Protocol of the Session on October 6, 2015

Hatten wir eigentlich schon einmal so viele Nachtragshaushalte in so kurzer Zeit wie unter Ihrer Regierungszeit, Frau Ministerpräsidentin?

Und auch dieses Mal, bei der Vorstellung der Eckwerte für den Landeshaushalt, stellen wir uns die Frage: Wo bleibt denn die selbst postulierte Klarheit? – Sie haben in der Pressekonferenz, in der Vorlage, im Pressetext, suggeriert,

dass die Einnahmen aus der Auflösung der sogenannten Innovationsstiftung bei rund 60 Millionen Euro liegen.

Im Haushaltsentwurf stehen dann aber unter Kapitel 20 04 Titel 298 01 neu statt 60 Millionen Euro 90 Millionen Euro. Sie haben also offensichtlich versucht, die Situation schlechter darzustellen als sie ist, um Ihre Mehreinnahmen, die Sie haben, einfach kleinerzureden.

(Beifall der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb überzeugt Ihr sogenanntes Sparpaket nicht.

Kommen wir noch einmal auf die Pressekonferenz zurück, die Sie am 15. September gehalten haben, um einfach einmal die Zahlen einzuordnen. Das kam mir gestern bei Ihrer Rede zu kurz, Frau Ministerin Ahnen. Wir müssen noch einmal deutlich sagen, wie viele Milliarden dieser Haushalt umfasst. Es sind 16 Milliarden Euro.

Eine Ministerpräsidentin und zwei Ministerinnen stellen für einen 16-Milliarden-Euro-Haushalt unter anderem folgende grandiosen Einsparungen vor – eine Ministerpräsidentin, zwei Ministerinnen –: Ansatz für vorbereitende Aufwendungen anlässlich des turnusgemäß von Rheinland-Pfalz ausgerichteten Tages der Deutschen Einheit im Jahr 2017, 400.000 Euro. Der Betrieb der elektronischen Fußfessel wird billiger, 135.000 Euro. Das Sozialministerium spart 68.000 Euro beim Geschäftsbedarf und 102.000 Euro bei der Hausbewirtschaftung. Bei der Staatskanzlei sollen 80.000 Euro für Veranstaltungen und Protokoll gespart werden, wovon allerdings 50.000 Euro aus dem nicht mehr stattfindenden „Rheinland-Pfalz Open Air“ stammen.

Interessant ist, wenn man sich zeitgleich anschaut, für was Sie aber bereit sind Geld auszugeben. Eine Umfrage zum Landestariftreuegesetz haben Sie beispielsweise im vergangenen Jahr mit satten 148.000 Euro ausgestattet. Oder für knapp 38.000 Euro haben Sie eine Umfrage zur Energie- und Klimaschutzpolitik in Rheinland-Pfalz in Auftrag gegeben. Gestern waren es, ich glaube, nur drei oder vier Sätze, die Sie dafür übrig hatten. Dafür ist noch Geld da, aber für andere Dinge nicht. Dann sprechen Sie von Sparen.

(Beifall der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wohlgemerkt, es geht um einen Haushalt von 16 Milliarden Euro, und Sie stellen allen Ernstes Ausgabenstreichlisten von rund 14 Milliarden Euro als Sparanstrengungen vor. Wir wollen einmal übersetzen, was das in Relation bedeutet.

(Hans-Josef Bracht, CDU: Millionen!)

Millionen. Ich wollte einmal ein bisschen testen.

16 Milliarden Euro macht unser Haushalt aus, und Sie stellen mit drei Personen – eine Ministerpräsidentin, zwei Ministerinnen – eine Einsparliste von 14 Millionen Euro vor. Wir können das einmal übersetzen: Das machen bei diesem Haushalt 0,0855 % des Haushalts aus. Ihre Anstrengung beträgt noch nicht einmal 1 %.

Da kann ich nur sagen: Da atmet doch jede Zahl, die Sie hier vorgestellt haben, Verzweiflung.

(Beifall der CDU)

Wir kennen doch solche Dinge. Frau Ministerpräsidentin, Ihre Einsparliste erinnert schon ein wenig an den Aktionsplan für die Region Zweibrücken, nachdem der Flughafen insolvent wurde. Diesen Aktionsplan hat damals die Ministerpräsidentin mit gleich drei Ministern in der Staatskanzlei vorgestellt. Darin waren dann zukunftsweisende Ideen wie die Förderung eines Wasserspielplatzes enthalten.

Frau Ministerpräsidentin, auch hier erkennen wir eine Parallele zu Ihrem Amtsvorgänger. Der hat zum Schluss seiner Amtszeit auch versucht, durch das hinreichend große Zelebrieren des Anlasses die Kargheit der Ergebnisse zu kaschieren.

(Beifall der CDU – Heiterkeit bei der CDU)

Man muss sich nur die Bilder vor Augen führen und daran erinnern, wie er kurz vor der Wahl gemeinsam mit dem damaligen Wirtschaftsminister in der Staatskanzlei das Zukunftskonzept zum Nürburgring präsentiert hat. „1.000 neue Arbeitsplätze“ stand damals auf dem Titelblatt der Tischvorlage. Auch hier: Große Kulisse, wenig Tragfähiges, teuer für die Steuerzahler.

Aber zurück zu Ihrer Einsparliste, Frau Ministerpräsidentin, Frau Ministerin. Sie nennen Maßnahmen, die Sie aber nicht beziffern. Das wäre das Entscheidende, um sich heute mit Ihrem Haushalt auseinandersetzen zu können.

Zum Beispiel die Begrenzung des Ausgabenanstiegs der Eingliederungshilfe. Sie wollen den Ausgabenanstieg begrenzen, sagen aber nicht wie. Trotz Ihrer Ankündigungen steigen die Kosten erheblich, nämlich in 2016 um 30,35 Millionen Euro.

Oder gehen wir zum Stellenabbau beim Landesamt für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie. Angekündigt ist ein Abbau von 93,25 Planstellen. Abgebaut werden 2016 netto 11,25 Stellen. Die Kosteneinsparung wird nicht beziffert.

Oder der verlangsamte Ausbau der Ganztagsschulen wird als Einsparung verkauft. Das ist aber keine neue Einsparmaßnahme.

Oder die Verminderung der Ausgaben für den Hochbau. Auch das ist keine neue Maßnahme, die Sie vorstellen.

Dann die Verpachtung der Weinbaudomäne. Das ist eine Absichtserklärung, die aber kostenmäßig überhaupt nicht für 2016 relevant ist.

Deshalb schauen wir uns einmal an, was Sie uns noch vorgelegt haben, weil es heute um die Bewertung Ihrer Vorschläge geht.

Erstens: Gerade in den Jahren seit 2013, dem Jahr, seit dem Sie Verantwortung tragen, Frau Ministerpräsidentin, bis zum Haushalt 2016 leistet sich Rheinland-Pfalz die höchste Nettoneuverschuldung aller Flächenländer, außer

dem Saarland, das sich in einem besonderen Notstand befindet.

Es muss Ihnen, Frau Dreyer, doch zu denken geben, dass ein Land wie Schleswig-Holstein – übrigens auch rot-grün regiert – nunmehr dem ausgeglichenen Haushalt mit 18 Euro Neuverschuldung je Einwohner für 2016 wirklich sehr, sehr nahe gekommen ist. Noch 2013 zahlte Schleswig-Holstein deutlich mehr Zinsen, als RheinlandPfalz das tat. Schleswig-Holstein hat nicht prozentual mehr Einnahmen gehabt als Sie. Es hat also die gleichen Voraussetzungen und Bedingungen gehabt. Hier zeigt sich Willen und Können. Hier ist Willen und Können nicht vorhanden.

(Beifall der CDU)

Man kann es auch anders zusammenfassen: Unter Ihrer Regierungszeit hat sich Rheinland-Pfalz also weiter vom Konsolidierungskurs entfernt und nicht den Konsolidierungskurs konsequent fortgeführt. Oder es hängt einfach an der Definition, die eine andere ist, was Sie unter Konsolidieren verstehen.

Zweitens: Rheinland-Pfalz hat keine geringeren Steuereinnahmen pro Kopf als der Durchschnitt der anderen Länder nach Länderfinanzausgleich. An den Steuereinnahmen kann die überdurchschnittlich hohe Verschuldung also nicht gelegen haben – auch nicht an Bundesgesetzen.

Im Gegenteil, nach Länderfinanzausgleich und Bundesergänzungszuweisungen verfügt Rheinland-Pfalz Jahr für Jahr fast immer über ein wenig mehr Steuereinnahmen als der Durchschnitt der Flächenländer West und übrigens die reichen Geberländer. Die weit überhöhte Verschuldung unseres Landes ist also nicht das Ergebnis von Benachteiligung, sondern es ist das Ergebnis schlechter rot-grüner Haushaltspolitik.

(Beifall der CDU)

Drittens: Die Gestaltungsspielräume der Länderhaushalte unterscheiden sich nicht durch die Höhe der Steuereinnahmen. Sie unterscheiden sich in einem entscheidenden Maß an der Belastung durch die jährlichen Zinszahlungen für die Schulden. Jetzt könnte man Ihnen zugute halten, wenn vorher andere Regierungen von einer anderen Partei dran gewesen wären, dass Sie deren Zinslasten jetzt zu tragen hätten, aber Sie sind in der Kontinuität und Mitglied der Partei, die seit 25 Jahren in diesem Land Verantwortung für diesen Schuldenhaushalt, der sich so aufbaut, trägt, und deshalb nehmen wir Sie in Verantwortung, Frau Dreyer.

In diesem Jahr wird Rheinland-Pfalz wieder rund 1 Milliarde Euro Zinsen für seinen Schuldenberg zahlen müssen. 1 Milliarde Euro Zinsen nur für den Schuldenberg – dieses Geld ist weg – bei Niedrigstzinsen. Das sind am Tag rund 2,7 Millionen Euro, die jeden Tag weg sind, nur weil man in der Vergangenheit nicht bereit war zu sparen. Sie machen das Gleiche für die kommende Generation. Weil Sie heute bei besten Bedingungen nicht bereit sind zu sparen, wird die kommende Generation ein Vielfaches an Steuern aufwenden müssen, um Ihre heutige Wohlfühlpolitik nachzufinanzieren. Das ist nicht gerecht.

(Beifall der CDU)

Das ist weder sozial noch gerecht und ökologisch sowieso nicht.

Zum Vergleich: Bayern zahlt nur 2,3 % seiner Steuereinnahmen für Zinsen. In Rheinland-Pfalz sind es 9,3 %, in Bayern 2,3 %. Das sind 67 Euro, aber bei uns ist das ein bisschen mehr pro Einwohner, nämlich 275 Euro. Das Geld fehlt uns bei Hochschulen, Kitas, Landesstraßen; dieses Geld fehlt für die Zukunft.

Durch die nun über 25 Jahre andauernde überdurchschnittliche jährliche Schuldenaufnahme ist das geschehen. Durch die damit verbundenen Ausgaben hat es RheinlandPfalz offenkundig nicht geschafft, die Wirtschaftskraft des Landes und die daraus folgende Steuerkraft zumindest an den westdeutschen Durchschnitt heranzuführen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der „Konzern RheinlandPfalz“ braucht nach 25 Jahren endlich eine Kursänderung, damit es aufwärts gehen kann.

(Beifall der CDU)

Ich komme zu einem entscheidenden Punkt: Vermögen des Landes wird vernichtet. Es ist nicht nur so, dass Sie nicht auf neue Schulden verzichten, sondern Sie vernichten auch noch Vermögen des Landes. Rot-Grün löst die unter der CDU-Regierung initiierte und dann durchgeführte Innovationsstiftung auf. Das ist falsch; denn mit ihrem Geld wurde viel Gutes getan. Es wurde zum Beispiel der Landeswettbewerb „Jugend forscht“ unterstützt. Ich nenne auch die Erforschung zahlreicher medizinischer Therapieansätze, zum Beispiel bei der Schlaganfallforschung. Ohne jede Not vernichtet die Landesregierung ein bewährtes Instrument der Forschungs- und Innovationsförderung und setzt ein halbes Jahr vor der Wahl auf einen Einmaleffekt. Das ist eine schlechte Botschaft, die Sie damit an die Wissenschaft, an die Forschung und an die Wirtschaft aussenden.

Frau Dreyer, Innovation ist Zukunft, Ihre Freundin scheint das nur begrenzt zu sein, oder ist es bereits Ihre ExFreundin?

(Beifall der CDU – Zurufe von der SPD: Oh!)

Innovation ist Zukunft. Auch bei den Landesstraßen lassen Sie Landesvermögen verfallen.

Frau Ministerpräsidentin, in Ihrer ersten Regierungserklärung hatten Sie ausgeführt – ich zitiere –: „Verkehrsprojekte sind wichtige Infrastrukturprojekte für unsere exportorientierte Wirtschaft und die Mobilität im ländlichen Raum.“

Das stimmt. Es ist aber Fakt, dass Sie die Landesstraßen verfallen lassen. Der Investitionsstau ist auf eine Milliarde Euro angewachsen. Wir kennen die typischen Reflexe, dass es heißt, wir reden schlecht. Deshalb zitiere ich den Landesrechnungshof. Der Landesrechnungshof ist nicht irgendjemand. Der Landesrechnungshof wird von Ihnen allen geschätzt, sonst hätten Sie den Präsidenten nicht zum Wirtschaftlichkeitsbeauftragten gemacht.

Das nur noch einmal zur Einordnung des Zitates des Rechnungshofs. Ich zitiere: „Der Wertverlust durch Abschreibungen wurde ab dem Jahr 2012 nicht mehr durch Investitionen ausgeglichen. Das Landesstraßennetz ist überaltert und weist einen Modernisierungsgrad auf, der sich mit 43 % auf einem niedrigen Niveau bewegt. Der Anlagenabnutzungsgrad ist mittlerweile auf 71 % gestiegen; d.h., das Landesstraßennetz hat rechnerisch fast drei Viertel seiner Nutzungsdauer erreicht.“

Jetzt kommt eines hinzu. Zeitgleich ist der zuständige Landesbetrieb Mobilität in eine Schieflage geraten. Am Ende dieses Jahres werden beim LBM die Bankverbindlichkeiten höher sein als das Eigenkapital. Eine GmbH wäre dann insolvent. Wenn man mit der Zukunft befreundet ist, kann man so etwas in der Gegenwart nicht zulassen. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu.