Protocol of the Session on June 25, 2009

Wir kommen zu Punkt 15 der Tagesordnung:

…tes Landesgesetz zur Änderung des Schul- gesetzes (SchulG) Gesetzentwurf der Fraktion der CDU – Drucksache 15/3496 – Erste Beratung

Das Wort hat Frau Kollegin Dickes. Wir haben eine Grundredezeit von zehn Minuten vereinbart.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Herr Präsident! Ich möchte eines vorweg sagen: Ich freue mich über die Gesprächsbereitschaft, die sowohl die Landesregierung als auch die FDP bezüglich unseres Entwurfs signalisiert haben.

Ich begrüße die Ankündigung einer Anhörung zu diesem Thema. Zwar konnten mit dem Modell der entgeltlichen Lernmittelausleihe schon einige Erfahrungen in Niedersachen gesammelt werden, aber diese können wir in dieser Anhörung auch bewerten.

Wir stellen Ihnen heute einen Gesetzentwurf vor, mit dem wir alle Familien mit schulpflichtigen Kindern spürbar entlasten können, ohne dass wir dabei den Landeshaushalt belasten. Wir zahlen heute jährlich 13 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt, um damit 22 % der Schülerinnen und Schüler zu unterstützen; dennoch zahlen die meisten Familien mit geringem Einkommen doch noch einen großen Eigenanteil; denn wer nur ein oder zwei Kinder hat – das ist die Mehrheit der Familien –, bekommt nur 75 % der Pauschale, und die ist ohnehin schon tief angesetzt.

Die Familien, die die gesellschaftliche Mitte bilden, die hart arbeiten, um ihren Kindern bestmögliche Chancen zu eröffnen, erhalten bisher keinerlei Unterstützung. Dies ist übrigens in keinem anderen Bundesland der Fall. 78 % der Schülerinnen und Schüler in RheinlandPfalz erhalten keine Unterstützung.

Unser Gesetzentwurf entlastet alle Familien. Familien mit sehr geringem Einkommen werden sogar komplett entlastet und müssten gar nichts mehr zahlen. Alle anderen Familien haben auf freiwilliger Basis die Möglichkeit, zu einem Drittel des Ladenpreises Bücher auszuleihen. Das spart gleichzeitig zwei Drittel der Kosten.

Unser Gesetzentwurf ist keine Belastung für den Landeshaushalt. Das ist wichtig; denn wir können heute nicht immer weiter Schulden anhäufen, die unsere Kinder später abbezahlen müssen.

(Beifall der CDU)

Bei unserem Gesetzentwurf hat sich die Anschubfinanzierung bereits nach drei Jahren amortisiert. Das System trägt sich selbst. Langfristig entlastet es sogar.

Konkret möchten wir in drei Stufen ein Ausleihsystem für Schulbücher auf freiwilliger Basis einführen. Im ersten Jahr soll es für die Jahrgangsstufen 1 bis 6, im zweiten für die Stufen 7 bis 19 und ab dem dritten Jahr für alle Schüler bis zum 13. Schuljahr gelten.

Schülerinnen und Schüler haben dabei die Möglichkeit, Bücher für maximal ein Drittel des Ladenpreises zu entleihen. Legen sie einen Sozialausweis vor, entfällt die Leihgebühr. Bücher dürfen bis zu drei Mal verliehen werden. Das bedeutet natürlich, dass sie auch ordentlich behandelt werden müssen. Dadurch gewährleisten wir, dass die Lernmittel immer auf aktuellem Stand sind. Nach drei Jahren hat sich zudem der Anschaffungspreis amortisiert.

Die Durchführung der Ausleihe soll durch die Schulen organisiert werden. Ich weiß, dass hier der größte Kritikpunkt der Landesregierung ist. Ich möchte diesen gern entkräften.

Die Schulträger, die bisher das aufwendige Verfahren für die Lernmittelgutscheine bearbeitet haben, werden künftig von dieser Aufgabe entlastet. Stattdessen erhalten die Schulen ein ausreichendes Budget für die Organisation einer Lernmittelausleihe. Wir wollen dabei keinesfalls, dass Lehrerinnen und Lehrer diese Aufgabe übernehmen. Wir haben ohnehin schon wenig genug, sodass wir sie nicht mit noch mehr nicht pädagogischen Aufgaben belasten können.

Dies unterscheidet uns im Übrigen von dem bisherigen Vorgehen der Landesregierung, die den Schulen im Land ständig neue Aufgaben aufbürdet, ohne gleichzeitig Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Die Schulen können mit dem Budget selbstständig Personen mit der Durchführung der Ausleihe beschäftigen. Das ist kein bürokratischer Mehraufwand.

Die Lehrerinnen und Lehrer teilen lediglich, wie auch bisher, die Schulbuchlisten aus und nehmen sie anschließend mit Rückmeldung wieder in Empfang, gegebenenfalls unter Vorweisung eines Sozialausweises. Dieses System ist übrigens nicht neu. Es hat sich in Niedersachsen schon seit Jahren bewährt. Es funktioniert.

Auch das Saarland führt das System zum kommenden Schuljahr ein, und das nicht ohne Grund; denn dieses System ist gerecht, weil alle Familien von dieser Regelung profitieren und Familien mit geringem Einkommen sogar von sämtlichen Lernmittelkosten befreit sind.

(Beifall der CDU)

Damit trägt es dazu bei, den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg abzubauen. Es ist pädagogisch sinnvoll; denn durch die Begrenzung auf maximal drei Ausleihen sind die Bücher immer aktuell. Gleichzeitig werden Schüler zum sorgfältigen Umgang mit Büchern angehalten.

Es ist familienfreundlich; denn es mildert die finanzielle Belastung aller Familien und trägt damit zu mehr gesellschaftlicher Gerechtigkeit bei. Bei Schulwechsel oder Umzug mitten im Schuljahr müssen Eltern auch nicht noch einmal Schulbücher kaufen.

Es ist haushaltspolitisch nachhaltig, weil es sich selbst trägt und den Haushalt langfristig nicht belastet. Es ist praxisnah und unbürokratisch; denn die Antragsverfahren und deren Prüfung werden durch eine Organisation in den Schulen ersetzt.

Wir haben in der letzten Woche viel Post bekommen von Lehrern und von Eltern, die eine entgeltliche Lernmittelausleihe begrüßen würden.

Gerecht, pädagogisch sinnvoll, familienfreundlich, nachhaltig und praxisnah: Ich bitte auch Sie um Unterstützung für die Einführung einer entgeltlichen Lernmittelausleihe.

(Beifall der CDU)

Das Wort hat Frau Kollegin Brück.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Chancengleichheit in der Bildung für alle Kinder, unabhängig von ihrer Herkunft und unabhängig vom Geldbeutel der Eltern! – Dafür setzen wir Sozialdemokraten uns ein, und dafür arbeiten wir.

(Beifall der SPD)

Der Zugang zur Bildung muss für alle Kinder gleichermaßen offenstehen. Es darf keine finanzielle Frage sein. In Rheinland-Pfalz sind wir auf diesem Weg sehr weit vorangekommen und arbeiten jeden Tag dafür.

Ich darf einige Beispiele nennen. Wir sind das erste Bundesland mit beitragsfreier Kindertagesstätte. Wir bieten kostenfreie Sprachfördermaßnahmen an, um den Übergang von der Kindertagesstätte in die Grundschule zu verbessern. Wir haben das Ganztagsschulprogramm, bei dem derzeit rund 500 Ganztagsschulen für mehr als 60.000 Schülerinnen und Schüler kostenfreie Angebote ermöglichen, und das Programm wird weiter ausgebaut.

In Rheinland-Pfalz gibt es einen Sozialfonds für das Mittagessen in Schulen und Kindergärten, damit kein Kind aus Kostengründen vom gemeinsamen Essen ausgeschlossen bleibt. Im Rahmen der Schulstrukturre

form haben wir auch bei der Schülerbeförderung weitere Entlastungen für die Eltern erreicht. In Rheinland-Pfalz ist das Erststudium gebührenfrei. Wie wichtig das ist, zeigen die Ereignisse der vergangenen Tage.

Mit all diesen Maßnahmen werden in Rheinland-Pfalz Eltern in höchstem Maße entlastet. Rheinland-Pfalz ist ein familienfreundliches Land. Ein kostenfreier Bildungszugang ist durchgängig möglich, von der Kindertagesstätte bis zur Uni.

(Beifall der SPD)

Besonders wichtig ist mir, darauf hinzuweisen, der Zugang zu all diesen Bildungsmöglichkeiten ist nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig.

Die SPD-Fraktion ist selbstverständlich immer weiter bestrebt, Eltern von hohen Kosten zu entlasten. Unbestreitbar kommen auf Familien zu jedem Schuljahresbeginn Kosten in unterschiedlicher Höhe zu. Diese Belastung wollen wir so gering wie möglich halten.

Auf dem Weg dorthin ist schon viel geschehen. Erst im letzten Doppelhaushalt 2007/2008 ist auch bei der Lernmittelfreiheit das Budget und der Kreis der Anspruchsberechtigten um 50 % erhöht worden. Ca. 120.000 Schülerinnen und Schüler profitieren derzeit von den Lernmittelgutscheinen. Darüber hinaus entstehen den Eltern von Schülerinnen und Schülern in den Förderschulen und im Berufsvorbereitungsjahr – dies sind immerhin 20.000 Kinder – keine Kosten, da die Bücher zur Verfügung gestellt werden.

Nun legt uns die CDU einen Gesetzentwurf über eine entgeltliche Lernmittelfreiheit – so steht es darin – vor. Das Ansinnen, die Situation bei der Lernmittelfreiheit in Rheinland-Pfalz weiter auszubauen, ist an und für sich nicht zu kritisieren. Im Gegenteil, auch wir Sozialdemokraten arbeiten stets daran, unsere gute Position noch weiter auszubauen. Lernmittelfreiheit ist uns ein wichtiges Anliegen, und es kostet eine Menge Geld.

Aber, liebe CDU, Lernmittelfreiheit zu wollen und gleichzeitig zu sagen, kostenfrei ist das nicht möglich, wir verabschieden uns daher gleich ganz davon und führen eine entgeltliche Lernmittelfreiheit ein, ist allein schon vom Wort her ein Widerspruch in sich. Ich möchte nicht verschweigen, dass ich auch persönlich eine große Befürworterin der Lernmittelfreiheit bin. Ich wurde einmal gefragt, was ich als Erstes tun würde, wenn ich die alleinige Möglichkeit dazu hätte. Meine Antwort lautete: Lernmittelfreiheit für alle. – Ich denke, es gilt, dieses Ziel weiter anzustreben. Wie ich bereits gesagt habe, sind wir dabei schon ein gutes Stück des Weges vorangekommen.

Nun ist aber leider nicht alles, was wünschenswert ist, auch finanziell machbar. Wir haben die Landesregierung einmal gebeten, uns zu sagen, was die Erstbeschaffung der Bücher für ein Leihsystem kosten würde. Es sind rund 60 Millionen Euro, die für 600.000 Schülerinnen und Schüler aufgebracht werden müssten, 60 Millionen

Euro, die irgendwoher aus dem Landeshaushalt genommen werden müssten.

(Zuruf des Abg. Baldauf, CDU)

Wir haben in Rheinland-Pfalz die Prioritäten auf die beitragsfreie Kindertagesstätte, die Ganztagsschule und das gebührenfreie Erststudium gelegt. Darum werden wir in anderen Bundesländern beneidet. Ausbaufähig kann man unsere Regelung zur Lernmittelfreiheit sicher nennen, aber ich möchte noch einmal betonen, dass bei Schulbüchern und bei anderem Schulbedarf kein Kind in Rheinland-Pfalz einen Nachteil hat. Gerade, aber nicht ausschließlich die einkommenschwachen Familien stehen im Fokus der Unterstützung. Die Ausweitung des Kreises der Lernmittelgutscheinberechtigten ist ein wichtiger Schritt gewesen.

Ergänzend zu den Schulbuchgutscheinen darf ich noch die rheinland-pfälzische Initiative zum Schulbedarf nennen. Die Regelung zum Schulstart hätte es schon früher geben können, wenn die Initiative gleich im Bundesrat angenommen worden wäre. Aber es ist gut, dass dies nun über das Konjunkturpaket geschieht.

Wir legen in Rheinland-Pfalz besonderen Wert auf Transparenz und Elternbeteiligung. Deshalb ist es uns auch wichtig, darüber zu sprechen, wie es zur Entscheidung über die Nutzung verschiedener Lernmaterialien kommt. In den Schulen entscheiden die Schulbuchausschüsse darüber, welche Bücher angeschafft werden sollen, wie oft gewechselt wird etc. In diesen Ausschüssen sitzen auch Elternvertreter gleichberechtigt mit den Lehrkräften. Man kann nur immer wieder an die Elternvertreter appellieren, sich dafür einzusetzen, dass Bücher nicht unnötig oft gewechselt und nur solche Materialien angeschafft werden, die auch benutzt werden. Darauf haben Eltern große Einflussmöglichkeiten. Wie hoch die jeweiligen Kosten zum jeweiligen Schuljahresbeginn sind, ist von Schulart zu Schulart und von Schule zu Schule, von Klassenstufe zu Klassenstufe sehr unterschiedlich.

Vielerorts organisieren Eltern und Schulen Schulbuchbasare, um die Situation beim Neukauf der Bücher weiter zu entspannen. Außerdem ist es wichtig, dass Eltern auch ihren Einfluss geltend machen, um versteckte Kosten durch unnötige Ansprüche bei allgemeinen Arbeitsmitteln zu vermeiden. Ich meine beispielsweise die Stifte einer besonderen Sorte, den Farbkasten einer besonderen Marke oder andere Dinge. All die geforderten Arbeitsmittel, all diese Kleinigkeiten summieren sich am Ende und erreichen schnell Dimensionen, die denen der Bücherkosten gleichen.

Die CDU-Fraktion will mit ihrem Gesetzentwurf ein entgeltliches Leihsystem einführen. Dieser Ansatz ist im Grunde genommen nicht neu und wird in einigen Bundesländern praktiziert. Sie haben das Beispiel des Saarlandes genannt. Ich habe gehört, dass es dort im Moment große Kritik an der Umsetzung gibt.

Die Ausgangsbedingungen sind in den Bundesländern aber teilweise auch sehr unterschiedlich und nicht vergleichbar. Wir wollen diesen Gesetzentwurf im parlamentarischen Verfahren genau prüfen; denn viele Fra

gen bleiben unberücksichtigt, und auch hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen – beispielsweise der Anfangskosten oder der laufenden Kosten – kann man zu anderen Schlüssen kommen.

Einige Fragen möchte ich kurz skizzieren: