Sehr geehrter Herr Präsident, sehr verehrte Abgeordnete! Wir hatten das Thema schon einige Male auf der Tagesordnung. Liebe Frau Huth-Haage, ich bin ein bisschen überrascht, wenn ich hier feststelle, dass Sie ein Statement dahin gehend abgeben, dass Familien im Mittelpunkt der CDU-Politik stehen.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Ramsauer, SPD: So viel zum Respekt vor der Familie! – Frau Brede-Hoffmann, SPD: Die sind alle heimgegangen!)
Zu der Bedeutung für die CDU in Bezug auf die Familien brauche ich vielleicht nicht mehr von einem Quantensprung zu reden. Davon sind Sie sicherlich weit entfernt.
Wir benötigen für die Betreuung der kleinen Kinder, die sicherlich unbestritten ist, viele Milliarden Euro bundesweit. Hier ist es sinnvoller, das Geld in die Infrastruktur zu stecken; denn diese Plätze, die mit 35 % angesetzt sind, sind sicherlich nicht ausreichend. Die Zahlen belegen, dass die Nachfrage deutlich höher ist. So wirkt sicherlich das Betreuungsgeld oder die Herdprämie, wie ich es schon einmal benannt habe, nicht gerade förderlich für den Ausbau.
Die angesprochene Wahlfreiheit ist keine Wahlfreiheit; denn genau die Kinder, die in die Einrichtung gehen
sollen, die die Betreuung und Förderung insbesondere benötigen, werden davon abgehalten. Im Zuge dessen wäre auch vielleicht der Vergleich angebracht, als öffentliche Einrichtung bekommen sie auch keine Entschädigung, wenn sie nicht ins Schwimmbad und nicht ins Theater oder sonstige Einrichtungen gehen und sie nicht in Anspruch nehmen.
Mit Wahlfreiheit hat das alles hier überhaupt gar nichts mehr zu tun, im Gegenteil. Wir laufen Gefahr, dass wir die Kommunen, die alle sehr hoch belastet sind, noch viel stärker belasten werden, wenn wir den Ausbau der institutionellen Kinderbetreuung nicht vorantreiben; denn es gibt immerhin einen Rechtsanspruch. Ein Rechtsanspruch ist auch ein Rechtsanspruch, zumindest in einer Demokratie so, wie wir sie verstehen. Das bedeutet, dass dieser einklagbar ist.
Das bedeutet, dass wir damit rechnen müssen, dass genau die Eltern, die keinen Betreuungsplatz bekommen und die übrigens auch mit diesen 150 Euro nicht einverstanden sind, unter Umständen nicht nur einklagen, dass sie einen Platz bekommen, sondern dass sie auch das Einkommen, das sie nicht erzielen, einklagen.
Wir haben im Landesjugendhilfeausschuss diese Debatte schon geführt. Es wurde dort ganz deutlich, dass dann die Kommunen zahlen müssen. Dann möchte ich Sie fragen, liebe CDU, wie wollen Sie das denn den Kommunen zumuten,
dass ein Entgelt von einer Vollzeit- oder Teilzeitstelle von 30.000 Euro oder 50.000 Euro pro Familie bezahlt werden muss? Das ist nicht konstruktiv.
Das Weitere, das ich auch noch einmal deutlich machen möchte – das hat Herr Hering auch schon angesprochen –, ist, dass Sie doch erstens in den eigenen Reihen überhaupt nicht an einem Strang ziehen. Es hat durchaus auch in Ihren eigenen Reihen ganz andere Stimmen gegeben.
Aber worauf ich aufmerksam machen möchte, ist, dass sich zum Beispiel Kirchen ganz konkret dazu äußern und sagen, dass dieses Betreuungsgeld völlig unsinnig ist. Ich möchte gerne zitieren, und zwar den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Herrn Nikolaus Schneider.
Er sagt, er hat sich gegen das Betreuungsgeld gewandt. Er sagt, das Geld dürfte nicht an Einzelne ausgezahlt werden, sondern müsse in den Ausbau von Krippen und Kindertagesstätten fließen.
Damit kämen wir auf dem Weg zur Bildungsgerechtigkeit und zu verbesserten Lebenschancen für benachteiligte Kinder einen guten Schritt weiter.
Ich nenne eine weitere Stellungnahme, immerhin von der Präsidentin des Familienbundes der Katholiken, das ist auch nicht ganz CDU-fern. Ich möchte niemandem zu nahe treten, aber sicherlich ist sie Ihnen auch bekannt.
„Wir sehen die Gefahr einer sozialen Schieflage beim Betreuungsgeld. Eine Anrechnung auf Hartz IV-Leistung benachteiligt die Familien, die das Geld am dringendsten benötigen.“
Des Weiteren habe ich eine Liste von Vereinen und Verbänden, die sich dagegen ausgesprochen haben, unter anderem der Deutsche Frauenrat, der Deutsche Gewerkschaftsbund DGB, Vereinte Dienstleistungsgesellschaft, ver.di, Sozialdemokratische Frauen, Arbeiterwohlfahrt und, und, und.
Das übersteigt meine Redezeit hier. Ich kann Ihnen das aber gerne schriftlich nachreichen, wenn Sie das möchten.
Das Betreuungsgeld ist unsinnig. Auch Ihr Antrag, der gestellt worden ist, ist unsinnig. Das nutzt den Familien in keiner Weise.
Bevor ich der Landesregierung das Wort erteile, möchte ich Gäste im Landtag begrüßen, und zwar Landfrauen aus Essingen. Seien Sie herzlich willkommen!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das
Thema „Betreuungsgeld“ wurde bereits mehrfach hier im Plenum behandelt. Frau Bröskamp hat schon darauf hingewiesen. Zuletzt geschah das im Rahmen einer Mündlichen Anfrage am 18. August 2011 und im Rahmen einer Aktuellen Stunde am 19. Oktober 2011.
Die ablehnende Haltung der Landesregierung ist bereits damals sehr gut begründet worden. Seither ist die Kritik an diesem Vorhaben mehr und mehr gewachsen; denn die Idee eines Betreuungsgeldes ist vollkommen konträr zum dringend erforderlichen Ausbau der Kindertagesstätten in Deutschland.
Zwischenzeitlich hat sich auch die EU-Kommission unserer Kritik angeschlossen. EU-Sozialkommissar Andor äußerte sich gegenüber der „WELT“ wie folgt: „Es gilt in Europa die klare Politik, die Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt zu fördern.“ Weiterhin kritisierte er den ungenügenden Ausbau der Kinderbetreuung.
(Dr. Weiland, CDU: Wahrscheinlich sind Sie mit der EU-Kommission in Verhandlungen! – Zurufe des Abg. Schreiner, CDU)
Wir teilen diese Kritik aus Brüssel; denn das geplante Betreuungsgeld sendet in vielfacher Hinsicht völlig falsche Signale.
Da in den Familien mit Kleinkindern das Modell des vollzeitbeschäftigten Vaters und der nicht erwerbstätigen oder in Teilzeit erwerbstätigen Mutter vorherrschend ist, wird das Betreuungsgeld vor allen Dingen Frauen vor die Entscheidung stellen, ob sie für die Bezugsdauer der Leistungen auf eine berufliche Tätigkeit verzichten. Das ist gleichstellungspolitisch fatal und kann bisherige Anstrengungen zur beruflichen Gleichstellung von Mann und Frau erheblich zurückwerfen.
Dieser Effekt ist nach den Ergebnissen einer Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) stärker ausgeprägt für Familien mit niedriger Bildung und niedrigem Einkommen. Ich möchte gerade deshalb auch in meiner Funktion als Frauenministerin des Landes eindeutig Stellung gegen das Betreuungsgeld beziehen.
Noch gewichtiger als die kurzfristigen unmittelbaren Auswirkungen eines Betreuungsgeldes auf die Erwerbsbeteiligung von Frauen sind aus frauenpolitischer Sicht die langfristigen negativen Konsequenzen für Einkommen, beruflichen Status und soziale Absicherung. Wie das Sachverständigengutachten zum ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung feststellt, wirken sich Erwerbsunterbrechungen nachhaltig negativ auf die Einkommens- und Karrierechancen aus, und zwar umso stärker, je länger die Unterbrechung andauert.
Die Lohnverluste fallen bei geringer qualifizierten Frauen relativ höher aus als bei hoch qualifizierten. Gerade aber