Protocol of the Session on September 27, 2012

Wir haben konkrete Schritte aufgezeigt, wie wir das weiter fortentwickeln wollen. Da sind wir weiter dran. Wir müssen schauen, wie wir Förderschulzentren und Schwerpunktschulen weiterentwickeln können, wie wir das System flächendeckend auch für die Eltern und Kinder anbieten können und die Lehrkräfte entsprechend dazu einsetzen.

Wenn Sie auf diese Studie und die 200 Lehrkräfte eingehen, so muss ich sagen, wir haben eine Studie von Herr Professor Dr. Klemm, die im Ausschuss ausführlich in der Sitzung beraten wurde. Da geht es nicht um die Bertelsmann-Studie, sondern es geht um die Studie, die für das Land gemacht worden ist.

Sie vergessen ganz, dass wir bereits 600 Lehrkräfte im Schwerpunktschulsystem haben und dass der weitere Ausbauschritt bis 2016, also bis zum Ende der Legislaturperiode, 200 Lehrkräfte beinhaltet. Das ist unsere Grundlage, auf der wir das System weiterentwickeln wollen.

Ich denke, wir sollten uns wirklich ernsthaft mit der Materie beschäftigen und nicht irgendwelche Panikmache oder sonstige Unterstellungen in die Welt setzen, die wirklich jeglicher Grundlage entbehren.

Bildungspolitik braucht gute Konzepte. Die rot-grüne Koalition hat gute Konzepte. Deswegen regieren w i r und nicht S i e in Rheinland-Pfalz.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Bevor ich das Wort weitergebe, darf ich noch Gäste im Landtag begrüßen. Ich begrüße Mitglieder der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Baumholder. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Des Weiteren begrüße ich Mitglieder des Frauengesprächskreises der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche Kaiserslautern sehr herzlich.

(Beifall im Hause)

Ich erteile Frau Kollegin Ratter das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Gäste! Ja, wir stehen uneingeschränkt zum Gesetz zur Umsetzung des Menschenrechts auf inklusive Bildung gemäß

Artikel 24 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.

Seit Anfang 2009 ist das von der Bundeskanzlerin unterzeichnete Gesetz in Kraft, und der Text lässt keinen Zweifel daran, dass das geltende Recht ein inklusives Bildungssystem einfordert. Wieder ein klares Ja! Die Umsetzung dieses Rechtes wird Auswirkungen auf das Schulsystem zeitigen, nicht nur das, es wird eben auch Auswirkungen auf den Bestand der rheinlandpfälzischen Förderschulen haben.

Ich sage das gerne noch einmal und bin sehr in Versuchung, auf meine früheren Texte zurückzugreifen und unter anderem auch auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage zu meinen Aussagen, worin auch vom Ministerium klargestellt wurde, dass es sich hier in der Tat um unser Programm handelt. Das, was das Gesetz vorsieht, was aber nicht in dieser Legislaturperiode zur Umsetzung kommen kann, nämlich die Ausgestaltung einer inklusiven Gesellschaft – und die Schritte auf diesem langwierigen Prozess dahin werden vielgestaltig sein –, ist aber zunächst einmal die Änderung des Schulrechts, das das Wahlrecht für die Eltern in Rheinland-Pfalz zu garantieren hat.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Die Gesellschaft ist hier offensichtlich weiter als die Opposition und sieht die Notwendigkeit, den gesellschaftlichen Wandel hin zur inklusiven Gesellschaft als Aufgabe zu gestalten. Die wenigen Minuten, die ich zur Verfügung habe, reichen nicht aus, das Verständnis von Handlungsfähigkeit und Verwirklichungschancen, wie es Sen und Nussbaum um die Jahrtausendwende herausgearbeitet haben, erschöpfend darzustellen.

So viel sei erlaubt: Die Ermöglichung eines guten Lebens als gelingende Praxis der Lebensführung ist der entscheidende Baustein eines Lebens, das sich ge- gen jede gesellschaftliche Marginalisierung wendet und allen Menschen die gleiche volle Teilhabe unabhängig von ihren persönlichen Unterstützungsbedürfnissen si- chert. –

Deswegen fand ich auch den Titel ganz witzig. Wir leben dieses auch in unserer rot-grünen Inklusion; denn wir stehen auch in einem Spannungsverhältnis von Vielfalt und Gleichheit. Gleichheit meint aber nicht, liebe Opposition, Homogenität, sondern vielmehr Gleichberechtigung und Respekt vor der Unterschiedlichkeit.

Deshalb wollen wir jedem Menschen gleiche Chancen auf Bildung geben und gleichzeitig auf die individuellen verschiedenen Bedürfnisse und Interessen, Begabungen und Entwicklungsperspektiven eingehen.

Was wir dafür brauchen? Klar, inklusive Kulturen, die auf Wertschätzung und Respekt bauen, inklusive Strukturen, Frau Dickes, die wir in einem ersten Schritt im Ausbau der Schwerpunktschulen sehen, die sich mit den dort Arbeitenden ständig weiterentwickeln, und inklusive Praktiken, die multiprofessionelle Lernarrangements und die notwendigen Ressourcen organisieren.

Was wir nicht brauchen, nicht wollen und nicht herbeiführen, ist der Kampf der Schulformen, den die Opposition heraufbeschwört. In keiner unserer Veranstaltungen zum Thema „Inklusion“ im Mai dieses Jahres wurde übrigens Ihre These von der Abschaffung der Förderschule formuliert. Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie bewegen sich hier im luftleeren Raum.

Was wir in dieser Legislaturperiode ändern werden, ist in der Tat das Schulgesetz. Damit sichern wir den Anspruch auf die Wahl der Schule, regional und nah. Wir stellen an dieser Stelle klar, dass es nicht um ein Schließungsprogramm geht, sondern dass in der Tat zunächst einmal die Wahlmöglichkeit eröffnet werden muss. Insofern ist Ihre Überlegung völlig grundlos, bodenlos und steht in keinerlei Zusammenhang zu dem, was im Koalitionsvertrag vereinbart ist.

(Frau Dickes, CDU: Was sagt denn Ihr Gutachten aus? Etwas anderes, als Sie hier jetzt erzählen!)

Liebe Frau Dickes, das Gutachten sagt definitiv aus, dass für die Legislaturperiode 200 weitere Lehrerinnen- und Lehrerstellen eingeplant sind.

(Frau Dickes, CDU: Ja!)

Die weitere Entwicklung werden wir sehen. Ich persönlich sage gerne, dass ich nichts dagegen habe, dass die Bertelsmann-Studie irgendwann am Horizont nicht nur erscheinen wird, sondern auch umgesetzt werden kann. Nur, Sie werden sicherlich verstehen, dass man zwischen Zukunftsprogrammen und den Schritten unterscheiden muss, die man vernünftigerweise auf dem Weg gehen wird, den man auf dem Weg in eine gerechte Gesellschaft beschreiten kann.

Dass wir da noch viel mehr zu tun haben und das nicht bis 2016 abgeschlossen sein wird, halte ich für selbstverständlich.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das Wort hat Frau Staatsministerin Ahnen.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete!

Ja, die Landesregierung legt ein klares Bekenntnis ab zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Vielleicht hilft ab und an in der Debatte, wenn es darum geht, dass man die Dinge gelesen haben muss, über die man spricht – davon dürfen Sie bei mir ausgehen –, auch ein Blick in die UN-Behindertenrechtskonvention,

bevor man hier die Debatte eröffnet, Frau Abgeordnete Dickes.

(Frau Dickes, CDU: Davon können Sie ausgehen!)

Was fordert diese UN-Behindertenrechtskonvention? – Sie fordert das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung: „Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen mit dem Ziel, (…)“

Dann geht es weiter: „Bei der Verwirklichung dieses Rechts stellen die Vertragsstaaten sicher, dass (…) Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem integrativen, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben;“

Zu dieser UN-Behindertenrechtskonvention steht die Landesregierung, steht – davon bin ich bisher ausgegangen – auch dieses Hohe Hause. Ich sage, es ist auch nicht in das Belieben jedes einzelnen gestellt, wie er sich dazu verhält; denn die Bundesrepublik Deutschland hat die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert und ist damit gesamtstaatliche Verpflichtungen eingegangen, denen man sich nicht nach Belieben entziehen kann, sondern denen man sich zu stellen hat. Diese Verpflichtung nehmen wir ernst.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Es geht also um optimale Teilhabemöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen, gerade auch für Kinder und Jugendliche. Es geht darum – so steht es in unserem Aktionsplan –, dass eine Gesellschaft sich in besonderer Art und Weise – das ist auch meine feste Überzeugung – daran messen lassen muss, wie sie mit behinderten Menschen umgeht. Auch das ist Anspruch für uns in unserer Arbeit. Daraus leiten wir einen Auftrag ab, nämlich diese Gesellschaft, gerade was die Teilhabemöglichkeiten von behinderten Menschen angeht, nach vorne zu entwickeln und uns auf den Weg zu machen und diesen Weg auch noch zu forcieren.

Frau Dickes, wissen Sie, was Sie dem entgegensetzen? – Dass Sie wieder einmal Ängste schüren.

(Beifall der SPD – Zurufe von der CDU)

Ich sage Ihnen ehrlich, ich finde es an dieser Stelle unverantwortlich, wie Sie mit diesem Thema umgehen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Keine Frage, das ist eine riesige Herausforderung. Ich habe immer gesagt und sage das auch heute, wir werden da auch an Hürden stoßen. Wir werden Grenzen spüren. Wir werden Schwierigkeiten haben, vor die wir dann alle miteinander gestellt sind. Aber eines ist auch meine Grundüberzeugung, es geht bei dieser Frage um

viel mehr in dieser Gesellschaft, als wir heute noch für möglich halten. Das gilt nicht nur für den Bildungsbereich, das gilt insgesamt für diese Gesellschaft. Wir müssen uns dieser Aufgabe stellen, gerade Menschen mit Behinderungen deutlich verbesserte Teilhabechancen einzuräumen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir können dabei auf einem Fundament aufbauen. Das zeigt sich daran, dass wir in Rheinland-Pfalz die zweitniedrigste Quote von Schülerinnen und Schülern an Förderschulen schon heute haben, weil unsere Schulen schon eine erhebliche Integrationsleistung erbringen. Dafür bin ich Ihnen ausgesprochen dankbar. Das ist wirklich ein tolles Ergebnis, wofür man Lehrerinnen und Lehrer Lob zollen muss. Wir können darauf aufbauen, dass wir mittlerweile 255 Schwerpunktschulen haben, davon 143 im Grundschulbereich und 112 in der Sekundarstufe I.

Wir können daran anknüpfen, dass wir uns miteinander für diese Legislaturperiode ein ehrgeiziges Ziel gesetzt haben. Das ist formuliert. Das können Sie in der Koalitionsvereinbarung nachlesen. Eltern von Kindern mit Behinderungen sollen über die Schulform für ihre Kinder selbst entscheiden können. Dazu werden wir im Schulgesetz als weiteren Schritt auf dem Weg zur Inklusion ein Wahlrecht zwischen Förderschulen und integrativen inklusiven Angeboten in der Regelschule verankern. Wenn man das liest, lässt das keine Frage offen.

(Frau Schmitt, SPD: Alles andere ist Klamauk, politische Effekthascherei!)

Das lässt schon gar nicht den Spielraum für die Interpretation zu, die Sie heute hier vorgetragen haben. Diese Aussage ist völlig eindeutig.