Protocol of the Session on May 27, 2010

Wenn wir von einer kommunalen Finanzreform sprechen, dann müssen wir dahin kommen – es ist aus meiner Sicht nicht anders zu finanzieren –, dass wir das Zuschusswesen in unserem Land, aber auch im Bund erheblich zurückfahren, dass man natürlich noch überregionale Projekte fördern kann, aber rein regional bezogene Projekte fördere ich besser nicht mehr, sondern ich mache das nach diesem Motto, dass ich sage, ich lasse den Kommunen vor Ort mehr Geld, dem Land bleibt gleichzeitig auch mehr, weil es weniger Zuschüsse zahlen muss, und die Ortsgemeinden und Städte haben mehr Geld zur Verfügung, können selbst sparen und entscheiden, wann sie welches Projekt mit welchen Mitteln bauen wollen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Dazu müssen wir uns doch nichts vorschreiben lassen, um Zuschüsse zu erlangen. Nur so können wir aus meiner Sicht die Einnahmensituation der Ortsgemeinden und Städte verbessern, aber auch gleichzeitig beim Land im Landeshaushalt Geld einsparen. Auch die Kreise und Verbandsgemeinden werden davon profitieren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das Wort hat Herr Staatsminister Karsten Kühl.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist viel geklagt worden über die Situation der

Kommunen. Wir wissen alle, sie ist nicht gut. Herr Hörter, aber so schlecht, wie Sie die rheinland-pfälzischen Kommunen reden, sind sie nicht. Das haben sie nicht verdient, ein solches Urteil über ihre kommunale Finanzsituation zu bekommen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Herr Hörter, Sie haben sich hier hergestellt und gesagt, die Verschuldungssituation sei in allen Flächenländern nur im Saarland schlechter als in Rheinland-Pfalz.

(Hörter, CDU: Pro Kopf der Einwohner!)

Pro Kopf pro Einwohner. Sie liegt im Saarland bei 5.403 Euro. Quelle Bertelsmann Stiftung vom März dieses Jahres, unabhängig. Die beziehen sich auf Daten des Statistischen Landesamtes. In Rheinland-Pfalz beträgt diese Zahl 3.674 Euro.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Ein kleiner Unterschied!)

Da müsste ja ein deutlicher Abstand zwischen dem ersten und dem zweiten sein. Das kann passieren, stimmt aber nicht. Da liegen ein paar dazwischen. Soll ich Ihnen einmal ein paar Prominente nennen?

Hessen: 4.034,

Nordrhein-Westfalen: 3.979.

(Zurufe von der CDU)

Lieber Herr Hörter, warum tun Sie das den rheinlandpfälzischen Kommunen an, dass Sie sie in der Öffentlichkeit als ausgabenfreudiger, als schlechter darstellen, als sie es in der Realität sind?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, eigentlich habe ich mir erhofft, von Ihnen Anregungen dafür zu holen, wie wir die kommunale Situation verbessern. Ich bin für das Land Rheinland-Pfalz in der Gemeindefinanzkommission. Dort überlegen wir, was zu tun ist. Was ist beim Bund zu tun? – Wir müssen natürlich die Einnahmensituation verbessern.

Herr Eymael hat versucht zu erklären, dass die Rückgänge, die Herr Lewentz genannt hat – 580 Millionen Euro für das Land und 220 Millionen Euro für die Kommunen –, auf die konjunkturelle Situation zurückzuführen seien, weil das Jahr 2008 das beste gewesen sei. Das hat aber überhaupt nichts mit Konjunktur zu tun. Durch die Konjunktur sind die Einnahmen noch viel weiter zurückgegangen. 580 Millionen Euro für das Land und 220 Millionen Euro für die Kommunen war einzig und allein der Rückgang, den die Kommunen und das Land erlitten haben, weil wir seit 2008 zwei Steuerreformen gemacht haben, die die Einnahmen auf diesen Gebietskörperschaftsebenen haben wegbrechen lassen.

Um es plastisch zu machen: Die Kommunen mussten dafür bezahlen, dass Hoteliers einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz haben, und dafür, dass Gegenfinanzierungen von Unternehmenssteuersenkungen in der Vergangenheit – Wandelkauf, Zinsschranke und Funktions

verlagerung – zurückgenommen worden sind, weil man das bei der Klientel abarbeiten musste. Auch das haben die rheinland-pfälzischen Kommunen nicht verdient, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD)

Deshalb ist die erste Schlussfolgerung klar, und das hat man inzwischen nach meinem Eindruck bei den Koalitionsfraktionen im Bund gelernt: keine weiteren Steuersenkungen.

Die zweite Lektion lautet, wir müssen unser kommunales Steuersystem weniger von der Konjunktur abhängig machen. Wir haben in der Krise gesehen, dass die Kommunen diejenigen waren, die am stärksten von diesem Einbruch betroffen waren. Dazu wurde in der Gemeindefinanzkommission ein Vorschlag vorgelegt, der nicht allzu neu war. Den hat Frau Birgit Breuel schon vor 20 Jahren ins Gespräch gebracht. Den Vorschlag kann man auch intellektuell diskutieren, aber trotzdem ist das kein Vorschlag, nämlich Wegfall der Gewerbesteuer und Kompensation durch ein kommunales Hebesatzrecht bei der Einkommensteuer, der den Kommunen in der jetzigen Zeit hilft.

Ich will Ihnen auch sagen, warum er den Kommunen nicht hilft. Er hilft ihnen aus zwei Gründen nicht. Dieser Vorschlag wird in der jetzigen prekären Finanzsituation nicht durchsetzbar sein, weil er zu massiven Verwerfungen zwischen den Kommunen führt und es große Gewinner und große Verlierer geben wird. Wenn es allen schlecht geht, können Sie nie eine Reform mit großen Gewinnern und großen Verlierern durchsetzen.

Darüber hinaus ist sie inhaltlich nicht sinnvoll. All diejenigen, die Kommunalpolitik betreiben, wissen, dass sich die Kommunalpolitik beispielsweise bei einer Gewerbeansiedlung, die nicht jedem Bürger, der sich zur Wohnbevölkerung zählt, angenehm ist, leichter tut, wenn man das Argument der Gewerbesteuer vorbringen kann. Es fällt leichter, für die Ausweisung von Gewerbegebieten Geld aufzuwenden, wenn man weiß, dass man eine Refinanzierung hat. Das hat auch etwas mit Interessenausgleich und Akzeptanz in einer Kommune zu tun. Wenn wir die Gewerbesteuer wegfallen lassen, fällt dieses Argument weg. Das Hebesatzrecht aus der Einkommensteuer kann das nicht substituieren. Deshalb sind wir der Auffassung und werben übrigens auch gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden dafür, dass wir die Gewerbesteuer nicht wegfallen lassen, sondern wir die Bemessungsgrundlage ein Stück weit verbreitern, die Sätze absenken und ihnen zur Konjunkturglättung einen kleinen Anteil mehr an der Mehrwertsteuer geben.

Ich bemühe mich im Moment, auch die CDUFinanzminister dafür zu gewinnen. Bei den CDUFinanzministern bin ich optimistischer als bei Ihnen, nach dem, was ich heute bei Ihnen herausgehört habe.

Wichtig ist aber, dass wir perspektivisch etwas auf der Ausgabenseite tun. Es ist mühsam, darüber zu streiten, ob man ein Konnexitätsprinzip einführen sollte oder ob man das sogenannte Aufgabenübertragungsverbot beibehalten sollte. Mir erscheint es ganz zentral, dass

wir den Kommunen eine Zusage geben – das hat nichts mit Konnexität, sondern nur mit einem fairen Ausgleich zu tun –, dass es dann, wenn sich ihre Ausgaben deutlich anders verhalten, nämlich deutlich überproportional zu den Einnahmen, die ihnen irgendwann einmal zugesprochen wurden, damit sie die Ausgaben finanzieren können – das gilt für die Jugendhilfe, die Eingliederungshilfe oder auch für die Kosten der Unterkunft –, einen Ausgleichsmechanismus gibt und man sagt: Dann bekommst du Einnahmen oder Kompensationen in entsprechender Art und Weise. –

Wir haben versucht, das mit dem Bund bei den Kosten der Unterkunft zu verhandeln. Das war nicht möglich. Das liegt immer noch im Vermittlungsausschuss. Deshalb haben die SPD-Länder den Bund aufgefordert, wenigstens eine vorübergehende Kompensation von 400 Millionen Euro – das ist nur ein Teil dessen, was den Kommunen bei den Kosten der Unterkunft fehlt – und ihnen eine Kompensation für die ausgefallenen Steuermittel aufgrund des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes von 1,6 Milliarden Euro zu geben. Diese Aufforderung blieb bisher ungehört.

Es lohnt sich aber, für den Ausgleichsmechanismus einzutreten. Wir tun das in der Gemeindefinanzkommission. Wir fanden es aber erstaunlich – SPD-Länder und CDU-Länder, aber ebenso die Kommunen –, dass der Bundesfinanzminister mit dem Bundeswirtschaftsminister und dem Bundesinnenminister in diese Kommission mit der Auffassung gegangen ist, dass man über Gemeindefinanzen reden kann, ohne das Thema „Soziallasten“ überhaupt zu berühren. Das fand ich bemerkenswert. Das wird so nicht durchgehen, aber ich vermute, da sie das von Anfang an nicht gewollt haben, werden sie sich an der Stelle auch nicht bewegen. Das ist aber der zentrale Punkt, an dem die Unterfinanzierung der Kommunen perspektivisch verändert werden muss.

Wir schielen nicht nur auf den Bund, sondern wir sagen auch, was wir im Land vorhaben. Die Dinge, die wir in der Vergangenheit getan haben und die wertvoll sind – Kommunen in anderen Ländern wären dafür dankbar –, wie Konnexitätsprinzip und Stabilisierungsfonds, behalten wir bei. Ich meine, wir können für die Landesregierung heute sagen, dass wir die Kommunen beim Haushalt 2011 nicht bei der Finanzausgleichsmasse beschneiden werden. Wir werden den Stabilisierungsfonds leben, sodass sie weiter steigende Einnahmen von 1 % haben werden. Wir wissen aber, dass wir auch darüber hinaus etwas tun müssen. Natürlich müssen wir mit den Kommunen darüber reden, wie wir ihnen in der schwierigen Situation der Liquiditätskredite, die kurzfristig angelegt sind und möglicherweise eine hohe Volatilität bei den Zinsen in der Zukunft haben werden, helfen können. Man weiß nicht, wie lange die momentan niedrigen Zinsen anhalten werden.

Auf der kommunalen Seite ist es aus den verschiedensten Gründen für die Kommunen schwieriger, diese Zinsbelastungen langfristig abzusichern, so wie das das Land oder der Bund können. Wir müssen darüber reden, ob man mit ihnen Zinssicherungsgeschäfte machen kann, die sie aus eigener Kraft und aus eigener Kreditfähigkeit heraus nicht abschließen können, wie bei

spielsweise Cap-Geschichten und Ähnliches. Im Übrigen sind das alles Zinssicherungsgeschäfte oder Zinsausfallrisiken, die auf gedeckte Papiere erfolgen. Sie sind nicht mit irgendwelchen ungedeckten oder nackten KreditSwaps oder Ähnlichem zu verwechseln.

(Baldauf, CDU: Er hat die „F.A.Z.“ von gestern gelesen!)

Meine Damen und Herren, wir müssen darüber hinaus überlegen, bis – ich sage einmal – der Bund bei den Soziallasten zur Vernunft gekommen ist, was wir in unserem kommunalen Finanzausgleichssystem tun können, um die Kommunen wenigstens ein Stück weit zu entlasten, die jetzt von Soziallasten besonders betroffen sind. Die Landesregierung wird parallel zum Landeshaushalt 2011 eine Änderung des kommunalen Finanzausgleichsgesetzes vorlegen, das genau an dieser Stelle eine Stärkung herbeiführen wird. Im Übrigen wird es im Ergebnis auch dazu führen – Herr Auler, Sie haben das meines Wissens gefordert –, dass man den Anteil der allgemeinen Zuweisungen gegenüber den zweckgebundenen Zuweisungen stärkt.

Ich sage aber und gebe zu, das kann nur ein Stück weit Reparatur und Hilfe sein. Die Ursache des Problems muss auf der Ebene des Bundes angegangen werden, indem wir dort einen Ausgleichsmechanismus bei belastenden Sozialgesetzen schaffen.

Der dritte Punkt ist – wir haben das im nächsten Jahr vor –, dass man über eine größere Reform des kommunalen Finanzausgleichs nachdenken muss. Dort muss man sich auch überlegen, wie man mit Kommunen umgeht – das sind die Kommunen, die die großen Soziallasten haben, nämlich die kreisfreien Städte –, die sehr hohe Liquiditätskredite oder Kassenkredite haben. Wir müssen da aber auch vorsichtig sein, weil eine Herangehensweise, die besagt, wer viel hat, wird 1 : 1 begünstigt, kann nicht richtig sein, weil wir wissen, im Leben gibt es Dinge, die man nicht verschuldet hat, und Dinge, die man selbst verschuldet hat. Da darf man keine falschen Anreize setzen. Deswegen muss das gut überlegt sein. Daher wollen wir das seriös im Zuge der Begutachtung einer größeren Reform des kommunalen Finanzausgleichs betrachten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Ja, mehr Geld vom Land wäre schön, wenn wir uns das leisten könnten. Als ich ins Amt gekommen bin, habe ich mir aber einmal angeschaut – ansonsten verfolgt man das nicht so –, wie oft die Landesregierung den Verbundsatz in den vergangenen 20 Jahren verändert hat. Das ist einmal nach oben geschehen. Da habe ich gedacht, es ist offenbar normal, dass der immer konstant bleibt. Dann habe ich einmal auf die 80er-Jahre geschaut. Da war das nicht normal. Da ist er mal so und mal so, aber meistens zulasten der Kommunen verändert worden.

(Licht, CDU: Haben Sie auch die Summen verglichen?)

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Die rheinland-pfälzischen Kommunen können sich auch in dieser

Zeit darauf verlassen, dass der Verbundsatz nicht nach unten korrigiert wird,

(Licht, CDU: Nennen Sie die Summen, nicht die Sätze!)

damit sich das Land zugunsten der Kommunen entschulden kann.

(Licht, CDU: Die Summen sind gestiegen damals!)

Lieber Herr Licht, die Summen sind gestiegen.

(Licht, CDU: Die Diskussionen haben wir mit Herrn Zuber geführt!)

Herr Licht, das habe ich schon einmal am Wochenende gelesen. Frau Klöckner hat irgendwie erzählt, dass in den ersten 20 Jahren irgendetwas nur ein Teilbetrag von dem war, was in den nächsten 40 Jahren passiert ist. Ich will Ihnen das einmal erklären.

(Licht, CDU: Sie brauchen mir das nicht zu erklären!)

Vor 40 Jahren hat ein Landtagsabgeordneter ein Xfaches von dem verdient, was ein Landtagsabgeordneter heute verdient. Warum wohl? Weil alles relativ ist und weil das etwas mit Dynamik und Entwicklung zu tun hat. Man kann also Vergleiche anstellen, die auf allen Füßen hinken. Das hilft aber bei der Versachlichung nicht weiter.