Es ist gut, dass wir für die Menschen, die heute schon da sind und auf dem einheimischen Arbeitsmarkt ihre Chancen sehen, diese Untergrenze gezogen haben, damit sie nicht befürchten müssen, da kommt jetzt jemand und geht in einen Lohndumping mit mir und nimmt mir den Arbeitsplatz weg. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das wäre ein verheerende Diskussion. Der Mindestlohn ist Gold wert. Hätten wir ihn nicht, wir müssten ihn heute erfinden. Nur würden wir ihn wahrscheinlich mit Ihnen nicht mehr durchsetzen können, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU.
Lassen Sie mich noch einige Bemerkungen zu den Hinweisen machen, die Frau Klöckner in ihrer Rede gegeben hat.
Frau Kollegin, mir ist aufgefallen, dass Sie eine ganz interessante Faszination für das Buch haben, das unsere Ministerpräsidentin herausbringt. Völlig zu Recht, das ist ein tolles Buch. Es ist ein Buch, das vieles über eine Person, eine Persönlichkeit verrät, die authentisch ist, die echt ist, die ihren Weg gemacht hat, die manches Schicksal in ihrem Leben auch geschultert hat, die dieses Land wunderbar regiert und die in diesem Buch auch programmatische Aussagen macht, nämlich wie wir leben wollen, wie wir miteinander bei den großen Herausforderungen, bei der Gesundheitspolitik, bei der Demografiepolitik auch mit Blick auf die Zuwanderung umgehen wollen. Das ist ein Buch mit einem schönen Titel.
Frau Klöckner, Ihr Buch, das, wie es der Zufall so will, am selben Tag erscheint, heißt „Zutrauen“. Ich stelle diesen Titel in Zusammenhang mit mancher öffentlichen Äußerung und medialen Betrachtung, die ich in den vergangenen Tagen über Sie gelesen habe. Ich habe nach Ihrem Landesparteitag, der so spannend war, dass 100 Delegierte zu Hause geblieben sind, gelesen und im SWR gehört, Frau Klöckner habe sich neu erfunden.
Meine erste Frage war: Was ist denn da los, wenn man sich schon mit Anfang 40 neu erfinden muss? – Die Begriffe, die da genannt wurden, lauten: Nachdenklich, Substanz, nicht so streitbar. – Ich stelle die Frage: Was war das vorher für ein Bild, das offensichtlich von Ihnen unterwegs war?
Ich habe in diesen Tagen das Gefühl, da gab es diesen Imagewechsel, der sich jetzt gerade wieder dreht. Da ist auch manches dabei, was einem an einer Persönlichkeit nicht gefallen kann, die den Anspruch hat, dieses Land zu regieren. Ich nehme Ihnen ab, dass Sie ganz persönlich kein Interesse daran haben, an der Frage der Integration und der Zuwanderung die Gesellschaft zu spalten.
Wer aber Verantwortung hat und für eine Fraktion insgesamt steht, der könnte auch einmal – vielleicht von dieser Stelle aus – ein deutliches Wort zu dem sagen, was Kolleginnen wie Frau Dickes in Ihrer Fraktion treiben. Frau Dickes, die um eine Flüchtlingsunterkunft herumgeht und offensichtlich Löcher im Zaun fotografiert,
sodass sie sich mit der Kommune, mit den Menschen, die dort beschäftigt sind, anlegen muss, die die Welt nicht mehr verstehen und fragen: Warum macht man denn so was? Warum erweckt man denn öffentlich den Eindruck, hier würden Menschen durch Löcher im Zaun fliehen, um was auch immer in diesem Land zu tun, obwohl man doch weiß und wissen kann, dass diese Menschen jeden Tag wie selbstverständlich wie freie Menschen durch den Hauptausgang rein- und rausgehen können. Wer so etwas macht, der betreibt Desinformation. Das will ich auch einmal deutlich sagen.
Zur Desinformation gehört auch, dass Sie im Bereich der Integration und auch der Akzeptanz von Integration immer noch behaupten, in Rheinland-Pfalz würde niemand abgeschoben werden. Den Zusammenhang zwischen der Tatsache, dass man erst einmal in diesem Bundesamt einen Bescheid braucht – das ist schwierig genug; ich habe es dargestellt –, und der Tatsache, dass man jemanden abschieben kann, haben wir hier schon oftmals beleuchtet. Wie ist es in Rheinland-Pfalz? Wir wissen, dass die Ausländerbehörden der Kommunen dafür Verantwortung tragen.
Frau Kollegin, ich habe mir einen Satz von dem notiert, was Sie gesagt haben. Wir wissen schon ein bisschen, wie es im Land aussieht. Wir sind die Kommunalpartei. Das stimmt. Sie sind eine auf der kommunalen Ebene stark vertretene Partei. Sie stellen den Landrat im Landkreis Trier-Saarburg, im Landkreis Bad Kreuznach, im RheinHunsrück-Kreis, im Landkreis Altenkirchen, im Landkreis Cochem-Zell und in der Südwestpfalz.
All diese CDU-Landräte haben in diesem Jahr in die Westbalkanstaaten keinen einzigen Menschen abgeschoben. Sie versuchen, uns diejenigen in der politischen Debatte um die Ohren zu schlagen. Das gebe ich Ihnen einfach einmal wieder zurück, weil das Desinformation ist. Das müssten Sie besser wissen. Sie behaupten das wider besseres Wissen. Das gehört zur ganzen Wahrheit, dass ich Ihnen das heute um die Ohren gebe.
(Beifall der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Dr. Rahim Schmidt, fraktionslos – Zuruf des Abg. Johannes Zehfuß, CDU)
Sie, die an der Substanz arbeitende Fraktionsführerin, haben zum Thema Imagewechsel im SWR unter Beweis gestellt, dass Sie nicht wussten, wie viele Schulen und wie viele Integrationskurse es im Land gibt. Das kann einmal passieren. Sie haben in den letzten Tagen auch manches Wort gesagt, was die Integrationspflicht und das Belegen von Kursen angeht, das nicht stimmt.
Wer Zutrauen nicht nur auf einen Buchtitel schreibt, sondern es wirklich erwerben möchte, der muss auch Vertrauen ausstrahlen.
Liebe Frau Kollegin Klöckner, nachdem Sie von dieser Stelle aus mit einer Attitude, die ich fast unpassend finde, versuchen, meine Fraktion zum Teil zu maßregeln und in den Senkel zu stellen, sage ich ganz deutlich: An dieser Frage des Vertrauens müssen Sie noch lange arbeiten. –
(Anhaltend starker Beifall der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Dr. Rahim Schmidt, fraktionslos)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, begrüße ich auf der Zuschauertribüne Bürgerinnen und Bürger aus dem Wahlkreis 24, Trier/Schweich, und Schülerinnen und Schüler der Freien Waldorfschule Mainz, 10. Jahrgangsstufe. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Landeshaushalt 2016, den die Landesregierung gestern eingebracht hat, zeigt, dass Rheinland-Pfalz bei Rot-Grün in guten Händen ist. Der Haushalt zeigt unsere Verantwortlichkeit mit Blick auf das Heute und die Zukunft.
Wir stehen heute vor großen Herausforderungen. Dieser Haushalt gibt die richtigen Antworten auf die Fragestellungen der heutigen Zeit. Er zeigt aber auch, dass mit der Steuermittelverschwendung für Prestigeprojekte aus der Vergangenheit konsequent Schluss gemacht worden ist. Der Abbau der Neuverschuldung schreitet konsequent voran, weil wir unseren Haushalt mit Blick auf die kommende Generationen und die Zukunft in Ordnung bringen. Vor allem gibt dieser Haushalt mit seinen Schwerpunkten auch die richtigen Antworten auf die großen Herausforderungen, die wir in diesen Tagen im Hier und Heute haben.
Wir stehen aufgrund der steigenden Flüchtlingszahlen vor einer der größten Herausforderungen und vielleicht in Deutschland vor der größten Bewährungsprobe seit der Wiedervereinigung vor 25 Jahren. Ich glaube, man muss sich angesichts der weltpolitischen Lage von Krieg, Vertreibung, Folter, aber auch dem Kampf um Ressourcen nicht um Zahlen streiten. Es sind Millionen unterwegs, die aufgrund von Notsituationen, weil es um Leib und Leben geht, ihre Heimat verlassen und ihre Familien mitgenommen haben und die schon heute vor den Toren Europas Flüchtlinge sind. Diese kommen schon lange in südeuropäischen Staaten und jetzt auch in großer Zahl bei uns an. Die aktuelle Prognose des Bundesamtes spricht von 800.000 in Deutschland. Viele sagen, es könnten bis zum Jahresende 1 Million sein.
Wir haben unsere Verantwortung für diese Menschen, und wir werden dieser Verantwortung gerecht. Deutschland ist ein starkes Land. Wir sind das ökonomisch stärkste und bevölkerungsreichste Land in Europa. Wir haben die Möglichkeiten, die Mittel und die Ressourcen, um diesen
Menschen, den Flüchtlingen, die zu uns kommen, Schutz und Obdach zu geben, und zwar jedem Einzelnen. Das ist die Haltung, mit der wir und große Teile unserer Bevölkerung diesen Menschen begegnen. Ich bin ganz bei der Kanzlerin. Wir schaffen das. Ich bin stolz, dass viele Menschen in diesem Land mit anpacken und sagen, gemeinsam schaffen wir das.
Wir wissen, was möglich ist, aber wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass es in allen Bundesländern und in allen Kommunen große Herausforderungen bedeutet, um diesen Anforderungen gerecht zu werden und den Menschen eine entsprechende Unterbringung zu gewährleisten.
Liebe Frau Klöckner, während wir schon lange darauf hinweisen und die Voraussetzungen schaffen, dass wir eine humane und kommunalfreundliche Flüchtlingspolitik machen, und zwar unabhängig von der Zahl der Menschen, die hierher kommen, hat die CDU-geführte Bundesregierung viel zu lange durch Nichtstun das Chaos und die Missstände verursacht, die Sie beklagen.
Es hat eine ganze Sommerferien-Pause gedauert, bis sich die Kanzlerin endlich einmal zu dem Thema geäußert hat. Es hat des massiven Einsatzes von Ministerpräsidentin Malu Dreyer, aber auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann aus Baden-Württemberg bedeutet, bis sich die Kanzlerin endlich einmal gemeinsam mit der Ministerpräsidentin und dem Ministerpräsidenten zusammengesetzt und gesagt hat, wir stehen vor der Herausforderung, dass wir Länder und Kommunen nicht alleine lassen können.
Es ist ein fortwährender Skandal, dass beim zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bis heute immer noch nicht das schon Anfang des Jahres zugesagte Personal bereitgestellt worden ist. Es kann nicht sein, dass wir in Rheinland-Pfalz mit mittlerweile 45.000 Flüchtlingen rechnen, aber das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – dafür ist die Bundesregierung verantwortlich – gerade einmal 20 neue Personen eingestellt hat. Das ist Politik- und Regierungsversagen der Bundesregierung. Dafür trägt der Innenminister die Verantwortung. Dieser Innenminister ist so nicht mehr tragbar.
Wir sind trotz des Versagens des Bundesinnenministers und der Bundesregierung stark genug, den Herausforderungen gerecht zu werden. Wir lassen uns auch nicht in Überbietungsspiralen treiben: Wie viele kommen, und wo kommen sie her? Jeden Tag eine neue Zahl, das bringt nur eines: Das bringt Verunsicherung bei den Menschen.
An den Spekulationen werden wir uns nicht beteiligen. Es geht darum, dass wir unsere Hausaufgaben machen, das erfüllen, was wir gesagt haben, die Unterbringungssituation gewährleisten und die Willkommenskultur stärken. Das tun wir, und darauf konzentrieren wir uns mit aller Kraft.
Um es einmal klarzustellen: Für uns GRÜNE gibt es keine Flüchtlinge erster und zweiter Klasse. Für uns GRÜNE ist
erst einmal jeder willkommen, der seine Heimat verlassen hat, der geflohen ist, der seine Familie mitgebracht hat, dem wir erst einmal Schutz und Obdach gewähren wollen. Für uns ist das Grundrecht auf Asyl unteilbar, und das bleibt auch so, meine Damen und Herren.
Eine gelebte Willkommenskultur braucht Vorbilder. Dort haben wir als Politik eine große Verantwortung. Wir haben doch mit Irene Alt an der Spitze das erste Integrationsministerium in Deutschland eingerichtet. Wir können heute doch doppelt und dreifach froh sein, dass wir das getan haben, weil wir damit gemeinsam ein Zeichen für eine Willkommenskultur gesetzt haben, in einer Zeit übrigens, in der das Thema Flüchtlinge und Integration nicht jeden Tag in den Schlagzeilen stand. Wir haben gesagt, das ist ein ganz wichtiger Beitrag für einen gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Es geht nicht nur darum, den Flüchtlingen eine entsprechende Willkommenskultur entgegenzubringen, sondern es geht auch darum, das starke Engagement und die Hilfsbereitschaft der Menschen in Rheinland-Pfalz zu unterstützen, wertzuschätzen und auch denen, die schon hier sind und vielleicht nicht so viel haben, zu sagen, wir spielen euch nicht gegeneinander aus. Der soziale Friede, die Gerechtigkeit und auch die Verteilungsgerechtigkeit von Ressourcen haben eine ganze Menge mit Integration zu tun. Das hat eine ganze Menge mit Willkommenskultur zu tun; denn wer die Menschen, die schlechtere Chancen haben, in der Gesellschaft, die schon da ist, willkommen heißt, ihnen immer wieder eine Chance gibt, ihnen etwas zutraut – und das ist die Politik, die wir verfolgen, und was wir tun –, der kann dann auch darauf bauen, dass Menschen, die zu uns kommen, von diesen Menschen mit offenen Armen und einer Willkommenskultur empfangen werden. Das ist unser Beitrag zum gesellschaftlichen Frieden.
Frau Klöckner, ich muss an Ihre Verantwortung appellieren: Es ist nicht besonders charmant, wenn Ihnen ein Handschlag verweigert wird, das gebe ich zu. Das ist mir bei konservativen Bürgermeistern aber als GRÜNER auch schon passiert.
(Heiterkeit bei der SPD – Carsten Pörksen, SPD: Mir auch! – Julia Klöckner, CDU: Weil Sie ein Mann sind?)