Protocol of the Session on November 11, 2011

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich bin mir relativ sicher, dass Sie ein bisschen enttäuscht und entsetzt waren; denn Sie haben darauf spekuliert, dass wir die Grenze reißen werden. Sie haben gedacht, sie könnten sich eine ernsthafte haushaltspolitische Auseinandersetzung in diesem Haus ersparen, indem Sie einfach sagen, das Ding ist verfassungswidrig, und dies als einziges Argument anführen. Diesen Gefallen haben wir Ihnen bewusst nicht getan. Wir haben uns in den Vorbereitungen sehr viel Mühe damit gegeben, und wir werden das auch in den Beratungen durchhalten. Jetzt sind Sie umso stärker gefragt; denn dieses Argument ist weg, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Rosenbauer, CDU)

Ich hätte gern ein Wort des Lobes und der Anerkennung dafür gehört, aber ich gebe zu, das ist im politischen Geschäft eigentlich nicht üblich. Ich hätte es aber dennoch als richtig empfunden, wenn auch vonseiten der Oppositionsfraktion darauf hingewiesen worden wäre, dass wir dieses Ziel in der Vorlage erreichen. Ich finde es besonders deshalb spannend – und das ist auch im Gesetzentwurf ausdrücklich dargelegt –, dass wir dies tun, obwohl die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts sehr wohl festzustellen ist. Umso mehr ist dieser Entwurf zu würdigen.

Frau Klöckner hat sich heute Morgen in ihrer ersten Rede mit dem Duktus eingelassen, man könne nur mit Blindheit geschlagen sein oder könne die Expertenmeinung nicht zur Kenntnis nehmen, wenn man der Auffassung sei, dass das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht gestört sei. Ich muss sagen, wer lesen kann, ist klar im Vorteil.

Manchmal hilft auch die Lektüre des einen oder anderen Beitrags der Bundesregierung. In einer Vorlage der Bundesregierung steht nämlich, dass wir bis zum Jahr 2015 die Output-Lücke nicht geschlossen haben werden und daraus die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts resultiert. Es hätte auch geholfen, wenn sie den Bericht des Sachverständigenrates mit seinen Risiken für die kommenden zwei Jahre bis zum Ende gelesen hätte und nicht nur das zitiert hätte, was ihr wohlfeil gewesen ist. Dann hätte sie sich dieser Auffassung durchaus anschließen können, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Aber mit dem Abstand zur Verfassungsgrenze, die wir mit Blick auf die Nettokreditaufnahme durch die Investitionen einhalten werden, ist ein klares Risiko für diesen Haushalt beschrieben. Ich kann mich gar nicht der Meinung anschließen, dass irgendetwas verschwiegen worden wäre. Die Planungen für die Einnahmen in der Vorlage der Landesregierung waren in der Form vorsichtig, dass auch die korrigierte Steuerschätzung, die wir hinnehmen durften, nicht zu einer Verletzung der verfas

sungsmäßigen Grenzen führen wird. Dennoch werden wir die Werte für die Steuereinnahmen und damit möglicherweise die ganze Kreditaufnahme noch einmal verändern müssen, um der Wahrheit Genüge zu tun; und dennoch wird dieser Haushalt den Verfassungstest bestehen.

Es gibt darüber hinaus Risiken für diesen Haushalt. Der Finanzminister hat sie gestern in großer Breite vollkommen richtig benannt. Er hat vollkommen recht damit, wenn er bei den Risiken in erster Linie auf europäische Entwicklungen und auf die Bundesregierung verweist, weil dort die wesentlichen Risiken liegen.

Meine Damen und Herren, das, was Sie beschrieben haben, sind Ereignisse der Vergangenheit. Das, was wir heute zu bewältigen haben, sind die Fragen, was in den Jahren 2012 und 2013 auf uns zukommt. Dabei liegen die Risiken in Brüssel und Berlin, meine Damen und Herren. Aber wir wollen die Risiken nicht verschweigen, sondern sie benennen, so wie es die Vorlage getan hat. Es geht um die Entwicklung in der Staatsschuldenkrise. Es geht um die Frage der zukünftigen Entwicklung der Finanzmärkte und ihre Auswirkungen auf realwirtschaftliche Prozesse.

Meine Damen und Herren, mit Abstand das größte Risiko für den Landeshaushalt ist die steuerpolitisch irrlichternde Bundesregierung in Berlin.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Ministerpräsident Beck: Das kann man wohl so sagen! – Unruhe im Hause)

Sie wissen genau, wie stark solche steuerpolitischen Entscheidungen und Vorlagen Auswirkungen auf unseren Haushalt haben würden. Der Finanzminister hat es eindeutig benannt und quantifiziert. Ich weiß nicht, wie lange Sie dieses tote Pferd der Steuersenkung eigentlich noch reiten wollen, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Auch die letzte Steuerschätzung zeigt, dass wir uns gerade einmal in Richtung eines normalen Niveaus bei den Steuereinnahmen bewegen.

(Zuruf des Ministerpräsidenten Beck – Unruhe im Hause)

Auf der Einnahmeseite bestehen keine Spielräume. Wenn wir die Konsolidierung der Haushalte ernst nehmen, müssen wir diese Einnahmeseite auch verwirklichen. Wir brauchen weitere Anstrengungen auf allen Ebenen, um dieses Ziel zu erreichen.

Meine Damen und Herren, wir haben nicht mehr, wir haben nur etwas weniger wenig, und das lässt keine Spielräume zu, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Unruhe im Hause)

Entschuldigen Sie, aber es herrscht ein sehr hoher Lärmpegel. Ich werde darauf hingewiesen, dass die Rede kaum zu verstehen ist. Ich würde Sie bitten, diese Rede noch konzentrierter entgegenzunehmen. – Vielen Dank.

Danke für diesen Hinweis. Noch lauter wollte ich jetzt nicht reden.

Wenn Sie mich und auch die Bevölkerung fragen, ob wir einen Rettungsschirm für den schwächelnden Koalitionspartner der CDU oder einen Rettungsschirm für die öffentlichen Haushalte brauchen, dann glaube ich, die große Mehrheit würde sich für die öffentlichen Haushalte entscheiden. Ich wünschte, Sie würden es auch tun.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Das besonders Dreiste an Ihren Steuervorschlägen aus Berlin ist nicht nur, dass Sie damit das Ziel der Konsolidierung der Haushalte obstruieren, nein, auch nicht, dass Sie damit die Länder mit in die Haftung nehmen, obwohl sie in Teilen keine Verantwortung dafür tragen können. Das besonders Dreiste ist – das haben Sie heute wieder getan –, dass Sie den sozialpolitischen Verteilungsaspekt in den Vordergrund stellen und dies als Gerechtigkeit bemänteln.

Meine Damen und Herren, Sie irren, und ich kann es Ihnen vorrechnen. Das werde nicht ich selbst tun, sondern ich werde einfach das zitieren, was die „Financial Times Deutschland“ wiedergibt. Sie planen nämlich in Ihrem steuerpolitischen Kompromiss vom letzten Wochenende, dass ein Kleinverdiener mit sage und schreibe 1,41 Euro monatlich zu entlasten ist, wohingegen der 60.000 Euro verdienende Einkommenssingle mit monatlich 54,33 Euro zu entlasten ist. – Jetzt nehmen Sie bitte das Wort von der sozialen Gerechtigkeit in dieser Steuerpolitik nie wieder in den Mund; denn das ist nicht zu entdecken.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das spricht eine deutliche Sprache, wer von Ihren Vorschlägen am meisten profitieren würde. Das hat mit Gerechtigkeit sehr wenig zu tun, und deswegen findet die Position des Ministerpräsidenten und des Finanzministers in diesem Punkt die volle Unterstützung von uns GRÜNEN, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

„Nachhaltig, transparent und verlässlich“ – das ist unser Gegenentwurf aus Rheinland-Pfalz zum schwarz-gelben Regierungschaos aus Berlin. Rot-Grün hat sich im April und Mai 2011 darauf verständigt, dass sie die im Landtag beschlossene Schuldenbremse umsetzen wollen. Wir haben sehr konkrete Maßnahmen beschlossen, wie

wir das erreichen wollen. Wir haben ein mittelfristiges und ein sehr langfristiges Ziel dabei benannt, und wir wissen, dass wir im Jahr 2020 bei einer strukturellen Neuverschuldung von null herauskommen wollen. So etwas habe ich von Ihnen noch nie gesehen, noch nicht einmal in Ansätzen, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Natürlich kann man die Frage stellen, ob man diesen Weg nicht hätte früher beginnen sollen. Ja, diese Frage kann man stellen, und man kann darüber diskutieren. Aber eines ist klar, wir, Rot und Grün, machen uns in diesem Punkt gemeinsam auf den Weg, und ich bin Herrn Finanzminister Kühl herzlich dankbar für seine äußerst dezidierten, detaillierten und auch quantifizierten Darlegungen über die Perspektiven und die Schritte, die wir weiterhin zu gehen haben. Das ist Verlässlichkeit, und es ist ein klarer Weg, meine Damen und Herren. Damit geben wir Orientierung, und wir kommen nicht – entschuldigen Sie bitte – jede Woche mit einer neuen Sau durchs Dorf.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Dass wir die strukturelle Neuverschuldung als zentrale Größe verringern werden, ist für uns der Weg in eine dauerhaft tragfähige Haushalts- und Finanzpolitik. Das erfüllen wir, und das ist der Vorlage auch anzusehen. Dass wir uns auf den Weg machen und darin auch erfolgreich sind, sieht man an einigen Kennzahlen, die man sich heraussuchen kann.

So sinkt die Nettokreditaufnahme von 2011 auf 2012 um rund 700 Millionen Euro und für das Jahr 2013 noch einmal um 200 Millionen Euro.

Auch der Finanzierungssaldo verringert sich von 2011 auf 2012 um 900 Millionen Euro und 2013 nochmals um 180 Millionen Euro.

Meine Damen und Herren von der CDU, wenn Sie nun kritisieren, das sei alles nicht ausreichend, das sei nicht genug, das hätte mit Sparen nichts zu tun, dann möchte ich doch gern einmal ein wenig den Blick weiten und in andere Länder werfen wollen. Es wurde dankenswerterweise schon die IW-Studie angeführt. Das IW ist vollkommen unverdächtig, in der Sozialismusnähe oder der Ökospinnerebene zu sein. Von daher fragen Sie sich einmal, warum die uns auf diesem Kurs eigentlich recht geben. Wir haben sie nicht bestellt. Sie haben es uns gesagt. Wir nehmen das Urteil einfach so entgegen. Danke dafür.

Wir können uns aber die Länder konkret anschauen. In Schleswig-Holstein – schwarz-gelb regiert – sinkt die Nettokreditaufnahme im Jahr 2012 um 17 %, der Finanzierungsaldo um 25 %. In Hessen – ebenfalls schwarzgelb regiert – sinkt die Nettokreditaufnahme im Jahr 2012 um 33 %, der Finanzierungsaldo um 38 %.

Die Vergleichszahlen aus Rheinland-Pfalz dazu: Nettokreditaufnahme minus 39 %, Finanzierungssaldo minus 45 %.

Jetzt fragen Sie noch einmal nach sinnvollen Vergleichen. Frau Klöckner, wenn Sie, momentan nicht anwesend, aber wenigstens aus dem Protokoll – – –

(Frau Klöckner, CDU: Doch, doch!)

Ah, dahinten. Gut, das ehrt Sie. Entschuldigen Sie, ich habe in die erste Reihe geschaut. Da habe ich Sie erwartet. Entschuldigen Sie. Dann hören Sie nun.

Wenn Sie die Vergleiche mit anderen Landeshaushalten anführen, dann bringen Sie lauter Länderhaushalte aus dem Osten der Republik, die 25 % ihres Budgets aus dem Länderfinanzausgleich erhalten. Dann erklären Sie doch bitte auch, dass Sie in dem Moment Äpfel und Birnen miteinander vergleichen, weil so geht das nicht.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren von der CDU, es ist insgesamt wenig glaubwürdig, wenn Sie uns hier erzählen wollen, dass Sie wirklich das alles besser machen. Ich finde, wir haben im Ländervergleich kein adäquates Beispiel dafür gefunden. Ich habe hier – das finde ich das Entscheidende – auch im Plenum wenig Überzeugendes dazu gehört.

(Zuruf des Ministerpräsidenten Beck)

Nun kommen wir zu den Erwartungen, die man an eine Opposition hegen kann, und an eine so große Oppositionsfraktion im Besonderen. Wir haben heute alle ein bisschen gespannt auf die Vorschläge und Konzepte der CDU-Fraktion in diesem Hause gewartet.

(Dr. Rosenbauer, CDU: Selbst das haben Sie nicht verstanden!)

Ich, aber wahrscheinlich nicht nur ich, muss sagen, bin einmal mehr von dieser CDU in diesem Hause enttäuscht worden; denn es war wenig Konkretes zu vernehmen. Das Konkrete, das Sie hier aufgeführt haben, war bei der summarischen Betrachtung schlicht und ergreifend ungenügend, Frau Klöckner. Das war schlicht und ergreifend ungenügend.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir müssen uns in der Bewertung auf das verlassen, was Sie hier vorgetragen haben. Sie haben noch Zeit im kommenden Prozess, es in Einklang mit dem zu bringen, wie Sie tatsächlich handeln und vor allen Dingen, was Sie vor Ort sagen und was wir dann gelegentlich der Presse entnehmen dürfen. Da gilt einmal mehr nach Adolf Kühn für diese CDU-Fraktion: „Solide und transparent, wahr und klar, wie Haushaltspolitik zu sein hat, ist das nicht, sondern sprunghaft, windig, wirr, unüberlegt und nicht ganz seriös.“ – Sehr gut.