Protocol of the Session on September 23, 2015

Der elektronische Dokumentenversand wird die Zukunft. Viele von uns gehören zu dieser Zukunft.

Entschuldigt sind Herr Kollege Gies, Frau Leppla, Frau Nabinger, die Staatssekretäre Herr Professor Dr. Barbaro, Herr Beckmann und Frau Raab.

Herr Langner hat das biblische Alter von 40 Jahren erreicht. Herzlichen Glückwunsch des ganzes Hauses!

(Beifall im Hause)

Zunächst nenne ich die Hinweise zur Tagesordnung. Zum Tagesordnungspunkt 4, ist mitzuteilen, dass die Regierungserklärung etwas länger sein wird als im Ältestenrat besprochen. Daher können die Fraktionen eine zusätzliche Grundredezeit in Anspruch nehmen.

Die Fraktionen sind übereingekommen, die Tagesordnungspunkte 25 und 26 (Landesgesetze zum 17. und 18. Rundfunkänderungsstaatsvertrag) ohne Aussprache zu behandeln.

Die in der Tagesordnung fehlende Drucksache zu Tagesordnungspunkt 27 wurde am Freitag, den 18. September 2015, fristgerecht verteilt.

Die Beschlussempfehlungen zu den Tagesordnungspunkten 5 und 6 wurden am 22. September 2015 verteilt. Die Frist zwischen der Verteilung und der zweiten Beratung ist daher mit der Feststellung der Tagesordnung abzukürzen.

Beim Bannmeilengesetz ist die Frist zwischen der ersten und der zweiten Beratung mit der Feststellung der Tagesordnung abzukürzen.

Änderungs-, Alternativ- und Entschließungsanträge werden bei dem jeweiligen Tagesordnungspunkt gesondert

aufgerufen.

Meine Damen und Herren, gibt es von Ihnen noch Hinweise? – Das ist nicht der Fall, dann ist die Tagesordnung so beschlossen.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung mit dem ersten Thema auf:

AKTUELLE STUNDE

Gesundheitskarte für Flüchtlinge in Rheinland-Pfalz auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/5594 –

Ich erteile Herrn Köbler das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir erleben zurzeit wirklich eine einmalige Willkommenskultur angesichts der Vielzahl der Menschen, die bei uns Zuflucht suchen.

Niemand wird bestreiten, dass zu einer Willkommenskultur und zu einem Integrationsangebot dazugehört, die grundsätzlichen Grund- und Menschenrechte auch den Menschen zu gewähren, die zu uns kommen und bei uns Schutz suchen. Auch wird niemand bestreiten, dass ein diskriminierungsfreier Zugang zu einer Gesundheitsversorgung ganz grundsätzlich zu den Menschenrechten dazugehört. Deswegen sind wir stolz darauf, dass für Flüchtlinge in Rheinland-Pfalz die Gesundheitskarte kommt und eingeführt wird.

Die Kanzlerin hat hier ihr Versprechen gebrochen, bis zum Sommer eine Rechtsgrundlage des Bundes vorzulegen, um eine Gesundheitskarte einzuführen. Umso mehr freut es uns als GRÜNE, dass die Gesundheitsministerin, die Landesregierung und Rot-Grün nach vorne gegangen sind und angekündigt haben, dass eine Gesundheitskarte für Rheinland-Pfalz kommen wird. Einmal mehr zeigt sich angesichts der Herausforderungen der aktuellen Flüchtlingspolitik, der Bund versagt, die Bundesregierung bricht ihre Versprechen, die Kanzlerin bricht ihre Versprechen, aber wir in Rheinland-Pfalz tun etwas. Rheinland-Pfalz handelt. Wir warten auch an dieser Stelle nicht auf den Bund. Die Gesundheitskarte für Flüchtlinge in Rheinland-Pfalz wird kommen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Sie wird aus zweierlei Gründen kommen. Die bisherige Praxis, dass ein Asylsuchender jedes Mal zum Ausländeramt gehen muss, um einen Behandlungsschein ausgestellt zu bekommen, ist zu nennen. Das ist diskriminierend und bedeutet für die Kommunen einen immensen Verwaltungsaufwand. Die Kommunen müssen dringend von Verwaltungsaufwand entlastet werden, um gerade jetzt den Herausforderungen beim Thema Flüchtlinge gerecht werden zu können.

Das Märchen, das Sie von der CDU streuen, dass die Gesundheitskosten explodieren würden, ist längst widerlegt worden. Die Erfahrungen in Hamburg und Bremen

haben gezeigt, dass es dort sogar zu Einsparungen in den Kommunalverwaltungen gekommen ist. Hamburg hat das evaluiert und herausgefunden, dass dort das Kostenvermeidungsvolumen 1,6 Millionen Euro im Jahr beträgt. Es profitieren also alle Beteiligten von der Einführung einer Gesundheitskarte.

Die bisherige Regelung ist kein diskriminierungsfreier Zugang zu unserem Gesundheitssystem.

Wir können es auch nicht den Menschen in den Ämtern weiter überantworten, dass sie darüber entscheiden müssen, ob ein Mensch eine Behandlung bekommen kann oder nicht. Wir reden hier über Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter in Sozialverwaltungen, die in der Regel nicht medizinisch geschult sind. Wir reden über die Verantwortung, die wir diesen Menschen damit auferlegen. Wenn diese Menschen möglicherweise aus Unkenntnis eine falsche Entscheidung treffen, dann sind sie mit einem hohen persönlichen und moralischen Risiko behaftet, wenn dem Flüchtling im weiteren Krankheitsverlauf möglicherweise, was wir alle nicht hoffen, Schlimmeres passiert.

Es gibt auch nicht, wie Sie von der CDU behaupten, dadurch sozusagen signifikanten Zuwachs von Asylmissbrauch. In Ländern, in denen Flüchtlinge einen diskriminierungsfreien Zugang zum ganz normalen Gesundheitsversorgungssystem haben, wie beispielsweise in Frankreich und Belgien, ist wissenschaftlich nachgewiesen worden, dass es dadurch nicht zu einem vermehrten Zuzug von Asylbewerberinnen und -bewerbern kommt. All Ihre Vorurteile können Sie unter Ihrem Stammtisch begraben.

Frau Klöckner, machen Sie mit bei der Gesundheitskarte in Rheinland-Pfalz. Wir wollen nicht, dass es länger so ist, dass Menschen in Sozialverwaltungen über den Gesundheitszugang von Flüchtlingen entscheiden, die ihre medizinischen Kenntnisse vielleicht maximal dadurch erlangt haben, dass sie die eine oder andere Folge der Schwarzwaldklinik gesehen haben. Das ist auch ein Beitrag zur Integration, wenn die Flüchtlinge einen diskriminierungsfreien Zugang zur Gesundheitsversorgung bekommen. Die Gesundheitskarte ist ein Beitrag zur Integration dieser Menschen. Frau Klöckner, machen Sie mit. Ich gebe Ihnen die Hand darauf, das wird ein Erfolg.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Kollege Kessel hat das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir haben europaweit eine beispiellose Versorgung der Asylsuchenden. An dieser Stelle eine Diskriminierung ausmachen zu wollen, ist fern jeder Realität.

(Beifall der CDU)

Das ist eine skandalöse Unterstellung an die Adresse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sozial- und Auslän

derämter,

(Beifall der CDU)

die sich verantwortungsvoll um die erkrankten Asylsuchenden kümmerten.

(Carsten Pörksen, SPD: Herr Gröhe auch?)

Die seit Langem bewährte Regelung sieht vor, dass der erkrankte Asylsuchende sich bei der zuständigen Verwaltungsstelle seines Wohnortes einen Behandlungsschein für den Arztbesuch ausstellen lässt. Die Mitarbeiter prüfen, ob die geltenden Regelungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, das Vorliegen einer akuten Erkrankung oder eines Schmerzzustandes erfüllt sind und stellen den Schein aus.

(Zuruf des Abg. Dr. Fred Konrad, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit ist sichergestellt, dass die Asylsuchenden den Zugang zur notwendigen medizinischen Versorgung erhalten.

(Beifall bei der CDU)

Wir möchten an dieser Stelle allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Verwaltungen für ihren kompetenten und engagierten Dienst in diesem sicherlich nicht immer einfachen Aufgabengebiet sehr herzlich danken.

(Beifall der CDU)

Die seit Jahren geübte Praxis stellt in keiner Weise eine Diskriminierung der Asylsuchenden und Flüchtlinge dar. Dem Asylbewerber und Flüchtling würde mit der Aushändigung der Karte suggeriert, damit Zugang zu allen Leistungen unseres Gesundheitssystems zu haben. Damit werden neue Anreize geschaffen und eine bewährte Verfahrensweise aus rein ideologischen Gründen abgeschafft.

(Beifall der CDU)

Ob das Ganze zu einer Kosteneinsparung führen wird, ist auch noch nicht bewiesen. Die Erfahrungen bei der Einführung der Gesundheitskarte für die Empfänger von Sozialleistungen nach dem Zwölften Sozialgesetzbuch belegen, dass die erheblichen Mehraufwendungen im Leistungsbereich weit über den Einsparungen im personellen Bereich lagen. Da es jeder Kommune nach dem nordrheinwestfälischen Modell freigestellt werden soll, ob sie die elektronische Gesundheitskarte einführt oder nicht und mit welcher gesetzlichen Krankenkasse sie die Vereinbarung trifft, kann auch die Gefahr der Bildung eines Flickenteppichs nicht gebannt werden. In Nordrhein-Westfalen hat sich bisher keine Kommune dazu bewegen lassen, eine entsprechende Vereinbarung zu treffen. Was in einem Stadtstaat wie Bremen oder Hamburg funktioniert, Herr Köbler, ist nicht 1 : 1 auf ein Flächenland zu übertragen. Statt neue Leistungen zu schaffen, müssen wir uns zunehmend damit beschäftigen, falsche Anreize zu beseitigen.

(Beifall der CDU)

Solange immer noch gravierende Mängel bei der Registrierung und der Unterbringung in den Erstaufnahmeeinrich

tungen, bei der konsequenten Rückführung der Menschen ohne Bleiberecht, bei der effektiven Integration derer, die einen Anspruch haben, dauerhaft hier bleiben zu können, bestehen und die Kommunen auf ihren Kosten sitzen bleiben und nicht wissen, wo sie die vielen Menschen noch unterbringen sollen, solange sollten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN darauf verzichten, nicht existente Diskriminierungen anzuprangern und zusätzliche Kosten zu produzieren.

(Beifall der CDU)

Ich fasse noch einmal zusammen: Die elektronische Gesundheitskarte stellt für viele Flüchtlinge einen Werbeeffekt dar. Sie suggeriert den Zugang zu Gesundheitsleistungen, die in vielen Herkunftsländern unerreichbar oder unbezahlbar sind. Die elektronische Gesundheitskarte wäre ein weiterer Zuzugsmagnet. Die elektronische Gesundheitskarte wird eine Leistungsausweitung nach sich ziehen, da allein die Ärzte entscheiden und nicht das Sozial- und Ausländeramt, welche Behandlungen vorgenommen werden.

(Heiterkeit des Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Fred Konrad, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Unverschämtheit!)