Protocol of the Session on June 25, 2010

Meine Damen und Herren, ich meine aber nicht, dass die Anzeigebereitschaft der alleinige Grund für die gestiegene Kriminalität ist. Jedenfalls spricht der Vergleich mit dem Bund dagegen, da dort die Anzeigebereitschaft nicht wie in Rheinland-Pfalz gestiegen ist.

Schauen wir uns aber einmal einzelne problematische Deliktsbereiche näher an. Wir sehen zunächst, dass sich die Zahl der Sachbeschädigungen im öffentlichen Raum seit 2006 mehr als verdoppelt hat. Die Rohheitsdelikte haben um 1 % und die gefährlichen und schweren Körperverletzungen um 1,7 % zugenommen. Überhaupt hat – das ist eine bedenkliche Entwicklung – die Zahl der Körperverletzungsdelikte seit Einführung der polizeilichen Kriminalstatistik vor rund 39 Jahren kontinuierlich zugenommen. Erschreckend ist auch, dass immer mehr Rohheitsdelikte dieser Art im alkoholisierten Zustand begangen werden, insbesondere von jungen Menschen. Ich meine, in diesem Fall ist die Landesregierung gefordert gegenzusteuern.

Sie schreiben in Ihrem Bericht, dass das auf ein verändertes Werteverständnis in der Gesellschaft zurückzuführen wäre, dass diese Taten stärker geächtet würden und dies zu einer steigenden Anzeigebereitschaft führen würde. In diesem Fall wird das auch wieder mit einer stärkeren Anzeigebereitschaft begründet. Sind diese Zahlen möglicherweise nicht auch Ausdruck eines ge

nau entgegengesetzten Werteverständnisses? Sind sie nicht vielleicht eher Ausdruck eines allgemeinen gesellschaftlichen Trends zu einer gewissen Verrohung, insbesondere zu einer Verrohung des öffentlichen Raums? Wie gesagt, es ist bedauerlich, dass die Landesregierung in diesem Bericht nicht einige Dinge in Angriff genommen hat, damit wir dagegen etwas unternehmen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte noch etwas zum Thema „Politisch motivierte Gewalt“ sagen. Mein Kollege ist schon darauf eingegangen. Diesen Bereich betrachten wir meiner Meinung nach alle mit großer Sorge. Die politisch motivierte Gewalt nimmt bedauerlicherweise seit dem Jahr 2001 extrem zu. Dies gilt nicht nur für die rechtsextremistisch motivierten Taten, sondern das gilt selbstverständlich auch für die linksextremistischen Taten.

Die Zahl der als gewaltbereit eingestuften Linksextremisten ist im Zeitraum von 2008 auf 2009 geringfügig von rund 100 auf rund 120 linksextremistische gewaltbereite Personen angestiegen. Das rechtsextremistische Spektrum ist ein Stück weit gleich geblieben bei rund 125 gewaltbereiten Personen. Diese Entwicklung war schon intensiver Gegenstand von Diskussionen in diesem Haus. Über diesen Punkt haben wir uns schon mehrfach ausgetauscht. Ich meine, in diesem Bereich müssen wir insgesamt als Parlament gegensteuern. Es liegt ein Antrag vonseiten der CDU zum Extremismus in diesem Land vor, über den noch verhandelt wird. Zu diesem Antrag werden wir sicherlich auch noch einiges sagen. Er wird sicherlich bei nächster Gelegenheit diskutiert werden.

Es ist im Übrigen in diesem Zusammenhang erfreulich, dass sich auch die Innenministerkonferenz auf Initiative der Union darauf geeinigt hat, den Strafrahmen bei Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte von zwei Jahren auf drei Jahre zu erhöhen und auch den Einsatz von gefährlichen Werkzeugen härter zu bestrafen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich noch wenige Punkte zum Abschluss bringen. Wir mussten uns in den letzten Jahren auch intensiver mit einer gestiegenen Internetkriminalität beschäftigen. Betrügereien im Internet, insbesondere das sogenannte „Phishing“ von Kontozugangsdaten und viele andere Taten im Zusammenhang mit modernen Kommunikationsmitteln, nehmen bedauerlicherweise immer mehr zu.

So ist beispielsweise die Computerkriminalität von 2008 auf 2009 um rund 25 % gestiegen. Es ist interessant, dass diese Zahl nur in der Polizeilichen Kriminalstatistik verzeichnet ist und in Ihrem Bericht überhaupt nicht auftaucht. Offensichtlich ist das kein Thema. Ich denke, das ist ein großes Thema gerade für viele in der Bevölkerung. Doch auch hier können wir keine Strategie der Landesregierung erkennen, wie sie dieses Problem in den nächsten Jahren in den Griff bekommen will.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt viel zu tun. Es besteht überhaupt kein Grund, dass sich die Landesregierung auf der Aufklärungsquote, die sehr gut

und erfolgreich ist, ausruht. Das liegt an unseren hoch motivierten Polizeibeamtinnen und -beamten

(Ministerpräsident Beck: Jawohl!)

und nicht an dem geringfügigen Rückgang der Straftaten, die sich über den langen Zeitraum dramatisch entwickelt hatten und jetzt Gott sei Dank geringfügig zurückgehen. Was die Zahlen betrifft, so muss es doch unser Ziel sein, an die unionsregierten Südländer heranzukommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das geht am besten, wo die Union regiert. Hierzu haben die Wählerinnen und Wähler im nächsten Jahr hervorragende Chancen. Dazu fordere ich Sie auf.

Herzlichen Dank.

(Beifall der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf zunächst als Gäste auf der Zuschauertribüne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verbandsgemeinde Hahnstätten begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Mit besonderer Freude begrüße ich Mitglieder der Vereinigung ehemaliger Abgeordneter des Landtags von Sachsen-Anhalt. Herzlich willkommen im Landtag!

Ich freue mich, dass Sie von dem Kollegen Koggel, der Kollegin Neubauer und der Kollegin Radatz begleitet werden. Herzlich willkommen im Landtag an Ihrer alten Arbeitsstätte!

(Beifall im Hause)

Ich erteile Herrn Kollegen Auler von der FDP-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kriminalitätsbericht, der uns von der Landesregierung vorgelegt wurde, zeigt ganz eindeutig, dass Rheinland-Pfalz ein sicheres Land ist, wir zur Spitzengruppe gehören und uns im vorderen Drittel befinden.

Meine Vorredner haben schon vieles dazu gesagt. Deshalb habe ich mir zwei, drei Dinge herausgeholt, die zumindest in dem Maß noch nicht angesprochen wurden. Wir müssen bei der Polizeilichen Kriminalstatistik auch berücksichtigen, dass diese so oder so ausgelegt werden kann. Das ist bei jeder Statistik so. Nur der Bundesgesetzgeber kann etwas dafür; denn wir sprechen über ein Bundesstatistikgesetz.

Nehmen wir einmal die sogenannte Holkriminalität. Das sind zum Beispiel Rauschgiftdelikte; denn ein Rausch

gifttäter wird nicht auf die Idee kommen, sich selbst anzuzeigen. Wenn die Straftaten angestiegen sind, ist das ein Hinweis darauf, dass in aller Regel die Polizei ganz besonders motiviert und fleißig vorangegangen ist und die Ermittlungen aufgenommen hat. Diese Straftaten fließen auch in die Statistik mit ein.

Wir haben auch Bereiche – das betrifft ganz besonders die Aufklärungsquote –, bei denen der Täter direkt mitgeliefert wird. Das ist zum Beispiel in vielen Bereichen der Rauschgiftkriminalität, aber auch bei Verstößen und Straftaten gegen das Ausländergesetz der Fall. Es gibt noch eine Menge anderer Straftaten, bei denen der Täter mit feststeht und die Aufklärungsquote entsprechend nach oben geht.

Wir müssen berücksichtigen, dass die Aufklärungsquote keine Verurteiltenstatistik ist. Hier gibt es Riesenlöcher. Wir müssen in diesem Zusammenhang auch berücksichtigen, dass wir gerade im Bereich der Straßenkriminalität, aber auch in anderen Bereichen sehr niedrige Aufklärungsquoten haben, die aber durch die zuvor genannten Straftaten wieder ausgeglichen werden.

Wenn wir all dies sehen, was hier geleistet wurde – ich möchte noch einmal betonen, dass Rheinland-Pfalz ein relativ sicheres Land ist –, muss man sich manchmal fragen, wie die Polizei das heute noch schafft; denn wir wissen – ich glaube, dass man das auch seitens der Landesregierung ähnlich sieht –, dass man bei einem solch großen Behördenapparat, wie ihn die Polizei im Land darstellt, ständig evaluieren muss, ob noch alles richtig aufgestellt ist.

Daran habe ich langsam meine Zweifel. Wenn wir über den Apparat sprechen, müssen wir vielleicht einmal sehen, dass wir mehr Beamtinnen und Beamten von der Verwaltung weg auf der Straße einsetzen sollen. Ich denke, dass man sich darüber in der nächsten Legislaturperiode in den Ausschüssen einmal unterhalten muss.

Wenn man das Wort „Polizeiliche Kriminalstatistik“ hört, spricht man immer wieder von den Straftaten. Für die Polizei kommt auch noch der gesamte Bereich des Verkehrs, nämlich Verkehrsunfälle, Prävention usw., hinzu. An die Polizei werden ganz gewaltige Anforderungen gestellt, die sie aus Sicht der FDP-Fraktion mit Bravour erledigt. Dafür möchte ich der Polizei im Land Rheinland-Pfalz auch seitens der FDP-Fraktion unseren herzlichen Dank aussprechen.

(Beifall der FDP)

Wir wissen, dass die Polizei diese Aufgaben nur mit einer extrem hohen Motivation und sehr viel Fleiß bewältigen kann. Wir hoffen, dass wir diesbezüglich auch in Zukunft so gut aufgestellt sind. Wir hoffen, dass wir der Polizei, auch was den Bereich der Beförderung anbelangt – dieser ruft oft Unzufriedenheit hervor –, in Zukunft noch entsprechende Stellen zur Verfügung stellen können.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der FDP)

Für die Landesregierung hat Herr Staatssekretär Lewentz das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Hüttner, Herr Abgeordneter Auler, man hat in Ihren Darstellungen schon festgestellt, dass Sie diesen Bericht mit dem geschulten Auge eines Kriminologen gelesen haben. Ich möchte Ihnen herzlich für das Lob danken, das Sie der rheinland-pfälzischen Polizei ausgesprochen haben.

Herr Auler, wir sind im vorderen Drittel. Das ist richtig. Rheinland-Pfalz ist ein sicheres Land. Es stimmt absolut, dass die Polizei ihre Arbeit mit Bravour erledigt.

Sehr geehrter Herr Lammert, es steht mir nicht zu, sonst müsste ich Ihren letzten Satz mit dem Stichwort „Wahlkampf“ umschreiben. Wenn man über die Zeit vor 1991 spricht – das will ich gern tun –, dann gehört zu der Bilanz dazu, dass wir 1991 in diesem Land, als wir die Verantwortung übernommen haben, 8.700 Polizeibeamtinnen und -beamten vorgefunden haben. Heute sind es 9.500.

Sie wissen, dass wir damals das Gros unserer Polizeibeamtinnen und -beamten im mittleren Dienst hatten. Wir haben noch nie eine so gut ausgebildete und so gut bezahlte Polizei gehabt, wie wir sie heute haben. Das sind Leistungen, auf die wir sehr stolz sind.

Zu Ihren Aussagen zum Anzeigeverhalten der Bürgerinnen und Bürger möchte ich sagen, dass ich das, was Sie den Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzern in das Stammbuch schreiben, dass sie offenkundig ein schlechteres Anzeigeverhalten als Bürgerinnen und Bürger anderer Länder haben, stark in Zweifel ziehen will.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, natürlich ist ein solcher Bericht eine gute Gelegenheit, der Polizei zu danken und Lob auszusprechen. Dem will ich mich gern anschließen.

Wenn man die wesentlichen Botschaften dieses Berichts herausarbeitet – ich möchte insgesamt neun nennen –, will ich, auch wenn Sie, Herr Lammert, meinen, dies relativieren zu müssen, den Rückgang der Straftaten um 5,3 % noch einmal ganz bewusst oben anstellen. Im Bundesvergleich ist der Rückgang nur um 4 % zu kon- statieren.

Wir haben eine deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegende Aufklärungsquote. Das hat natürlich etwas mit der Leistungsfähigkeit und der Bereitschaft der einzelnen Polizeibeamtin und des einzelnen Polizeibeamten zu tun. Das hat aber auch etwas damit zu tun, dass wir im Land Rheinland-Pfalz insgesamt eine gute Polizeiorganisation haben.

Ich möchte drittens den weiteren Rückgang der Straftaten gegen das Leben nennen, die sich auf dem niedrigs

ten Stand seit Einführung der bundesweiten Polizeikriminalstatistik befinden.

Herr Lammert, Sie haben gesagt, wir sollen etwas weiter zurückgehen.

Das will ich gerne tun. Ich hoffe, das Jahr 1971 reicht Ihnen. Straftaten gegen das Leben bedeuten Mord, Totschlag, Tötung auf Verlangen und fahrlässige Tötung. 2006 162 dieser Fälle, 2007 144, 2008 und 2009 jeweils 131.

Sie haben mich gebeten, in der Zeit sehr weit zurückzugehen. 1971, zu Beginn dieser Statistik, waren es 250 Fälle.

(Zuruf des Abg. Lammert, CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, viertens möchte ich die Abnahme der besonders schwerwiegenden Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung wie Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und sexueller Missbrauch von Kindern nennen.