Protocol of the Session on June 21, 2012

Die ursprünglichen Pläne, dass die EU Nachtflugverbote aufheben kann, sind vom Tisch. Damit bleiben lärmbedingte Beschränkungen eindeutig Sache der Mitgliedsstaaten. Das ist eine positive Entwicklung.

Dafür, dass die deutsche Haltung dabei so klar und eindeutig war, danke ich der CDU-Bundestagsabgeordneten Ute Granold,

(Glocke des Präsidenten)

die sich insbesondere bei Minister Ramsauer dafür eingesetzt hat.

(Beifall der CDU – Zurufe von der SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteilte ich Herrn Abgeordneten Köbler das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Gäste! Wir haben es jetzt wissenschaftlich bestätigt bekommen. Eine repräsentative Umfrage aus Mainz von Herrn Professor Daschmann des Instituts forum! Marktforschung kommt zu folgenden Ergebnissen: Der Fluglärm ist der größte Störfaktor für das Leben in der Stadt Mainz, und das Negativ-Image, das nach der Selbsteinschätzung der Mainzerinnen und Mainzer damit verbunden wird, wird sich auf die Grundstückspreise, den Tourismus und die Gewerbeansiedlungen auswirken, von der Lebensqualität ganz zu schweigen. Das sind die Fakten.

Im „stern“ vom 14. Juni 2012 können wir vom CondorChef Ralf Teckentrup lesen – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –: „In einer Region von sieben Millionen Menschen, die unmittelbar oder mittelbar vom Flughafen Frankfurt profitieren, reden wir über ein paar Tausend Leute, die alle nicht dort wohnen müssen, wo sie wohnen.“

Meine Damen und Herren, das ist ein unmenschlicher Zynismus, den wir entschieden zurückweisen sollten.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das Märchen davon, dass es eine laute Minderheit sei, die sich zunehmend in Frankfurt Rhein-Main und anderswo gegen den ausufernden Fluglärm ausspricht, ist auch seit dem 17. Juni dieses Jahres widerlegt. In München haben 54,3 % genau aus diesen Gründen gegen die neue Startbahn gestimmt.

In Mainz haben am Samstag – Herr Kollege Reichel, Frau Kollegin Brede-Hoffmann, Frau Kollegin Schellhammer und viele andere waren dabei – Zehntausend für mehr Lebensqualität, gegen die Politik der Hessischen Landesregierung und für einen Schutz vor Fluglärm in unserer Region demonstriert. Ich fand, das war ein ganz starkes und parteiübergreifendes Signal an die andere Rheinseite. Ich glaube, daran sollten wir anknüpfen und weitermachen.

Ich war wie viele andere auch sehr beeindruckt, dass für die Landesregierung Herr Staatssekretär Dr. Griese den Nerv der Menschen getroffen und unheimlich viel Unterstützung bekommen hat. Deswegen freue ich mich, dass im Gegensatz zur anderen Rheinseite die hiesige Landesregierung und die sie tragende Koalition – in diesem Fall sage ich das ausdrücklich auch mit Unterstützung der Opposition – an der Seite der Menschen im Rhein

Main-Gebiet stehen, indem sie es der Hessischen Landesregierung nicht weiter durchgehen lassen, dass sie fortdauernd Wort- und Rechtsbruch begeht.

Deswegen ist es gut, dass wir heute erneut darüber reden, wenn wir Nachrichten bekommen, dass seit dem Inkrafttreten des Nachtflugverbots über zweihundertmal in der Nacht zwischen 23:00 Uhr und 5:00 Uhr geflogen worden ist und es in einem Monat dreimal dazu kam, dass zwischen 23:00 Uhr und 5:00 Uhr kein Flugzeug geflogen ist. Das ist ein Hohn gegenüber den Menschen, die ein Recht auf Nachtruhe haben, wie höchstrichterlich festgestellt worden ist. Der schwarz-gelben Landesregierung in Hessen ist unser Rechtsstaat und sind die Menschen in dieser Region egal. Das dürfen wir nicht weiter durchgehen lassen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich bin der Landesregierung auch sehr dankbar, dass der Innenminister von der Hessischen Landesregierung detaillierte Informationen über die Begründung dieser Ausnahmen eingefordert hat. Man kann fast gar nicht mehr von einer Ausnahmegenehmigung sprechen. Es gibt sogar eine Regelgenehmigung, dass jedes Flugzeug, das aus welchen Gründen auch immer zu spät kommt, eine Genehmigung erhält. Es wird gar nicht groß geprüft. Hier wird die Ausnahme zur Regel gemacht. Das ist nicht im Sinne des Leipziger Urteils und schon gar nicht im Sinne der Bevölkerung.

Deswegen ist es wichtig, dass wir im Parlament darauf aufmerksam machen. Ich bin der Landesregierung sehr dankbar, dass sie darauf aufmerksam gemacht und ihre Gutachten der Fluglärmkommission zur Verfügung gestellt hat. Wir werden in der Fluglärmkommission gemeinsam mit allen Beteiligten in der Region wie am Samstag auch der Hessischen Landesregierung ganz klar die Rote Karte zeigen und sagen, so geht das nicht weiter. Wir wollen wenigstens die Nachtruhe haben, die uns Leipzig rechtlich garantiert hat. Alle anderen Tricksereien lassen wir nicht weiter durchgehen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Interessant ist übrigens, wer uns dabei unterstützt. Es sind Bundesverkehrsminister Ramsauer und das Bundesumweltamt, das sogar zu dem Schluss kommt, dass aus Gründen des präventiven Gesundheitsschutzes ein Nachtflugverbot an stadtnahen Flughäfen von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr festgeschrieben werden muss. Auch da bewegt sich etwas. Es gibt einen weiteren Druck auf die Hessische Landesregierung vonseiten des Bundes. Wir müssen weiterarbeiten und im Bundesrat zahlreiche Initiativen bei der Umweltministerkonferenz einbringen.

(Glocke des Präsidenten)

Ich denke, dass Rheinland-Pfalz hier vorbildlich ist. Die Menschen auf dieser Seite des Rheins können sich auf ihre Landesregierung verlassen, die Menschen auf der anderen Seite des Rheins vielleicht nach der Landtagswahl 2013 in Hessen. Wir unterstützen unsere Kolleginnen und Kollegen bei diesem Ziel.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die Landesregierung hat Herr Minister Lewentz das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute auch deshalb, weil die CDU-geführte Hessische Landesregierung aus meiner Sicht völlig ohne Not und vor allem ohne dass die Gründe zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vorliegen, eine Planklarstellung auf den Weg gebracht hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der zweite Part, über den wir diskutieren, ist das, was dort nachts geschieht. Beides zusammen ist in meinen Augen ein unglaublicher Schlag ins Gesicht derer, die vom Fluglärm betroffen sind, nämlich der Menschen in dieser Region, der Menschen in der Landeshauptstadt sowie von Rheinhessen bis Bad Kreuznach.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, aus diesem Grund hat unser Ministerpräsident, hat Kurt Beck am 9. Mai seinen hessischen Amtskollegen angeschrieben und an ihn appelliert, ein Planergänzungsverfahren mit erneuter Anhörung durchzuführen. Warum? – Damit wäre den Betroffenen die Möglichkeit eröffnet worden, ihre berechtigten Anliegen angemessen vorzutragen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie sieht die Hessische Landesregierung diese Dinge? Ich habe ein weiteres Bouffier-Papier in der Hand. Dieses Mal stammt es nicht aus dem CDU-Präsidium, aber es weist ebenfalls eine sehr bemerkenswerte Qualität auf. Herr Bouffier hat Herrn Ministerpräsidenten Beck geantwortet und Folgendes geschrieben: „Hinsichtlich der Nachtstunden hat das Bundesverwaltungsgericht bereits durch seinen Urteilstenor 133 Flüge im Jahresdurchschnitt für zulässig erklärt. Nur für den Fall, dass über diese Anzahl von Flügen hinausgegangen werden soll, wäre ein Planergänzungsverfahren notwendig. Mehr als diese 133 Flugbewegungen will die Landesregierung aber keinesfalls zulassen.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, es kommt aber noch besser: „Durch die Planklarstellung haben wir das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts 1 : 1 umgesetzt. Damit ist das Nachtflugverbot verbindlich und dauerhaft gesichert und der Flugbetrieb in den Nachtrandstunden begrenzt.“ Was soll man von einem solchen Schreiben, von einer solchen Antwort halten? – Wir sollten uns unseren eigenen Reim darauf machen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man dann heute lesen kann, die Lufthansa wartet ab, ob sie den Klageweg beschreitet, könnte man für dieses Vorgehen durchaus den Begriff eines „Systems“ verwenden, weil da das eine zum anderen passt, liebe Frau Schmitt.

Verehrter Herr Reichel, Sie sind in dieser Thematik lange drin. So etwas wie Ihre Rede habe ich ehrlicherweise überhaupt nicht erwartet und so auch noch nicht vernommen. Sie haben die weitsichtigen Richter gut bewertet, Sie haben uns kritisiert, aber Sie haben mit keinem Wort die CDU-Landesregierung in Hessen erwähnt. Sie haben weder die Worte „Landesregierung“, „Hessen“ oder „Wiesbaden“ in den Mund genommen, noch den Ministerpräsidenten oder den Verkehrsminister erwähnt. Sie haben noch nicht einmal – das verstehe ich überhaupt nicht – den Namen von Herrn Posch in den Mund genommen. Sagen Sie mal, schämen Sie sich nicht für einen solchen Vortrag? Das ist doch unmöglich.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Herr Reichel, bisher habe ich gedacht, wir hätten eine gemeinsame Gegnerschaft und wir wären den Menschen in Rheinland-Pfalz verpflichtet. Wir müssen hier doch nicht die Hessische Landesregierung abdecken. Das gibt es doch gar nicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind – Herr Köbler, ich bin Ihnen für Ihren Beitrag sehr dankbar – eindeutig im Interesse der Menschen in Rheinland-Pfalz aufgestellt. Wir haben deshalb auch die beiden Gutachten nicht nur auf den Weg gebracht und in Auftrag gegeben, sondern wir haben sie auch veröffentlicht. Wir haben sie natürlich der Fluglärmkommission zugeschickt. Wir werden sie dort auch diskutieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das, was man unter der Planklarstellung verstehen soll, empfinde ich als unsinnig. Das ist ein falscher Weg. Das ist ein bewusst gewählter Weg, um den Menschen Beteiligung zu verweigern. Das ist gerade nach den ganzen Dingen, die geschildert wurden, nicht zu akzeptieren. Nach den Montagsdemonstrationen und dem großen Urteil aus Leipzig kann man den Menschen über einen solchen Weg doch nicht die Beteiligung wegnehmen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit diesem Gutachten haben wir gezeigt, dass es andere Anflugmöglichkeiten und andere Möglichkeiten gibt, Lärm zu verteilen. Vor allem haben wir das widerlegt, was man uns immer vorgeworfen hat, nämlich es würde keine Alternativen zu dem Verfahren geben, das jetzt gewählt worden ist. Wir haben Alternativen klar und deutlich aufgezeigt. Wir werden dafür ringen, dass man diese Alternativen nicht nur ernst nimmt, sondern wir werden alles dafür tun, dass wir versuchen können, diese auch umzusetzen. Deshalb unterstützen wir zum Beispiel – Sie wissen das – finanziell Klagen von rheinlandpfälzischen Gemeinden. Das ist ein richtiger Weg.

In dem Artikel, den ich eben angesprochen habe, lese ich, dass die Stadt Offenbach überlegt, ob sie gegen die Planklarstellung vorgeht. Möglicherweise wird das noch bei weiteren Kommunen der Fall sein. Ich würde das sehr begrüßen.

Wenn man sich überlegt, welche Belastungen in Verbindung mit dem neuen Terminal noch auf uns zukommen können, bin ich Ihnen für Ihre klaren Aussagen heute in dem Interview in der „AZ“ sehr, sehr dankbar, lieber Herr Fraktionsvorsitzender Hering. Frau Schmitt hat das auch unterstrichen. Es ist ein Punkt erreicht, ab dem man sich Mehrbelastungen im Interesse der Menschen überhaupt nicht mehr vorstellen kann. Auch darum werden wir ringen müssen. Es muss eine Obergrenze geben, ab der nicht mehr weiter aufgesattelt werden kann. Man kann sich kaum vorstellen, wie Menschen leben sollen, wenn man auf über 700.000 oder gar 800.000 Flugbewegungen in dieser Region kommen will.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich appelliere dafür, gemeinsam für die Menschen in Rheinland-Pfalz in diesem Haus zu kämpfen und nicht eine Landesregierung zu unterstützen, die sich an der Stelle völlig verfahren hat. Das wäre ein großer Fehler.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete BredeHoffmann das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion! Wir sind uns einig – das will ich an dieser Stelle explizit begründen –, in Mainz und Rheinhessen ist es zu laut. Das muss sich ändern. Es ist vor allen Dingen nachts zu laut. Das muss sich wirklich ändern.

(Beifall bei der SPD)

Die Tatsache, dass wir über ein Urteil aus Leipzig ein Nachtflugverbot erhalten haben, ist endlich durchzusetzen.

Herr Reichel, ich habe mich all die Jahre immer gefreut, dass es in der CDU einen Kämpfer gab, der nicht nur formuliert hat, sondern der den Kampf unterstützt hat, der dazu aufgefordert hat zu klagen, der mit den Mainzerinnen und Mainzern diskutiert hat. Ihre Rede heute – Herr Lewentz hat es mir schon vorweggenommen – hat mich dann aber doch sehr gewundert. Sie stellen sich an dieses Pult und zitieren, was wir nicht hinnehmen sollten. Nein, wir sollten das nicht hinnehmen. Der Ministerpräsident hat das auf seinem Weg gegenüber Hessen

schon klargemacht. Machen Sie das doch jetzt auf Ihrem Weg.