Protocol of the Session on October 20, 2011

Da bin ich optimistischer als unsere Wirtschaftsministerin Frau Lemke, die leider nicht da ist, die ich aber – mit Ihrer Genehmigung, Frau Präsidentin – zitieren möchte. Sie hat am 14. Mai in der Rhein-Main-Presse gesagt – Zitat –: Beim von der Wirtschaft geforderten Bürokratieabbau bin ich ehrlich. – Ich gehe davon aus, ansonsten auch. – Angesichts der Themen, die von der EU oder auch aus dem Bund kommen, müssen wir froh sein, wenn wir das heutige Niveau halten. – Deshalb sei es ihr Ziel, keine neuen Hürden aufzubauen.

Ja, keine neuen Hürden aufzubauen, ist schon einmal gut. Aber Bürokratieabbau ist besser. Ich bin davon überzeugt, dass wir das mit dem Normenkontrollrat schaffen können, gerade auch in Bezug auf das, was Frau Lemke angesprochen hat. Der Normenkontrollrat kann nämlich kontrollieren, dass bundes- und europarechtliche Regelungen nicht übererfüllt werden.

Das Befassen mit Einzelfallregelungen wie in der Vergangenheit hilft jedenfalls nicht weiter. Notwendig ist auch in unserem Bundesland eine ganzheitliche Strategie zum Bürokratieabbau, die konkret und messbar ist.

(Beifall bei der CDU)

Notwendig ist ein Bürokratie-TÜV in Rheinland-Pfalz.

Meine Damen und Herren, es mag bei dem einen oder anderen vielleicht Ängste geben, dass zum Beispiel Arbeitsschutzbestimmungen und soziale oder ökologische Regelungen beeinträchtigt werden können. Diese Furcht ist aber unbegründet. Der Normenkontrollrat hat sich nämlich nicht zu inhaltlichen Aspekten und zu politischen Fragen zu äußern, sondern ausschließlich zu überprüfen, welche bürokratischen Belastungen entstehen. Er ist definitiv kein politisches Entscheidungs-, sondern ein unabhängiges Beratungsgremium. Aber er setzt den Gesetzgeber unter Druck, darüber nachzudenken, ob er ein Gesetzesziel nicht effizienter erreichen kann als ursprünglich geplant.

Dieser Druck bedeutet, die Verursachung von Bürokratie wird rechtfertigungsbedürftig.

Aber trotzdem, die politische Entscheidung, ob entstehende Kosten notwendig und gerechtfertigt sind, fällt nach wie vor das Parlament. Es wird auch Entscheidungen geben, bei denen uns der Normenkontrollrat sagt, das ist zu viel der Bürokratie. Wir werden möglicherweise sagen, dass wir es aus anderen, aus politischen Gründen trotzdem machen. Was einfach erreicht werden muss, ist Transparenz. Wir müssen endlich wissen, wie viel Bürokratieaufwand mit den Gesetzen verbunden ist, die wir hier beschließen.

(Pörksen, SPD: Europa vor allen Dingen!)

Bisher ist es so, dass dann, wenn Kostenaussagen im Gesetzgebungsverfahren gemacht werden, es in aller Regel um verwaltungsinterne Kosten geht, aber wenig bis gar nicht um die Kosten derjenigen, die die Gesetze dann zu vollziehen haben.

Durch die umfassende Betrachtung aller Folgekosten eines Gesetzgebungsvorhabens ist man näher an der Wirklichkeit so, wie sie von Bürgern und Unternehmen täglich und tatsächlich wahrgenommen wird. Dabei gehen wir mit der Errichtung eines Normenkontrollrates den richtigen Weg.

Wir können heute die Weichen stellen für die Einführung einer Institution, die aufgrund der Anwendung eines anerkannt erfolgreichen Verfahrens eine reale Chance bietet, die Bürokratie in unserem Land signifikant zu reduzieren.

Eigentlich kann man das nur positiv annehmen und sagen: Lasst es uns probieren. –

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam diese Chance nutzen. Stimmen Sie diesem Antrag bitte zu.

(Beifall der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Fuhr das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte dem Kollegen von der CDU gerne zugestehen und sagen, es ist ein wichtiges gemeinsames Ziel, dass wir an dem Abbau von überflüssiger und unnötiger Bürokratie arbeiten, noch besser, sie gleich vermeiden, als sie später abbauen zu müssen. Das ist eine dauerhafte Aufgabe für die Politik in allen Politikbereichen. Es ist auch eine notwendige Aufgabe in einer modernen Wirtschaft, dies zu leisten.

Es ist aber auch ein Abwägungsprozess notwendig. Sie haben griffige Beispiele genannt. Bürokratie ist auch in unserem modernen Staatswesen notwendig, weil sie für ein stabiles und gerechtes Gemeinwesen und in vielen Bereichen auch für Planungssicherheit für die Wirtschaft sorgt. Deswegen darf man sie nicht generell verteufeln, sondern man muss genau abwägen, was notwendig ist, was überflüssig ist und was abgeschafft werden muss.

Sie haben nun heute einen Antrag eingebracht, der im Wesentlichen die Einführung eines Normenkontrollrates auf Landesebene beinhaltet. Sie orientieren sich – angesichts der Diskussion von heute Morgen möchte ich nicht sagen, Sie haben abgeschrieben – in Ihren Formulierungen an dem, was der Bund in seinem Gesetz stehen hat und was man auch auf der Homepage nachlesen kann.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Ich habe es doch positiv formuliert. Jetzt seien Sie doch ganz entspannt.

Das, was Sie dort formuliert haben, ist auch auf der Homepage des Normenkontrollrates. Die ursprüngliche Aufgabe des Normenkontrollrates war es, die Kosten, die mit bestehenden Informationspflichten verbunden sind, zu senken. Das war seine Aufgabe. Sie haben es selbst formuliert, er hat es nicht als politische Aufgabe gehabt, sozusagen die Ziele einer Regelung zu hinterfragen, sondern zu schauen, was damit an Kosten und Informationspflichten für die Wirtschaft und die Unternehmen verbunden sind. Man kann so sagen, es war ein entpolitisierter Ansatz, der hier verfolgt wurde.

Der Normenkontrollrat auf Bundesebene hat das mit dem sogenannten Standardkostenmodell umgesetzt. Dieses Modell ist eine standardisierte Darstellung der Bürokratiekosten. Es geht um standardisierte Kosten, die für einzelne Verfahrensschritte, Informationsschritte und Verwaltungsschritte angesetzt werden. Die werden in Bezug auf die Wirtschaft dargestellt. Damit werden Listen erstellt. Mittlerweile ist eine Datenbank aufgestellt worden.

Im Laufe dieses Jahres hat die Bundesregierung die Arbeit dieses Gremiums erweitert und diesem Gremium neue Aufgaben zugeführt.

Herr Kollege, an dieser Stelle will ich Ihnen sagen, warum wir der Meinung sind, dass ein solches Instrument auf Landesebene nicht erfolgreich arbeiten kann und nicht notwendig ist. Sie haben es selbst in Ihrem Antrag angesprochen. Es ist durch Studien belegt. Zum Beispiel hat das die Bertelsmann-Stiftung herausgearbeitet, dass mehr als 95 % der Belastungen, die dort bearbeitet, behandelt, erforscht und abgebaut werden sollen, durch Regelungen vom Bund und von der europäischen Ebene auf die Wirtschaft wirken. Das geschieht nicht durch Landesgesetze. Auf Landesebene haben wir überhaupt nur einen ganz kleinen Spielraum, um das umzusetzen, was Sie sich mit einem Normenkontrollrat vorstellen.

Man muss bedenken, welcher Aufwand und welche Kosten mit einem solchen Gremium verbunden sind. Auf Bundesebene spricht man von sehr hohen Kosten, die gerade mit Blick auf dieses Gremium beim Statistischen Bundesamt entstehen. Welchen Sinn soll es haben, zusätzliche Bürokratie mit zusätzlichen Kosten einzurichten, wenn man auf Landesebene nur einen geringen Entlastungseffekt erreichen kann?

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie schaffen eine zusätzliche Bürokratie, die von ihrer Grundstruktur nicht das erreichen kann, was sie erreichen soll und was Sie ihr politisch mit auf den Weg geben wollen. Sie sorgen im Grunde bei denen, die auf Bürokratieentlastung hoffen, für Frustration und stützen den Glauben, dass wieder ein Gremium eingesetzt wird, das nicht in Ihrem Sinne arbeitet und etwas erreicht.

Wenn Sie sich die Beispielliste beim nationalen Normenkontrollrat ansehen, dann werden Sie sehr gut verfolgen können, dass es sich fast ausschließlich um Bundesregelungen handelt.

In Rheinland-Pfalz verfolgt man seit langem den Weg der Gesetzesfolgenabschätzung. Über eine Aufgabenkritik wird alle drei Jahre ein umfangreicher Bericht an den Landtag vorgelegt.

(Zuruf des Abg. Baldauf, CDU)

Es erfolgt die Beteiligung länderübergreifender Arbeitsgruppen und der Arbeitsgruppe Verwaltungsvorschriften und Standards, die sich damit beschäftigt, die Notwendigkeit und mögliche Alternativen von Vorschriften zu überprüfen. Diese Arbeitsgruppe beschäftigt sich schon lange sehr konkret und gezielt mit Gesetzesfolgeabschätzungen. Diese arbeitet erfolgreicher und sinnvoller im Hinblick auf das, was wir landesgesetzlich regeln können.

Angesichts der Tatsache, dass der Normenkontrollrat auf Bundesebene neue Aufgaben bekommt, ist jetzt nicht der Zeitpunkt, dieses Gremium auf rheinlandpfälzischer Ebene einzurichten.

(Glocke der Präsidentin)

In dem Zustand kann es keinen Erfolg bringen. Wir sollten abwarten, wie sich das auf Bundesebene weiterentwickelt. Wir sollten die bewährten Methoden in Rheinland-Pfalz weiter anwenden.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Kollegen Steinbach das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Biebricher, der Antrag der CDU trägt im Kern einen sehr wichtigen Gedanken, nämlich die Fragestellung, in welcher Weise wir zu einer Überprüfung bei gesetzlichen Bestimmungen kommen. Das bezieht sich auf Ihre Auswirkungen und Wirkungen. Bei diesen Auswirkungen und Wirkungen betrachten wir insbesondere die standardisierten bürokratischen Folgekosten und die Folgelasten für Dritte.

Ihr Antrag schlägt vor, dass wir dabei dem Modell eines Normenkontrollrates auf Bundesebene folgen. Ich sage vorneweg eine erste Einschätzung von mir dazu. Dass wir die Bürokratie durch die Einrichtung eines neuen bürokratischen Instruments verringern sollen, ist etwas, was in der grundsätzlichen Positionierung sehr schwierig sein wird. Die funktionale Ausgestaltung eines solchen Gremiums mit ehrenamtlichen Beteiligten halte ich für eine durchaus fragwürdige Konstruktion.

Wie gesagt, viele der Fragestellungen und die Zielsetzung teilen wir. Sie sind absolut diskussionswürdig. Aber dem von Ihnen vorgezeichneten Weg und dem Vorschlag bzw. den vorgeschlagenen Lösungsmöglichkei

ten können wir in der Form nicht nähertreten. Die in diesem Antrag vorgeschlagene Regulierungslösung des Normenkontrollrates, der gleichsam einen Landesgesetzgeber überprüfen soll, ist verfassungspolitisch teilweise fragwürdig. Die eindeutig bessere Lösung dafür wäre, eine konsistente und konsequente Gesetzesfolgenabschätzung im Bereich der Legislative anzusiedeln.

Ich bin darüber hinaus sehr skeptisch, ob man mit einem einfachen Antrag der sehr komplexen und wichtigen Materie angemessen Rechnung trägt. Wir haben im Bereich der Verwaltungsmodernisierung und –vereinfachung sowie bei der Entbürokratisierung viele Trends erlebt und viele einfache Antworten gehört, die sich bei näherer Betrachtung und Umsetzung als zäh und teilweise sehr schwierig dargestellt haben.

Ich will Ihnen zugestehen, dass der Ansatz eines Standardkostenmodells ein Weg ist, der bei der Objektivierung von Bürokratiekosten etwas wäre, was im Grundsatz zu verfolgen wäre.

Wir GRÜNE finden, das macht eine ausführlichere Beratung und Betrachtung notwendig. Wir finden, das macht eine breitere Grundlage erforderlich. Die ist mit diesem Antrag nicht gewährleistet. Deswegen können wir dem nicht nähertreten.

Ich will Ihnen skizzieren, bei welchen Bereichen man in die Diskussion einsteigen sollte. Wir sollten uns insgesamt über die Qualität der Gesetzgebung und wie wir diese steigern können, Gedanken machen. Wie gesagt, nach meiner Auffassung liegt der Lösungsansatz in einer verbesserten Gesetzesfolgenabschätzung aufseiten der Legislative. Das ist keine allzu neue These. Carl Böhret steht für diesen Begriff hier in Rheinland-Pfalz wie kaum ein anderer. Es gibt in diesem Bereich weniger ein Erkenntnisdefizit als vielmehr ein Vollzugsdefizit, dass man das in die Tat umsetzt. Die Gesetzesfolgenabschätzung gäbe es keinesfalls zum Nulltarif. Sie wäre entsprechend professionell auszustatten.

Wir müssen dabei nicht nur den Gesetzgeber in den Blick nehmen, sondern wir müssen die Normsetzung durch die Exekutivseite stärker in den Blick nehmen und einem Regulierungsmechanismus unterziehen. Wir müssen in transparenter und nachvollziehbarer Weise alle entsprechenden Exekutivvorschriften regelmäßig überprüfen. Hier sollte die Legislative durch einen Bericht oder ein entsprechendes Berichtswesen eingebunden werden.

Wir sollten uns weitergehend darüber Gedanken machen, wie wir die Fachkompetenz von Wissenschaft und Forschung im Bereich der Verwaltungswissenschaften und des Verwaltungsmanagements fruchtbar und umsetzbar machen. Hier ist der Grundgedanke einer entsprechenden Expertenkommission, die beratenden Charakter hat, meines Erachtens fruchtbar und zielführend. Wir müssen grundsätzlich berücksichtigen, dass ein Entbürokratisierungs- und Modernisierungsprozess in schlanker Form geregelt wird. Niemandem ist damit gedient, wenn wir zur Entbürokratisierung neue bürokratische Hürden und Hemmnisse aufbauen.

Herr Biebricher, Sie haben vorhin gesagt, dass ein Gesetz in einer gewissen Qualität vorgelegt werden muss bzw. bestimmte Qualitätsstandards erfüllen soll. Denken Sie immer an dieses Legislativorgan und welche Hürden wir uns selbst damit aufbürden und wie wir sie regeln können. Das sind Fragestellungen, die wir sehr konzentriert diskutieren müssen. Ich würde mich freuen, wenn wir in den folgenden Schritten die Kenntnisse und Fachkompetenzen der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer für uns nutzbar machen könnten. Diese sollten wir stärker in den Prozess einbinden. Ich glaube, die Professorinnen und Professoren vor Ort würden sich über diese Form der Anerkennung und Ansprache freuen.

Wenn es von den ganzen Fraktionen ein großes Interesse ist – das habe ich auch von Herrn Fuhr so gehört –, sich damit zu befassen, glaube ich, können wir uns gemeinsam auf den Weg machen und gemeinsam das Thema angehen. Wir können das gemeinschaftlich mit einem legislativen Schwerpunkt angehen. Ich hoffe dabei mit auf Ihre Unterstützung. Das sollten wir jedoch nicht mit diesem Antrag als Grundlage machen.

(Glocke der Präsidentin)