Protocol of the Session on July 23, 2015

Die Anhörung im Plenarsaal war sehr umfänglich, sehr ausführlich mit unterschiedlichen Meinungen und einer großen Bandbreite. Bei einigen Anzuhörenden fand ich mich wieder, bei anderen gar nicht. Trotzdem war es eine ausgeglichene Veranstaltung, in der jeder zu Wort kam und ungestört seine Meinung artikulieren konnte.

Das Gleiche galt auch für die Auswertung. Die haben wir im Ausschuss in großem Rahmen ähnlich geführt. Ich stelle das Gleiche auch heute Nachmittag hier fest.

Ich muss es aber auch nach fast 32 Jahren ärztlicher Tätigkeit aus der Brille des Arztes sehen. Das geht gar nicht anders, wenn man vor allen Dingen im Bereich der Akutmedizin tätig war. Dann hat man sehr, sehr viel erlebt und sehr viel Leid miterleben müssen. Wenn man das professionell macht, dann muss man mit dem Patienten Mitleid haben, man darf aber nicht mit leiden, wenn man ihnen helfen will, das heißt, da muss man leider eine gewisse professionelle Distanz aufbauen, um wirklich helfen zu können. Das ist ein schwieriger Spagat. Das gelingt einem auch nach 30 Jahren nicht immer ganz so einfach.

Wenn ich die Ärzte anspreche, dann will ich als Arzt besonders sagen, wenn wir von der Palliativversorgung reden, dann sind das nicht nur die Ärzte. Da sind die Ärzte nur eine Komponente. Da muss der Teamgedanke hervorgerufen werden. Das sind Pflegekräfte, Psychologen, Physiotherapeuten und viele andere mehr, die nur im Team gemeinsam das Ergebnis erzielen können, dass sie Menschen in der letzten Phase ihres Lebens begleiten.

Wenn man wie ich sich aktive Sterbehilfe nicht vorstellen kann, dann muss man im Gegenzug aber auch bereit sein mitzuwirken, dass Strukturen geschaffen werden im Land und darüber hinaus, die Menschen in dieser letzten Phase vor dem Tod so unterstützen, dass sie würdevoll, zufrieden, ohne Schmerzen diese Phase durchlaufen können.

Das ist die logische Konsequenz. Da müssen wir zum einen über die Strukturen nachdenken, die alle genannt worden sind.

Ich bin sehr froh, dass Sie, Frau Bätzing-Lichtenthäler, jetzt unserem Wunsch nachkommen können, dass wir bei der SAPV, bei der spezialisierten ambulanten palliativmedizinischen Versorgung, ein Stück weiterkommen; denn da haben wir noch Nachholbedarf. Da sind wir uns einig. Ich sage das bewusst ohne Schärfe, sondern einfach als Feststellung. Alle werden unterstützen, dass wir da weiterkommen.

Man muss wissen, dass nur ungefähr jeder zehnte Patient diese spezielle Versorgung, bei der verschiedene Berufsgruppen ineinandergreifen, braucht. Da haben wir in einem Flächenland das Problem, dass man von einem Schlüssel von 1 : 250.000 ausgeht, also ein Team für 250.000 Einwohner.

Ich möchte in die Diskussion noch einmal den Begriff des Satellitenteams einbringen. In unserem Landkreis, in dem wir kein eigenes Team haben, sondern der vom Westerwaldkreis mit versorgt wird – in anderen Regionen ist es ähnlich –, sollte das Prinzip des Satellitenteams überdacht werden, um es zu optimieren.

Bei den Palliativbetten verfügt das Land Rheinland-Pfalz über eine gute Versorgung, ist es zahlenmäßig gut aufgestellt. Ich bin guter Dinge, dass wir es gemeinsam schaffen, auch bei den Hospizen den Schlüssel dahin zu bekommen, wo er bezüglich der Einwohnerzahl eigentlich sein sollte.

Lassen Sie mich ganz zum Schluss noch etwas zu meiner Berufsgruppe sagen, ohne die anderen Berufsgruppen, die ich bewusst genannt habe, schmälern zu wollen. Als Arzt ist man einfach auf diesen Bereich etwas fixiert. Das kann im Medizinstudium schon beginnen. Als ich Medizin studiert habe, war das gar kein Thema. Wir wussten gar nicht, was Palliativmedizin ist. Heute ist es umso wichtiger, dass die jungen und auch die älteren – vor allem – Allgemeinärzte vernünftige Fort- und Weiterbildungsangebote bekommen.

Unsere Akademie für ärztliche Fortbildung macht das hervorragend. Sie bietet regelmäßig Kurse an. Im Herbst dieses Jahres läuft wieder ein größerer Kurs. Diese Kurse sind immer ausgebucht. Das ist ein gutes Zeichen. Da muss man dranbleiben. Das muss die Politik unterstützen, weil es sich ganz einfach sagt, Palliativmedizin machen, aber das muss auch umgesetzt werden. Was bedeutet das? Bei aller menschlichen Zuwendung bedeutet das, dass man mit hoch potenten – in der Regel – Opiaten umgehen muss,

(Glocke des Präsidenten)

die dem Patienten helfen, aber ihm nicht schaden sollen. Das bedarf der Fort-, Weiter- und Ausbildung. Da müssen wir die Ärzteschaft unterstützen, damit das flächendeckend noch besser wird.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Herr Dr. Konrad, Sie haben das Wort. Danach folgt Frau Kollegin Anklam-Trapp. Dann hat die CDU ein weiteres Rederecht.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Selbstbestimmung und Menschenwürde am Lebensende setzen voraus, dass wir jedem Menschen diese Rechte in jeder Lebensphase garantieren. Eine sorgende Gemeinschaft wird das nicht erst für die letzte Lebensphase diskutieren, sondern überall da, wo Menschen Unterstützung brauchen, wo Menschen unserer Solidarität bedürfen. Das ist ganz wichtig, weil wir dann nicht darüber entscheiden müssen, ob wir eine besondere Zuwendung für Menschen am Lebensende brauchen. Wir müssen uns allen Menschen, die pflegebedürftig sind, die hilfeabhängig sind, egal in welchem Lebensabschnitt, entsprechend zuwenden.

Bezüglich der Assistenz bei der Selbsttötung ist es für mich immer noch nicht schlüssig, wie die Differenzierung zwischen einer freien Willensentscheidung oder einer de

pressionsbedingten Lebensmüdigkeit, zwischen schmerzbedingter Überforderung oder zwischen Pflegemangel und linderbaren Symptomen, die dazu führen, dass ein Mensch dieses Leiden nicht mehr ertragen kann, erfolgen soll. Deshalb muss ich auch sagen, dass es für mich nicht einsichtig ist, welcher Suizid in dieser Lebensphase wirklich selbstbestimmt sein soll.

Die Begleitung eines Sterbenden oder einer Sterbenden, auch wenn das Leben selbstbestimmt beendet wird und dafür die Medikamente von jemanden zur Verfügung gestellt werden, ist heute bis zum Ende möglich. Es war zu Beginn der Diskussion – auch in den Medien – das Problem geschildert worden, dass Menschen, die Suizide begleiten, diese Begleitung nicht bis zum Ende durchführen dürfen. Angesichts der Möglichkeit der Patientenverfügung ist dieses Problem mittlerweile nach meiner Ansicht hinreichend gelöst.

Aus der Anhörung ergibt sich meiner Meinung nach bisher nicht, dass die gewerbsmäßige oder wiederholte Assistenz bei der Selbsttötung ein geeignetes Differenzierungsmerkmal, ein geeignetes Kriterium für eine Strafbarkeit sein könnte. Vielmehr ist es doch notwendig, dass wir differenzieren, ob eine freie Willensentscheidung vorliegt und ob der Mensch, der seinem Leben ein Ende setzen will, zu dieser freien Willensentscheidung tatsächlich selbstbestimmt gekommen ist und dass er nicht in irgendeiner Weise unter Druck gesetzt wurde oder dies auf einer Suggestion beruht.

Zu den beiden Anträgen: Ich bin der Meinung, dass es nicht so ist, dass auf der einen Seite die Möglichkeit zur Selbsttötung, zur Sterbehilfe und auf der anderen Seite eine ausreichende Palliativ- und Hospizversorgung stehen. Das hat sich meiner Ansicht nach auch nicht aus den Debatten ergeben, sondern es ist vielmehr Konsens, dass die Palliativersorgung und die Hospize entsprechend ausgebaut sein müssen und ein Mangel in dieser Hinsicht nicht dazu führen darf, dass Menschen ihre Symptome nicht gelindert bekommen.

Dennoch ist es so, dass wir dem Antrag der CDU aus mehreren sachlichen Gründen so nicht zustimmen können. Zum einen steht in ihm, dass die Palliativ- und Hospizversorgung zu stärken ist. Das unterstützen wir ausdrücklich. Der große Teil Ihres Antrags steht in Konsens mit dem Antrag, den die SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN entwickelt haben. Bezüglich der Selbstbestimmung in der letzten Lebensphase werden aber – ich sage einmal – Pflöcke in den Boden geschlagen, die, glaube ich, von einem Teil dieses Hauses nicht unterstützt werden können. Wenn darin steht, es geht bei der Begleitung beim Sterben nicht um die Assistenz beim Sterben, wird damit auch eine weltanschauliche Festlegung getroffen, die, glaube ich, nicht von allen in diesem Hause geteilt wird.

Zum anderen sind die Krankenkassen als Leistungsträger meiner Ansicht nach nicht die geeignete Beratungsinstanz. Vielmehr treten sie in Konkurrenz zur bestehenden Pflegeberatung und zu anderen Beratungsmöglichkeiten. Sie fallen auch aus dem System der Palliativversorgung an der Stelle heraus, sodass wir da eine Doppelstruktur bekämen, die nicht geeignet ist.

Zum vierten Spiegelstrich Ihres Antrags. Ich versuche, auf die Anträge einzugehen. Die Palliativpflege als Prüfauftrag der Beratungs- und Prüfbehörde nach dem Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe (LWTG) zu übertragen, wäre dem LWTG insofern fremd, als die inhaltliche Überprüfung der Pflege nicht Aufgabe des LWTG, sondern der Pflegeversicherung bzw. des Pflegeversicherungsrechts ist.

Dasselbe gilt für den sechsten Spiegelstrich. Da verweise ich auf die Ergebnisse des runden Tisches in Bremen, die auf einen ähnlichen Auftrag des dortigen Senats zurückgehen. Dieser runde Tisch hat nämlich festgestellt, dass entsprechende Anhaltszahlen regional sehr unterschiedlich zu handhaben und deshalb nicht unbedingt geeignet sind.

Dennoch sage ich, dass beide Anträge gut zusammenpassen. Ich würde Ihnen vorschlagen, das in ähnlicher Weise zu beantworten, wie wir es vorgegeben haben

(Glocke des Präsidenten)

ich bin sofort fertig und komme zum Ende –, dass nämlich all die Maßnahmen, die richtigerweise in Ihrem und in unserem Antrag stehen, in eine Gesamtstrategie eingebettet werden müssen, die regional bezogen ist, aber landesweit verfolgt wird.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Nun hat Frau Anklam-Trapp das Wort. Danach folgt Herr Kollege Wilke. Dann geht es in die Schlussrunde mit der Regierungschefin Frau Dreyer. Gemeldet hat sich bereits Herr Schweitzer. Von den GRÜNEN meldet sich Herr Köbler. Darauf folgt Frau Klöckner. Dann sind die Wortmeldungen abgearbeitet.

(Hans-Josef Bracht, CDU: Sie haben ein paar übersprungen!)

Was, ich habe etwas übersprungen? – Machen Sie einfach weiter.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben hier im Plenum wirklich eine sehr intensive Debatte geführt. Wir haben uns – ich glaube, da darf ich auch für die Kolleginnen und Kollegen sprechen – vor Ort mit den Hospizvereinen, den speziellen Palliativmedizinern, den ambulanten Teams und den Pflegefachkräften in Verbindung gesetzt.

Ich darf zuerst einmal sagen: Ich habe wirklich ein würdevolles Miteinander bei der Begleitung sterbender Menschen erleben dürfen, das sowohl im ambulanten Bereich als auch in den stationären Einrichtungen, und das sowohl für die Menschen, die zu begleiten sind, als auch

für die Familien. Deshalb möchte ich an dieser Stelle – danach möchte ich in die Debatte einsteigen – meinen Dank, meine Anerkennung und meinen großen Respekt zum Ausdruck bringen.

Ein Teil der Debatte entfiel auf die schwere Thematik der Sterbehilfe, die letztlich, jedenfalls für die jetzige Zeit – dazu wird es in den künftigen Jahrzehnten noch viele Debatten geben –, vom Deutschen Bundestag zu regeln ist.

Der Wunsch, aus dem Leben zu scheiden, hängt oftmals mit Hoffnungslosigkeit und Angst zusammen. Herr Professor Klie hat uns das in der Anhörung noch einmal sehr deutlich gemacht, dass eine Gesellschaft sich auch den Herausforderungen eines langen Lebens stellen muss, und ein Bild von Würde, das am Ende nur mit der persönlichen Leistungsfähigkeit verbunden wird, gefährdet die Achtung von Menschen, die krank, alt oder behindert sind.

Der Gesetzgeber muss tunlichst darauf achten, der Würde des Menschen in seiner Gesetzgebung wirklich gerecht zu werden. Mein Kollege Heiko Sippel hat vorhin in seinen Ausführungen aus rechtlicher Sicht das wirklich Nötige dazu gesagt.

Wir leben in Rheinland-Pfalz inzwischen rund fünf Jahre länger und gesünder. Die moderne Medizin eröffnet uns ungeahnte Möglichkeiten, aber moderne Medizin eröffnet uns auch ungeahnte Möglichkeiten der Therapie, der Linderung von Schmerzen und der Linderung von Symptomen. Das ist das, was wir immer als begleitende Palliativmedizin so wohlfeil beschreiben, aber was bleibt, sind Leid und Angst.

Gerade im Umgang mit dem Tod möchte ich mit Erlaubnis des Präsidenten Herrn Dr. Gosenheimer in Erinnerung rufen und zitieren: „Dennoch ist Sterben eine Tatsache – eine, die jeder Lebende akzeptieren muss. Und das macht den Menschen Angst – Angst vor dem Sterbeprozess, der so unfassbar endgültig ist. Daraus entstehen Vorstellungen von Siechtum, von körperlichem und seelischem Leiden und schließlich einem qualvollen Ende.“

Die Möglichkeit eines würdevollen Sterbens gilt es zu transportieren, und es gilt, den Ängsten zu begegnen. Auch deshalb führen wir hier diese Debatte, um die Öffentlichkeit zu sensibilisieren, was möglich ist.

Möglich ist es heute, gut betreut, möglichst zu Hause und ohne Angst und Schmerz und gut versorgt an Körper, Geist und Seele den letzten Atemzug zu tun.

Mit Blick auf unser Land Rheinland-Pfalz werden wir uns sorgend um die Menschen kümmern und uns derer annehmen, die Hilfe brauchen.

Ich möchte mich noch einmal den Menschen zuwenden: Fast 200.000 sind es in Rheinland-Pfalz, die depressive Erkrankungen haben. Depression ist eine tödliche Erkrankung, wenn man ihr nicht begegnet. Gerade mit dem bundesweit einmaligen Bündnis gegen Depression in Rheinland-Pfalz haben wir hier Erfolge aufzuweisen. Dieses Bündnis wollen und müssen wir künftig stärken.

Der breite Konsens einer guten Palliativ- und Hospizversor

gung ist schon mehrfach deutlich geworden. Die palliative Ausweitung kann ich nur unterstreichen und unterstützen. Sowohl die Palliativstationen in Rheinland-Pfalz als auch die Zentren für spezialisierte ambulante Palliativversorgung müssen verstärkt werden.

Die Fachkräftestrategie unseres Landes ist dazu da, genug ausgebildete Pflegefachkräfte, aber auch Medizinerinnen und Mediziner dazu zu haben. Bereits im Landeskrankenhausplan 2010 gab es eine Verknüpfung der stationären Angebote, und diesen Aufbau werden wir auch im aktuellen Krankenhausplan weiterverfolgen. Die flächendeckenden SAPV-Teams sind angesprochen. Als Land wollen und werden wir dies weiterführen.

Meine Damen und Herren, noch ein kurzer Satz.