasse, das aber alle erreichen soll? Das ist mir unklar. Ich kenne wirklich viele Kinder, die das betrifft.

Ich möchte Sie sensibilisieren. Es gehört nämlich zur individuellen Förderung, dass ich auch unterschiedliche Lernziele definiere. Da müssen wir uns Gedanken machen, wie wir es schaffen, gleichzeitig dafür zu sorgen, dass jeder das Optimale in der Schule und jedes Kind in der Schule das Optimale für sich erreichen kann. Das müssten Sie mir erklären.

Brandl, möchten Sie antworten? Sie haben auch drei Minuten Zeit zu einer Antwort.

(Frau Schneider, CDU: Es ist immer noch der Herr Abgeordnete Brandl! – Zuruf des Abg. Brandl, CDU)

Nein, Sie können nicht später antworten. Sie können nur direkt auf die Kurzintervention antworten.

Auf die Kurzintervention kann man nur direkt antworten. Das muss man aber nicht.

Herr Dr. Konrad, vielen Dank für diese Kurzintervention. Ich denke angesichts der fortgeschrittenen Zeit machen wir es wirklich kurz.

Ich denke, an der Stelle ist individuelle Förderung ganz wichtig. Natürlich muss man auf jedes Kind auch ganz individuell eingehen. Aber das heißt doch, dass wir klarmachen müssen, wo jedes Kind in allgemeinverbindlichen Notengebungen und in allgemeinverbindlichen Bewertungen steht. Dazu sind klare Noten für ein Gros der Schüler notwendig. Aber das widerspricht doch gar nicht, dass man einzelne Schüler ganz individuell fördert und auf die auch eingeht.

(Beifall bei der CDU)

An der Stelle sehe ich keine Problematik, die Sie sehen.

Für die SPD-Fraktion spricht Frau Abgeordnete Brück.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Anscheinend ist Ihnen mittlerweile jedes Mittel recht, um Ihre rückwärtsgewandten, in selektivem Denken verhärteten Forderungen unter das Volk zu bringen, liebe CDU.

(Frau Klöckner, CDU: Wir wollen an Platz 1 und nicht an letzter Stelle stehen!)

Wie sollen wir das heute anders deuten, wenn wir heute dieselben Forderungen wie noch vor ein paar Wochen hören, als es um Qualität in der Bildung getarnt ging? Jetzt ist es eigentlich noch viel widersinniger. Alle Fachleute von den Gewerkschaften und Verbänden haben sich gegen die Forderungen der CDU ausgesprochen. Aber das interessiert die CDU überhaupt nicht. Sie nutzt die Bühne der Schlagzeile wegen. Um Inhalte kann es Ihnen nicht gehen. Warum? – Ganz einfach. Ja, wir haben das Ergebnis der Untersuchung der Bildungsstandards in den Grundschulen. Sie haben es erwähnt. Ich habe gesagt, es ist kein Grund zum Jubeln, aber es ist auch keiner für Empörung, Hysterie oder Depression. Es ist auch kein Beinbruch.

Ich möchte nichts schönreden, aber die Ergebnisse liegen so eng nebeneinander, dass nur wenige Punkte gleich viele Rangplätze Unterschied ausmachen.

Was wir jetzt brauchen, ist eine differenzierte Betrachtung und Analyse, warum rheinland-pfälzische Grundschüler in der vorangegangenen IGLU-Studie ganz

vorne mit dabei waren und warum das jetzt anders ist. Besonders unsere vielfältigen Bemühungen im Bereich der Förderung der Lesekompetenz und der Sprachförderung, die wir haben und die ausdrücklich richtig sind, sind im Hinblick auf die Ergebnisse im Zuhören und Lesen zu untersuchen. Das müssen wir gemeinsam mit den Lehrkräften tun.

Die CDU weiß aber schon genau, warum das alles so ist und hat die scheinbar einfachen Lösungen parat.

Ziffernoten sind kein Allheilmittel. Eine Weiterentwicklung der Zeugnisse und der Schüler-Lehrer-ElternGespräche schließen wir dabei nicht aus, sondern sie ergänzen sich miteinander.

Wir haben bereits im Frühjahr angefangen, mit den Lehrerverbänden und Eltern darüber zu diskutieren. Wir müssen ehrlich miteinander umgehen. Schnellschüsse sind nicht angesagt. Ein doppelter Salto rückwärts ist keine zukunftsweisende Bildungspolitik, die Herabwürdigung der Leistung der Lehrkräfte schon gar nicht.

Unsere Lehrkräfte leisten einen sehr engagierten und auf die individuelle Förderung eines jeden einzelnen Kindes ausgerichteten Job. Den unterschwelligen Vorwurf, unsere Lehrkräfte seien schlecht aus- und fortgebildet, weisen wir auf das Schärfste zurück. Fortbildungen sind selbstverständlich und werden gern angenommen. Das Angebot ist aber zu analysieren.

Eltern, Lehrkräfte und Schüler sind mit dem Klassenlehrerprinzip sehr zufrieden und wünschen sich feste Bezugspersonen für ihre Kinder.

Wenn es um die Lehrerversorgung geht, wünscht das übrigens auch die CDU und proklamiert Verlässlichkeit. Jetzt will sie das Fachlehrerprinzip in ihrem Antrag, weil es gerade opportun zu sein scheint.

Glaubwürdigkeit sieht anders aus, liebe CDU.

Die schnelle und platte Forderung nach mehr Fachlehrern ist wohl zu einfach gegriffen. Viel wichtiger wäre es, einmal genau zu eruieren, welche Bedingungen für guten Unterricht und zeitgemäße Didaktik gelten müssen.

Unsere Rahmenbedingungen mit den kleinsten Klassen Deutschlands sind hervorragend. Jetzt müssen wir an die inhaltlichen und sozialen weichen Faktoren herangehen. Wenn Sie beim Landeselterntag gut zugehört haben – Frau Dickes und Herr Ernst waren anwesend –, müsste Ihnen klar geworden sein, dass das Wie im Unterricht eine entscheidende Rolle einnimmt und Gruppenarbeit richtig angewandt ein Erfolgsfaktor ist. Das war nicht so dahergeredet, sondern der renommierte Bildungsforscher Professor Klemm hat dies als wissenschaftlich erwiesen erläutert.

In dem Zusammenhang möchte ich auch auf den Artikel „A wie Affe, B wie Ball“ in der aktuellen VBE-Zeitschrift verweisen. In dem aktuellen Heft steht mit flexiblen Anwendungen, wie man richtig Schreiben, Lesen, Zuhören und all diese Dinge lernt.

Die neue Grundschulordnung ist nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und modernen Anforderungen an Unterricht zusammen mit den Lehrerverbänden und Gewerkschaften entwickelt worden. Es gibt keinen Grund, davon abzuweichen. Ungeniert fordert die CDU ein Zurück zu alten Methoden wie Frontalunterricht und Notendruck.

(Frau Klöckner, CDU: Richtig lesen ist nicht schlecht!)

Behauptet wird auch, wir hätten keine Lehrpläne. Nun, was ist falsch an Rahmenlehrplänen? Was ist falsch an pädagogischen Methoden, die die individuelle Förderung, die unterschiedlichen Talente und Begabungen der Kinder, in den Vordergrund stellen und die motivationsgebend darstellen, was man kann, und die nicht allein konstatieren, was man nicht kann? – Ich sage, nichts. Dies wird auch durch die Lehrerverbände bestärkt.

Kein Mensch will zurück zu alten Zöpfen. Nur die CDU. Sie isoliert sich selbst mit ihrer rückwärtsgewandten Haltung zur Grundschulpädagogik. Dabei erinnere ich mich noch ganz genau an die Forderungen der CDU, man möge die Schule doch endlich mit Neuerungen in Ruhe lassen. Ja, wir haben den Schulen in den vergangenen Jahren einiges an Veränderungen zugemutet, weil das im Sinne der Qualitätsentwicklung notwendig war.

Sie müssen schon wissen, was Sie wollen. Nicht heute so und morgen so, gerade wie es opportun ist.

(Frau Klöckner, CDU: Eben haben Sie gesagt, wir fordern die ganze Zeit das Gleiche!)

Chancengleichheit in der Bildung ist uns wichtig. Da sind wir gut. In Rheinland-Pfalz gelingt es eben besser als in anderen Ländern, Kinder mit Migrationshintergrund oder aus bildungsfernen oder sozial schwachen Familien zu fördern. Das ist wichtig, weil wir nämlich alle jungen Menschen brauchen, wenn es darum geht, den Fachkräftebedarf künftig zu decken.

Wir brauchen eine sensible Auseinandersetzung mit der Grundschulerhebung. Wir sind gewillt, das zusammen mit den Betroffenen zu leisten.

(Glocke des Präsidenten)

Ein russisches Sprichwort lautet: Nichts wissen ist keine Schande, wohl aber nichts lernen zu wollen. – Ich empfehle Ihnen, darüber nachzudenken.

(Glocke des Präsidenten)

Weil wir uns ernsthaft mit der Thematik auseinandersetzen wollen und unser Fähnchen nicht nach dem Wind hängen, werden wir diesen Antrag ablehnen, weil er an parteipolitischen Ideologien und nicht an moderner Grundschulpädagogik ausgerichtet ist.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Ratter das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Frau Klöckner, heute Morgen haben Sie in der Aktuellen Stunde Ihr Leid geklagt, dass die CDU-Anträge im Hause leider keine Erfolge zeitigen.

(Frau Klöckner, CDU: Ich meinte, dass Sie nicht die Größe haben, Gutes aufzunehmen!)

Ich bekenne, ernsthaft geprüft zu haben, welche der neun in Ihrem Grundschulantrag gestellten Forderungen von uns mitgetragen werden können. Ja, es waren zwei dabei. Allerdings gibt es auch da Probleme mit Ihren Grundannahmen und mit Ihrer Ableitung; denn Ihr Antrag evoziert einen nostalgischen Rückblick auf die Volksschule der 60er-Jahre, in der alles noch in Ordnung war und alles noch seine Ordnung hatte, meine Damen und Herren von der CDU. Er negiert, dass wir in einer Gesellschaft leben, die eine Vielzahl von Kindern von vornherein benachteiligt, und zwar, wie die von Ihnen bemühte IQB-Studie belegt, nicht nur Kinder, die Deutsch nicht als Muttersprache gelernt haben. Alle diese Kinder haben unabhängig von den Möglichkeiten ihres Elternhauses ein Recht auf Bildungschancen; denn ihre Leistungsfähigkeit ist nicht grundsätzlich geringer, sondern ihre Startbedingungen sind deutlich schlechter.

Ihre Sehnsucht nach allgemeingültigen Maßstäben in Form von Ziffernnoten ist Ihrer eigenen bildungspolitischen Orientierungslosigkeit geschuldet. Sie suchen Halt in einer vereinfachenden Ordnungsstruktur. Was haben wir als nächstes von dieser Haltung zu erwarten? Den Ruf nach dem spanischen Rohrstock oder vielleicht etwas ganz Neues, was es noch nie gegeben hat, ein dreigliedriges Grundschulsystem?

(Frau Klöckner, CDU: Ach Gott, ich bitte Sie! Sie werfen uns vor, wir wollten den Rohr- stock wieder einführen?)

Ihr Wahlprogramm von 2011 sprach noch von Stärkung der Eigenverantwortung der Schule. Ich zitiere aus Ihrem Wahlprogramm von 2011: „Die einzelnen Schulen sollen in ihrer pädagogischen Arbeit nicht von starren bürokratischen Vorgaben aus dem Ministerium behindert werden.“

(Frau Klöckner, CDU: Sie werfen uns vor, wir wollen den Rohrstock wieder einführen?)

„Deshalb werden wir“ – die CDU – „diese abbauen und den Schulen substanzielle Gestaltungsräume eröff- nen.“ – Frau Klöckner, das steht auf Seite 20 Ihres Wahlprogramms.