Das wissen Sie alle, und das weiß auch Herr Ministerpräsident Beck. Deshalb hat er so geredet, wie er geredet hat.
Wir erleben deshalb eine historische Stunde, weil dies der letzte Haushalt ist, der von Kurt Beck als Ministerpräsident vorgestellt werden wird.
Keiner kann in die Glaskugel schauen, was genau am 27. März 2011 passieren wird, aber ein Drittel der Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion wird nicht mehr unter uns sein. Auch wenn ich noch keine Prognose über die Koalition in der Zukunft wage, so wird es doch einen Schuldigen dafür geben müssen, und in seiner staatsmännischen Art wird Herr Ministerpräsident Beck natürlich die Verantwortung dafür übernehmen. Deshalb hat er heute einen Rückblick über die letzten eineinhalb Jahrzehnte seiner Regierungszeit gewagt und versucht, eine Bilanz zu ziehen.
Aber, Herr Ministerpräsident, wenn ich mir den Haushaltsentwurf ansehe, ist es eine traurige Bilanz, die nach 20 Jahren SPD-Regierung vor uns auf dem Tisch liegt. Sie relativieren und verniedlichen Ihre Fehler. Ich erinnere nur an ein Beispiel von vorhin. Sie haben über die Personalausgabenquote gesprochen, die in Ihrer Regierungszeit um rund 1 % gesunken sei. Genau dies war aber eines der Probleme, mit denen wir uns auseinan
dersetzen mussten. Sie haben über die ganze Zeit hinweg, wo immer Sie konnten, Ausgaben in Schattenhaushalte verlagert. Sie haben Tausende von Stellen aus dem originären Landeshaushalt herausverlagert. Sie verniedlichen und relativieren das, was Sie falsch gemacht haben.
Sie sagen, Sie könnten alles besser. Ich frage mich: Woher kommen denn dann 33 Milliarden Euro Schulden?
Herr Ministerpräsident, aber wir stimmen zumindest auf dem Papier in einem Ziel überein, nämlich dass wir spätestens im Jahr 2020 keine neuen Schulden mehr machen wollen. Ich sage einmal, für den Otto Normalverbraucher ist es nicht sonderlich ehrgeizig, wenn man total verschuldet ist und jedes Jahr viele neue Schulden macht, sich vorzunehmen, dass man in zehn Jahren vielleicht aufhört, neue Schulden zu machen. Aber immerhin, wir haben uns auf dieses Ziel verständigt.
Herr Ministerpräsident, Sie haben mich korrekt zitiert. Ich persönlich bin der Auffassung, dass wir die konjunkturelle Aufschwungphase nutzen müssen, die – so hoffen wir – uns bevorsteht, und wir die damit verbundenen Steuermehreinnahmen nutzen müssen, um uns ehrgeizigere Ziele zu stecken und um zu versuchen, bereits am Ende der kommenden Legislaturperiode die größte Arbeit der Konsolidierungsleistung erfüllt zu haben; denn wenn wir diese Arbeit auf zehn Jahre strecken – Herr Dr. Kühl hat gestern gesagt, 10 % Konsolidierung über zehn Jahre sind schon 100 % Konsolidierung –, habe ich die Sorge, dass wir auch in Phasen des konjunkturellen Abschwungs hineinkommen und es in diesen Phasen unendlich viel schwieriger sein wird, das Ziel des Schuldenabbaus zu erreichen. Deshalb sage ich, wenn es nach mir ginge, würde es schneller gehen.
Aber wir sind uns einig: Wir wollen eine Schuldenbremse bis 2020. Ich komme nun zu der Basis für die Haushaltsberatungen der nächsten Wochen, und dabei wende ich mich ausdrücklich an die Kolleginnen und Kollegen von der SPD. Bitte sagen Sie es denjenigen weiter, die gerade beim Mittagessen sind. Mir ist wichtig, dass wir beim Schuldenabbau ohne Lug und Trug und ohne Tricks der Realität ins Auge sehen. Ich möchte die fünf entscheidenden Tricks, die Sie anwenden und die wir angehen müssen, in den Blick nehmen.
Der erste Trick sind die Steuereinnahmen. Herr Ministerpräsident, bei Ihnen fällt die nächste weltweite Rezession schlicht und ergreifend aus. Wenn ich mir anschaue, welche Annahmen Sie in den nächsten zehn Jahren zugrunde legen, was die Steuereinnahmen von Rheinland-Pfalz angeht, wird es mir schlecht. Sie gehen davon aus, dass zehn Jahre lang die Steuereinnahmen jedes Jahr um rund 400 Millionen Euro steigen werden. Das ist absolut unrealistisch.
Wenn ich in die Vergangenheit, in Ihre Regierungszeit schaue, gab es Jahre, in denen die Steuereinnahmen einmal um 200 Millionen Euro gestiegen sind. Sie sind auch einmal zwei Jahre lang hintereinander um 200 Millionen Euro gestiegen. Sie sind auch einmal um 400
Millionen Euro gestiegen. Aber es gab eben auch die Jahre, in denen Sie um 400 Millionen Euro gesunken sind, und zwar ausdrücklich nicht im Zusammenhang mit der Finanzkrise, sondern die Steuereinnahmen sinken eben auch einmal im Rahmen eines ganz normalen Konjunkturzyklusses.
Sie schwanken in Rheinland-Pfalz in einer Größenordnung von über 1 Milliarde Euro. Wenn ich mir dann die Perspektive bis 2020 anschaue und sehe, dass Sie fälschlicherweise jährliche Steuermehreinnahmen von 400 Millionen Euro zugrunde legen, dann bedeutet das, dass unter dem Strich in der Größenordnung von 2 Milliarden Euro bis 2020 fehlen, von denen wir keine Antworten von Ihnen hören, wie Sie das gegenfinanzieren wollen. Der erste Trick ist also, Sie schönen die Steuereinnahmen.
Der zweite Trick – sehr verständlich – ist, Sie wünschen sich in die Bundesregierung. Ich kann an Ihrer Stelle gut verstehen, dass Sie sich das wünschen. Das ist Ihr großes Trauma. Sie nehmen die Steuererleichterungen der schwarz-gelben Bundesregierung zurück, übrigens Steuererleichterungen, die der Großen Koalition zum Teil schon vom Bundesverfassungsgericht ins Stammbuch geschrieben worden sind. Das geht so nicht. Das wird so auch nicht kommen, was die Planung angeht. Es ist aber schlicht und ergreifend rechtswidrig, sich auf eine geschönte und erträumte Steuerschätzung zurückzuziehen. Die 300 Millionen Euro, die Sie da einfach einmal so in den Haushalt ab 2012 einstellen, gibt es nicht. Auch dort haben wir bis 2020 entsprechende Konsolidierungslücken.
Der dritte Punkt betrifft das Thema „Zinsniveau“. Herr Dr. Kühl, Sie haben es gestern in Ihrer Rede angesprochen. Ich glaube, das Wort war „Krisendividende“, das Sie bei der Zinsentwicklung genannt haben. Sie haben gesagt, dass wir ein historisch niedriges Zinsniveau haben und es Ihnen sogar gelingt, aufgrund der Umschuldungen die Zinsen von diesem Jahr auf das kommende Jahr um 100 Millionen Euro zu senken. Wunderbar, das ist das Kreditmanagement des Finanzministeriums. Das braucht man in diesem Punkt wirklich nicht zu schelten.
Wenn man sich aber anschaut, wie der Gesamtschuldenstand in den kommenden Jahren ansteigt und wie Ihre Projektion aussieht, was die Zinsen bis 2020 angeht, dann gehen Sie bis 2020 bei steigendem Gesamtschuldenstand von diesem niedrigen Zinsniveau aus. Ich weiß nicht, wo Sie annehmen, dass die Normallage eines Zinsniveaus liegt. Ich würde einmal behaupten, so bei 5 % bis 7 %. Wenn wir jedes Jahr in der Größenordnung von 6 Milliarden umschulden müssen, dann werden wir mit den Geldern, die Sie bis 2020 für Zinsen eingestellt haben, nicht auskommen können. Auch dort fehlt uns schlicht und ergreifend Geld, das wir brauchen und das von Ihnen nicht berücksichtigt wird.
Der vierte große Punkt, der schon oft zitiert worden ist, ist der Pensionsfonds. Die Zuweisungen an den Pensionsfonds steigen. Im Jahr 2020 werden es 1,3 Milliarden Euro sein, Geld, das Sie verschleiern, das aber durch Verschuldung des Landes aufgenommen wird und das ein Teil der Verschuldung des Landes ist.
Sie sagen, es sei eine Investition. Dann sage ich, seien Sie doch wenigstens so konsequent und nehmen alle Personalkosten, einschließlich der Beihilfelasten, und schlagen Sie sie der Investition zu. Jeder Euro, den wir in unsere guten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stecken, ist eine Investition in die Zukunft. Wenn jemand Beihilfekosten verursacht und mit der Heilbehandlung danach wieder arbeitsfähig ist, dann können Sie mit der gleichen Begründung, mit der Sie den Pensionsfonds als eine Zukunftsinvestition verkaufen, auch in Zukunft die Beihilfekosten als Zukunftsinvestition verkaufen. Das sind sie nicht. Es sind schlicht und ergreifend Schulden. Diese 1,3 Milliarden Euro im Jahr 2020 sind nicht das, was mit der Schuldenbremse gemeint ist.
Ich möchte einen fünften Trick ansprechen, den Sie am allerbesten beherrschen. Das ist der Trick der schönen Worte. Wenn es darum geht, Reklame für Ihre Politik zu machen, dann sind Sie wirklich meisterlich. Ich finde es schon ausgesprochen schwierig, dass Sie augenscheinlich dann, wenn es darum geht, Öffentlichkeitsarbeit zu machen, Staat und Fraktion verwechseln. Sie stellen die drei Menschen – es sind zwei Stellen –, also drei Vollzeitstellenäquivalente, Herr Ministerpräsident,
also die drei Menschen in der CDU-Landtagsfraktion – zwei Stellen, drei Menschen –, die Öffentlichkeitsarbeit machen, mit dem gleich, was der Regierungsapparat Rheinland-Pfalz an Reklamemaschinerie Tag für Tag in Gang setzt. Ich habe doch auch einen ganz normalen Briefkasten wie alle anderen 100 Abgeordnete auch. Wenn ich mir anschaue, mit was wir alleine als Oppositionsabgeordnete schon mit Öffentlichkeitsarbeit und Reklame zugeschüttet werden und wenn ich mit offenen Augen durch die Stadt fahre und überall das Konterfei des Ministerpräsidenten oder irgendwelcher glücklicher Kinder sehe – – –
Oh doch, ich erinnere mich an die Reklame vom Südwestrundfunk, wo Sie an einem Bus an mir vorbeigefahren sind.
(Ministerpräsident Beck: Ich sage es einfach! Es ist zwar unwahr, aber ich sage es einfach! – Weitere Zurufe von der SPD)
Wenn ich mir ansehe, wie Sie Öffentlichkeitsarbeit beherrschen, muss ich sagen, das ist wirklich hervorragend.
Ein kleines Beispiel, das Herr Baldauf angesprochen hat, ist das Beispiel mit den Verfügungsmitteln. Das hört sich so toll an: Wir kehren die Treppe von oben, wir reduzieren die Verfügungsmittel um 10 %. Ganz, ganz
klasse. Herr Kühl zum Beispiel, Sie haben Verfügungsmittel von 9.900 Euro im Jahr. Wenn Sie jetzt die Verfügungsmittel um 10 % kürzen, dann entgehen Ihnen jeden Tag 2,71 Euro. Herr Kühl, Sie dauern mich.
Ich habe hier fünf Briefmarken. Das ist das, was Ihnen jeden Tag an Verfügungsmitteln entgeht. Wenn Sie glauben, dass Sie die Bürger von Rheinland-Pfalz so an der Nase herumführen können, dass Sie sagen, das ist der Beitrag, mit dem wir dokumentieren, dass wir als Minister vorangehen, wenn es darum geht, den Landeshaushalt zu konsolidieren, dann muss ich Ihnen wirklich sagen, das habe ich mir anders vorgestellt.
Diese fünf Tricks müssen wir angehen, um realistisch in die Haushaltsberatungen zu starten. So, wie Sie sich das vorstellen, werden wir die schwarze Null im Jahr 2020 nicht erreicht haben. Aber darum ging es heute auch nicht. Ich habe es eingangs erwähnt. Es ging darum, Bilanz unter eineinhalb Jahrzehnte einer Regierungszeit Kurt Beck zu ziehen. Es geht darum, Soll und Haben ins Verhältnis zu setzen.
Was haben wir? Wir haben auf der Habenseite ein schickes 4-Sterne-Plus-Hotel mit – Stand heute – sieben Zimmern, die immerhin zu 50 % belegt sind.
Was haben wir auf der Sollseite? – Zwei Milliarden und, wenn wir die Vermögensentnahmen dazurechnen, 2,5 Milliarden Euro neue Schulden.
Wenn ich mir die Habenseite anschaue, frage ich: Was haben wir? – Sie erlauben mir, dass ich das noch erwähne. Wir haben ein schickes Kunstmuseum für 33 Millionen Euro, in dem Kunstwerke gezeigt werden, deren Herkunft zumindest – einmal vorsichtig formuliert – zweifelhaft ist. Was steht dem auf der Sollseite entgegen? 33 Milliarden Euro Gesamtschuldenstand heute.
Was haben wir auf der Habenseite? Einen schicken Freizeitpark für 350 Millionen Euro, der, wenn wir ehrlich sind – das ist aus meiner Sicht das größte Problem – mit allem, was dazugehört, den lokalen Mittelstand vor Ort vernichtet,
sondern ich rede von Leuten, die dort vor Ort kleine Pensionen haben und sich über Jahrzehnte ihren Lebensunterhalt damit verdient haben. Dieser Mittelstand ist mit einem Großprojekt, das nichts anderem dient als dem Prestigestreben des Ministerpräsidenten, zum Beginn einer vermuteten Kanzlerschaft, auf dem Rücken der Bürger vernichtet worden.
Das ist das, was wir auf der Habenseite haben, so schlimm das ist. Wie gesagt, ich hoffe, dass es auch einen gewissen Ertragswert hat. Man kann sich heftig darüber streiten, wie hoch der Substanzwert des Nürburgrings ist, wie hoch sein Ertragswert ist. Ich sage jetzt einmal ganz offen und ehrlich, je höher der Ertragswert, umso besser. Auch das ist Landesvermögen. Perspektivisch zweistellige Millionenbeträge jedes Jahr in diese Investition zu pumpen, kann keine gute Wirtschaftsentwicklung für diese Region sein, wie gesagt, vor allem vor dem Hintergrund der Vernichtung von Arbeitsplätzen.
Insofern, was ist, wenn nicht dieses, eine gute Motivation, Sie im März 2011 dann in Pension zu schicken? Wenn ich zusammensummiere, was Sie in den nächsten zehn Jahren noch alles an Schulden machen wollen, dann ist die Perspektive ein Gesamtschuldenstand von 50 Milliarden Euro. Das kann kein Mensch in RheinlandPfalz wollen, auch wenn es Schulden sind, die für den Pensionsfonds gemacht werden. Es sind aber Schulden, für die Zinsen und Tilgungen aus dem Landeshaushalt gezahlt werden müssen.
Sie haben es ironisch angesprochen. Wenn Sie noch zehn Jahre weiter an der Macht blieben, wird der Wähler davor sein. Diese Perspektive motiviert. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich habe aber noch nicht die Hoffnung aufgegeben, dass Sie sich als Fraktionskollegen Ihrer Verantwortung als Abgeordnete in diesem Land bewusst werden und im Rahmen der Haushaltsberatungen die nötigen und wirklichen Schritte angehen, um die Neuverschuldung dieses Landes abzubauen. Die Chance ist nicht zu spät.
Es ist richtig, nach der Verfassung legt die Regierung den Haushalt vor. Nach der Verfassung ist es aber auch richtig, dass wir ihn zu beschließen haben.
Herr Mertin hat vorhin Dinge über die Verantwortung gesagt. Wenn Sie diesem Haushalt, so wie er vorgelegt worden ist, zustimmen, dann haben Sie nachher die Verantwortung dafür, dass wir nicht in eine Politik einsteigen, die Generationengerechtigkeit und wirtschaftlichen Sachverstand in den Blick nimmt.