Protocol of the Session on May 26, 2011

Wir werden die Dinge mit Augenmaß und Vernunft angehen. Wir werden mit den Betroffenen auch immer über die Wege der konkreten Einsparungen reden und diskutieren. Wir wissen, kluges Sparen heißt auch richtiges Verteilen. Deswegen werden und wollen wir in Rheinland-Pfalz trotz aller Sparbemühungen auch noch gestalten und investieren. Wir haben im Koalitionsvertrag die entsprechenden Schwerpunkte definiert. Dies ist zu allererst die Bildung, Von der Kindertagesstätte bis zur Hochschule ist es uns wichtig, dass wir auch weiterhin auf hohem Niveau investieren.

Auch die Jugendförderung und die Kultur werden wir stärken, weil wir glauben, dass es für einen sozialen Zusammenhalt in der Zukunft sowie für ein Gemeinwesen eine unabdingbare Voraussetzung ist, dass wir die Jugendarbeit stärken, weil sie präventive Sozialarbeit ist, und wir die Kultur stärken, weil sie elementarer Bestandteil eines Menschen ist, wenn er sich in dieser Gesellschaft verwirklichen will. Dies muss – unabhängig vom Geldbeutel – jeder und jedem in diesem Land weiterhin möglich bleiben.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir brauchen – auch das habe ich angedeutet – endlich mehr Verlässlichkeit vom Bund. Aber wir wollen auch selbst als neue Landesregierung und als regierungstragende Koalitionsfraktion eine entsprechende Verlässlichkeit ausstrahlen. Wir werden dies auch von den Landesbediensteten, von den Beamtinnen und Beamten, einfordern. Wir haben es entsprechend festgeschrieben und früh kommuniziert. Wir wollen aber auch die Kolleginnen und Kollegen mit Familien und Kindern besonders begünstigen.

Aber wir sagen schon heute, dass die Erhöhung des Ruhestandseintrittsalters um zwei Jahre geprüft werden soll. Allerdings wollen wir uns dabei flexiblen Lösungen bewusst nicht verschließen und auch die Belastungen der jeweiligen Berufsgruppen mit in den Fokus nehmen. Wir wissen sehr wohl, dass gerade Polizistinnen und Polizisten, aber auch Lehrerinnen und Lehrer großen Belastungen im Alltag ausgesetzt sind, und das wird in den Regelungen auch entsprechend seinen Niederschlag finden. Wir wissen, dass wir vielen Menschen, auch vielen Beamtinnen und Beamten, einiges zumuten, aber das werden wir mit Augenmaß tun, und wir werden

im individuellen Fall mit dem höchsten Maß an Gerechtigkeit vorgehen. Bei einem noch so großen Beitrag, der zu leisten ist, wollen wir auch den kommenden Generationen in diesem Land noch Handlungsspielräume erhalten.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Ministerpräsident Beck hat gestern dankenswerterweise angekündigt, dass diese Regelung selbstverständlich auch für die Staatssekretärinnen und Staatsekretäre sowie für die Ministerinnen und Minister gelten sollen. Ich schlage vor, dass auch wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier uns nicht davon ausnehmen sollten und in den nächsten fünf Jahren ebenfalls einen Beitrag zur Konsolidierung des Haushalts leisten sollten. Alles andere wäre nicht gerecht und auch nicht weiter vermittelbar, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Es wird angesichts unserer Sparvorschläge viel diskutiert, und das ist auch normal. Das ist richtig, und das soll auch so sein.

Lassen Sie mich kurz auf ein paar Punkte eingehen. Ja, wir werden eine Justizreform machen. Ja, wir werden auch im Justizbereich Strukturen verschlanken und optimieren, um Einsparungen zu erzielen. Ja, wir haben vereinbart, zukünftig eine Generalstaatsanwaltschaft und ein Oberlandesgericht in Rheinland-Pfalz zu haben. Es wäre auch im Vergleich zu anderen Bereichen, in denen wir sparen wollen oder schon Effizienzen gehoben worden sind, so bei der Kommunalreform, bei den Beamtinnen und Beamten, bei vielen anderen Dingen mehr, nicht, überhaupt nicht zu vermitteln, wenn wir die Justiz aussparen wollten.

Wir wollen dabei Synergien schaffen, ohne die Rechtsprechung zu schwächen und ohne die Erreichbarkeit von Gerichten zu verschlechtern. Wir werden uns alle Einsparvorschläge dabei ganz genau anschauen, bewerten und dann entscheiden.

Was wir in Koblenz nicht machen werden, ist eine Schließung nach dem Motto: Rollläden runter und Schlüssel umdrehen. – Nein, das wollen wir auf keinen Fall. Wir wollen eine Justizreform, die in sich geschlossen ist, Sinn macht und am Ende auch wirklich Effizienzen bedeutet.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Ist das jetzt die nachgelieferte Begründung, oder was?)

Das gilt auch für die Reduzierung von Verwaltungsgerichten. Ich werde als Mainzer nicht der Versuchung unterliegen, hier sozusagen in vorauseilendem Gehorsam Kirchturmpolitik zu machen und zu sagen, ich verspreche, dass dieser Standort erhalten bleibt. So wurde in den letzten Jahrzehnten auf allen Ebenen Politik gemacht. Das ist doch auch ein Grund, warum die öffentlichen Haushalte so dastehen, wie sie jetzt dastehen. Das bin ich meinen Kindern persönlich verantwortlich, auch über den Kirchturm oder, Frau Klöckner, über den Teller

rand hinauszuschauen und nicht immer pro domo für meine eigene Haustür zu reden, sondern das Ganze im Blick zu haben, dass es auch in den nächsten Jahrzehnten noch Gestaltungsspielräume und eine funktionierende Justiz gibt.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir werden mit den Betroffenen natürlich den Dialog suchen, weil es sich auch so gehört. Wir werden uns die Argumente und Vorschläge ganz genau anhören.

Zu einer mutigen Finanzpolitik gehört auch anderswo, dass sie alte Zöpfe abschneidet. Wir werden den Zuschuss für die Formel 1 am Nürburgring drastisch zurückfahren. Ich habe mich auch für Sebastian Vettel gefreut, dass er Weltmeister geworden ist. Aber ein Zirkus, ein ökonomischer Betrieb, der so viel Umsatz macht und in dem Menschen so viel Geld verdienen, muss nicht dauerhaft mit Steuergeldern subventioniert werden, das dann an unseren Schulen, Kitas und Hochschulen fehlt. Ich bin froh, dass wir jetzt gemeinsam diesen Weg gehen und sagen, hier müssen wir den Subventionshahn zudrehen. Das gilt übrigens auch für die Flughäfen in Zweibrücken und am Hahn, wo wir mit klugen Konzepten eine nachhaltige wirtschaftliche Perspektive für die Region entwickeln. Nachhaltig heißt eben auch, ohne Dauersubventionen, weil das auch kein nachhaltiges Wirtschaften in Zukunft bedeuten kann.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt Beifall bei der SPD)

Was wir uns nicht vorwerfen lassen ist, dass wir an der Bildung sparen.

(Frau Klöckner, CDU: Vereinzelt Beifall bei der SPD!)

Ich empfehle allen eine Lektüre des Koalitionsvertrages. Vielleicht müssen wir noch einmal über die Kommunikation reden, wer die entsprechenden bildungspolitischen Passagen demnächst vorstellt.

(Frau Klöckner, CDU: Ui, ui, ui!)

Aber dass wir in den nächsten fünf Jahren an der Bildung sparen wollen, das war, das ist und das wird falsch bleiben. Das Gegenteil ist doch richtig. Wir werden die Klassen verkleinern. Wir werden kleine Grundschulstandorte in der Fläche erhalten. Wir werden die Studienkonten abschaffen.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Richtig!)

Wir werden mit 30 Millionen Euro zusätzlich in dieser Legislaturperiode die Qualität in den Kitas verbessern. Wir werden die Unterrichtsversorgung an unseren Schulen auf einem höheren Niveau als bisher sicherstellen und die Betreuungsrelationen zwischen Schülerinnen und Schülern und Lehrerinnen und Lehrern deutlich verbessern und darüber hinaus gegenüber den Planungen noch tausend zusätzliche Stellen für Lehrerinnen und Lehrer schaffen. Das bedeutet, die rot-grüne Koalition wird pro Kind, pro Schülerin und pro Schüler, mehr

Geld für die Bildung investieren, als es jemals in diesem Land der Fall gewesen ist. Darauf sind wir besonders stolz, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir wissen – um bei der Bildung zu bleiben –, dass Bildung die Zukunftsinvestition ist. Da geht es um Gerechtigkeit und Leistungsfähigkeit. Ich lasse es nicht zu, dass dazwischen immer wieder so getan wird, als würde es sich ausschließen. Das Gegenteil ist der Fall. Gerechtigkeit im Bildungssystem ist erst die Grundvoraussetzung dafür, alle Talente optimal zu fördern und das Allerbeste für die Leistungsfähigkeit unserer Gesellschaft und unseres Wirtschaftens aus den jungen Menschen herauszuholen. Das ist doch die Erkenntnis auch aus PISA. Das ist die Erkenntnis, die wir in den nächsten fünf Jahren weiter umsetzen wollen, indem wir längeres gemeinsames Lernen stärken, indem wir die zweite und die dritte Chance etablieren, indem wir die individuelle Förderung ausbauen und indem wir auch die integrativen Realschulen plus stärken und mit den kooperativen Realschulen plus darüber reden, ob es wirklich so sinnvoll ist, in einem Haus an einem Schulstandort die Kinder wieder frühzeitig nach dem Motto zu trennen, deine Eltern haben nicht das Einkommen und kommen vielleicht aus einer türkischen Familie und deine nicht.

(Widerspruch von der CDU)

So ist es nachweislich. Das zeigen Ihnen alle Statistiken. Lesen bildet.

(Frau Schäfer, CDU: Das ist ja abenteuerlich! – Ramsauer, SPD: Das könnt ihr euch gar nicht vorstellen!)

Es ist für uns alle besser. Ein längeres gemeinsames Lernen bedeutet auch, länger mehr voneinander zu lernen. Es ist besser für die Gesellschaft. Es ist besser für die Wirtschaft und für die Leistungsfähigkeit unserer Gesellschaft jetzt und in der Zukunft, wenn das Bildungssystem leistungsfähig und vor allem auch gerechter wird, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Rosenbauer, CDU: Gerechter wird! Aber wer hatte denn 20 Jahre Verantwortung für die Bildung? Es ist schon interessant, dass Sie jetzt klatschen! – Hering, SPD: Wir entwickeln das ständig weiter!)

Wir werden einen ganz großen weiteren Schritt im Bildungsbereich gehen. Wir werden die vollständige und gleichwertige Einbeziehung von Kindern mit Behinderungen in unser Schulsystem in den nächsten fünf Jahren realisieren. Wir wollen und werden das verbindliche Wahlrecht für Eltern von Kindern mit Behinderung in Rheinland-Pfalz einführen. Wir verfolgen das Ziel der vollständigen Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Das können wir vielleicht noch nicht vollständig in dieser Legislaturperiode erreichen, aber wir werden einen großen Schritt in dieser Legislaturperiode zu diesem Ziel hingehen.

Ich halte es für einen ganz elementaren Baustein gesellschaftlicher Gerechtigkeit, wie wir mit denjenigen umgehen, die von Geburt an Beeinträchtigungen haben und nichts dafür können, dass wir sie in unsere Gesellschaft hineinnehmen, dass wir sie in unsere Gesellschaft so einbauen – da ist die Bildungsinstitution zentral –, dass sie sozusagen keine Sonderregelung brauchen, sondern dass sie als selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft hier in Rheinland-Pfalz demnächst weiter und noch stärker dazugehören. Das ist eine ganz starke Frage der Gerechtigkeit. Ich füge für mich persönlich hinzu, auch meines christlichen Menschenbildes.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Auch in den Hochschulen werden wir einiges für die Studierbarkeit tun, was den Bachelor und den Master angeht. Die Hochschulgremien werden wir demokratisieren. Wir werden weiter in die Hochschulen und in die Forschung investieren. Wir werden die Studienkonten in Rheinland-Pfalz abschaffen und somit die Gebührenfreiheit im rheinland-pfälzischen Bildungssystem 2012 vollenden.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Kostenlose Bildung von Anfang an ist ein wichtiger Eckpfeiler sozialer Gerechtigkeit. Die soziale Gerechtigkeit steht neben der ökologischen Erneuerung ganz im Zentrum der Arbeit dieser Koalition. Der Mensch steht für uns im Mittelpunkt. Deswegen werden wir nicht tatenlos zusehen, dass fast eine halbe Million Menschen in diesem Bundesland Armutsrisiken ausgesetzt ist. Wir wollen diesen Menschen soziale und kulturelle Teilhabe überall in diesem Land ermöglichen und Perspektiven eröffnen. Wir werden dazu einen landesweiten Aktionsplan zur Bekämpfung der Armut und zur Sicherung der sozialen Teilhabe gemeinsam mit der Landesarmutskonferenz, mit den sozialen Trägern und auch mit den Kommunen entwickeln und schrittweise umsetzen.

Diese Landesregierung wird sich vor allem daran messen lassen – das tun wir gerne –, wie sie mit den Schwächsten in unserer Gesellschaft und mit denen, die es am schwersten haben, umgeht. Wir fangen bei den Kindern und Familien an, hören aber dort nicht auf, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Frau Kohnle-Gros, CDU: Die Landesar- beitskonferenz hat bisher nur die Landesregierung kritisiert!)

Deswegen bekennen wir uns zu einer aktiven Arbeitsmarktpolitik, aber nicht zu einer Arbeit um jeden Preis, zu einem Prozess für gute Arbeit in Rheinland-Pfalz, für einen flächendeckenden Mindestlohn, für gleichen Lohn für gleiche Arbeit, für einen intensiven Dialog mit den Gewerkschaften und den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern. Weiterhin haben wir uns auf die Fahnen geschrieben, Rheinland-Pfalz zu einem Musterland für betriebliche Mitbestimmung zu machen; denn nur der, der mitbestimmen kann, wird die Verantwortung für das

Wirtschaften und die Zukunftsfähigkeit von Arbeitsplätzen in unserem Bundesland übernehmen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Familie ist da, wo Menschen Verantwortung füreinander übernehmen. Dabei ist es unwichtig, ob es so wie bei mir ist, ganz klassisch konservativ, verheiratet, zwei Kinder, oder ob es dabei um Elternfamilien, Patchworkfamilien geht, ob es sich um Menschen handelt, die Verantwortung für die Pflege von Angehörigen übernehmen. Weiterhin seien Regenbogenfamilien, Singles und Personen unter der Bezeichnung „double income, no kids“ zu erwähnen. All das ist Familie, wenn Menschen Verantwortung übernehmen. Familie ist in diesem Sinne tatsächlich Keimzelle unserer Gesellschaft. Aber die Gesellschaft ist vielfältiger, als das das eine oder andere Familienbild wahrhaben will.

Wir werden in dem modernen Sinne die Familie ganz in den Mittelpunkt stellen, weil wir um ihre Bedeutung für die Gesellschaft wissen. Wir wissen auch, dass diese Vielfalt eine Herausforderung in der Gesellschaft ist und vor allem aber große Chancen für die gesellschaftliche Entwicklung und die Zukunft unseres Bundeslandes Rheinland-Pfalz bietet.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir wissen, dass es insbesondere die Frauen sind, die in der Lage sind, in der Gesellschaft und in der Politik die Geschicke verantwortlich zu leiten. Deswegen ist diese Koalition – Herr Ministerpräsident, Sie werden es mir gestatten – durch und durch gegendert. Die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern in unserem Land steht ganz oben auf der Agenda. Mir ist es deswegen schon eine Ehre, hier verkünden zu können, dass wir der weiblichste aller Landtage in der Republik mit dem höchsten Frauenanteil sind. Wir haben das weiblichste Kabinett letzte Woche ins Amt gebracht. Ich glaube, ich kann im Namen des Kollegen Hering auch als Mann die uneingeschränkte Begleitung und Unterstützung zusichern.

(Heiterkeit und Beifall des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)