Protocol of the Session on February 24, 2012

Das verwundert mich. Dazu können Sie vielleicht auch noch etwas sagen. Diese Äußerung deutet vielleicht darauf hin, wie die CDU die Herausforderungen der Wirtschaftspolitik für Rheinland-Pfalz sieht. Sie meinten, man könne das Wirtschaftsministerium abschaffen. Wenn das Ihr Sparbeitrag ist, sagt das auch etwas über die Politik aus, die Sie in Rheinland-Pfalz machen würden, und wie wichtig Ihnen die Wirtschaft ist.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Schreiner, CDU)

Lassen Sie uns auf die Herausforderungen der Zukunft und darauf blicken, was die Wirtschaftspolitik leisten muss, damit das, was Sie fordern, auch stattfinden kann, damit wir den Unternehmen in Rheinland-Pfalz eine gute Basis für ihre Arbeit und für das Sichern von Arbeitsplätzen in diesem Land liefern können. Die Herausforderungen liegen doch vor uns. Wir kennen sie. Es ist der demografische Wandel.

In den nächsten zehn Jahren wird es zunehmend ältere Menschen geben. Das wissen wir. Die Hälfte unserer Chefinnen und Chefs wird in den Altersruhestand gehen. Wir können doch nicht zulassen, dass die Hälfte unserer Betriebe kopflos wird. Insofern stellen der Fachkräftemangel und die Nachwuchsfrage große Herausforderungen dar.

Wir stehen in erster Linie vor folgenden Fragen:

Wie bringen wir Frauen verstärkt in Arbeit?

(Vereinzelt Beifall bei dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wie finden Migrantinnen und Migranten ihren Platz in der Arbeitswelt?

Wie bringen wir verstärkt Alterskompetenz wieder in Arbeit bzw. halten sie in Arbeit?

Wie bauen wir Barrieren ab, damit auch behinderte Menschen zunehmend ihren Platz in der Arbeitswelt finden?

Wie können wir diese Lücke schließen, die uns diese große Herausforderung beschert, damit wir dem Fachkräftemangel anständig begegnen können?

Lieber Herr Kollege, damit schafft man kein Wirtschaftsministerium ab. Ich muss Ihnen entgegen. Es ist eine Herausforderung einer Regierung und aller Kolleginnen und Kollegen, gut miteinander zu arbeiten,

(Baldauf, CDU: Wo ist denn der Ministerpräsident?)

und nicht eine Frage, ob eine Wirtschaftsministerin die anderen Ministerien führen oder leiten muss. Die Kolleginnen und Kollegen wissen alle sehr genau, was wir tun können und müssen. Wir arbeiten in diesem Kabinett im Team gut miteinander, und zwar so, wie es die gesell

schaftliche Herausforderung auch für die Unternehmer und Unternehmerinnen in diesem Land erforderlich macht.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Schreiner, CDU)

Es ist der gesamtgesellschaftliche Ansatz, der die Wirtschaftspolitik in dieser neuen Landesregierung kennzeichnet, nämlich sich sozial, ökologisch und zukunftsorientiert mit den Herausforderungen der Zukunft zu beschäftigen. Wir nehmen das mit, was die Menschen in diesem Land verlangen. Die Menschen haben sich auch geändert.

Herr Baldauf, wenn Sie sagen, Sie verstehen uns nicht, dann verstehen Sie vielleicht auch nicht die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, die neue Arbeitsplätze suchen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Es stehen nämlich nicht mehr das Geldverdienen und die Karriere auf Platz eins. Im Mittelpunkt stehen ein sinnvolles, erfülltes und verantwortungsvolles Leben und ein Lebensstil mit Familie als Teil dieser Gesellschaft. So will man auch die Wirtschaft begreifen, nämlich nicht als eine leere Hülle, in der man es nur auf Renditen an Aktienmärkten absieht, die uns nachher Finanzkrisen bescheren, die Sie immer noch lobpreisen. Auf diesem Gebiet befinden Sie sich wirklich noch im Gestern.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Aufgrund der gesamtgesellschaftlichen Herausforderung werden Fachkräfte auch nur dort ansiedeln, wo sie eine Gesellschaft vorfinden, die Ihnen anspruchsvolle Arbeitsplätze bietet, in denen man nicht disqualifiziert wird, weil man vielleicht diskontinuierliche Lebensläufe mitbringt, die bei den Menschen in diesem Land dazugehören, auch wenn sie einmal länger studieren oder auf Umwegen zu ihrem Ziel kommen. Vielleicht haben sie dadurch eine gefestigtere Persönlichkeitsstruktur. Wir brauchen in diesem Land auch gefestigte Persönlichkeiten, die Unternehmen führen können.

(Zuruf des Abg. Henter, CDU)

Wir wollen Sie alle mitnehmen. Das wird gesucht und gefordert. Es ist das Erfolgsrezept vieler Unternehmerinnen und Unternehmer, die wir im Mittelstand haben.

Herr Baldauf, vielleicht haben Sie auch das noch nicht begriffen. Dann ist mir Ihr Zitat völlig klar, dass Sie uns nicht verstehen.

Herr Baldauf, vielleicht eine Selbstreflexion, weil Sie mich auch zitiert haben, als ich gesagt habe, derzeit arbeite ich sieben Tage. Ich kann Ihnen sagen, dass ich derzeit nicht mehr sieben Tage arbeite, weil ich nämlich auch diesem Gesellschaftsbild Rechnung trage, dass man Zeit zum Denken braucht und durch den Wald gehen muss, um gute Ideen und Kraft für die Arbeit und die Führung zu sammeln. Wenn ich natürlich 98 % mei

ner Wachzeit im Kopf mit den Herausforderungen des Landes verbringe, darf mir das sicherlich nicht zum Vorwurf gemacht werden. Ich bin auch ganz bei den Menschen, die das von einem verlangen können.

Herr Baldauf, ich möchte lieber auf das eingehen, was Sie konkret zu unserer guten Wirtschaftsstatistik gesagt haben. Sie haben kritisiert, dass der Ministerpräsident gestern ausführlich die Erfolge dieses Landes geschildert und darauf hingewiesen hat, wie wir im BIP dastehen, was unsere Arbeitslosenstatistik betrifft. Sie haben gesagt, man müsste sich die Zehn-Jahres-Bilanz anschauen. Danach sehe es sehr schlecht aus.

Herr Baldauf, ich muss Ihnen sagen, schauen Sie sich die Zahlen doch bitte richtig an. Wenn Sie ein Wirtschaftsexperte wären, hätten Sie gesehen, dass die Gesamtheit der Daten, auf die Sie statistisch reflektieren, ganz anders ist. Das BIP bezieht sich nämlich auf die Beschäftigten. Wenn wir uns auf alle Menschen in diesem Land beziehen und Ihrer Forderung nachkommen, den Zehn-Jahres-Zeitraum zu betrachten, werden Sie feststellen, dass sich dieses Land trotz der demografischen Herausforderung wirtschaftlich absolut stabil entwickelt hat und wir in der Statistik alle Menschen mitnehmen, und zwar auch die, die nicht in Beschäftigung sind.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich teile Ihre Auffassung, dass wir das BIP und die Frage des Wachstums – die Kollegen haben dazu schon das Richtige gesagt – nicht überbewerten sollen, weil es noch nichts über die Lebenszufriedenheit oder die Frage aussagt, wo die Märkte sind, die wachsen und sich entwickeln sollten, wogegen andere Märkte untergehen. Lebenszyklen bei Betrieben sind normal. Es wird immer ein Auf und ein Ab, ein Geborenwerden und einen Niedergang geben.

Wenn wir sagen, wir wollen Wachstum qualifizieren und unseren Unternehmen eine stabile Basis in RheinlandPfalz geben, dann heißt das, wir wollen auch ihre Lebenszyklen verlängern. Das ist nachhaltig. Das ist der Begriff, den wir für unsere Wirtschaftspolitik im Umgang mit den Betrieben in Rheinland-Pfalz verfolgen.

Vielleicht deswegen ein kurzer Blick auf die aktuellen Zahlen der BASF. Sie haben gerade verkündet, wie ihr Jahr 2011 ausgesehen hat. Das ist ein wahres Rekordjahr gewesen. Da kann man sehen, welche Bereiche wachsen. Die BASF hat selbst gesagt, dass sie sich in den Bereichen weiterentwickeln will. Von denen, die nicht wachsen, will man sich verabschieden. Der Konzernüberschuss hat um 30 % zugelegt. Das waren 6,1 Milliarden Euro. Es hat einen Umsatzanstieg von plus 15 % mit 73 Milliarden Euro gegeben. Die unternehmerische Entscheidung der BASF, in RheinlandPfalz noch einmal eine weitere Milliarde zu investieren, schafft hier Arbeitsplätze.

Wenn wir Betriebe haben wie Amazon in Koblenz, die 3.000 Arbeitsplätze mitnehmen, dann sagt das etwas darüber aus, dass die Unternehmerinnen und Unter

nehmer diesem Land und dieser Regierung vertrauen. Da kann man jetzt nicht davon reden – – –

(Zurufe von der CDU)

Herr Bracht, wenn Sie sagen, ach, jeder wusste doch, dass die Gefahr besteht, dass die Bundesregierung die Einspeisevergütung verändern würde, dann geben Sie schon zu, dass man dieser Bundesregierung in Fragen von Wirtschaftspolitik und insbesondere von Energiepolitik absolut nicht vertrauen kann. Das war ein Eingeständnis. Das habe ich mir gemerkt.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Bracht, CDU: Das ist doch Unsinn!)

Herr Baldauf, was Ihre Anregung betraf, wir sollten doch in wirtschaftspolitischen Fragen mehr auf Infrastruktur setzen, ich habe eben geschildert, die Wirtschaftspolitik dieses Landes befasst sich mit den großen Ansätzen.

(Baldauf, CDU: Nicht mit den kleinen Straßen!)

Natürlich sind wir nicht gegen Straßen. Wir sind überhaupt nicht gegen Straßeninfrastruktur. Diese muss selbstverständlich erhalten werden. Es ist eine große Verwaltungsaufgabe, dem entsprechend nachzukommen. Was unsere Möglichkeiten betrifft, schauen Sie einfach in den Koalitionsvertrag. Ich brauche mir da überhaupt nicht die Zunge spalten oder irgendetwas sagen, was Sie vielleicht hören wollen. Das betrifft auch den Wassercent. An der Stelle hatten Sie wohl gerade den Plenarsaal verlassen. Das Thema ist schon behandelt worden. Es ist nicht Bestandteil des Einzelplans 08.

(Hering, SPD: Das hat er nicht ganz verstanden!)

Vielleicht noch eine Bemerkung, weil Sie sagen, ich dürfte wohl nicht mehr zum Nürburgring sprechen.

Herr Kollege, ich habe das auf einer Pressekonferenz zusammen mit dem Innenminister und dem Finanzminister getan. Ich spreche auch dann dazu, wenn es etwas zu sagen gibt. Der Ministerpräsident hat gestern ein Angebot an die Herren Richter und Lindner gerichtet, sehr ehrlich und transparent im Umgang. Dem kann ich nur zustimmen. Dem gibt es aber hier nichts Weiteres hinzuzufügen.

(Zuruf des Abg. Schreiner, CDU)

Deswegen will ich lieber über den weiteren Einzelplan und unsere Aufgaben des Staates in Fragen der Wirtschaftspolitik mit Ihnen sprechen.

Als wir die Koalitionsvereinbarung geschlossen haben, haben wir uns gefragt, was der Staat darf, was die Rolle der Politik ist, was unsere Schwerpunkte sind und was unsere Instrumente in der Wirtschaftspolitik sind. Es wird klarer wie nie gerade in dieser Zeit, in der wir eine hohe Staatsverschuldung haben. Da kann man keine Politik des Versprechens und des einmal eben schnell Schenkens machen.

Unsere Instrumente sind die rahmengebenden Gesetze, Verordnungen, Landesentwicklungspläne und die Möglichkeit, wirtschaftliche Impulse zu entfalten, indem wir aufzeigen, wo die Perspektiven im Land liegen und welche Herausforderungen wir richtig mit den Unternehmern angehen.

Da ist viel Kommunikation notwendig. Sie haben im Bereich der Energiewende selbst ausgeführt, wie wichtig es ist, zu Netzwerken miteinander zu sprechen und zu identifizieren, wie die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kräfte gebündelt werden können.

Wenn wir über Fachkräftemangel reden und ich von Unternehmern höre, sie hätten Probleme, qualifizierte Kräfte zu bekommen, dann immer nur dort, wo nicht das ganze Umfeld – ich habe eben das gesellschaftliche Bild beschrieben – abgedeckt werden kann. Dann ist Wirtschaftspolitik die gesamtgesellschaftliche Aufgabe, dieses Land so zu gestalten, dass die Menschen hier leben wollen.