Die Bürgerinnen und Bürger haben an diesem Tag ein neues Kapitel der politischen Geschichte auch über Rheinland-Pfalz hinaus aufgeschlagen. Dass am gleichen Tag in unserem Nachbarland erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ein Vertreter meiner Partei den Auftrag der Regierungsbildung bekommen hat, ist eine historische Zäsur für das deutsche Parteiensystem, aber auch für die Politik insgesamt.
Dies wird nachhaltig auch auf unsere Gesellschaft wirken. Da bin ich mir sicher. Die Wahlen in Bremen haben dies gerade eindrucksvoll bestätigt.
Wir sind uns bewusst, dass dies mit Sicherheit etwas mit den schrecklichen Ereignissen in Fukushima und damit zu tun hat, dass die Bundesregierung konsequent den Willen der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung ignoriert und die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke beschlossen hat. Es hat aber auch etwas damit zu tun, dass die Menschen in diesem Land grundsätzlich eine andere und neue Politik wollen, nämlich eine Politik, die wieder von Werten geleitet ist,
die für die Zukunft Visionen formuliert und realistische Wege der Umsetzung sucht und dabei mehr Offenheit und Transparenz, mehr Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger, mehr Verbindlichkeit, mehr Mut, Mut zur Diskussion und zur Veränderung, mehr Nachhaltigkeit und vor allem mehr Ehrlichkeit in der Politik und der gesellschaftlichen Debatte an den Tag legt.
Wir haben in der außerparlamentarischen Opposition aus der Not eine Tugend gemacht. Wir sind auf die Menschen zugegangen. Wir haben ihnen viel zugehört. Wir haben versucht, uns direkt um die Leute in unserem Land zu kümmern. Wir stehen für einen offenen politi
schen Diskurs, wollen die Menschen ernst nehmen und mitnehmen, und wir wollen sie nicht bevormunden.
Wir sind in den letzten fünf Jahren dem Streit nicht aus dem Weg gegangen, aber immer mit Respekt vor der anderen Meinung und dem Willen zur Einigung und zu Konsens im Sinne der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes Meine Fraktion und ich möchten Ihnen anbieten, diesen Stil auch weiterhin und jetzt im rheinlandpfälzischen Landtag alle gemeinsam zu pflegen.
Wir übernehmen nun also erstmals Verantwortung für Rheinland-Pfalz. Partei und Fraktion sind mehr als bereit, den sozial-ökologischen Aufbruch in RheinlandPfalz zu wagen und gemeinsam mit unserem Koalitionspartner, unseren Freundinnen und Freunden von der SPD, den Wandel in unserem Land in den kommenden fünf Jahren zu gestalten.
Wir arbeiten auf der Basis eines hervorragenden Koalitionsvertrages, der diese neue Politik formuliert, geprägt vom Mut für Veränderung einerseits, aber auch Verantwortung für das bereits Geschaffene andererseits. Dabei stehen sowohl der Mensch und seine Umwelt als auch die Verantwortung für kommende Generationen im Mittelpunkt unseres Handelns. Das ist das gemeinsame Grundverständnis von Sozialdemokratie und GRÜNEN in diesem Land.
Diese Regierung verschreibt sich einer politischen Kultur der Offenheit, der Menschlichkeit und des Dialogs miteinander. Deshalb ist es uns besonders wichtig, dass wir den sozial-ökologischen Wandel gemeinsam mit den Menschen in diesem Land gestalten wollen.
Die Energiewende, die uns jetzt in den nächsten Tagen und Wochen mit dem Atomausstieg begleiten wird, und das unter der Voraussetzung, dass wir dem Klimawandel begegnen müssen.
Der demografische Wandel gerade in ländlichen Strukturen wie in Rheinland-Pfalz. Wir werden immer weniger, werden immer älter, und wir werden auch immer bunter in unserem Land.
Die Zukunft der Bildung. Wir wollen auf der einen Seite eine bessere Bildung entwickeln, auf der anderen Seite wollen wir Ängste nicht schüren und behutsam mit allen Beteiligten die Wege beschreiten
Eine Modernisierung unserer Demokratie, die, ohne den Parlamentarismus infrage zu stellen, die Menschen mehr mitnimmt und mehr beteiligt und auf die entsprechenden Beschlüsse und Konsequenzen nicht zuletzt aus der Diskussion um Stuttgart 21 zieht. –
Das alles geschieht unter der schwierigen Voraussetzung geplünderter öffentlicher Haushalte auf allen Ebenen und viel zu geringen Steuereinnahmen für all das, was der Staat leisten will und was die Bürgerinnen und Bürger vom Staat erwarten dürfen.
Hierbei ist entscheidend, dass man einen klaren Kompass hat und klaren Werten folgt, weil der Weg, die Ziele zu erreichen, steil und steinig werden wird. Aber wir sind willens, gemeinsam auf diesem Weg in Rheinland-Pfalz alle mitzunehmen.
Dass gesellschaftlich und politisch überhaupt jetzt wieder verstärkt – und das gebe ich zu, durch alle politischen Kreise und Parteien – über den Atomausstieg debattiert wird, ist ein Erfolg einer breiten Bewegung in der Bundesrepublik, die seit über 30 Jahren das Bewusstsein für die Unbeherrschbarkeit dieser Technologie und die Notwendigkeit eines konsequenten Ausstiegs geschärft hat.
Daher lassen wir uns nicht nachsagen, wir hätten Fukushima im Wahlkampf missbraucht. Das haben Grüne, die seit über 30 Jahren gegen diese Hochrisikotechnologie kämpfen, überhaupt nicht notwendig. Wir sind die Letzten, die sich Fukushima sozusagen gewünscht haben. Wir haben immer davor gewarnt.
Das, was in Fukushima passiert ist, haben selbst die größten Skeptiker, die größten Kritiker bei den Grünen nicht für möglich gehalten. Dass wir diese Technologie nicht beherrschen können, wussten wir. Aber dass sie derart aus den Fugen gerät, wie wir es in Japan sehen konnten, haben wir uns selbst nicht vorstellen können. Deswegen ist es allerhöchste Zeit, jetzt umzuschalten und auszusteigen. Da bewahrt jetzt auch jeder sein Gesicht. Nach Fukushima verstehen es die Menschen auch. Besser heute als morgen, und vor allem für alle Zeit raus aus dem Atomstrom.
Das ist gar nicht so weit weg. Durch den Bericht der Reaktorsicherheitskommission wissen wir, kein einziges deutsches Atomkraftwerk ist gegen den Flugzeugabsturz einer größeren Maschine ausgelegt. Ich muss hier in der Einflugschneise des Flughafens Frankfurt und dem nuklearen Schatten von Biblis nicht den 11. September für solch ein Horrorszenario bemühen. Nein, die Gefahr gerade hier ist real. Auch deswegen kann es nicht nur eine Rückkehr zum alten Atomkompromiss geben.
Das Wachstum der erneuerbaren Energien hat all unsere Erwartungen maßlos übertroffen. Umweltminister Trittin hat bei der Vorlage des EEG bis zum Jahr 2011 12 % erneuerbare Energien im Strombereich angepeilt. 17 % haben wir heute. Das bedeutet, wir können raus, wir können schneller raus, wir können noch schneller raus, als es Rot-Grün damals festgelegt hat. Wir können raus, und das zeigt es gerade. Es sind 13 von 17 Atomkraftwerken abgeschaltet. Ich sehe, sämtliche Kronleuchter leuchten noch, jede einzelne Lampe ist an.
Wir brauchen dazu Übergänge, Übergangstechnologien. Das kann nur das Gas sein, hocheffiziente neue Gaskraftwerke. Das werden wir mit aller Ehrlichkeit sagen. Die werden wir auch in Rheinland-Pfalz brauchen, beispielsweise am Standort Mainz. Wir werden massiv in die erneuerbaren Energien gehen. Wir haben das vielleicht fortschrittlichste Energieprogramm im Koalitionsvertrag formuliert, das diese Republik je gesehen hat. Aber die Voraussetzung dafür, um Investitionen auszulösen – Herr Kollege Hering hat es richtig gesagt –, ist jetzt ein klarer, unumkehrbarer und konsequenter Atomausstieg.
Dies bedeutet die sofortige Abschaltung der sieben ältesten Meiler. Das bedeutet eine verbindliche, schrittweise Abschaltung aller übrigen Anlagen. Das ist sogar bis zur nächsten Legislaturperiode des Bundestages möglich. Es bedeutet vor allem die Endgültigkeit der Nutzung der Atomenergie für die Stromproduktion in der Bundesrepublik Deutschland.
Wir sollten auch darüber nachdenken, ob wir in dieser Republik nicht dem Vorbild Italiens und Österreichs folgen und den Atomausstieg in der Verfassung verankern.
Es geht uns nicht nur um den bundesweiten Atomausstieg. Wir werden auch die schnellstmögliche Abschaltung der AKWs Cattenom und Fessenheim in allen überregionalen Gremien und auch gegenüber unserem Nachbarland problematisieren und einfordern. Wir hoffen inständig, dass der europaweite AKW-Stresstest ein Umdenken auch bei den Franzosen bewirkt; denn Strahlung – das wissen wir – ist grenzenlos.
Wir müssen klar sagen, wir sind es den Menschen in unserem Land, in der Region Trier schuldig, da das dortige AKW noch schlechter ausgestattetet ist, als die deutschen Atomkraftwerke, wo der Störfall der quasi Regelfall ist. Auch Cattenom und Fessenheim sollen abgeschaltet werden. Den Ausstieg aus der menschenverachtenden Atomkraft sind wir unseren Kindern und der Schöpfung absolut schuldig.
Meine Damen und Herren, ich habe es bereits angedeutet, in der Energiepolitik beschreibt dieser Koalitionsvertrag das modernste Regierungsprogramm dieser Republik.
Wir wollen in dieser Legislatur die Weichen dafür stellen, dass wir in Rheinland-Pfalz die Energiewende vollenden können und bis zum Jahr 2030 bilanziell 100 % unseres Strombedarfs aus erneuerbaren Energien decken. Das war unser Versprechen im Wahlkampf gewesen. Das lösen wir nun ein und werden dieses Ziel mit aller Kraft angehen.
Deswegen ist es gut und richtig, dass es die stellvertretende Ministerpräsidentin ist, die für diese Kernbereiche der Zukunft Energie und Klimaschutz zuständig ist. Sie wird die Grundlagen dafür legen, dass bis zum Jahr 2030 Rheinland-Pfalz nicht nur 100 % seines Strombedarfs erneuerbar deckt, sondern sogar noch zum Stromexportland wird und Tausende neue Arbeitsplätze in Rheinland-Pfalz für Handwerker und für Unternehmen geschaffen werden können und ganz neue Zukunftsperspektiven für die Wirtschaft in unserem Land eröffnet werden.
Diesen Umstieg, diese Energiewende – das sage ich als Mainzer voller Stolz – schaffen wir hier in RheinlandPfalz auch ganz ohne neue Kohlekraftwerke, meine Damen und Herren.
Wir haben uns auch darauf verständigt, die klimaschädlichen Emissionen in diesem Land bis 2050 um 95 % gegenüber 1990 zu reduzieren, um das 2°-Ziel zu erreichen.
Wir folgen mit unserem Weg der Energiewende und des Klimaschutzes einer Gesellschaft, die häufig schon viel, viel weiter ist, als es die Politik ist. Die Menschen fragen nicht mehr nach dem „Ob“, sie fragen nur noch nach dem „Wie“. Dabei müssen und werden wir berücksichtigen, dass die Stromversorgung für die Menschen und die Unternehmen in diesem Land sicher, ökologisch und bezahlbar sein wird; denn wir machen uns da nichts vor: Die Energiewende ist keine Kuschelpolitik.
Wir spüren dies, wenn wir über neue Gaskraftwerke reden. Das werden wir spüren, wenn wir darüber reden, 2 % der Landesfläche für Windkraft nutzbar zu machen, wenn wir über Repowering sprechen und noch wesentlich größere Anlagen, als wir sie heute kennen, installieren. Das werden wir bei jedem Energiespeicher, bei jeder Biogasanlage und bei jeder neuen Stromtrasse merken.
Es wird daher nicht reichen, nur für dieses Ziel „100 % erneuerbare“ zu werben, sondern wir müssen auch in den Dialog mit den Menschen und den Bürgerinnen und Bürgern treten, um die konkreten Umsetzungsschritte vor Ort intensiv mit den Menschen gemeinsam zu diskutieren, sie zu informieren und zu begleiten und Unternehmen wie Privatleute auf diesem Weg bestmöglichst zu unterstützen.