Protocol of the Session on April 29, 2010

Das ist eine Zahl, von der viele von uns im Jahr 2009, als uns die Krise in ordentlicher Weise beschäftigt hat, nicht haben ausgehen können, dass uns diese Zahl zu diesem Zeitpunkt des Jahres so erreicht, insbesondere zu einem Zeitpunkt im Jahr, zu dem viele junge Menschen mit dem Abitur oder sonstigen Schulabschlüssen in die Erwerbslosigkeit, zumindest in die Statistik drängen, damit die Bezugsdauer des Kindergeldes für die

Eltern weiter erreicht wird. Das ist eine Zahl, die uns gemeinsam ein Stück weit froh machen sollte.

(Beifall der SPD)

Meine Damen und Herren, es ist unbestreitbar so, dass die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Rheinland-Pfalz eng mit der nationalen, aber auch internationalen Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen verbunden ist. Für die Aufrechterhaltung dieser Wettbewerbsfähigkeit rückt der Faktor Mensch – wie ich es einmal nennen möchte – immer weiter in den Vordergrund.

Bildung und Ausbildung sind daher die Grundlagen für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung unseres Landes. Gleichzeitig stellen sie für jeden Einzelnen die zentrale Voraussetzung für eine selbstbestimmte Teilhabe und Teilnahme am gesellschaftlichen Leben dar.

Es ist daher eine zentrale Aufgabe von Wirtschaft und Gesellschaft in Rheinland-Pfalz und darüber hinaus, jungen Menschen über Bildung und Ausbildung einen Weg in eine eigenständige Zukunft zeigen und ebnen zu können.

Wie war das im Jahr 2009? – Auch das war Bestandteil der Großen Anfrage der CDU-Fraktion. Da komme ich noch einmal auf meine Vorbemerkung zurück.

Die Erwartungen, die wir gemeinsam an die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und dem Ausbildungsmarkt im Krisenjahr 2009 hatten, waren doch einigermaßen pessimistisch. Ich glaube, das sagen zu dürfen. Aber es war doch so, dass sich die Situation letztendlich sehr viel besser dargestellt hat.

Wenn man sich anschaut, dass wir Ende Januar 2010 für Rheinland-Pfalz gerade noch einmal 328 junge Menschen hatten, denen noch kein Ausbildungsplatzangebot gemacht werden konnte, dann ist das, wenn man sich das in den vergangenen Jahren und vor dem Hintergrund der Krise anschaut, wie es sich hätte entwickeln können, eine Zahl, die uns nicht zufriedenstellen kann, aber zumindest deutlich macht, dass sich die allerschlimmsten Verwerfungen am Ausbildungsmarkt nicht abgezeichnet haben.

Es ist so, dass jeder dritte Jugendliche, der Ende September 2009 noch einen Ausbildungsplatz gesucht hat, etwa im Rahmen der Nachvermittlungsbörse „Chancengarantie“ von Wirtschaftskammern und Arbeitsagenturen, bis Ende Januar 2010 eine Ausbildung oder eine andere Qualifizierung vermittelt bekommen hat.

Insgesamt hat die Zahl der an der „Chancengarantie“ teilnehmenden jungen Leute in den letzten Jahren abgenommen.

Ich kann Ihnen eine eigene Erfahrung aus dem Jahr 2009 schildern. Ich hatte das Vergnügen, mit den Hauptgeschäftsführern der IHK und der Handwerkskammer Rheinhessen zu einem solchen Termin zusammenzukommen. Es war nun wirklich so – ich will das einmal so sagen –, dass die Zahl der anwesenden politi

schen Vertreter, Kammervertreter und Pressevertreter die der noch anwesenden suchenden jungen Menschen doch einigermaßen überschritten hat. Dadurch ist deutlich geworden, das allerdrängendste Problem am Ausbildungsmarkt scheint wohl hinter uns zu liegen.

Es war so, dass in Rheinland-Pfalz bis zum 30. September 2009 genau 28.851 Ausbildungsverträge abgeschlossen wurden. Das sind weniger als im Vorjahr, nämlich genau 6 %. Damit liegt Rheinland-Pfalz im Ländervergleich auf Platz 5. Geringere Rückgänge wiesen lediglich Bremen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und das Saarland auf. Der Bundesdurchschnitt bei den Rückgängen liegt bei 8,2 %. Wir waren also mit 6 % an der Stelle in einer guten Position.

Ich bin sehr froh, sagen zu können, dass dies vor allem deshalb gelungen ist, weil die Unternehmen sich ihrer Verantwortung gestellt haben und dieser Verantwortung wie auch schon in den Vorjahren gerecht geworden sind, wenn sie auch nicht wussten, wie sich die Auftragslage entwickelt und wie die Umsatzentwicklung im Unternehmen aussieht und sich deshalb fragen mussten: Können wir es uns wirklich leisten?

Viele sind dann doch zu ihrer Verpflichtung gestanden und haben über den tatsächlichen Bedarf, den sie unmittelbar gespürt haben, hinaus ausgebildet. Das ist eine Maßnahme, die für ein gewisses Ethos in unserer Unternehmerschaft spricht, insbesondere bei den kleineren und mittleren Unternehmen. Sie spricht auch dafür, dass viele tatsächlich die Zeichen der Zeit erkannt haben.

Ich will deutlich sagen, dass es uns mit 2.589 neuen Ausbildungsbetrieben – Sie können diese Zahl auch unserer Beantwortung der Großen Anfrage aus dem Bereich der Industrie- und Handelskammer und dem Bereich der Handwerkskammer entnehmen – gelungen ist, im Rahmen der Vereinbarung „Rheinland-Pfalz für Ausbildung“ die vereinbarten Zahlen eher noch überzuerfüllen.

(Beifall der SPD)

Ich will für das Ministerium für Landwirtschaft auch gern sagen, dass uns auch im Bereich der grünen Berufe eine gewisse Stabilität gelungen ist. Die Zahl der Ausbildungsbetriebe im Durchschnitt der letzten drei Jahre lag bei 1.100, das heißt, in den letzten fünf Jahren sind jährlich ca. 120 Ausbildungsbetriebe neu hinzugekommen oder neu anerkannt worden. Davon entfallen je 30 % auf die Berufe Landwirt und Winzer.

Meine Damen und Herren, es ist schon angesprochen worden, die Demografie schlägt inzwischen voll durch. Es ist jetzt schon jenseits der Sonntagsreden ein tatsächliches Problem, eine tatsächliche Herausforderung, mit der wir es zu tun haben. Ich habe diese Episode aus dem Tag der Chancengarantie schon genannt.

Es ist natürlich vordergründig erst einmal erfreulich, weil es zur Entspannung am Ausbildungsmarkt beigetragen hat, dass wir einen erheblichen Bewerberrückgang haben. Bis Ende September 2009 waren bei den Agenturen für Arbeit 13 % weniger Bewerberinnen und Bewerber gemeldet.

Aber es zeichnet sich natürlich ab, dass hinter dieser vordergründig frohen Botschaft schon die nächste große und zentrale Herausforderung in unserer Gesellschaft wartet.

Wie sieht es 2010 aus? Zum aktuellen Zeitpunkt sind natürlich noch keine abschließenden Feststellungen zur Entwicklung des Ausbildungsmarktes zu treffen. Die Großzahl der Ausbildungsverträge wird erst mit den kommenden Monaten und bis zum Sommer abgeschlossen.

Wir haben aber auch der heutigen Meldung der Regionaldirektionen der Bundesagentur entnehmen können, dass wir schon jetzt mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung haben und bei den Agenturen gemeldet bekommen als 2009. Schon heute wissen viele junge Menschen mehr als noch 2009 zu diesem Zeitpunkt, dass sie im Sommer eine Ausbildungsstelle erhalten werden.

Ich denke, das ist ein wichtiges, ein Mut machendes Signal. Es ist auch eine schöne Botschaft an diesem heutigen Tag.

(Beifall der SPD)

Ich habe über die vordergründig frohe Botschaft, dass uns eine gewisse Entlastung über die Demografie am Ausbildungsmarkt gelungen ist, gesprochen und will nun auch über die Herausforderung sprechen, die sich daraus ergibt; denn es zeichnet sich ab, dass uns ein punktueller Fachkräftemangel in den nächsten Jahren eigentlich heute schon intensiv beschäftigen wird.

Es ist dabei nicht ein konjunktureller Fachkräftemangel, sondern er ist strukturell, er hat etwas mit der Demografie zu tun.

Es ist deshalb umso wichtiger, dass sich unsere Unternehmen ihrer Verantwortung und der Chance, die sich daraus ergibt, bewusst sind, dass eine qualitativ hochwertige Ausbildung sowie die Sicherung der Weiterentwicklung der Qualifikationen der bereits existierenden Mitarbeiter über das gesamte Erwerbsleben hinweg die wesentlichen Herausforderungen der Zukunft darstellen.

Bereits heute berichten viele Unternehmen im Gespräch, dass es im Zuge der demografischen Entwicklung immer schwieriger wird, die vorhandenen Bewerberinnen und Bewerber auf dem Ausbildungsmarkt mit den unbesetzten Lehrstellen in Einklang zu bringen.

Ein weiteres Phänomen, das wir nicht erst seit 2009 zur Kenntnis nehmen können, ist die Frage der Berufswahlentscheidung selbst. Die Präferenzen und Berufswünsche der Jugendlichen zeigen deutlich, es gibt weiterhin eine Fixierung auf einige wenige Wunschberufe. Was man individuell überhaupt nicht verurteilen kann und auch nicht sollte, ist in der Gesamtschau eine gewisse Problematik.

63 % der Mädchen und 43 % der Jungen entscheiden sich immer noch für die zehn meistgenannten und beliebtesten Berufe. Auf der anderen Seite entfallen aber nur 35 % der gemeldeten Ausbildungsstellen auf diese zehn meistgenannten Berufe. Ich glaube, es ist jedem

klar, dass das zu einer gewissen Problematik führen muss.

Diese Fokussierung ist primär darin begründet, dass alternative Berufe häufig zu wenig bekannt sind und darüber hinaus das Image vieler Berufe negativ wahrgenommen wird.

Wir spüren das in unserem Verantwortungsbereich, insbesondere im Bereich der grünen Berufe. Das ist eine gewisse Herausforderung. Darum ist es klar, dass wir als Gesellschaft, Wirtschaft und Politik gemeinsam daran arbeiten müssen, dass berufliche Orientierung sowie die Imageverbesserung einzelner Berufe, aber auch des dualen Systems insgesamt eine hohe Bedeutung gewinnen.

In diesem Zusammenhang möchte ich gern den 6. Oktober 2009 nennen. Das war der Tag, an dem eine Rahmenvereinbarung zur beruflichen Orientierung unterzeichnet wurde, in der sich die Landesregierung gemeinsam mit den Partnern des ovalen Tisches des Ministerpräsidenten intensiv mit dem Thema „Berufswahlspektrum der jungen Menschen“ beschäftigt hat.

Ich bin sehr froh, dass seither viele Rückmeldungen von den Partnern kommen, die mir sagen, es war gut, dass wir das gemeinsam gemacht haben, weil es weit mehr als allgemeine Absichtserklärungen sind. Es sind sehr konkrete Schritte darin festgelegt, an denen wir uns entlanghangeln können. Es führt in der gemeinsamen Anstrengung zu einer tatsächlichen Verbesserung, was die Berufswahlorientierung vieler junger Menschen angeht.

Ich nenne als Beispiel den Praxistag an den Hauptschulen und Realschulen plus und an den Förderschulen. Ich nenne die „Schule-Wirtschaft“-Aktivitäten der Landesvereinigung der Unternehmerverbände, die auch von unserem Haus und der Regierung unterstützt werden. Ich nenne viele Einzelprojekte des Arbeits- und Sozialministeriums, der Bundesagentur im Bereich der vertieften Berufsorientierung. Ich könnte noch weitere Beispiele nehmen.

Meine Damen und Herren, ich bin froh, dass es hier im Haus Einigkeit darüber gibt, dass die Verantwortung für das Zurverfügungstellen von Ausbildungsplätzen auch weiterhin bei den Unternehmen selbst liegt. Es gibt viele gute Gründe, die dafür sprechen. Gleichwohl stellt sich diese Landesregierung der Verantwortung bei dieser wichtigen Aufgabe, Unterstützungsarbeit zu leisten.

Ein zentrales Instrument – es ist schon genannt worden – ist dabei der ovale Tisch des Ministerpräsidenten. Im Dialog aller Partner am Ausbildungsmarkt werden hier Maßnahmen entwickelt und aufeinander abgestimmt. Hierzu gehören die Förderprogramme, Projekte des Landes ebenso wie die Maßnahmen und Aktivitäten der Bundesagentur für Arbeit und der Kammerorganisationen.

Ich nenne als Beispiele das ISB-Ausbildungsplatzdarlehen, die Verbundförderung, die Förderung der Übernahme von Auszubildenden aus Insolvenzbetrieben etc.

Dreh- und Angelpunkt für all diese Aktivitäten am Ausbildungsmarkt ist die Vereinbarung „Rheinland-Pfalz für Ausbildung“. Für eine Laufzeit bis Ende 2010 haben in diesem Rahmen die Partner die gemeinsame Verantwortung für den Ausbildungsmarkt in Rheinland-Pfalz übernommen. Ich glaube, wir sind uns darüber einig, dass die Bilanz dieser Vereinbarung sehr positiv ausfällt.

Ich will auf die einzelnen Punkte, die wir in dieser Datensammlung zusammengetragen haben, natürlich nicht insgesamt eingehen, ich will aber auf die zentralen Herausforderungen zu sprechen kommen. Sie sind auch von den Beiträgen der Fraktionen in den Vordergrund gestellt worden.

Es kommt aufgrund des Rückgangs der Schülerzahlen vermehrt zu Problemen, Ausbildungsstellen zu besetzen. Das führt zu folgenden Überlegungen: Haben wirklich alle Berufsfelder das Image, das ihnen gebührt, oder muss noch nachgearbeitet werden?

Ich sehe, dass viele Unternehmen und auch die Organisationen an dieser Stelle sehr engagiert sind. Ich nenne beispielhaft die jüngst gestartete Imagekampagne des deutschen Handwerks.

Meine Damen und Herren, wenn man sich das anschaut in der Anmutung und wenn man sich auch anschaut, mit wie viel Geld auch die Kammerorganisationen bundesweit über ihre Mitgliedsbeiträge in die Medien gehen – 50 Millionen Euro insgesamt –, um eine Imageverbesserung vieler Handwerksberufe zu erreichen, dann muss uns das gemeinsam viel Respekt abverlangen.

Ich will auch deutlich sagen, dass das duale System an einer Stelle eine wirkliche Imageverbesserung braucht. Das ist die Frage der Durchlässigkeit. Noch immer ist bei vielen jungen Menschen der Weg in einen Ausbildungsberuf vermeintlich oder auch manchmal tatsächlich der Weg in eine berufliche Sackgasse. Meine Damen und Herren, ich glaube, diese Herausforderung ist erkannt worden. Sie wird auch offensiv angegangen.

Die Landesregierung trägt ihren Teil dazu bei, dass diese Frage der Durchlässigkeit ganz anders geregelt wird, als das in der Vergangenheit der Fall war. Denken Sie an all die Maßnahmen im Bereich der Schulpolitik und all die Maßnahmen, die wir im Bereich der Schnittstelle zwischen schulischer Ausbildung, der beruflichen Ausbildung und der Hochschulzugänge treffen.

Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sind uns gemeinsam der Herausforderungen bewusst. Sie können sehen – wir haben es Ihnen zusammengetragen –, dass die Aktivitäten der Landesregierung in allen Bereichen enorm dazu beigetragen haben, dass die Zahl der Ausbildungsplatzsuchenden sich auf den heutigen Stand reduziert hat, über den wir uns schon gemeinsam gefreut haben.

Wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass die Herausforderungen anders werden, aber nicht weniger problematisch, wenn Sie sich die Frage des demografischen Wandels und die Frage der Berufswahlorientierung anschauen.

Lassen Sie mich noch einen Satz zum Thema „Ausbildungsreife“ sagen. Auch ich höre diese Klagen von vielen Ausbildern und von vielen Meistern aus den Unternehmen, aber ich neige dazu, ihnen auch noch zuzuhören, wenn sie sagen: Ja, es gibt Probleme bei vielen Jugendlichen, die gerne eine Ausbildung absolvieren möchten, aber eigentlich war es früher auch nicht besser. Wir waren auch Schlawiner, haben Probleme gehabt und haben erst in der Ausbildung selbst die nötige Reife erreicht, und es ist aus uns etwas geworden.