Protocol of the Session on June 24, 2010

Das gesamte Petitionswesen erfährt einen weiteren Bedeutungszuwachs – Petitionen werden über das Internet öffentlich zugänglich gemacht – und eine neue Dimension.

Die Bürgerinnen und Bürger können sich mit ihren unterstützenden Unterschriften oder Diskussionsbeiträgen aktiv einbringen. Denken wir hier zum Beispiel an das aktuelle Beispiel vom Deutschen Hebammenverband. Das Internet ist eine gute Möglichkeit, sich über das Netz leicht politisch zu engagieren.

Die politischen Effekte elektronischer Petitionen sind schwer zu bilanzieren. Feststellen lässt sich, dass Petitionen öffentlicher werden und somit gegebenenfalls auch politische Instanzen sensibler und aufmerksamer auf Bürgeranliegen reagieren.

Folgende Annahmen lassen sich formulieren: Eine höhere Zufriedenheit der Petenten, eine Verkürzung der Bearbeitungszeiten und eine Stimulierung des bürgerlichen Engagements insgesamt.

Die Gestaltungsoption und softwaretechnische Anforderungen sind zu erarbeiten, wobei auch bisherige Erfahrungen auf Bundesebene bzw. internationaler Ebene zu berücksichtigen sind.

Die politische Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern erfährt somit eine neue Dimension.

Die FDP-Fraktion stimmt dem Antrag zu.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP und des Abg. Hartloff, SPD)

Werte Kolleginnen und Kollegen, wir kommen zur Abstimmung. Wird Ausschussüberweisung gewünscht? – Es wird vorgeschlagen, den Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 15/4672 – an den Petitionsausschuss – federführend – sowie an den Rechtsausschuss zu überweisen.

Ich stelle fest, da gibt es eine breite Übereinstimmung. – Ist jemand dagegen? – Das ist nicht der Fall, dann ist es so beschlossen.

Wir kommen zu den Punkten 12 und 13 der Tagesordnung, die gemeinsam aufgerufen und beraten werden sollen:

Die Landwirtschaft als innovativen Wirtschaftssektor begreifen Antrag der Fraktion der FDP – Drucksache 15/4659 –

dazu: Änderungsantrag der Fraktion der CDU – Drucksache 15/4747 –

Agrarbericht 2010 Besprechung des Berichts der Landesregierung (Drucksache 15/4658, Vorlage 15/5170) gemäß Beschluss des Landtags vom 12. Oktober 1989 zu Drucksache 11/3099

Zur Antragbegründung hat Herr Abgeordneter Strutz von der FDP-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist gute Tradition, dass wir in diesem Hause den Agrarbericht besprechen, und ich glaube, dass wir gerade in diesem Jahr einen ganz besonderen Anlass haben, zu verdeutlichen, wie wichtig es ist, dass wir der Landwirtschaft in unserem Land einen neuen Stellenwert beimessen und wir es endlich schaffen – auch durch die heutige Debatte, wie ich hoffe –, deutlich zu machen, dass die vielen Familienbetriebe, die im Bereich der Landwirtschaft arbeiten und unsere Kulturlandschaft erhalten, mehr leisten als nur einen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt unseres Landes.

(Beifall der FDP)

Landwirtschaft und Weinbau leiden darunter, dass sie im großen Fokus eines Industrielandes immer hinter der Produktion von anderen Gütern, insbesondere von Kraftfahrzeugen, aber auch von chemischen Produkten, anstehen und dass sie sich leider immer im Windschatten der Vielzahl von Exportgütern in diesem Land befinden. Wenn Sie mit unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern sprechen, müssen wir sie selbst erst darauf aufmerksam machen, dass Landwirtschaft und Weinbau in diesem Segment eine wesentliche Rolle spielen.

Sie wissen, dass ich als Abteilungsleiter im Wirtschaftsministerium das Glück hatte, unsere mittelständischen Unternehmen auf die Märkte in aller Welt, insbesondere nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nach Mittel- und Osteuropa, zu begleiten. In vielen dieser Länder haben Landwirtschaft und Weinbau einen weitaus höheren Stellenwert als bei uns in Rheinland-Pfalz. Es sollte daher das gemeinsame Interesse aller Fraktionen sein, einen Beitrag dafür zu leisten, um uns diesem höheren Stellenwert, den die Landwirtschaft in vielen dieser Länder einnimmt, anzunähern.

In vielen dieser Länder ist die Bedeutung der Arbeitsplätze in der Landwirtschaft und im Weinbau höher als bei uns. Darüber hinaus besteht in diesen Ländern der Wunsch nach sicheren Lebensmitteln, nach einer hohen Qualität ihrer Produktion und nach einer Vielzahl von Möglichkeiten, eigene zu produzieren und in den Wett

bewerb mit anderen einzutreten. Ich freue mich daher, dass die beiden anderen Fraktionen signalisiert haben, dass wir über Einzelaspekte unseres Antrags im zuständigen Ausschuss sprechen werden, um ihn weiterzuentwickeln. Es ist ein wichtiges Signal, das wir aus diesem Hause erhalten, und es ist uns auch in der Vergangenheit gelungen, ein Signal in die Landwirtschafts- und Weinbaubetriebe hinein zu senden, das deutlich macht, dass der Anteil dessen, was diese Familienbetriebe für den Erhalt unserer Kulturlandschaft leisten, von uns wertgeschätzt wird.

(Beifall der FDP)

Jeden vierten Euro erlöst die Ernährungswirtschaft auf Auslandsmärkten. Die Landtechnikindustrie erwirtschaftet sogar drei von vier Euro im Ausland. Der Hinweis „Made in Germany“ steht nicht nur bei Autos und anderen Produkten für Innovation, Qualität und Sicherheit, sondern in vielen dieser Länder steht „Made in Germany“ auch für eine Produktion im Bereich von Landwirtschaft und Weinbau.

Sie wissen, dass wir mit Betrieben, die in diesem Land ansässig sind, gerade was die Kellereitechnik anbelangt, auf den Auslandsmärkten aktiv sind. Ich würde mir wünschen, dass das Land Rheinland-Pfalz dort, wo es auf diesen Märkten auftritt, noch stärker als in der Vergangenheit diesen Aspekt selbst ins Spiel bringen würde. Ich finde es toll, dass in dem Image-Film der Landesregierung „Wir machen’s einfach“ viele tolle Entwicklungen aus diesem Land präsentiert werden. Es ist toll, dass darin das Lkw-Werk in Wörth zu sehen ist.

Es ist toll, dass gut funktionierende Solaranlagen zu sehen sind. Es ist toll, dass dort auch Traubenernter zu sehen sind und das Thema „Wein“ eine Rolle spielt. Aber das Thema „Landwirtschaft“ werden Sie in dem gesamten Film von über fünf Minuten Länge nicht finden. Ich frage mich: Weshalb ist es nicht möglich, das Segment der Landwirtschaft als einen Bestandteil eines hohen technologischen Standards, den wir in diesem Land haben, zu präsentieren und gerade auf diesen Märkten als Marktchance einer Kooperation zwischen unseren mittelständischen Betrieben und den dort sich entwickelnden Strukturen aufzubauen?

(Beifall der FDP)

Vor diesem Hintergrund will ich es mir ersparen, erneut die teilweise dramatischen Zahlen zu nennen, die Sie aus dem Agrarbericht zur Kenntnis nehmen mussten. Ich möchte es lediglich an zwei oder drei Beispielen deutlich machen. Wenn im Wirtschaftsjahr 2007/2008 die landwirtschaftlichen Einkommen in Rheinland-Pfalz je Unternehmen im Durchschnitt um 18 % zurückgegangen sind, wenn ein Gewinnrückgang durch niedrigere Erlöse bei Getreide oder Zuckerrüben einerseits und durch steigende Kosten für Düngemittel andererseits zu verzeichnen ist, wenn die dramatische Entwicklung auf dem Milchsektor in Rheinland-Pfalz eine so große Rolle spielt und eine so hohe politische Bedeutung hat, glaube ich, ist es ein guter Weg, wenn wir gemeinsam versuchen, über unseren Antrag neue Marktchancen für diese Betriebe zu erschließen. In diesem Sinne freue ich mich auf die Diskussion im Ausschuss. Ich freue mich auch

über den Änderungsantrag der CDU, und ich würde es begrüßen, wenn wir gemeinsam im Ausschuss den Weg für eine gemeinsame Initiative auf diesem Sektor freimachen könnten.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der FDP und bei der CDU)

Das Wort hat nun Herr Abgeordneter Wehner von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst im Dezember letzten Jahres konnten wir die beiden Agrarberichte 2008 und 2009 besprechen. Dass wir nun, ein gutes halbes Jahr später, schon den Agrarbericht 2010 vorliegen haben und im Parlament zur Aussprache stellen, ist eine Diskussion zur richtigen Zeit, da gerade die jeweiligen Positionsbestimmungen zur neuen Förderperiode der Gemeinsamen Agrarpolitik stattfinden.

Es ist gut, wenn man sich den Status quo noch einmal genauer ansieht. Es ist schon des Öfteren in diesem Hohen Hause Thema gewesen, dass das Wirtschaftsjahr 2008/2009 ein besonders schwieriges Jahr für die Landwirtschaft gewesen ist. Die Finanz- und Wirtschaftskrise ist auch an den landwirtschaftlichen Betrieben nicht spurlos vorbeigegangen. Sie hat sie mit in den Strudel hinabgezogen, und dies mitten in einer Phase, in der die Landwirtschaft ohnehin seitens der EU starken strukturellen Reformprozessen unterworfen worden ist und in der sich die Betriebe verstärkt dem Wettbewerb auf dem Markt stellen sollen.

Der Gewinn – sprich: das Einkommen – der Haupterwerbsbetriebe im Betrachtungszeitraum hat um rund 18 % abgenommen. Herr Kollege Strutz hat soeben schon darauf hingewiesen. Mit einem Gewinn in Höhe von rund 45.814 Euro liegen die rheinland-pfälzischen Betriebe zwar über dem Bundesdurchschnitt, aber trotzdem ist es nicht ausreichend. Schaut man sich die unterschiedlichen Betriebsformen an, erhält man ein nicht einheitliches Bild.

Geringer nimmt sich der Gewinnrückgang mit 13,5 % beim Ackerbau aus. Herr Strutz hat bereits erklärt, dies liegt hauptsächlich an den niedrigeren Erlösen, die mit Zuckerrüben und Getreide erzielt worden sind, und gleichzeitig an den erhöhten Kostenstrukturen insbesondere bei den Düngemitteln.

Dramatisch hingegen war der Gewinneinbruch bei Milch- und Futterbaubetrieben. Der Rückgang um durchschnittlich fast 40 % hat viele Betriebe an den Rand der Existenz gebracht. Bedrohlich war aber auch die Liquiditätslage: Rechnungen müssen schließlich bezahlt werden. Der Sturzflug der Milchpreise – insbesondere aufgrund eines Nachfragerückgangs auf dem Weltmarkt – hat bei vielen Landwirtinnen und Landwirten Wut und Verzweiflung ausgelöst, und die Bilder der streikenden Bauern,

die ihre Milch wegschütten, sind uns wohl allen noch vor Augen. Die Politik hat versucht, dort zu helfen, wo Politik helfen kann. Es gab ein Konjunkturpaket der EU und Maßnahmen für den Milchsektor. Stichwortartig seien dabei die Vergünstigungen für den Agrardiesel, für die sich Herr Minister Hering in diesem Bereich für das Land Rheinland-Pfalz stark gemacht hat, das GrünlandMilchprogramm, das Liquiditätsprogramm und die Beratungsinitiative in Rheinland-Pfalz genannt.

Mit sozusagen einem blauen Auge davongekommen sind hingegen Gemischtbetriebe. Prozentual gesehen verzeichnen sie den geringsten Gewinnrückgang. Gerade wenn man mehrere Wertschöpfungsstufen auf dem Betrieb angesiedelt hat, konnten durch Gewinnzuwächse bei Veredelungsprozessen die Verluste in anderen Bereichen ausgeglichen werden.

Daraus erfolgt meines Erachtens, dass Spezialisierung nicht immer der einzig richtige Weg ist, sondern man mit dem Betrieb angepassten Diversifizierungen in der Erlösstruktur auch besser dastehen kann.

Dass die Ökobetriebe insgesamt glimpflicher durch das Wirtschaftsjahr 2008/2009 gekommen sind, ist unter dem Aspekt der meist guten Produktpreise erst einmal plausibel. Warum allerdings entgegen dem Bundestrend die Gewinnsituation der Ökobetriebe in Rheinland-Pfalz schlechter ist, sollte man meines Erachtens einmal genauer untersuchen.

Als Fazit bleibt festzuhalten, die Landwirtschaft wird sich weiter auf mehr Wettbewerb auf den Märkten einstellen müssen. Kurzfristige und stärkere Preisschwankungen werden zunehmen, wie es zum Beispiel beim Schweinemarkt schon länger der Fall ist.

Finanzielles Risikomanagement wird zum täglichen Brot werden. Politik hat dafür die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen.

In diesem Zusammenhang ist auch die hohe wirtschaftliche Bedeutung der Direktzahlungen für viele landwirtschaftliche Betriebe zu unterstreichen. Sie sorgen gerade in Krisenzeiten für eine Stabilisierung des Einkommens. Im Moment werden die Weichen für die Agrarpolitik nach 2013 gestellt bzw. vorbereitet. Ich habe es eben schon erwähnt. Uns muss bewusst sein – den Politikern, aber auch den in der Landwirtschaft Tätigen –, dass die pauschalen Transferzahlungen in der Bevölkerung eher kritisch gesehen werden.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden die Akzeptanz dafür nur erhalten können, wenn wir deutlich machen, dass die Direktzahlungen keine Almosen sind, sondern ein Ausgleich für die hohen Anforderungen, die an die Landwirtschaft in Bezug auf Qualität der Produkte und an Natur- und Umweltschutz gestellt werden, aber auch zum Beispiel für die Pflege der Landschaft.

Ob sie dann letztendlich noch an die Fläche gekoppelt sein muss, mag in dieser Frage hintanstehen. Ich fand die Ausführungen des Wissenschaftlichen Beirats jedenfalls zu den Direktzahlungen in dieser Hinsicht sehr

plausibel. Bei letztendlich knapper werdendem Flächenangebot werden sie einen durchlaufenden Posten darstellen. Ob sie dann noch ihren Zweck erfüllen, denke ich, muss man noch prüfen.

Ohne Zweifel ist die erste Säule notwendig und muss möglichst in voller Höhe erhalten bleiben. Ergänzend dazu sind Mittel aus der zweiten Säule gerade für benachteiligte Gebiete wichtig. Hier darf es im Zuge der GAP-Reform nicht zu einer Änderung der Gebietskulisse kommen. Das wäre für Rheinland-Pfalz zum Nachteil.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, seit mehreren Jahrzehnten befindet sich die Landwirtschaft im Strukturwandel. Der aktuelle Agrarbericht führt aus, dass sich alle 20 Jahre die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe um die Hälfte reduziert. Gleichzeitig nimmt die Flächenausstattung der Betriebe zu. Unsere Politik muss dafür sorgen, dass Betriebe, die wachsen wollen, auch wachsen können. Wir müssen unterstützen, dass die Wettbewerbsfähigkeit kontinuierlich gesteigert werden kann.