Protocol of the Session on April 29, 2010

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Krell von der SPDFraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau HuthHaage, Sie haben ein schönes Wunschszenario vorgestellt, das weit von den Realitäten entfernt ist. Grundsätzlich hat gegen Stipendien niemand etwas einzuwenden. Im Gegenteil, sie sind zu begrüßen. Zumindest erkenne ich das so bei der Landesregierung und auch bei der SPD-Landtagsfraktion. Insofern kann überhaupt keine Rede davon sein, dass sich die Landesregierung gegen eine verbesserte Förderung von Studierenden ausspricht oder, wie Sie das in einem Art VeronaFeldbusch-Deutsch formuliert haben, gegen mehr Förderung für Studierende. Das lässt sich aber aufklären. Keine Sorge, hier werden Sie geholfen.

Die grundsätzliche Frage, um die es geht, ist doch die, wie die Förderung für Studierende verbunden mit dem Bezug auf die beabsichtigten Ziele am zweckmäßigsten

und am wirksamsten ist. Dabei gehen die Vorstellungen von SPD und CDU sicherlich auseinander. Dies deshalb, weil die derzeitige Regierungspolitik der Bundesregierung – wenn man das überhaupt als Regieren bezeichnen kann – darauf abzielt, ein Stipendiensystem gegen das BAföG auszuspielen.

Wenn man das fragwürdige Verhalten von Frau Schavan sieht, kann man nur zu dem Schluss kommen, dass sie nach wie vor der Auffassung ist, dass das BAföG abgeschafft werden soll. Entsprechend erklärt sie Ende Oktober gegenüber dem „Handelsblatt“, dass es keine Pläne gebe, das BAföG erneut anzuheben, um dann einige Wochen später unter dem Druck der Debatte doch eine zaghafte Erhöhung um 2 % anzukündigen. Dies allerdings mit dem Ansinnen, das Stipendiensystem auf diesem Weg durchzusetzen. Auf den Online-Seiten der Tagesschau wurde sie deshalb als die scheinheilige Ministerin bezeichnet.

Das Stipendiensystem, so wie es von der Bundesregierung geplant ist, enthält einen grundlegend falschen Ansatz. Es weist zahlreiche Schwächen auf, die ich auflisten möchte:

1. Im Gegensatz zu Ihrer Meinung sind wir der Auffassung, dass die soziale Selektion im Bildungssystem dadurch massiv verschärft wird.

(Beifall der SPD)

Wir haben in Deutschland die traurige Tatsache zu beklagen, dass es im europäischen Vergleich kaum ein Land gibt, in dem der Zusammenhang von sozialer Herkunft und finanzieller Situation derart entscheidend ist für die Chancen in der Bildung wie bei uns. Diese Barriere müssen wir abbauen und nicht erhöhen.

(Beifall der SPD)

Das vorgesehene Stipendiensystem bedient aber vor allen Dingen diejenigen, die sowieso schon über genügend finanzielle Ressourcen verfügen. Daher verwundert es nicht, dass es gerade Stipendiatinnen und Stipendiaten sind, zum Beispiel von der Studienstiftung des deutschen Volkes, die auf diesen Zusammenhang aufmerksam machen und diese Pläne wegen der sozialen Schieflage ablehnen.

2. Das geplante Stipendiensystem ist ein Verwaltungsmonster. Das ist kein Begriff, den ich erfunden habe, sondern so stand es in der „WELT“ zu lesen. Es sind die Hochschulen, die 50 % der Stipendiensummen eintreiben müssen. Wie sollen sie das leisten können? Hinzu kommt, dass ein Drittel der eingeworbenen Summe für Verwaltungskosten verloren geht. Wer übernimmt diese Kosten?

Diese Problematik wird übrigens nicht nur seitens der SPD kritisiert, sondern findet sich in der bundesweiten Diskussion in den Medien wieder, denen noch niemand nachgesagt hat, sie stünden der SPD nahe. Lesen Sie in der „F.A.Z.“ vom 21. April nach und einen Tag später in der „WELT“.

3. Die Erwartungen, die an die Finanzierbarkeit des Stipendiensystems geknüpft sind, sind völlig unklar. Kann die Wirtschaft in Zeiten von Rezession überhaupt eine finanzielle Unterstützung geben, die notwendig wäre? Wie sieht es in den Ländern aus, die wirtschaftlich schwach ausgeprägt sind? Die massiven Eingriffe der Finanzen bei ausländischen Universitäten, wie beispielsweise bei Harvard, um eine der bekanntesten zu nennen, zeigen doch die Schwierigkeiten auf.

4. Ein solch unsicheres Stipendiensystem verunsichert junge Menschen in ihrer Motivation zu studieren. Dabei gibt es nach wie vor die Anforderung an das Bildungs- und Wissenschaftssystem, dass wir mehr Menschen mit akademischer Bildung brauchen. Dieser Anforderung müssen wir uns stellen, aber nicht, indem wir diese Lektion verschärfen, sondern indem wir die Zugangsbedingungen zu Wissenschaft und Studium erleichtern.

(Beifall der SPD)

Hierzu gehört ganz elementar eine deutliche Erhöhung des BAföG. Damit unterstützen wir nachdrücklich die Forderung der SPD auf der Bundesebene.

(Beifall der SPD)

Es ist auch absurd zu meinen, wir würden nicht in die Spitze, in die Exzellenz investieren wollen. Wenn Sie sich die Novellierung des Hochschulgesetzes ansehen,

(Glocke des Präsidenten)

wird das am Forschungskolleg sehr deutlich. Das, was Sie darstellen, ist also absurd.

(Glocke des Präsidenten)

Wir brauchen eine Stärkung des BAföG, und wir bleiben dabei, dass das Erststudium in Rheinland-Pfalz gebührenfrei bleibt. Wenn da noch Stipendien hinzukommen, soll das recht sein.

(Beifall der SPD)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Werner Kuhn von der FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Bildungsaufstieg junger Menschen darf nicht an finanziellen Hürden scheitern. Da sind wir uns alle einig.

(Beifall der FDP)

Die Vergabe der Stipendien im Rahmen des diskutierten nationalen Programms – ich zitiere – soll die erbrachten Leistungen, den persönlichen Werdegang, das gesellschaftliche Engagement, die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, berücksichtigen – meine Damen und Herren –, aber auch persönliche Umstände, die sich aus

der familiären Herkunft – Herr Dr. Krell – oder einem Migrationshintergrund ergeben.

Nennen Sie das Selektion? Wir sehen das nicht.

(Beifall der FDP)

Diese klare soziale Komponente – ich wusste, wie Sie reagieren – wird von den Gegnern und auch von Ihnen, Frau Ministerin, wohl auch bewusst ausgeklammert. 98,1 % der Studierenden in Deutschland haben keine Chance, ein Stipendium zu erhalten. Wir sind bei der Stipendienförderung Entwicklungsland. Politisches Ziel muss es sein, mittelfristig 10 % der Studierenden ein Stipendium zur Verfügung zu stellen, um mehr Bildungsgerechtigkeit zu erreichen.

(Beifall der FDP)

Dazu zählen vor allem Anreize, um ein Studium aufzunehmen. Dieses Stipendienprogramm geht auf diesem Weg in die richtige Richtung, zumal unterrepräsentierte Gruppen stärker einbezogen werden.

(Beifall der FDP)

Es ist richtig, dass das Stipendienprogramm die einzelnen Hochschulen bei der Vernetzung mit ihrem regionalen Umfeld unterstützt und bei der Entwicklung eines attraktiven Profils behilflich ist.

Meine Damen und Herren, in Nordrhein-Westfalen läuft das analoge Stipendienprogramm – wir wissen, woher das Modell kommt – erfolgreich an. Bis zum Wintersemester 2010/2011 sind insgesamt 2.600 Stipendien vergeben worden.

(Zuruf der Staatsministerin Frau Ahnen)

Auch die absolute Zahl ist einmal zu nennen. Das ist nur der Start. Das ist ein guter Start in Nordrhein-Westfalen.

Frau Ministerin, wenn Sie als Sprecherin der SPDgeführten Länder äußern, man könne das Geld nur „einmal ausgeben“, trifft es den Sachverhalt nicht.

Frau Ministerin, nicht jede Binsenweisheit ist auf jeden Sachverhalt zu transportieren.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es ist selbstverständlich möglich, ein Stipendienprogramm aufzulegen. Es ist aber möglich – dafür stehen wir auch –, die Bildungsausgaben dahin gehend zu erhöhen, dass auch das BAföG in der Zukunft – die 2 % reichen nach meiner Einschätzung auch nicht aus – erhöht wird. Das heißt, Sie treten eine falsche Debatte los.

Lassen Sie uns doch das eine tun und das andere nicht vernachlässigen. Das ist doch kein Widerspruch. Das sind doch zwei Seiten derselben Medaille.

(Beifall der FDP)

Frau Ministerin, unsere Bitte lautet: Springen Sie doch über Ihren Schatten und nutzen Sie das nationale Stipendienprogramm, damit ein durchaus nennenswerter Teil der Studierenden auch in Rheinland-Pfalz in den Genuss von Stipendien kommt!

(Beifall der FDP)

Nehmen Sie das Angebot an, zusätzliche Anreize für die Aufnahme eines Studiums zu schaffen. Das ist doch Ihr erklärtes Ziel, oder nicht?

Wir geben die Hoffnung nicht auf, dass Sie sich im Interesse der Studierenden in Rheinland-Pfalz an diesem Programm beteiligen werden.

(Beifall der FDP – Frau Kohnle-Gros, CDU: Sehr gut!)