Der ehemalige Verteidigungsminister Scharping und der GRÜNEN-Politiker Özdemir traten im Zuge der „Hunzinger-Affäre“ zurück. Es ging um Anzüge, um Kredite.
Das sind alles Beispiele für Rücktritte, die einem Selbstverständnis in dieser Situation des Anstandes entsprungen sind. (Zurufe von der SPD)
Herr Ministerpräsident, ich erinnere Sie an die von Ihnen selbst aufgestellten Maßstäbe an Herrn zu Guttenberg. Da waren Sie als selbsternannte moralische Instanz mit der Rücktrittsforderung ganz schnell bei der Hand.
Im Deutschlandfunk haben Sie erklärt – ich zitiere –: „Es geht ja nicht darum, dass ein Kavaliersdelikt begangen worden ist, sondern man muss vermuten, dass er bewusst betrogen hat. Und wenn das so ist, dann muss er selber wissen, was er zu tun hat.“
Herr Ministerpräsident, Herr zu Guttenberg hat für den Steuerzahler keinen Millionenschaden wie Sie angerichtet.
Anders als Sie hat er zu seinen Fehlern gestanden. Sie sagen selbst heute noch nicht einmal: Ich habe einen Fehler gemacht.
Wenn Sie, so wie es erdrückend danach aussieht, schon viel früher wussten, wie dramatisch es bei der Nürburgring GmbH aussah, dann haben auch Sie die Wählerinnen und Wähler betrogen.
Noch einmal Ihre Worte: „Und wenn das so ist, dann muss er selber wissen, was er zu tun hat.“ – Warum wissen Sie eigentlich nicht, was Sie zu tun haben; denn die Vorgänge am Nürburgring sind wahrlich kein Kavaliersdelikt?
Noch am Vorabend der zurückliegenden Sondersitzung des Landtags wollten Sie sich in einem SWR-Interview noch nicht einmal für die Fehler entschuldigen. Sie sagten, Sie stehen hier nicht an, sich zu entschuldigen. Erst als es nicht mehr anders ging, haben Sie dann eher gezwungenermaßen erklärt, die Vorkommnisse am Nürburgring täten Ihnen „mehr als nur leid“. Diese Entschuldigung kam mehr als nur sehr spät.
Herr Ministerpräsident, diese Entschuldigung wäre vor der Wahl fällig gewesen, als Sie schon längst wussten, dass die Baumaßnahmen am Ring nur mit Steuergeldern zu bezahlen waren.
Sie haben sich nur zu einer erzwungenen Entschuldigung durchringen können. Sie haben die Fehler zugegeben, als die Insolvenz feststand, als es wirklich gar nicht mehr anders ging. Das war eine erzwungene Entschuldigung, die meiner Meinung nach in keinem Verhältnis zu dem steht, was hier dramatisch vorgefallen ist.
Über so viele Jahre Ministerpräsident eines Landes zu sein, ist eine Leistung, vor der ich durchaus Achtung habe. Sie haben in dieser Zeit auch Richtiges für unser Land getan.
Unter Ihrer Regierungsverantwortung wurde seinerzeit ein „Strukturministerium“ geschaffen. Es bündelte bundesweit erstmals die Bereiche Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau. Seit dem 18. Mai 2011 gibt es diesen Zuschnitt leider nicht mehr. Das Ministerium hat nicht mehr die Fähigkeit, als Strukturministerium zu wirken.
Auch im Bereich der Konversion haben Sie gemeinsam mit der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung in Berlin Wichtiges angestoßen.
Die Folgen der weltweiten Abrüstung hatten in Rheinland-Pfalz wie in kaum einem anderen Bundesland ihre Spuren hinterlassen.
Im Bundesrat haben Sie auch Akzente gesetzt. Wir waren nicht immer inhaltlich mit dem einverstanden, was Sie dort vertreten haben. Sie haben aber unser Land mit einer wahrnehmbaren Stimme vertreten.
Es funktioniert aber nicht, diese Leistungen leichtfertig mit der Fehlleistung am Nürburgring gegenzurechnen. Eine Aufzählung dessen, was in Ihrer Regierungszeit gut gegangen ist, wiegt die Regierungskrise am Nürburgring nicht auf, und schon gar nicht der Umgang, den Sie damit gepflegt haben.
Herr Ministerpräsident, auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen: Lebensleistungen werden vom Ende her beurteilt. Beispielhaft hierfür steht Ihr früherer rheinlandpfälzischer Justizminister Dr. Bamberger. Dr. Bamberger war über lange Jahre eine hoch angesehene Richterpersönlichkeit und ein allseits geschätzter Gerichtspräsident.
der einen Verfassungsbruch begangen hat, um einen geeigneten Bewerber aus parteitaktischem Kalkül für ein hohes Richteramt zu verhindern, und
Der Vorsitzende der SPD-Fraktion sagte, gerade wegen unserer angeblichen Hetze. Ich habe vor den höchsten Gerichten unseres Landes Achtung, dass sie sich weder von Hetze noch von anderen Dingen beeindrucken lassen.
Ihr Justizminister wurde von zwei höchsten Bundesgerichten in die Schranken gewiesen. Er war am Ende
seiner Karriere einem Misstrauensvotum und dem Antrag auf Erhebung einer Ministeranklage ausgesetzt.
Die Konversion, der Bundesrat, das Strukturministerium oder die prägenden Ereignisse der vergangenen Monate und Jahre am Nürburgring, der viel zu lange verpasste Zeitpunkt für einen ehrenvollen Rücktritt oder Ihre hartnäckige Weigerung zu definieren, was für Sie Verantwortung heißt?
Herr Ministerpräsident, in Ihrer ersten Regierungserklärung am 27. Oktober 1994 haben Sie als Leitmotiv Ihres politischen Handelns formuliert, „nah bei den Menschen“ sein zu wollen. Sind Sie das noch, nah bei den Menschen?
Was bedeutet für Sie „nah bei den Menschen“ zu sein? Bedeutet es für Sie, auf Volksfesten zu sein? Natürlich muss man die Menschen kennen, mit ihnen reden und sich ihre Sorgen anhören. Aber bedeutet „nah bei den Menschen zu sein“ nicht tatsächlich viel mehr?
Ich erinnere Sie an das Cicero-Zitat: „Der Staat muss zum Nutzen derer geführt werden, die ihm anvertraut werden, nicht zum Nutzen derer, denen er anvertraut ist.“