Frau Brück, können Sie bestätigen, dass eine Reihe der Anzuhörenden die Landesregierung bzw. die Fraktionen gebeten hat, das Gesetz zurückzuziehen?
Das ist dann die Reihe. Die beiden anderen Anzuhörenden haben sich sehr positiv zu dem Gesetzentwurf geäußert.
Darüber hinaus haben wir in der Fraktion eine Reihe von Gesprächen mit weiteren Verbänden und Institutionen geführt. Wir hatten alle Verbände und Institutionen vor der Einbringung des Gesetzentwurfs am Tisch. Dabei haben wir gemerkt, wie nötig und wichtig es ist, Fort- und Weiterbildung in Gesetzesrang zu gießen.
(Beifall der SPD – Alexander Schweitzer, SPD: Für das Protokoll: Die SPD dankt für die Zwischenfrage!)
Ich möchte nur noch einmal betonen, dass Fortbildung nicht als Zwangsmaßnahme gedacht ist – auch das könnte man manchmal meinen, wenn man verschiedene Gespräche hört –, sondern wirklich als Maßnahme der schulischen Weiterentwicklung gesehen wird. Wie gesagt, es ist ein gutes Zeichen für die schulische Qualität, und es ist ein gutes Zeichen im Sinne eines lebenslangen Lernens.
Herr Präsident, danke für das Wort. – Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! In Übereinstimmung mit den Empfehlungen von Kultusministerkonferenz und Hochschulrektorenkonferenz zur Lehrerbildung für eine Schule der Vielfalt vom März dieses Jahres kommt der vorliegende Gesetzentwurf einem nicht gerade unbedeutenden Regulierungsbedürfnis nach. Dieses ergibt sich aus der pädagogischen Tatsache, dass Lehrkräfte, wie Kultusministerkonferenz und Hochschulrektorenkonferenz betonen, professionelle Kompetenzen benötigen – Herr Präsident, da zitiere ich mir Ihrer Erlaubnis –, „um besondere Begabungen oder etwaige Benachteiligungen, Beeinträchtigungen und andere Barrieren von und für Schülerinnen und Schüler zu erkennen und entsprechende pädagogische Präventions- und Unterstützungsmaßnahmen zu ergreifen.“ – Diesem Anliegen trägt das Gesetz, das heute in zweiter Lesung vorliegt, Rechnung.
Es hat den Fokus insbesondere auf die dritte Phase der Lehramtsausbildung gelegt; denn die bestehenden Kollegien haben die Verantwortung für das Gelingen der Schule der Vielfalt. Das Gesetz nimmt aber auch die vorgeschalteten Phasen der Lehrerfortbildung auf, nämlich bei den Praktika, die verstärkt auch in Schwerpunktschulen stattfinden sollen, oder bei der Landesverordnung, die insbesondere die Regularien für die Zweite Lehramtsprüfung gestaltet.
Worauf zielt also die erwartete Steigerung der Kompetenz ab? – Der Inklusionsbegriff wird häufig isoliert und in erster Linie auf den Personenkreis von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf beschränkt. Der Begriff der Inklusion umfasst aber im Anschluss an die wissenschaftliche Verwendung durch Talcott Parsons und Niklas Luhmann allgemein die Einbeziehung bislang ausgeschlossener Akteurinnen in Subsysteme und bezieht daher alle Dimensionen von Vielfalt ein.
Die menschenrechtliche Perspektive auf Inklusion umfasst genau diesen weiten Begriff der Inklusion, wie übrigens auch das dem Gesetzentwurf zugrunde liegende Schulgesetz. Meine Damen und Herren, meine Kollegin von der CDU, das haben Sie offensichtlich noch nicht verinnerlicht; denn Sie folgen in Ihren Ausführungen im Wesentlichen den Ausführungen des Philologenverbands. Herr Kollege Licht, die Reihe derer, die dieses Gesetz nicht in unserem Sinne interpretieren, ist doch nicht so ganz lang.
In einer reinen Beschränkung auf den Personenkreis der Kinder und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf sehen wir GRÜNE wie unsere sozialdemokratischen Partnerinnen daher eine Einengung, die den in der UN-Behindertenrechtskonvention formulierten Rechtsanspruch nicht einzulösen vermag. Deswegen betone ich noch einmal: Inklusion schließt alle Dimensionen von Vielfalt und alle Merkmale von Individualität mit ein.
Die Belege aus der empirischen pädagogischen Forschung zeigen deutlich auf, dass eine Fortbildung für ein inklusives Bildungs- und Schulsystem nur im Team dem Anspruch der Nachhaltigkeit gerecht werden kann und sich nicht auf einen individuellen Kompetenzaufbau bei Einzellehrkräften beschränken darf. Die Erweiterung der Kompetenzen in multiprofessionellen Teams auf der Ebene der Einzelschule ist deshalb auf dem Weg zu einem inklusiven Schulsystem unverzichtbar. Herr Licht, hier sind alle Schulen gefragt und nicht nur die Schwerpunktschulen; denn an allen Schulen haben wir es mit heterogen zusammengesetzten Schülerinnengruppen und zunehmend auch mit Multiprofessionalität zu tun.
Die Fortbildungsplanung liegt wie bislang auch in der Hand der Einzelschule, die den Gegebenheiten entsprechend planen kann und muss. Über die Einzelschule hinaus führt eine Netzwerkbildung zur praktischen Weitergabe der guten Beispiele. Deshalb sind neben Inhousefortbildungen gerade Universitäten ein geeigneter Ort für die Vernetzung unterschiedlicher Kompetenzstufen und den Austausch von praxisorientiertem Wissen, aber auch der Aufbau von Hospitationsschulen und Netzwerken bietet hier wertvolle Ansätze.
Hierauf geht insbesondere der § 15 des Gesetzes ein. Inklusive Unterrichtsentwicklung funktioniert nachhaltig nur als Schulentwicklungsprozess. Das ist selbstverständlich. Die Schulen haben das längst erkannt. In diesem Prozess haben die Schulleitungen eine wichtige Schlüsselfunktion. Das haben auch wir erkannt. Deswegen fördert das Gesetz die Professionalisierung der Schulleitungsfunktion. Das ist eine alte Forderung der Schulleitungsverbände und somit auch ein wichtiger Schritt, der den Schulen an dieser Stelle weiterhilft.
Lassen Sie mich schließen mit einem Zitat von Jutta Allmendinger, die uns sehr früh diesbezüglich beraten hat. Sie sagt in ihrem Buch „Schulaufgaben“: Es bedarf großen Könnens, aus Vielfalt großen Nutzen für alle zu ziehen, aber es lohnt sich.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Das ist das Problem, wenn man Ministerin in einem Bildungsausschuss ist, in dem man es wirklich mit exponierten Fachpolitikern zu tun hat: Es bleibt einem nahezu nichts mehr zu sagen. – Sie haben hervorragend vorgestellt, um was es beim vorliegenden Gesetzentwurf geht. Ich möchte das noch einmal in zwei Sätzen zusammenfassen.
Es geht uns wirklich darum, dass wir den Weg bereiten, dass unsere Lehrkräfte auf den gemeinsamen Unterricht von behinderten und nicht behinderten Kindern im Studium, im Vorbereitungsdienst und in der Fort- und Weiterbildung gut vorbereitet sind. Deswegen haben wir diesen Gesetzentwurf vorgelegt.
Es gibt keinen Königsweg bei der Umsetzung der Vorbereitung von Lehrkräften auf dieses wichtige Thema, aber ich sage voller Überzeugung: Man muss den Weg gehen wollen. – Da sind wir wieder beim Thema. Man muss Inklusion in der Schule auf allen Ebenen wollen. Dabei wird uns dieses Gesetz helfen.
Ich bedanke mich bei den Regierungsfraktionen für den Änderungsantrag, weil in der Tat in der Anhörung deutlich geworden ist, dass die Reduzierung der Fortbildungstage auf große Kritik gestoßen ist. Sie haben vorgeschlagen, das zu ändern. Das greifen wir gerne auf, weil es vernünftig ist.
Ansonsten geht mit diesem Gesetz die Inklusion, die inklusive Beschulung an unseren Schulen, wieder ein Stück weiter. Wir werden noch weitere Schritte gehen, weil wir an dem Ziel festhalten wollen, dass wir für unsere Kinder – ob mit oder ohne Behinderung – einen guten gemeinsamen Unterricht an unseren Schulen im Land Rheinland-Pfalz anbieten wollen. Insofern würde ich mich freuen, wenn Sie dem Gesetzentwurf gleich zustimmen würden.
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit kommen wir zur Abstimmung. Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag und dann über den Gesetzentwurf ab.
Wer dem Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/5820 – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? – Damit ist der Änderungsantrag mit den Stimmen der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU angenommen.
Wer dem Gesetzentwurf in zweiter Beratung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? – Damit ist das Gesetz in zweiter Beratung mit den Stimmen der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU angenommen.
Wir kommen nun zur Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben! – Wer stimmt dagegen? – Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU angenommen.
Wir sind damit am Ende der Sitzung. Ich lade Sie für morgen zur 108. Plenarsitzung um 09:30 Uhr ein.